Über „fühlen“ und „mitnehmen“: Wie Politik und Medien durch Sprache die Wirklichkeit verschleiern

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Sprache ist verräterisch. Zwei Floskeln und Aussagen, die immer wieder auftauchen, wenn Politiker und Journalisten über diejenigen reden, die ihr Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben, fallen seit geraumer Zeit besonders auf. Wann immer Politiker und Medienvertreter davon sprechen, dass sich Menschen „abgehängt fühlen“ oder dass man sie „mitnehmen“ müsse, kommen zwei Formulierungen zum Ausdruck, die beispielhaft dokumentieren: Die herrschende Sprache wirkt oft harmlos, aber sie vermag es, ganze Diskurse zu sabotieren. Eine Analyse von Marcus Klöckner

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Wenn Politik und Medien den Versuch unternehmen, die soziale Realität jener Menschen in diesem Land zu erfassen, die den etablierten Parteien den Rücken zukehren, ist immer wieder Folgendes zu beobachten: Es dauert nicht lange, bis es heißt, in Deutschland gebe es Menschen, die sich abgehängt, benachteiligt, an den Rand gedrängt fühlen. Schnell heißt es dann auch, man müsse diese Menschen mitnehmen.

Diese Formulierungen sind ein Musterbeispiel dafür, wie Politiker und Journalisten nicht nur Sprache nutzen, um die Realität zu verschleiern, sie zeigen auch auf, wie man Diskurse sabotiert, Menschen abwertet und ihre Positionen und Anliegen auf subtile Weise delegitimiert.

Zunächst das Offensichtliche: Menschen, die von Transferleistungen leben, fühlen sich nicht abgehängt – sie sind abgehängt. Kinder, die in einem Hartz-IV-Haushalt leben, fühlen sich nicht benachteiligt – sie sind benachteiligt. Menschen, die für einen Mindestlohn arbeiten, fühlen sich nicht an den Rand gedrängt – sie sind es.

Zu diesen simplen Tatsachen gibt es keine Diskussionen zu führen. Wenn ein Haus brennt und die Feuerwehr am Brandort ankommt, diskutieren die Feuerwehrleute auch nicht erst einmal stundenlang darüber, dass hier Menschen sind, die das Gefühl haben, ein Haus brenne. Das wäre absurd. Doch in der Realität versuchen Vertreter des politischen und journalistischen Feldes immer wieder die Realität hinter Nebelkerzen zu verbergen, indem sie wider besseren Wissens die soziale Wirklichkeit durch ein Gefühl ersetzt haben – und Gefühle, wie man weiß, sind nun mal oft etwas mit wenig Substanz. Ein Reicher mag sich arm, ein Gesunder krank, ein Starker schwach fühlen. Gefühle können der Realität entsprechen – sie müssen es aber nicht.

Wer trotz der Tatsache, dass in Deutschland real Menschen abgehängt, benachteiligt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, nur davon spricht, dass diese Menschen so ein „Gefühl“ haben, beschönigt nicht nur die soziale Realität, er verfälscht sie auch. Unterschwellig wird die Botschaft vermittelt: Das einzige Problem, das faktisch existiert, besteht darin, dass diese Menschen ihren Gefühlshaushalt nicht im Griff haben.
Das Schlimme: Diese Methoden praktizieren alle. Führende Politiker, hoch reputierte Journalisten, TV-Moderatoren. Unzählige Male kam und kommt zum Vorschein, dass bereits in der verwendeten Sprache die soziale Wirklichkeit falsch erfasst und damit nicht einmal die faktisch existierenden sozialen Verwerfungen anerkannt werden. Einen Tag nach der Bundestagswahl, um ein einfaches Beispiel anzuführen, brachte die ZDF-heute-Sendung einen knappen Beitrag über einen kleinen Ort in Sachsen. Name: Dorfchemnitz. In dem Beitrag heißt es: „In Dorfchemnitz wählten sogar gut 47 Prozent die AfD. Zu hören ist, von der Politik fühlten sich viele Bürger im Stich gelassen.“ Anschließend folgt ein kurzes Statement vom Bürgermeister, der hilflos darauf verweist, dass die Infrastruktur bei ihm im Ort nicht einmal ein „ordentliches Internet“ ermögliche.

