Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(RS/WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Robert von Heusinger: Danke China
  2. Obamas Horror-Nachricht
  3. G8-Gipfel : Auf dem Weg zu den G 192?
  4. “Merkels Regierungserklärung zu G8 unglaubwürdig und zynisch”
  5. Europa kämpft im IWF um Einfluss
  6. Originalprotokoll über die Gespräche zur Stützung der Hypo Real Estate Gruppe (HRE)
  7. Kaltblütiger Schacher im Angesicht des Abgrunds
  8. Software für unfaire Marktmanipulation
  9. EU verhängt Milliarden-Kartellstrafe
  10. Leere Versprechungen – Steuerlügen im Wahlkampf
  11. Steuerbetrüger können auf Steinbrücks Sanftmut zählen
  12. Billigjobs setzen sich in Berlin durch
  13. Ärger mit den Argen
  14. Berliner S-Bahn: Gründlich kaputtgespart
  15. Wirtschaftslage in Ostdeutschland stabil
  16. Ein Grundsatzstreit entzweit die CSU: Wie viel Mitsprache sollen nationale Parlamente in der EU haben?
  17. Papst-Enzyklika: Sozialethiker kritisiert Defizite
  18. Jens Berger: Piraten in schwerer See
  19. Steinmeier stürzt auf Rekordtief
  20. Fischer, Schröder & Co – umstrittene Seitenwechsel
  21. Journalisten für INSM auf Tour
  22. Jörg Tremmel: Wohlstand auf Kosten der Zukunft
  23. Bachelor geht schon baden
  24. Das Opfer der Monika Auweter-Kurtz – Kuckucksei in den Hoschulen
  25. Honduras: Medien als Waffen
  26. Afghanistan ist der Krieg unserer Generation
  27. Berlin legt Ilisu-Staudamm trocken

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Robert von Heusinger: Danke China
    Diese Daten begeistern. Die deutsche Industrieproduktion zog im Mai so stark an wie nur einmal nach der Wiedervereinigung. Und die Auftragseingänge waren mit plus 4,4 Prozent rekordträchtig. Ist das der Beginn einer kräftigen Wirtschaftserholung, die das Krisengejammer vergessen lässt?

    Natürlich nicht. Es ist eine technische Erholung nach dem tiefen Absturz und sie ist ganz und gar künstlich. Es sind die massiven Konjunkturprogramme, die nun in der Realwirtschaft Wirkung zeigen. Deshalb geht der erste Dank an John Maynard Keynes, der in den 30er Jahren genau aufschrieb, was im Fall einer derartigen Marktstörung zu tun ist. Der zweite Dank geht an all die Ökonomen (außerhalb Deutschlands), die seine Theorie nicht verachtet haben. Und der besondere Dank geht an China, das den Keynes ganz besonders studiert hat, die massivste Konjunkturstimulierung auf den Weg gebracht hat und nun Deutschland aus der Patsche hilft.
    Quelle: FR

    Siehe dazu:
    Auftragsindex

    Produktionsindex

  2. Obamas Horror-Nachricht
    Die Einschätzung von US-Präsident Obama, vielleicht sei ein weiteres Konjunkturpaket nötig, entsetzt die Märkte. Denn das würde bedeuten, die bisherigen, teuren Schritte reichen nicht.
    Quelle: FR
  3. G8-Gipfel : Auf dem Weg zu den G 192?
    Das Format der G8 hat ausgedient, das sieht auch Kanzlerin Merkel. Aber was kommt danach?
    Quelle: FR
  4. “Merkels Regierungserklärung zu G8 unglaubwürdig und zynisch”
    Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum bevorstehenden G8-Gipfel hat ihr das globalisierungskritische Netzwerk Attac Zynismus und Unglaubwürdigkeit vorgeworfen.

    “Frau Merkels vorgebliches Engagement für eine neue globale Finanzmarktverfassung ist nichts als Ankündigungspolitik. Wäre es der Bundesregierung ernst mit einer echten Regulierung des Kapitalsektors, hätte sie längst damit auf nationaler Ebene anfangen können”, stellte Jutta Sundermann vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. “Warum gibt es immer noch keinen Finanzmarkt-TÜV, der Finanzprodukte zertifiziert und hoch riskante Wetten schlicht verbietet? Warum können alle großen deutschen Banken nach wie vor Dependancen in Steueroasen betreiben und dort Geschäfte außerhalb ihrer Bilanzen machen? Wo ist die einheitliche Bankenaufsicht in Deutschland?” Faszinierend sei, wie Merkel sich erneut als tapfere Kämpferin für mehr Regulierung der Finanzmärkte inszeniere, die beim G8-Gipfel 2007 allein an den übermächtigen USA gescheitert sei. Dass es ihre Regierung war, die im aktuellen Koalitionsvertrag ausdrücklich die weitere Deregulierung und Zulassung hochspekulativer Derivate festgeschrieben hat, verschweige sie dabei wohlweislich.
    Quelle: Attac

  5. Europa kämpft im IWF um Einfluss
    Die Finanzminister der EU-Staaten sind bereit, den Schwellenländern mehr Einfluss im Internationalen Währungsfonds (IWF) einzuräumen.

