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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Umfallen für Deutschland
  2. Die SPD muss wieder zum Anwalt der Arbeiter werden
  3. Paritätischer fordert Maßnahmen gegen Altersarmut: Immer mehr Neurentner sind auf Grundsicherung angewiesen
  4. Bafin und die Betriebsrente: Pensionskassen sind das Sorgenkind
  5. Sozialticket wird abgeschafft
  6. FDP: Organisierte Reichtumspflege
  7. „Aufwachen“ mit Flassbeck
  8. Der Anfang vom Ende der Kohle
  9. Die saudische Siemensstadt
  10. GETEX II: Vollübung
  11. Denglers Auftrag
  12. Firmen investieren weniger in deutsche Hochschulen
  13. Dokumentarfilm über Gentrifizierung: “Das Land gehört allen!”
  14. Sonderwirtschaftszonen in Honduras: Die Neuerfindung der Bananenrepublik
  15. Zu guter Letzt: Keine Regierungsbeteiligung: FDP-Großspender fordern ihr Geld zurück

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Umfallen für Deutschland
    der Nebel über dem Berliner Regierungsviertel wird immer dichter: Gerüchte und Bösartigkeiten dutzendfach, es wirkt taktiert und finassiert. Der Parteienstaat ist ganz bei sich.
    Inmitten des Nebels aber zeichnet sich – wenige Stunden vor dem Gespräch zwischen den ehemaligen SPD-Spitzenkandidaten Steinmeier und Schulz – eine Regierungskoalition ab, die der Volksmund „die Große“ nennt. Noch gibt es keine Gewissheit, wohl aber die begründete Spekulation, dass die Schulz-SPD ihre Merkel-Allergie in den nächsten Tagen überwinden wird. Fünf Gründe sprechen für die schnelle Genesung: […]
    Die wahren Freunde der SPD sitzen bei der Union, denn deren Vorsitzende ist williger als willig, auf die Forderungen der Genossen einzugehen – mehr Europa, weniger Rüstung und ein paar Extra-Milliarden für den Sozialstaat. Da die Kanzlerin dringend einen Partner braucht, geht es in Berlin zu wie auf dem Ball der einsamen Herzen. Jeder weiß: Die Musik wird gleich aufhören zu spielen, da schmiegt man sich lieber aneinander. Alles ist besser als die Einsamkeit. Es gilt das umgekehrte Lindner-Motto: Lieber schlechter Sex als gar keiner. […]
    Um die Zustimmung der Abgeordneten der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion muss man sich keine Sorgen machen. Sie hassen Neuwahlen. Die Abgeordneten verlieren lieber ihr Gesicht als ihren Job.
    Schulz hat vor einer Neuwahl mehr Angst als seinerzeit vor der Abiturprüfung. Er weiß: Auch wenn er seinen Posten als Parteichef über den Parteitag retten kann, eine zweite Kanzlerkandidatur wird ihm die Partei kaum gewähren. Also wird er nach der Unterredung mit dem Bundespräsidenten von staatspolitischer Verantwortung sprechen – und später sanft umfallen. Bliebe nur noch die Schlussfrage: Wohin fällt ein Mann, der im Wahlkampf versprochen hat, niemals in ein Kabinett Merkel einzutreten. Doch auf Entsorgungsfälle wie diese ist das politische System bestens vorbereitet. So wie die moderne Kompostierungsanlage Fallobst in Dünger verwandelt, haucht die EU-Hauptstadt Brüssel den zu Hause Gestrauchelten ein zweites Leben ein. Angesichts der vielen Rettungsmilliarden sollte ein zweiter EU-Kommissar für Deutschland machbar sein. Martin Schulz wäre über den Umweg einer verlorenen Bundestagswahl genau da gelandet, wo er ohnehin hinwollte. Hans Christian Andersen hat es geahnt: „Das Leben ist das schönste Märchen.“
    Quelle: Gabor Steingart, Handelsblatt Morning Briefing