Frage: Wäre es an dieser Stelle nicht angebracht, das zu tun, was Qualitätsmedien sich auf die Fahnen schreiben? „Sagen, was ist“ – das ist, mindestens, der Anspruch, den Sender wie das ZDF für sich erheben. Die Realität aber ist: Der gelieferte Journalismus scheitert oftmals bei der einfachen Beschreibung der Wirklichkeit. Ist es etwa für einen Reporter, der in eine Region fährt, in der es nicht einmal ein ordentliches Internet gibt, zu viel verlangt, zu recherchieren und gegebenenfalls, wenn es die Daten hergeben, in seinem Beitrag zu sagen: Hier in Dorfchemnitz hat die Politik die Bürger im Stich gelassen. Oder wäre diese Feststellung in einem nachrichtlichen Beitrag in dem hier vorhandenen Kontext bereits ein Zuviel an ‚Parteilichkeit‘? Wohl kaum.

Ein weiteres Beispiel: Hart aber Fair am 25. September gegen 21:40 Uhr. Thema: „Die gerupfte Kanzlerin – wie reagieren nach dem Debakel der Volksparteien“. Der Moderator Frank Plasberg sagt: „Wie groß ist diese Gefahr, dass die große Koalition wieder von denen, die jetzt grölen…nicht grölen, sondern wählen und sich abgehängt fühlen – über die Gröler reden wir gleich noch – , dass die sagen: Schon wieder so ein Eliten-Ding da, schon wieder bin ich nicht dabei.“

Es lohnt sich, diese Aussage, die durch die Gedankensprünge des Moderators etwas fragmentiert sind, genauer zu betrachten. Das Offensichtliche: Wieder ist nur davon die Rede, dass Menschen sich abgehängt fühlen. Die Realität einer Gesellschaft, in der Menschen tatsächlich abgehängt sind, werden in diesem Moment sprachlich weder sichtbar gemacht noch anerkannt. Doch die Aussagen gehen weit über diese sprachliche Verdeckung der Realität durch die Verwendung des Begriffs „fühlen“ hinaus. In diesen wenigen Gedanken kommt in verdichteter Form geradezu mustergültig zum Vorschein, wie Medien das Aufbegehren der Bürger abwerten.

Alleine schon die Verwendung des Begriffs „grölen“ delegitimiert das Anliegen derer, die auf der Straße ihren Protest auch durch lautstarke Äußerungen zum Ausdruck bringen. Wer grölt, so der Subtext, der hat sein Recht, ernstgenommen zu werden, von vorneherein verwirkt (eine Situation, die man geradezu als pervers bezeichnen kann, wenn man sich vor Augen führt, dass viele Bürger, die unter den politischen Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen leiden, auch dann kein Gehör finden, wenn sie nicht grölen). Auch wenn Plasberg sich hier selbst korrigiert, um Differenzierung „bemüht“ ist, so ist durch den Begriff „grölen“ die Referenz hin zu denen gesetzt, die in den Augen vieler Eliten aufgrund ihres Auftretens in der Sache nicht ernstzunehmen und nur als Schmuddelkinder zu betrachten sind.

Noch interessanter aber ist die Kernaussage, die Plasberg an dieser Stelle macht. Der Moderator richtet den Fokus darauf, dass Menschen im Hinblick auf eine neue Regierungskoalition den Eindruck bekommen könnten, ihre Interessen würden wieder keine Berücksichtigung finden. Hierbei ist entscheidend, wie der Moderator diesen Gedanken ausformuliert. „Schon wieder so ein Eliten-Ding da, schon wieder bin ich nicht dabei.“