    Der Berliner Ressortchef erinnerte die Schwellenländer daran, dass größerer Einfluss “auch mehr Verantwortung” bedeute. Er vermisse etwa klare Ansagen dieser Staaten, wie viel sie zur Erhöhung der IWF-Ressourcen beitragen wollten.
    Quelle: FR

    Anmerkung R.S.: Wer zahlt, schafft an.

  6. Originalprotokoll über die Gespräche zur Stützung der Hypo Real Estate Gruppe (HRE) vom 26.09.2008 – 28.09.2008 in Frankfurt bei der BaFin
    Quelle: FTD [PDF – 1.9 MB]

    Anmerkung WL: Es ist nicht sicher, ob die angegebenen Datei (noch) geöffnet werden kann. Nachdem ich sie zunächst öffnen konnte, gelang das später nicht mehr. Daher das gespeicherte Protokoll noch einmal [PDF – 1.9 MB]

  7. Kaltblütiger Schacher im Angesicht des Abgrunds
    Dramatische Stunden im Herbst: Drei Tage lang standen die deutschen Banken vor dem Kollaps. Ein BaFin-Protokoll macht nun erstmals klar, wie verbissen Banken und Bund um die Rettung der Hypo Real Estate schacherten – und um die Frage, wer sie bezahlen soll.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Wir warnen davor, dieses Protokoll als eine neutrale Darstellung der damaligen Gespräche zu betrachten. Es wurde erst am 9.10.2008 erstellt, also erst Tage nachdem am 5.10.2008 ein weiteres Rettungspaket von 50 Milliarden bereitgestellt werden musste.

    Das Protokoll wurde von der BaFin erstellt. Die Bankenaufsicht ist aber als Betroffene Partei in diesem gigantischen Deal und hat natürlich keinerlei Interesse ihre eigene Rolle in einem schlechten Licht darzustellen. Die BaFin hat genauso kläglich versagt, wie die Bundesbank.
    Allerdings die ganze Wahrheit werden wir wohl nie erfahren.

    Siehe dazu: Die Protokolle der Wissen von Frankfurt

    Die Darstellung, wie hier der Staat von den Banken erpresst wurde ist aber schon interessant genug.

  8. Software für unfaire Marktmanipulation

    Die Bank sieht die Möglichkeit, dass jemand, der dieses Programm nutzen kann, es einsetzen könnte, um die Märkte auf unfaire Weise zu manipulieren

    sagte Assistents-Staatsanwalt Joseph Facciponti laut einem am Montag veröffentlichten Mitschnitt der Verhandlung.
    Quelle: FTD

    Anmerkung unseres Lesers A.R.: Kein Wort davon, dass gerade Goldman ja dieses Programm ersonnen hat, um es einzusetzen… Etwa nicht, um die Märkte auf unfaire Weise zu manipulieren? Das wird natürlich nicht thematisiert…

    Dazu: “Software für unfaire Marktmanipulation”

  9. EU verhängt Milliarden-Kartellstrafe
    Die EU-Kommission hat gegen die Energiekonzerne E.On und GDF Suez wegen der Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts eine Geldstrafe von je 553 Millionen Euro verhängt. Es ist die zweithöchste Geldstrafe der europäischen Wettbewerbsgeschichte. Nach Angaben der EU-Kommission teilten E.On und GDF bis 2005 insgesamt 30 Jahre lang Gasmärkte in Deutschland und Frankreich untereinander auf. Die Konzerne hatten 1975 beim Bau der gemeinsamen Megal-Pipeline vereinbart, russisches Erdgas nicht im Land des jeweils anderen Unternehmens zu verkaufen. Beide Firmen hätten auch nach der Liberalisierung der europäischen Gasmärkte im Jahr 2000 an der Vereinbarung festgehalten und seien erst 2005 endgültig davon abgerückt. Die Konzerne müssen die Busse schon zahlen, bevor der Rechtsstreit erledigt ist.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist einer der kurzen Augenblicke, der einen mit dieser Institutionen der EU versöhnt. Soviel wird in Europa auf dem Altar Wettbewerbsgedankens geopfert. Erinnert sei an den Vorrang des freien Wettbewerbs vor Grundsätzen der Gleichbehandlung von In- und Ausländern durch ortsübliche, faire und für alle gleiche Löhne. Doch diesmal hat die Aktion der Kommission, die im Mai 2006 mit Razzien bei den Energiekonzernen begann, zum Erfolg geführt und befördert den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand. – Angesichts eines vulgarisierten, ideologisch verbrämten Wettbewerbsgedankens in der derzeitigen Form des Neoliberalismus, sollte man sich an die ursprünglichen Intentionen erinnern. Auf einer Tagung des Vereins für Sozialpolitik im September 1932 postulierte Alexander Rüstow: “Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist (…), fordert einen starken Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessen, da, wo er hingehört.” Er plädierte für eine “Wettbewerbspolizei” zur Verhinderung von Marktmacht. Gratulation an die Wettbewerbskommission der EU als “Wettbewerbspolizei” zur Verhinderung von Kartellabsprachen.- Dass die Konzerne auf dem falschen Fuß erwischt wurden, zeigt die besonders dämliche Erklärung des E.On-Sprecher Jens Schreiber, die Kommission meine möglicherweise eine Vereinbarung, die 1975 im Zusammenhang mit der Erdgaspipeline Megal getroffen worden sei, aber niemals angewandt sei.- Der Mann hat einen Soloauftritt in der Sendung “Neues aus der Anstalt verdient”.