    dazu: Genossen fordern Umdenken von Schulz
    In der SPD wächst der Druck auf Parteichef Martin Schulz, seinen Neuwahl-Kurs zu überdenken.
    “Ich finde im Grundgesetz keinen Artikel, der Neuwahlen vorschreibt, wenn der FDP-Vorsitzende Sondierungsgespräche abbricht”, sagte Achim Post, Chef der Landesgruppe NRW, dem SPIEGEL: “Im Gegenteil: Parteien und Fraktionen sind in der Pflicht, gerade in einer schwierigen Lage wohlüberlegt Schritt für Schritt vorzugehen.”
    Schulz hatte am Montag gemeinsam mit dem Rest der Parteispitze noch einmal betont, nicht für eine Große Koalition zur Verfügung zu stehen. “Jetzt irgendwelche hektischen Entscheidungen zu treffen, bringt gar nichts”, kritisierte der Chef des Seeheimer Kreises Johannes Kahrs den Kurs: “Bevor wir vor den Wähler treten, müssen wir alle Möglichkeiten ausloten.” Kritik kam auch von den pragmatischen “Netzwerkern”. “Neuwahlen sind nicht der richtige Weg”, betonte deren Sprecher Martin Rabanus.
    In einer Sitzung der Bundestagsfraktion der SPD gab es ebenfalls Ärger über Schulz’ kategorisches Ausschließen einer Großen Koalition. Rund 20 Abgeordnete hielten Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles vor, die SPD in eine strategische Bredouille zu bringen. So beschwerte sich Teilnehmern zufolge unter anderem der bayerische Abgeordnete Florian Post darüber, dass die SPD seit der Wahl nur mit Postengeschacher auffalle: “Wenn wir nochmal so einen genialen Wahlkampf führen wie im Sommer, dann landen wir bei einer Neuwahl bei 20,5 minus x, nicht 20,5 plus x”, sagte er in Richtung des Parteivorsitzenden.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Christian Reimann: Die jetzige Spitze in Fraktion und Partei – sowie die Netzwerker und Seeheimer – fürchten sich offenbar vor einer inhaltlich-programmatischen Aufarbeitung und ernsthaften Erneuerung der SPD. Die Aussicht auf eventuelle Ministerposten, scheint außerdem ihre Wirkung nicht zu verfehlen. So ist der Niedergang der ältesten Partei Deutschland jedoch nicht aufgehoben, sondern lediglich verschoben. Ohne eine Änderung der bisherigen Programmatik mit einer Abkehr z.B. von der Agenda 2010 und der Kriegspolitik sowie ohne glaubwürdiges Personal dürfte die SPD bei der nächsten Wahl weiter abgestraft werden.

    Anmerkung JK: Die Verlockung schöner Regierungspöstchen ist halt doch zu hoch. Zudem erspart sich die SPD so eine inhaltliche Neuausrichtung, die nach dem letzten Wahldesaster vollmundig angekündigt wurde, von der außer Lippenbekenntnissen aber nichts zu bemerken ist. Der Druck kommt vor allem aus der Ecke des sogenannten Seeheimer Kreises, also rechten und der neoliberalen Ideologie verpflichteten SPD-Politikern. Diesen wäre die SPD als ewiger Juniorpartner in einer großen Koalition sowieso am liebsten, dann müsste man, wie schon gesagt, nicht über neue politische Inhalte bzw. über die Rückkehr zu wirklich sozialdemokratischen Werten diskutieren, sondern könnte die Durchsetzung der neoliberalen Agenda einfach weiter betreiben.

    dazu auch: Alternative zu Neuwahlen: SPD-Politiker werben für Minderheitsregierung
    Gibt es doch noch eine Alternative zu Neuwahlen? Mehrere SPD-Politiker sprechen sich dafür aus, eine Minderheitsregierung auszuloten. Dafür müsste allerdings die Union ihre Meinung ändern.
    In der SPD mehren sich die Stimmen für eine Minderheitsregierung. Nach Fraktionschefin Andrea Nahles brachte auch Partei-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel diese Option ins Gespräch. “Wir sehen im Moment keine Basis für eine Große Koalition”, sagte er im ZDF-“Morgenmagazin”. “Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.”
    Deshalb müsse man nach anderen Optionen suchen, sagte Schäfer-Gümbel und verwies auf Artikel 63 des Grundgesetzes. Dieser ermöglicht Neuwahlen, aber auch eine Minderheitsregierung. Damit habe man in Hessen gute Erfahrungen gemacht, 2008 regierte der damalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch geschäftsführend mit wechselnden Mehrheiten. […]
    Die Union hat sich bislang jedoch einhellig gegen eine Minderheitsregierung ausgesprochen. Dies sei angesichts der Probleme, vor denen die Bundesrepublik stehe, keine stabile Lösung.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Dass keine Partei (außer CDU und CSU) regieren will und alle anderen Parteien zum Regieren auffordert, ist absurd genug. Noch interessanter ist, was unbewusst zwischen den Zeilen gesagt wird: wenn Schäfer-Gümbel auf die so gut funktionierende geschäftsführende Regierung von Roland Koch im Jahr 2008 hinweist, dann meint er auch die (mögliche) SPD-Regierung unter Andrea Ypsilanti, die die SPD-Rechte erfolgreich verhindert und Roland Koch zwei Jahre “Restlaufzeit” ermöglicht hat. Dito ist folgende Aussage nur noch schräg: “Die Union [ist] einhellig gegen eine Minderheitsregierung; [sie] sei angesichts der Probleme, vor denen die Bundesrepublik stehe, keine stabile Lösung.” Moment – welche Probleme? Geht es Deutschland nicht so gut wie nie, sind wir nicht mehr in einem Deutschland, in dem wir gut und gerne leben? Ist die Lage dank Angela Merkel nicht so stabil, dass jeder Parkwächter das Land regieren könnte?