Warum diese Art der Formulierung? Plasberg hat sozusagen dem Volk ‘aufs Maul’ geschaut und greift das Anliegen von Bürgern auf, indem er sich ihrer (vermeintlichen) flapsigen Umgangssprache („Eliten-Ding“, „schon wieder bin ich nicht dabei“) bedient. Durch die hier veranschlagte Sprache, die weit weg von jener geschliffen akademischen Ausdrucksweise ist, wie sie in einer Polit-Talkshow zu finden ist, lässt sich ein impliziter Verweis auf den niedrigen Bildungsgrad, über den einige „Abgehängte“ verfügen, freilegen – ein Verweis, der viele negative Assoziationen und Konnotationen mitschwingen lässt, wie etwa die, dass der geringe Bildungsgrad zugleich nicht dazu befähigt, die Komplexität der sozialen Wirklichkeit präzise zu erkennen, um eine fundierte Kritik zu veranschlagen. Doch abgesehen davon, dass längst nicht alle, die ‘abgehängt‘ sind, ihre Staatskritik auf diese saloppe Weise formulieren: Deutlich wird, dass hier an dieser Stelle nicht ansatzweise die Bereitschaft vonseiten des Moderators besteht, den ‘einfachen Ausdruck’ des ‘Mannes von der Straße’ sprachlich aufzuwerten, um ihm so dabei zu helfen, in geschliffener Form sein Anliegen vor denen vorzutragen, gegen die sein Protest gerichtet ist. Die in ihrer einfachen Art zu undifferenzierten Aussagen bilden geradezu eine Steilvorlage für die anderen Teilnehmer.

Die Formulierungen „Eliten-Ding“ und „schon wieder bin ich nicht dabei“, die Plasberg genau genommen den Kritikern in den Mund legt, werten deren Anliegen ab. Im Kontext des eher bildungsbürgerlichen Rahmens der Sendung (die Teilnehmer der Talkshow kann man an diesem Abend alle zur Bildungselite zählen) wirken die Formulierungen lächerlich und ohne Substanz, allenfalls aus Höflichkeit schenken ihnen die Gäste der Talkrunde Beachtung. Was soll man schon auch ernsthaft zu einem „Eliten-Ding“ sagen? Und wenn erwachsene Menschen, Staatsbürger, wie ein kleines nörgelndes Kind sagen: „Schon wieder bin ich nicht dabei“, dann bleibt einem auch nicht mehr viel übrig als zu anzumerken: Werdet eben erwachsen und seid dann mit dabei.

So dechiffriert, kommt ein Missstand in den Medien zum Vorschein, der immer wieder zu beobachten ist: Auf eine geradezu paradoxe Weise gelingt es Journalisten, über Probleme zu reden, ohne über die Probleme tatsächlich zu reden. Nun legt Plasberg schon den Fokus auf diejenigen, die großen Unmut gegenüber der vorherrschenden Politik haben, aber er bedient sich dabei einer Sprache voller Implikationen, die die saubere journalistische Erfassung der Probleme nicht ermöglicht. Dieser Gedanke zeigt sich noch an einer weiteren Stelle, allerdings muss man genau schauen.

Führen wir dazu die Aussage noch einmal an: „Wie groß ist diese Gefahr, dass die große Koalition wieder von denen, die jetzt grölen…nicht grölen, sondern wählen und sich abgehängt fühlen – über die Gröler reden wir gleich noch – , dass die sagen: Schon wieder so ein Eliten-Ding da, schon wieder bin ich nicht dabei.“

Zunächst: Wir haben es hier mit einer Frage zu tun. Das journalistische Erkenntnisinteresse des Hart-aber-Fair-Moderators besteht darin, von seinen Gästen zu erfahren, wie groß die Gefahr ist, dass diejenigen, die sich „abgehängt fühlen“, sagen könnten: Wir werden von der neuen Regierung wieder nicht beachtet!

Jetzt der genaue Blick: Plasberg geht es also nicht darum, die anwesenden Vertreter der Politik mit der Realität zu konfrontieren und ihnen zu sagen, dass eine neue Regierung aller Voraussicht nach faktisch wieder nicht die Interessen der armen und ärmeren Menschen in diesem Land vertreten wird – einer Ebene, auf der sich dann wunderbar mit Fakten argumentieren ließe.

Ihm geht es darum, dass Menschen, die sich nur abgehängt fühlen (lediglich), sagen (behaupten), die neue Regierung könnte wieder kein Herz für ihre Anliegen haben. Und sagen lässt sich bekanntlich viel.

Klar wird: Bei solch einer sprachlichen und gedanklichen Rahmung haben die Bürger, die sich gegen die real existierenden politischen Verfehlungen wehren, nicht den Hauch einer Chance auf ernstes Gehör.