  10. Leere Versprechungen – Steuerlügen im Wahlkampf
    Steuerlügen im Wahlkampf haben meistens kurze Beine und sorgen für Vertrauensverlust der Bürger gegenüber der Politik. Den meisten ist durchaus klar, dass in der aktuellen Krise Versprechen von Steuersenkungen nicht zu halten sein werden und sie am Ende doch die Zeche für die milliardenschweren Konjunkturprogramme zahlen müssen. Die Geschichte zeigt aber: Politiker und Parteien, die die Wahrheit sagen, werden vom Wähler abgestraft.
    Quelle 1: ARD Plusminus (Text)
    Quelle 2: ARD Plusminus (Video)
  11. Steuerbetrüger können auf Steinbrücks Sanftmut zählen
    Geht es gegen Steuerflüchtige und Steueroasen pflegt Finanzminister Steinbrück die große Lippe. Der Schweiz hat er mit dem Einmarsch der Kavallerie gedroht, wenn sie jetzt nicht hinters Bankgeheimnis blicken lasse. Die Wahrheit ist: Deutsche Finanzminister sind keine Helden in diesem Kampf.
    Quelle: Stern

    Dazu auch:

    Luxemburg nicht mehr auf der “grauen Liste”
    Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Luxemburg von der grauen Liste mit Steueroasen gestrichen. Luxemburg hatte zuvor ein zwölftes Abkommen über den Austausch von Finanzinformationen mit anderen Ländern unterzeichnet.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Bankenverband ABBL hat inzwischen seine Mitglieder und die Kundschaft beruhigen können. Um Einsicht in Kontendaten ausländischer Anleger zu erhalten, müssen die ausländische Behörden konkrete Beweise dafür vorlegen, dass der Bürger des betreffenden Staates Steuerbetrug begangen hat.

  12. Billigjobs setzen sich in Berlin durch
    In den letzten vier Jahren ist die Zahl der Minijobber und Leiharbeiter gestiegen. Inzwischen haben ein Viertel aller Erwerbstätigen weniger als 900 Euro im Monat zur Verfügung.
    Quelle: Tagesspiegel
  13. Ärger mit den Argen
    Quelle: Das Erste Plusminus

    Dazu auch:

    Datenschützer beklagen fehlende Sensibilität der Beschäftigten / Hauptursache ist häufiger Personalwechsel
    Der Datenschutz in der Hartz-IV-Verwaltung Bagis ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Datenschützer klagen: Persönliche Fragen werden im Wartebereich und in der Amtsstube vor ungezählten Zeugen erörtert – darunter fremde Sachbearbeiter, andere Hartz-IV-Kunden und die Leute vom Sicherheitsdienst. Dabei werde über ansteckende Krankheiten genauso gesprochen wie über Vorstrafen und sämtliche Vermögensverhältnisse des Antragsstellers und seiner “Bedarfsgemeinschaft”.
    Quelle: Weser Kurier

  14. Gründlich kaputtgespart
    Der durch die systematische Verschleppung von vorgeschriebenen Wartungsarbeiten seit einer Woche stark eingeschränkte Betrieb der Berliner S-Bahn wird frühestens im September wieder in vollem Umfang laufen. Als Ursache sehen S-Bahn-Mitarbeiter die im Zuge des angestrebten Börsengangs von der Bahn AG geforderten immer höheren Gewinnabführungen. Aus der Mittelfristplanung des Konzerns, die ddp vorliegt, geht hervor, daß die mit rund 250 Millionen Euro pro Jahr aus dem Berliner Landeshaushalt subventionierte S-Bahn in diesem Jahr mit 87,7 Millionen Euro einen um 50 Prozent höheren Gewinn als 2008 an die Deutsche Bahn abführen sollte. Damit hätte sich der zu überweisende Betrag seit dem Jahr 2005 verfünffacht.
    Quelle: JungeWelt
  15. Wirtschaftslage in Ostdeutschland stabil
    Ostdeutschland holt wirtschaftlich weiter auf, wird aber auch bis zum Ende des Solidarpakts 2019 nicht das Niveau des Westens erreichen können. Zu dieser Einschätzung kommt die Bundesregierung in ihrem aktuellen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit (16/13360). Das gut 130 Seiten umfassende Dokument legt seine Schwerpunkte auf den wirtschaftlichen Konvergenzprozess seit 1989, die Förderpolitik des “Aufbau Ost” und die gesellschaftliche Stärkung der Deutschen Einheit.