  2. Die SPD muss wieder zum Anwalt der Arbeiter werden
    Die SPD muss sich klar nach links orientieren, gleichzeitig aber einen ebenso klaren „realistischen“ Kurs einschlagen. Wenn sie das nicht schafft, ist ihr nicht mehr zu helfen. […]
    Es gilt hier nichts zu verteidigen, es gilt vielmehr anzugreifen, und zwar die Hegemonie des Neoliberalismus. Die SPD muss wieder zur Gegenmacht werden. Die SPD darf nicht der Ko-Manager der Arbeitgeberverbände sein. Die SPD muss der Anwalt der Arbeitnehmer, der kleinen Leute und der „Besorgten“ in der arbeitende Mitte sein. Die SPD muss Kümmerer-Partei sein. Eine Partei für Sorgen und Nöte.
    Das generelle neue Motto der SPD sollte werden: „Für die Menschen, nicht für die Märkte“. Damit hängt ein inhaltlicher Wandel zusammen. Als linke Partei muss man um eine neue Vision für die Welt kämpfen. Uns sind gerade – auch durch das naive Wiederholen der Chimäre vom „Ende der Geschichte“ – die Menschheitsziele ausgegangen. Wofür lohnt es sich noch zu kämpfen? Wohin streben wir eigentlich noch?
    Wir haben uns damit arrangiert, dass dies bereits die beste aller Welten ist und es eigentlich nicht viel besser geht. Das ist aber noch nicht das „goldene Zeitalter“. Es ist noch nicht alles gut geworden. Wenn es noch Menschen auf dieser Welt gibt, die hungern, die keinen Zugang zu Bildung haben, dann ist die Welt noch nicht gut. Wenn Arbeiter auf den Baustellen der WM-Stadien in Qatar fast wie Lohnsklaven behandelt werden, wenn Armeen von Lohnsklaven dem afrikanischen Kontinent seine Rohstoffe entziehen, wenn Wanderarbeiter aus Osteuropa in Akkordarbeit in deutschen Schlachthöfen unter schlechten Werkvertragsverhältnissen Schweinehälften zerlegen und ihre geringe Freizeit nur erschöpft im Bett zubringen können, dann ist die Welt noch nicht gut. Wenn es Menschen gibt, die in dem reichen Deutschland zur Tafel gehen müssen, Flaschen in Parks sammeln müssen, die nach 40 Jahren Arbeit nur Grundsicherung als Rente bekommen, dann ist die Welt noch nicht gut.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Im Print eine Seite treffender Analyse über die wirklichen Probleme der SPD und dieses in der FAZ – beachtlich.