Der Soziologe Herbert Marcuse formulierte im Hinblick auf die „herrschende Sprache“ folgende Zeilen: „Diese Sprache definiert und verdammt den Feind nicht nur, sie erzeugt ihn auch; und dieses Erzeugnis stellt nicht den Feind dar, wie er wirklich ist, sondern vielmehr, wie er sein muss, um seine Funktion für das Establishment zu erfüllen.“

Diese Aussagen lassen sich auf die hier beschriebene Problematik übertragen. Protestierenden wird abgesprochen, dass sie faktisch „abgehängt“ sind, das Augenmerk richtet sich auf „Grölende“ und man hebt dann auch noch eine Sprache aus ihren Reihen hervor, mit der sich das legitime Anliegen ins Lächerliche ziehen lässt.

Kurz um: Da steht er dann also, der Bürger, der aufbegehrt und der endlich so ist, wie ihn sich ‘das Establishment“ vorstellt, um ihn zu bekämpfen. Um die Kritik an dieser Stelle abzukürzen, blicken wir auf das Offensichtliche: Von „gefühlten Zuständen“ zu reden, ist gefällig. Man kommt damit den politischen Weichenstellern entgegen und läuft nicht Gefahr, sich mit den Herausforderungen konfrontiert zu sehen, die zwangsläufig auf einen warten, wenn man „sagt, was ist“.

Doch nicht nur die ‘Verwandlung’ der Wirklichkeit in eine gefühlte Wirklichkeit verrät, wie durch Sprache gegen die Verlierer in diesem Land vorgegangen wird. Immer wieder ist zu hören, man müsse die Menschen mitnehmen. Vordergründig klingt die Formulierung vernünftig, vielleicht sogar lobenswert, aber vor allem: harmlos. Schließlich: Was soll schon verkehrt daran sein, wenn man ausdrücken möchte, dass man Menschen eben nicht „zurücklassen“ will?

Es liegt in der Natur der Herrschaftssprache, dass sie sich oft wenig verdächtig und unbedenklich zeigt. Vorsicht ist angebracht. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Formulierung „mitnehmen“ in dem hier diskutierten Kontext als ein Ausdruck, der es geschickt vermag, das politische Interesse der Armen zu untergraben. Angelegt in der Formulierung ist, dass den Menschen, die unter jener Politik leiden, die sich gegen sie stellt, der Status als vollwertige, ernstzunehmende politische Subjekte abgesprochen wird.

„Mitnehmen“ muss man Kinder, die auf ihren Schulbus warten. Erwachsene, mündige Bürger, denen unter anderem aufgrund schwerwiegender politischer Fehlentscheidungen, die explizit gegen sie gerichtet waren und sind, nur die Option auf das Leben in der Prekarität bleibt, müssen nicht wie kleine unmündige Kinder „mitgenommen“ werden. Es gilt eine Politik zu veranschlagen, die es vermag, die strukturellen und systemimmanenten Auslöser, die dazu führen, dass Menschen in diesem Land real ausgegrenzt sind, zu beseitigen.

Merken Sie den Unterschied im Ausdruck? Während die Formel vom „Mitnehmen“ verniedlicht, rückt der sich anschließende Satz die Ursachen der sozialen Missstände in den Vordergrund. Doch die Ebene sichtbar zu machen, auf der konkrete politische Handlungen erfolgen müssten, um den Armen und Abgehängten wirklich zu helfen, scheuen Politiker und Journalisten oft so wie der Teufel das Weihwasser.

Was wir hier erleben können, ist eine brutale Form sprachlicher Herrschaft, die sich vor unseren Augen in der Ausdrucksweise entfaltet, die jeden Tag durch die Medien an unser Ohr drängt. Die scheinbar harmlose, gut gemeinte Formulierung vom „Mitnehmen“, zeigt ihre volle Wirkung auf der konnotativen Ebene, von der aus unterschwellig Bilder in die Köpfe der Rezipienten gelangen, die darauf setzen, die Wahrnehmung zu manipulieren.