    Um Ostdeutschland voranzubringen, seien von 2006 bis 2008 rund 45 Milliarden Euro an Hilfen aus dem Solidarpakt in den Aufbau von Wirtschaft und Infrastruktur gesteckt worden, schreibt die Bundesregierung So sei der wirtschaftliche Aufholprozess des Ostens wieder in Gang gekommen, wenn auch mit deutlich geringerer Geschwindigkeit als zu Beginn der neunziger Jahre. Zwischen 2000 und 2008 sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner von 67 auf 71 Prozent des Westniveaus gestiegen, die Produktivität habe 79 Prozent des Westniveaus erreicht. Die Quote von Selbstständigen und Unternehmensgründungen liege bereits gleichauf. Deshalb, so heißt es im Bericht, sei eine Angleichung an die strukturschwächeren West-Länder bis 2019 “eine absehbare Perspektive”. Schleswig-Holstein zum Beispiel erreiche heute nur gut 85 Prozent des West-Durchschnitts.

    Außerdem sagt der Bericht voraus, dass Ostdeutschland von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nicht so stark betroffen sein wird wie der Westen Deutschlands. Für ganz Deutschland werde bisher ein Einbruch von sechs Prozent beim Wirtschaftswachstum prognostiziert, in Ostdeutschland solle dieser bei “nur” fünf Prozent liegen. Grund dafür sei der höhere Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen, die bei geringeren Ausfuhren vom Exporteinbruch nicht so betroffen seien wie Großunternehmen. Um die Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Bundesländer langfristig zu erhalten, sei es nötig, Innovationen in folgenden Feldern voranzutreiben: Förderung der regionalen Wirtschafts- und Infrastruktur, Solarenergie, Umweltschutztechnologien sowie Nano- und Biotechnologie. Wissenschaft und Hochschulen würden besonders durch das Förderprogramm “Spitzenforschung und Innovation in den neuen Ländern” unterstützt.

    Der Bericht übt aber auch Kritik am Zustand der inneren Einheit Deutschlands: “Die gegenseitige Anerkennung der Bürger in Ost- und Westdeutschland ist trotz aller Fortschritte noch immer nicht ausreichend. In Ost und West haben viele Bürger das Gefühl, dass die Menschen des jeweils anderen Landesteils ihre Leistungen nicht genügend anerkennen und zu wenig Verständnis für ihre Situation aufbringen.” Ost- und Westdeutsche empfänden sich demnach noch immer gegenseitig als fremd, im Osten gebe es ein Gefühl der Benachteiligung.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Wie man angesichts der Tatsache, dass in Ostdeutschland „nur“ ein Wirtschafteinbruch von fünf Prozent prognostiziert wird und vor dem Hintergrund der nach wie vor schlechten Daten von einer „stabilen Wirtschaftslage“ sprechen kann, grenzt schon an Manipulation.

  16. Ein Grundsatzstreit entzweit die CSU: Wie viel Mitsprache sollen nationale Parlamente in der EU haben?
    Entzündet hat sich der Streit an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der EU-Reformvertrag von Lissabon zwar rechtmäßig ist, Bundestag und Bundesrat aber mehr Einfluss bekommen sollen.

    Seehofer und Dobrindt wollen den Einfluss des Parlaments massiv ausweiten und fordern, dass der Bundestag künftig am besten vor jeder EU-Entscheidung sein Placet erteilen solle. Dobrindt will keine “Schmalspurvariante” der Parlamentskontrolle, sondern “ganz offensichtliche Fehlentwicklungen korrigieren”.

    Das Gegenlager bilden vor allem die CSU-Europaabgeordneten. Deren Vorsitzender Ferber warnte seine Partei vor einer Blockadehaltung und wies die weitreichenden Forderungen zurück. Es würde die Bundesregierung zu stark einschränken, wenn sie für jeden Verhandlungsschritt in Brüssel einen neuen Bundestagsbeschluss benötige.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Diesen Streit hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil selbst ausgelöst. Das Gericht hat zwar eine Reihe von Fallvarianten aufgezählt, bei denen die Regierung eine Weisung des Parlaments einholen muss, aber keine klaren Abgrenzungskriterien bestimmt. Vgl. Bundesverfassungsgericht: Nationaldemokratische Starrheit – Europäische Demokratie bleibt auf der Strecke. Hier zeigt sich der Strukturfehler dieses Urteils, nämlich, dass es nicht auf eine Demokratisierung der EU abgestellt hat, sondern das Demokratiedefizit national ausgleichen will.

    Damit hat es denjenigen, die der EU aus nationalistischen Gründen (und nicht aus demokratischen Gründen) skeptisch gegenüber stehen, Tür und Tor geöffnet.

