Ob wir für die Welt was schaffen, Oder nur die Welt begaffen – Das thut was dazu.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:
Albrecht Müller

Gestern Abend war Hannes Wader im Rahmen seiner Verabschiedungstour im nahen Bad Bergzabern. Er hat dort auch das „Bürgerlied“ vorgetragen. Das ist ein von Adalbert Harnisch, einem Postsekretär, geschriebenes und 1845 veröffentlichtes Lied. Siehe unten. Wegen zwei zentralen aktuellen Zeilen habe ich Hannes Wader im Gespräch angekündigt, den NachDenkSeiten-Leserinnen und -Lesern heute das Bürgerlied ins Gedächtnis zu rufen. Als Hannes Wader in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Bürgerlied in sein Repertoire aufnahm, wollten vergleichsweise viele Menschen „für die Welt was schaffen“. Vor allem junge Leute, in der 68er-Bewegung und weit darüber hinaus. Heute muss man den Eindruck gewinnen, dass zu viele in die Zuschauerrolle entrückt sind. Albrecht Müller

Der Wille, die Verhältnisse auf der Welt zu verbessern, und das Vertrauen darauf, dabei mitwirken zu können, sind offensichtlich geschwunden.

Das ist aus vielerlei Gründen verständlich. Die wirtschaftliche und soziale Lage gerade auch vieler jungen Menschen ist vergleichsweise schlecht. Die Arbeitsverhältnisse sind unsicher, oft prekär. Erst das Fressen, dann die Moral. So ist es eben und diese Kennzeichnung ist keinesfalls moralisch gemeint. Außerdem geht das Vertrauen darin, dass man in der Politik mitwirken könne, und dass es sich lohnt, sich zu engagieren, um die Verhältnisse zu verändern, gegen null.

Trotzdem: Werben Sie dafür, dass wieder mehr Menschen „für die Welt was schaffen“ und sie nicht nur „begaffen“ wollen!

Hier ist der Text:

Bürgerlied

Ob wir rothe, gelbe Kragen,
Hüte oder Helme tragen,
Stiefeln oder Schuh’;
Oder, ob wir Röcke nähen,
Und zu Schuh’n die Fäden drehen –
Das thut nichts dazu.

Ob wir können decretiren,
Oder müssen Bogen schmieren
Ohne Rast und Ruh;
Ob wir just Collegia lesen,
Oder ob wir binden Besen –
Das thut nichts dazu.

Ob wir stolz zu Rosse reiten,
Ob zu Fuß wir fürbaß schreiten
Unsrem Ziele zu;
Ob uns vorne Kreuze schmücken,
Oder Kreuze hinten drücken –
Das thut nichts dazu.

Aber, ob wir Neues bauen,
Oder’s Alte nur verdauen
Wie das Gras die Kuh –
Ob wir für die Welt was schaffen,
Oder nur die Welt begaffen –
Das thut was dazu.

Ob im Kopf ist etwas Grütze
Und im Herzen Licht und Hitze,
Daß es brennt im Nu;
Oder, ob wir friedlich kauern,
Und versauern und verbauern –
Das thut was dazu.

Ob wir, wo es gilt, geschäftig
Großes, Edles wirken, kräftig
Immer greifen zu;
Oder ob wir schläfrig denken:
Gott wird’s schon im Schlafe schenken –
Das thut was dazu.

Drum ihr Bürger, drum ihr Brüder,
Alle eines Bundes Glieder,
Was auch jeder thu’ –
Alle, die dies Lied gesungen
So die Alten wie die Jungen –
Thun wir denn dazu.

Das ist der Wortlaut in der von Adalbert Harnisch 1845 veröffentlichten Version.

Hier Hannes Wader mit dem Lied:

Und hier noch einige weitere Informationen zum Verfasser des Liedes:

Hans Albus [= Adalbert Harnisch]: Singsang eines Schreibers. Gedichte. Danzig: Druck der Gerhardschen Offizin 1845, S. 13–15.
DVA: B 50242 (Kopie; Original: Staatsbibliothek zu Berlin, Haus 1, Sign.: 4 in: Yo 801))

Weitere Informationen hier.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!