Wir reden von Kinderarmut, von Altersarmut, von jungen Menschen, deren Träume sich allenfalls im Leben der bürgerlichen Mitte realisieren. Hier geht es nicht darum, dass Menschen zu spät an der Haltestelle angekommen sind und nun ein beherzter Busfahrer großzügigerweise und ausnahmsweise noch einmal zurückfährt, um ihnen – jetzt aber schnell – , doch nochmal die Möglichkeit bietet, an ihren Zielort zu kommen. Die Formulierung vom „Mitnehmen“ impliziert also gar, dass hier möglicherweise ein eigenes Verschulden vorliegt (im Übrigen ein tief in die neoliberale Ideologie eingewobener Gedanke: Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer es eben im Leben zu nichts bringt, ist selbst schuld).

Festzustellen ist: Journalisten, die allesamt über die entsprechenden akademischen Hintergründe verfügen, um die Sprache der Herrschaft zu dekonstruieren und zu entlarven, übernehmen diese Sprache und verbreiten sie mit (man denke nur an all die neoliberalen Wortschöpfungen und Formeln, die Medien hoch und runter beten, wie etwa „Verschlankung“, „Rettungsschirm“, „Eigeninitiative“ usw.). Die Gründe für diese Neigung, die Sprache der Herrschaft zu fördern anstatt sie in ihre manipulativen Bestandteile zu zerlegen, sind vielfältig. Sie reichen von der Ignoranz, überhaupt daran zu denken, dass mit Sprache auch in Demokratien Macht und Herrschaft ausgeübt werden, über – ganz ohne böse Absicht – simple Nachlässigkeit, bis hin zu der Tatsache, dass es, wie es der französische Soziologe Pierre Bourdieu ausgedrückt hat, eine „implizite Komplizenschaft“ zwischen Vertretern des journalistischen Feldes und den Herrschenden gibt.

Doch darum geht es an dieser Stelle nicht. Diese kleine Auseinandersetzung zum Gebrauch der Formulierungen „gefühlt“ und „mitnehmen“ soll nur eine alte Erkenntnis verdeutlichen: Wenn die herrschende Sprache es vermag, sich in den öffentlichen Diskurs einzuschleichen, ohne dass sie von Journalisten entsprechend markiert wird, werden zentrale gesellschaftliche Diskurse so sabotiert, dass sie zu Gunsten der Herrschenden geführt werden.

Schiefe, verzerrende und teilweise völlig falsche Vorstellungsbilder entstehen, über die dann die Diskursinhalte wahrgenommen werden. Bilder sind zu identifizieren, die die Realität bis zur Unkenntlichkeit verleugnen. Eine Gesellschaft kommt zum Vorschein, in der der öffentliche Diskurs nicht mehr zum Abbild, sondern nur noch zu einem Zerrbild der Realität wird. Der Schaden für eine Gesellschaft, der durch eine Herrschaftssprache, die nicht als solche deutlich gemacht wird, entsteht, ist groß. Eine Art Parallelrealität bildet sich heraus, die sich über die eigentliche Realität legt und sie zu verdecken versucht. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, in der jener Teil der Bürger, gegen den sich die herrschende Sprache richtet, daran gehindert wird, seine Interessen so vorzutragen, dass sie gehört werden.

Diese Sprache, die in der Medienöffentlichkeit zu beobachten ist, setzt alles dran, den offenen politischen Diskurs bereits im Keim zu ersticken. Zum Glück ist dieser Zustand noch nicht erreicht. Gerade auch eine veränderte Medienwelt, in der viele unterschiedliche Formate und Plattformen im Internet die Versuche verhindern, durch Sprache Realitäten zu unterdrücken, eröffnet Möglichkeiten zur Gegensteuerung. Doch dieser Lichtblick ändert nichts daran, dass die Sprache der Herrschaft bereits schwerste Schäden im gesellschaftlichen Gefüge angerichtet hat.

Aus Sicht der Herrschenden ist die Strategie, durch Sprache gesellschaftliche Missstände zu verschleiern, auszublenden und Bürgern, die von den sozialen Verwerfungen betroffen sind, in ihrer unterlegenen Position noch weiter abzuwerten, nachzuvollziehen.
Schließlich: Ihnen geht es um Machterhalt und die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und Vorstellungen. Für eine Demokratie aber, die sich vor allem auch durch eine kritische Öffentlichkeit kennzeichnet, sind diese Versuche, eben jene kritische Öffentlichkeit von vorneherein auszuschalten, schädlich.