  17. Papst-Enzyklika: Sozialethiker kritisiert Defizite
    Der Sozialethiker Prof. Friedhelm Hengsbach sieht in der Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. entscheidende Defizite. “Gerade die Probleme der Finanzmärkte sind ziemlich schwach und blass dargestellt. Es gibt keine konkreten Anweisungen oder konkrete Orientierungen, wie sie gelöst werden sollen”, sagte der emeritierte Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik am Dienstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
    Quelle: FR
  18. Jens Berger: Piraten in schwerer See
    Es kam, wie es kommen musste. Gerade eben beendete die Piratenpartei ihren Bundesparteitag in Hamburg und schon unterlief der jungen Partei ein Kardinalfehler, der in etablierten Medien und der Bloglandschaft genüsslich ausgeschlachtet wird. Das Parteimitglied Bodo Thiesen wurde von den anwesenden Piraten in das eher unbedeutende Amt des „Ersatzrichters“ gewählt. Dumm nur – wer es gut mit Thiesen meint, könnte ihn einen Wirrkopf nennen, wer ihm weniger wohlgesonnen ist, hält ihn für einen Revisionisten und Holocaustleugner. Während ein Großteil der Parteitagsmitglieder nicht in vollem Maße über die Personalie Thiesen im Bilde war, wusste der Bundesparteivorstand wohl sehr genau, welche Laus man sich da in den eigenen Pelz setzt. Ein PR-Gau ersten Grades, der nun die Grundprinzipien der Piraten auf eine harte Probe stellt. Denn wer für Meinungsfreiheit kämpft, muss auch für Meinungsfreiheit von Wirrköpfen kämpfen und dafür im Zweifelsfalle auch eine schlechte Presse in Kauf nehmen.
    Quelle: Spiegelfechter

    Anmerkung WL: Ich kann Jens Bergers Position nicht teilen: Meinungsfreiheit ist das eine, eine Partei (also eine politische Bewegung, die für die Allgemeinheit etwas bewegen will) kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit zurückziehen, wenn ihre Mitglieder Positionen vertreten, die demokratiefeindlich und inhuman sind (NS- und Holocaust-Relativierung).

    Die Leugnung des Holocaust ist nicht nur eine historisch falsche Meinung bzw. eine Meinung, die eine Lüge beinhaltet, sondern diese „Meinung“ zielt auf die Grundfesten einer freiheitlichen Demokratie, die ja gerade die Meinungsfreiheit garantiert. Kann man Meinungsfreiheit tolerieren, die ein Terrorsystem, das nicht nur die massenhafte und systematische Vernichtung von Menschen aus (pseudo-)rassistischen Gründen betrieben hat, sondern auch die Wahrnehmung von Meinungsfreiheit auf brutalste Weise unterdrückt hat?

    Ich bin mit Jens Berger (und dem Bundesverfassungsgericht) der Meinung, dass Meinungsfreiheit konstitutiv für eine wirkliche Demokratie ist, wenn dieses hohe Gut aber von Geschichtsrevisionisten, NS-Verharmlosern und Leugnern eines in der Menschheitsgeschichte einmalen Völkermords missbraucht wird, dann sind diejenigen, die unter dem Mantel der Meinungsfreiheit solche Lügen verbreiten, auch als Lügner zu bezeichnen.

    Meinungsfreiheit hat als Ziel sich über den Austausch von Meinungen der Wahrheit anzunähern, Lügen führen aber nicht zur Wahrheit und wenn die Lüge als Meinung um sich greift, dann führt das nicht nur von der Wahrheit weg, sondern politisch in die Katastrophe.

    Das erleben wir übrigens gerade in der Form, in der eine wirtschaftliche Ideologie zur Wahrheit erklärt wurde.

    Dass die Leugnung des Holocausts in Deutschland strafbewehrt ist, liegt prinzipiell auf der gleichen Ebene, wie sich auch in der Privatsphäre jemand strafbar macht, der einen einzelnen oder eine Gruppe mit seiner (falschen) „Meinungsäußerung“ in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

  19. Steinmeier stürzt auf Rekordtief
    Die aktuelle Forsa-Umfrage zeigt es: Die SPD kommt einfach nicht voran. Innerhalb der Partei schwelt wegen der schlechten Umfragewerte für Frank-Walter Steinmeier eine Personaldiskussion. Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister zu Guttenberg gewinnen dagegen an Vertrauen.

    Die Frage einer Kanzlerschaft Steinmeiers wird in der Partei überhaupt nicht mehr diskutiert. Ganz ernsthaft ist dort eine sehr spezielle Theorie im Gespräch: Ob es denn nicht gut sei, wenn die FDP bei der Bundestagswahl besonders gut abschneide. Denn dann drohe Angela Merkel ein besonders unangenehmer Koalitionspartner. Umso geneigter könne sie sein, die Koalition mit den pflegeleichten Genossen fortzusetzen.