  3. Paritätischer fordert Maßnahmen gegen Altersarmut: Immer mehr Neurentner sind auf Grundsicherung angewiesen
    Ausmaß und Dynamik der wachsenden Altersarmut in Deutschland werden nach Angaben des Paritätischen Wohlfahrtsverbands erheblich unterschätzt. Nach aktuellen Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle steigt das Risiko, im Alter in Armut zu leben, mit jedem neuen Rentenjahrgang dramatisch. Innerhalb von zehn Jahren habe sich der Anteil der älteren Menschen unter 70, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, verdoppelt. Zwingend notwendig sei ein sofortiger Kurswechsel in der Alterssicherungspolitik, insbesondere eine Anhebung des Rentenniveaus und eine Reform der Altersgrundsicherung.
    „Lange Zeit war das Armutsrisiko älterer Menschen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterdurchschnittlich. Die Menschen konnten darauf hoffen, dass sie im Alter in der Regel einigermaßen abgesichert sind. Dies hat sich in den vergangenen zehn Jahren drastisch verändert: Die Armut von Rentnerinnen und Rentnern ist so stark gestiegen wie bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe. Altersarmut ist kein drohendes Problem am Horizont, sondern heute bereits bittere Realität“, so Dr. Joachim Rock, Rentenexperte des Paritätischen Gesamtverbands. Die Armutsquote bei Rentnerinnen und Rentnern stieg zwischen 2005 und 2016 von 10,7 auf 15,9 Prozent und damit um 49 Prozent. Besonders stark ist der Anstieg der Armut bei Männern über 65 in Ostdeutschland.
    Die noch immer vergleichsweise moderat erscheinende Grundsicherungsquote älterer Menschen verschleiere dabei die Dynamik der Entwicklung: Wie eine aktuelle Analyse der Paritätischen Forschungsstelle zeigt, sind die neu ins Rentenalter eintretenden Jahrgänge sehr viel häufiger auf Grundsicherung angewiesen als noch vor zehn Jahren. Der Anteil der Grundsicherungsbeziehenden unter 70 Jahren hat sich von 2,4 Prozent (2005) auf 4,6 Prozent (2015) nahezu verdoppelt. Darüber hinaus sei gerade bei älteren Menschen die verdeckte Armut besonders hoch.
    Quelle: Der Paritätische

    Anmerkung Christian Reimann: Interessant dazu u.a. Armut wird oft nur durch die technokratische Brille wahrgenommen und Ulrich Schneider: „Armutspolitische Ignoranz“.

  4. Bafin und die Betriebsrente: Pensionskassen sind das Sorgenkind
    Die Bafin will Arbeitgeber überzeugen, zusätzliches Kapital für die Betriebsrenten bereitzustellen. Die aber zögern, weitere Mittel dafür locker zu machen.
    Seit Mai 2016 ist der Öffentlichkeit bekannt, wer das Hauptsorgenkind der deutschen Finanzaufsicht ist: die Pensionskassen. Damals berichtete Bafin-Exekutivdirektor Frank Grund, dass die Behörde einzelne Kassen in „Manndeckung“ genommen habe. Arbeitgeber sollten dazu bewegt werden, durch den Niedrigzins entstehende Lücken zu decken.
    Die größte deutsche Pensionskasse BVV, die Betriebsrenten von Bankangestellten bereitstellt, verringerte dann tatsächlich für künftige Ansprüche das Verhältnis aus Beitrag und Leistung, die Arbeitgeber schossen ein, um die Lücke zu schließen. Der BVV hat 351000 Anwärter und 107000 Rentner. Insgesamt gibt es 7,37 Millionen Anspruchsberechtigte gegen die 140 deutschen Pensionskassen und 1,28 Millionen, die von ihnen eine Betriebsrente beziehen.
    An der Einschätzung der Bafin hat sich gleichwohl noch nicht viel geändert, wie Grund kürzlich auf einer Konferenz klarmachte. „Den Pensionskassen wird es zunehmend schwerer fallen, eine Absenkung des Rechnungszinses zu finanzieren“, sagte er. Die Löcher müssten gestopft werden, sie könnten ein Milliardenvolumen ausmachen, Arbeitgeber und Aktionäre der Unternehmen müssten dafür einstehen, darum bemühe sich die Behörde.
    Quelle: FAZ
  5. Sozialticket wird abgeschafft
    Die schwarz-gelbe Landesregierung wird das Sozialticket schrittweise wieder abschaffen. Das teilte Verkehrsminister Henrik Wüst (CDU) am Mittwoch (22.11.2017) im Verkehrsausschuss des Landtags mit. Das Land zahlte zuletzt 40 Millionen Euro als Zuschuss. Dieser Betrag soll 2018 reduziert, ein Jahr später halbiert und 2020 schließlich ganz gestrichen werden. Das Geld solle besser investiert werden, so Wüst.
    Quelle: WDR

    Anmerkung JK: Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die “sozialdemokratisierte” CDU. Die CDU und mit ihr Merkel stehen für neoliberale Politik. Lustig allerdings die Kritik der Grünen. Wären diese in der geplanten Jamaika-Koalition ja bereit gewesen auf Bundesebene die neoliberale Politik mitzutragen. Der Knackpunkt war eben nicht die Sozialpolitik, sondern letztendlich die Flüchtlingspolitik.