    Völlig fassungslos machte Müntefering viele in der Partei mit seiner Äußerung, er wolle auch nach der Bundestagswahl wieder als Parteichef antreten. Das wurde von allen so verstanden, dass er für den Tag der neuen Machtverteilung in der SPD nach einer Wahlniederlage versuche, sich den Posten des SPD-Chefs auf dem dann folgenden SPD-Parteitag im November 2009 zu sichern. Wie verquer in der SPD die ganze Debatte läuft, zeit sich auch darin, dass bereits jetzt die Frage diskutiert wird, auf jeden Fall müsse jeder Versuch Münteferings verhindert werden, nach der Wahl SPD-Fraktionschef zu werden.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Kurt Beck dürfte sich über die Erfolge seiner Meuchler vermutlich klammheimlich amüsieren. Interessant ist die neueste Koalitionsspekulation: Große Koalition, weil die Sozialdemokraten für Merkel pflegleichter. Diese Spekulation die angeblich innerhalb der SPD zirkuliert, erklärt das Rekordtief.

    Dazu Klaus Kocks, ein Meinungsforscher, der offenbar mehr Durchblick hat, als der Forsa-Chef Güllner:

    Endzeitstimmung
    Die SPD hat ihre Seele zerbrochen an der Agenda 2010. Die Mitglieder haben Hartz Eins bis Vier nicht verstanden. Von den Wählern haben dies nur die verstanden, die nicht zum Stamm gehören. Die zu Führenden fremdeln mit den Führern, damals und heute. Man hat ihnen gesagt, dass die Globalisierung den Verrat an der Seele verlange. Und rotweintrunken mit Basta die bittere Medizin verabreicht. Nun stehen die Verräter wieder da: Müntefering und Steinmeier, politische Greise beide; die Zauberlehrlinge aus dem Regime des Gerhard Schröder. Schröder souffliert aus der Kulisse gegen den Baron aus Bayern, Sprüche aus der Altersbosheit brabbelnd.

    Das Volk ist ein trotziger Lümmel. Es versteht noch immer nicht. Und so bleibt es bei zwanzig Prozent. Ich wundere mich, bitter und böse, wie ich bin, dass es überhaupt noch so viel sind.
    Quelle: FR

  20. Fischer, Schröder & Co – umstrittene Seitenwechsel
    Joschka Fischer berät den Energieriesen RWE. Dabei ist der ehemalige Außenminister nicht der einzige Politiker, der zum Lobbyisten wurde. Initiativen wie Lobbycontrol beobachten solche wirtschaftspolitischen Wanderbewegungen überaus kritisch und fordern Konsequenzen.
    Quelle 1: Der Westen

    Anmerkung: Fairerweise sollte erwähnt werden, dass der ehemalige hessische Umweltminister (!!!), Bundesaußenminister und Vizekanzler zwar der ranghöchste aber nicht erste grüne Spitzenpolitiker ist, der sich für die Energiewirtschaft verkauft. Schauen Sie auf diesen freundlich blickenden Herren mit den Stricknadeln.
    Quelle 2: Süddeutsche

  21. Journalisten für INSM auf Tour
    Was ist aus der „guten alten Sozialen Marktwirtschaft“ geworden? Das fragt sich die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Um Antworten auf diese Fragen zu finden, schickt sie zur Zeit drei Reporter 30 Tage lang durch das Land, darunter eine „angehende Journalistin bis 25 Jahre“ und eine „erfahrene Journalistin bis 35 Jahre“.

    Für diese “kritischen” Nachfragen werden Journalisten gesucht, die „der sozialen Marktwirtschaft gegenüber positiv eingestellt und einem unternehmernahen Auftraggeber gegenüber aufgeschlossen sind“, so das Profil in der Stellenanzeige.

    Diese unsägliche Vermischung von Journalismus und interessengeleiteter PR widerspricht allen journalistischen Grundsätzen und ist mit neutraler und aufklärerischer Pressearbeit nicht vereinbar.
    Quelle: LobbyControl

    Anmerkung unseres Lesers B.H.: Sollte man also demnächst auf der Straße von einem Journalisten zur Marktwirtschaft befragt werden, dann sollte jeder wissen, dass die Maulhelden der INSM hinter diesem PR-Gag stehen (…)

  22. Jörg Tremmel: Wohlstand auf Kosten der Zukunft
    Beim Krisenmanagement offenbart sich in Deutschland eine seltene Einigkeit: Ob Bankenrettung, Konjunkturpakete, Staatsverschuldung – Konsens auf Kosten der nächsten Generationen. Denn niemand anders als sie werden die irrsinnige Neuverschulung des Bundes in den Jahren 2010 bis 2012 in Höhe von 310 Milliarden Euro abtragen müssen. Der gigantische Schuldenberg ist größer als der gesamte Bundeshaushalt für das Jahr 2008. Die Schuldenmeister werden sagen: die Konjunkturpakte sichern Arbeitsplätze. Ist es aber moralisch gerechtfertigt, heutige Probleme auf Kosten künftiger Generationen zu lösen? Meiner Ansicht nach nicht.
    Quelle 1: INSM-Ökonomenblog

    Anmerkung: Eigentlich ist dieses Gefasel keinen Hinweis wert, allerdings die offensichtlich nicht zufällige Zusammenarbeit zweier neoliberaler Denkfabriken. Dr. Dr. Jörg Tremmel ist wissenschaftlicher Direktor der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“, in deren Beirat wir einige der üblichen Verdächtigen finden: Bernd Raffelhüschen (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Stiftung Marktwirtschaft, ERGO-Versicherungsgruppe, Meinhard Miegel, Werner Weidenfeld (Centrum für angewandte Politikforschung, Ex-Vorstand der Bertelsmann Stiftung), allerdings auch Ernst Ulrich von Weizsäcker und Peter Grottian.
    Quelle 2: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen
    Quelle 3: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (wissenschaftlicher Beirat)
    Quelle 4: Nachdenkseiten vom 13.04.2007

  23. Bachelor geht schon baden
    Der Streik der Studierenden und Schüler war erfolgreich. 270.000 Protestierende auf den Straßen, die größte unabhängige Bildungsbewegung seit Jahrzehnten; demokratisch angelegt und durch eine Klammer gemeinsamer Forderungen für die öffentlichen Botschaften zusammengehalten; nicht herausragende Wortführer, sondern lokale Bündnisse prägten das Bild von der Bewegung. Es war ein Streik der vielen tausend Gesichter. Auch Gewerkschaften, soziale Gruppen, einige Rektoren und Präsidenten, Hochschullehrer, akademischer Mittelbau und Lehrer unterstützten den Streik. Dieser hat den schon länger schwelenden Unmut über die miserablen Zustände an den Schulen und Hochschulen – die Kitas nicht zu vergessen – zum Vorschein gebracht. An den Bildungseinrichtungen wurden fruchtbare und kontroverse Debatten über grundlegende Fragen und Perspektiven des Bildungssystems geführt.

    Die einzige Gruppe, die sich bisher auffällig bedeckt hält, ist die der Politiker. Neben Respektsbekundungen der Grünen und der Linkspartei fiel die SPD durch nahezu komplette Sprachlosigkeit auf. Dass die CDU den Bildungsstreik als linke, instrumentalisierte Wahlkampagne denunziert, zeigt jenseits des lächerlichen “Bildungsgipfels” einmal mehr, dass die Kanzlerin und ihre CDU/CSU wenig von den Problemen in Schulen und Hochschulen verstanden haben. Insgesamt fällt auf, wie schwach die Verteidigung der bisherigen Bildungspolitik ist. Kein Politiker von Rang, kein Rektor, kein Professor konnte den Schmalspur-Bachelor noch ernsthaft verteidigen. Die glühendsten Verfechter der Bachelor- und Masterstudiengänge sind ganz leise geworden. Sie sehen offenbar, was damit angerichtet wurde. Kurzum: Der Bachelor in seiner bisherigen Form hat keinen öffentlichen Rückhalt mehr. Kaum ein Professor wird noch mit Überzeugung die Hand für einen sechssemestrigen, verschulten Bachelor heben, wenn eine Prüfungsordnung verabschiedet wird.

    Die Hochschulen stehen nach dem Bildungsstreik vor einer Revision, die im Rahmen des Bologna-Prozesses erlaubt und angemessen ist. Die grundsätzliche Kritik am System Bologna wurde in der Öffentlichkeit kaum aufgegriffen. Dabei wird Bildung im Rahmen der Lissabon-Strategie auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert und im Rahmen des Gats-Abkommens nur noch als Dienstleistung aufgefasst. Der Bildungsstreik hat zwar Aufmerksamkeit erregt, doch die weltweite Ökonomisierung von Bildung schreitet weiter voran. Was also folgt aus dem Bildungsstreik? Nach dem großen Mobilisierungserfolg werden sich die Schüler und Studierenden in den nächsten Wochen auf weitere gemeinsame Proteste verständigen. Denn eins ist klar: 28 Milliarden Euro durch das Konjunkturpaket und den Bund-Länder-Pakt für Bildung investieren, aber nichts für Schüler und Studierende tun, das geht jetzt nicht mehr.
    Quelle: taz

    Dazu auch:

    Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft diskutieren die europäische Studienreform
    Nach dem gestrigen Runden Tisch im Bundesbildungsministerium zum Bologna-Prozess war eines klar: Es besteht weiterhin Gesprächsbedarf. Eine Gelegenheit dazu gab es schon heute bei der Bologna-Tagung der Hochschulrektorenkonferenz, des Stifterverbands und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
    Quelle: DLF

    Anmerkung WL: Die Hochschulrektorenkonferenz in vertrauter Umgebung mit Stifterverband der deutschen Wirtschaft und den Arbeitgeberverbänden.

  24. Michael Brumlik: Das Opfer der Monika Auweter-Kurtz
    Die meisten neuen Präsidialverfassungen tragen Züge einer grundgesetzwidrigen Machtkonzentration. Wohin diese Machtbefugnisse politisch unerfahrene, vor allem Laborluft atmende Forscher, also weltfremde ForscherInnen führen können, hat der Hamburger Fall schlagartig bewiesen. Das alles darf der Politik nicht egal sein.