  6. FDP: Organisierte Reichtumspflege
    Seit dem Wochenende steht fest: Die FDP will keine politische Verantwortung übernehmen. Gut so, meint der DGB-klartext. Denn die Partei wollte eine Politik vor allem für die Reichen. Doch Deutschland braucht dringend einen Kurswechsel – und der geht ohne die FDP. […]
    Nur zur Erinnerung: Armut, vor allem Kinderarmut, ist trotz guter Konjunktur allgegenwärtig, die Vermögenskonzentration nimmt zu und die Einkommensungleichheit ist sehr hoch. Zudem investiert Deutschland seit Jahren wenig in seine Zukunft. Die Bilanz der öffentlichen Investitionen ist seit Jahren negativ. Wir müssen also dringend investieren, um die Versorgung der ganzen Gesellschaft mit guter und hochwertiger Infrastruktur zu sichern und Herausforderungen der Zukunft, wie die Digitalisierung und die Bekämpfung des Klimawandels zu meistern.

    Dafür stehen der zukünftigen Bundesregierung bis Ende der Legislaturperiode insgesamt 30 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss zur Verfügung, selbst wenn man an Schäubles Erbe der „schwarzen Null“ festhalten will und eine stärkere Besteuerung von Superreichen und großen Erbschaften, trotz der Erkenntnisse aus den „Paradise Papers“, ablehnt. Aber auch hier erweist sich die FDP als die Partei der organisierten Reichtumspflege. Statt die Überschüsse in Bildung, Verkehr, Wohnungsbau, Breitbandnetze, Pflege und Armutsbekämpfung zu investieren, will die FDP am liebsten alles für die Abschaffung des Soli verwenden, wovon hauptsächlich die Spitzenverdiener profitieren. Als ob die Reichen nicht genug hätten.
    Quelle: DGB klartext