    Universitäten sind ebenso wenig mit Unternehmen gleichzusetzen wie Kirchen, Parlamente oder Familien. Universitäten sind korporativ verfasste Gemeinschaften zum Zweck wissenschaftlicher Wahrheitssuche. Progressive BildungspolitikerInnen sollten daher nach der Sommerpause schnellstens die Hochschulgesetze der Länder novellieren. Zuallererst sollten sie die Hochschulräte, das heißt den Einfluss der Wirtschaft ersatzlos abschaffen und die Senate, die Selbststeuerung der Wissenschaft stärken.
    Quelle: taz

    Dazu auch:

    Kuckucksei in den Hochschulen
    Die Hamburger Hochschulpolitik ist überregional in die Schlagzeilen geraten. Zur Zeit liegt der Focus der Kritik auf der nun scheidenden Uni-Präsidentin Auweter-Kurtz. Sie sei eine Fehlbesetzung gewesen. Doch durch wen wurde sie überhaupt eingesetzt? Durch einen externen Hochschulrat. Und nur diesem war sie verpflichtet. Die Hochschulreformen haben die demokratische Wahl des Präsidiums durch das Diktat des externen Hochschulrates ersetzt, der nicht einmal mehrheitlich von Universitätsangehörigen besetzt ist. “Gefunden” wurde Auweter-Kurtz schließlich von einem Headhunter. All diese Vorgänge entsprechen nicht den Erfordernissen des akademischen Lebens und sind entlehnt aus der sog. freien Wirtschaft.

    In Hamburg zeichnet sich in diesen Tagen überdeutlich eine wesentliche Schwäche der Hochschulreformen ab: Die Deplatziertheit der unternehmensähnlichen Strukturen. Jeder Hochschulrat, der die Funktion des Aufsichtsrats einnimmt, adaptiert blind die Steuerungsparameter aus der Wirtschaftspraxis gleich mit: “Sichtbarer” Erfolg, glänzende Corporate Identity, die Magie der Zahlen. Ein Präsidium, das mit umfassender Macht ausgestattet ist, verpflichtet sich dieser fremden Belange und setzt sie nach innen durch. Was auf der Strecke bleibt, sind die konkreten Wissenschaften mit ihren legitimen Eigeninteressen.
    Quelle: Telepolis

  25. Honduras: Medien als Waffen
    Wer am Montagabend kurz vor 20 Uhr in Honduras seine Telenovela oder die Nachrichten auf CNN sehen wollte, schaute in die Röhre: Auf sämtlichen Bildschirmen des Landes wog stattdessen die blau-weiße Fahne des Landes im Wind, untermalt von Marimba-Musik. Dann kündigte eine knarzige Stimme die “Cadena nacional” an.

    Cadena nacional ist die Gleichschaltung aller Radio- und Fernsehsender des Landes, wenn die Regierung etwas zu verkünden hat. Sie wird seit dem Putsch am 28. Juni gegen Präsident Manuel Zelaya praktisch täglich eingesetzt: Wenn die Verlängerung des Ausnahmezustands verkündet wird oder wie am Montagabend die Anhänger von Zelaya aufgefordert werden, Geld zurückzuzahlen, das der entmachtete Präsident an sie ausgezahlt hat. Nach fünf Minuten ist alles vorbei. Aber die nächste Präsidentenansprache oder die nächste Anweisung an die Bevölkerung ist längstens 24 Stunden entfernt.
    Quelle: FR

  26. Afghanistan ist der Krieg unserer Generation
    Nach den USA stellt Grossbritannien das zweitstärkste Truppenkontingent in Afghanistan. Die auf diesem Kriegsschauplatz gewonnenen Erfahrungen bilden den Massstab für Doktrin, Struktur und Ausrüstung der britischen Landstreitkräfte, wie deren designierter Generalstabschef, David Richards, erklärt.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht unbedingt ein Artikel für Pazifisten, aber recht informativ im Bereich militärischer Denkweise. In Bezug auf die Situation in Afghanistan ist zu erwähnen, das nicht unwichtige Personen des britischen Establishments vor kurzem ein Bericht vorgesellt haben, der u.a. den Krieg in Afghanistan verloren gibt, wenn dieser in der bisherigen Weise fortgeführt wird. Die Autoren sind: der britische Verteidigungsminister und spätere ­NATO-Generalsekretär Lord George Robertson, der ehemalige Generalstabschef und spätere britische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Jeremy Greenstock und der ehemalige Hohe Kommissar der UNO in Bosnien, Lord Paddy Ashdown.
    Quelle: DawnCom

  27. Berlin legt Ilisu-Staudamm trocken
    Der umstrittene Groß-Staudamm Ilisu im Südosten der Türkei wird endgültig nicht mit deutscher Staatshilfe gebaut. Gemeinsam mit Österreich und der Schweiz kündigte die Bundesregierung die vor zwei Jahren zugesagten Exportkreditgarantien auf.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL:

    Siehe dazu Der Bau des Ilisu-Staudamms in der Türkei– die Bundesregierung fördert ein Staudamm-Projekt unter Auflagen, die offensichtlich von der türkischen Regierung ignoriert werden

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