  7. „Aufwachen“ mit Flassbeck
    Die FDP hat Jamaika abgelehnt, weil Christian Lindner für die Bürger einen Politikwechsel will. Aber um welche Bürger geht es ihm und welchen Politikwechsel will er? Stefan Schulz fragt dazu Heiner Flassbeck, zugeschaltet aus Frankreich. Beste Voraussetzungen also, um auch über Macrons Europaplan zu sprechen und Lindners Widerstand zu erörtern, meinen die Macher des Aufwachen-Podcasts. Zu hören hier.
    Quelle: Makroskop
  8. Der Anfang vom Ende der Kohle
    Man darf wirklich gespannt sein, ob das klassische Klientel der FDP in der Wirtschaft und dem gutsituierten Bürgertum die Leistung ihres Vorsitzenden Lindners goutieren wird, der in den Sondierungsgesprächen die CSU rechts überholte und die Koalitionsverhandlungen der bürgerlichen Parteien damit sprengte. Im Rahmen der Ende letzter Woche abgeschlossenen Bonner UN-Klimakonferenz hatte sich nämlich gezeigt, dass in der Wirtschaft viele ganz andere Sorgen haben, als xenophoben Stimmungen nachzulaufen, und sich zum Beispiel auch dort inzwischen viele Gedanken über den Umbau unserer Stromversorgung machen.
    Der FDP-Chef zog es hingegen vor, die Konfrontation an der Frage des Familiennachzugs zuzuspitzen – einer eigentlich nebensächlichen Frage, die sowohl unter humanitären als auch verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unter zivilisierten Politikern schnell zu klären wäre. Schließlich gebietet zum einen das Grundgesetz den Schutz der Familie. Zum anderen könnte man die äußerst prekäre Lage in den griechischen Flüchtlingslagern dadurch ein wenig abmildern und auch in anderen Fällen Frauen und Kindern die gefährliche Flucht übers Mittelmeer ersparen.
    Stattdessen haben die Liberalen es vorgezogen, der AfD ein paar Wählerstimmen abzujagen und mit diesem Thema bewusst oder unbewusst von den wirklich drängenden Fragen abzulenken, mit denen sich das Land eigentlich beschäftigen sollte. Zu denen gehört zum Beispiel die drohende große Autokrise, der so oder so in den nächsten Jahren Zehntausende – wenn nicht gar mehr – Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden.
    Ab 2020 werde die Produktion von Elektroautos eine tragende Rolle in seinem Unternehmen spielen, meinte zum Beispiel am Montag der deutsche Ford-Chef Gunnar Hermann auf einem Kongress der Deutsche Energieagentur (dena). Elektroautos sind deutlich weniger arbeitsintensiv als herkömmliche Modelle, unter anderem weil keine Getriebe mehr benötigt werden. Die Autokonzerne werden also, selbst wenn ihnen die Kurve zum Elektroauto gelingt, im erheblichen Umfang Beschäftigte vor die Tür setzen. Es sei denn, diese könnten deutliche Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen.
    Allein das wäre schon eine Frage von gesellschaftlicher Tragweite, aber wesentlich dramatischer würde es noch kommen, wenn die deutsche Automobilindustrie nicht die Kurve bekommt, was nicht gerade unwahrscheinlich erscheint. Große Konzerne haben in der Geschichte der Industrialisierung immer das Problem gehabt, sich neuen technologischen Trends anzupassen, und die reflexhafte Wadenbeißerei, mit der Politiker der hiesigen großen Parteien sowie die Liberalen – und die extreme Rechte sowieso – auf alle Vorschläge reagieren, den Umbau des Automobilsektors mit klaren Fristen und Vorgaben zu forcieren und zu gestalten, machen es ihnen verführerisch leicht, sich noch ein paar Jahre auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Der anschließende Fall wird dann umso tiefer sein, insbesondere für die Beschäftigten und die von der Automobilindustrie abhängigen Regionen.
    Quelle: Telepolis
  9. Die saudische Siemensstadt
    Der Siemens-Konzern bemüht sich um einen strategisch bedeutenden Großauftrag in Saudi Arabien. Dabei handelt es sich um den Auftrag zur Ausstattung der geplanten Megacity Neom mit Infrastruktur aller Art; das Milliardengeschäft brächte nicht nur hohe Gewinne, sondern verschaffte dem Münchner Unternehmen eine führende Rolle beim Aufbau einer hochmodernen, auf “Zukunftstechnologien” ausgerichteten saudischen Industriemetropole. Siemens-Chef Joe Kaeser begrüßt es ausdrücklich, dass sein “Freund, Partner und Kollege” Klaus Kleinfeld, ein ehemaliger Siemens-Chef, die Führung des ehrgeizigen Entwicklungsprojekts übernommen hat. Bereits zuvor hat Siemens eine Reihe von Großaufträgen in dem abgeschotteten, autoritären Königreich realisieren können. Gleichzeitig ist das Unternehmen bemüht, auch zum strategischen Rivalen Saudi-Arabiens, Iran, möglichst enge Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen. Die parallelen Geschäfte mit den rivalisierenden Staaten entsprechen dem Streben Berlins nach einer politischen Mittlerrolle im aktuellen Mittelostkonflikt.
    Quelle: German Foreign Policy
  10. GETEX II: Vollübung
    Eine wichtige Übung auf dem Weg zu umfassenderen Bundeswehreinsätzen im Inneren war im Frühjahr 2017 GETEX (siehe IMI-Analyse 2017/10). Bei der Stabsrahmenübung von Polizei und Militär wurde der Einsatz der Armee im Inland bei großen Terroranschlägen geprobt. In den Griephan Briefen (Nr. 44/2017) kündigt der bayrische Innenminister Joachim Herrmann mit einer Art GETEX II den nächsten Schritt an: „Wir bereiten das jetzt in Bayern, im nächsten Jahr, nachdem das jetzt ja zunächst eine Stabsrahmenübung war mit der bayrischen Polizei, dem Landeskommando der Bundeswehr in Bayern, vor, eine Vollübung durchzuführen. Weil wir es für notwendig halten, dass ganz konkret Polizeibeamte und Soldaten das auch konkret üben müssen, wie beispielsweise im Falle eines Terrorangriffs sich ganz konkret zu verhalten ist.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  11. Denglers Auftrag
    Die Wahrscheinlichkeit, dass Böhnhardt und Mundlos so umgekommen sind, wie offiziell dargestellt, liege praktisch bei Null – zu diesem Fazit kommt unser Autorenduo nach aufwändigen Recherchen. Der Indizienring um den 4. November 2011, als die beiden Uwes starben, lasse keinen “erweiterten Selbstmord” zu.
    Der Protagonist des ZDF-Krimis, der Ex-BKA-Mann und Privatermittler Georg Dengler, entwickelt Zweifel an der “offiziellen Geschichte” des BKA und der Bundesanwaltschaft, wonach die beiden Neonazis Mundlos und Böhnhardt durch einen erweiterten Selbstmord in Eisenach ums Leben gekommen seien sollen. Denglers filmisch geäußerten Zweifel beruhen wesentlich auf Widersprüchen und Ungereimtheiten, die eben nicht erfunden worden sind, sondern sich aus den zuvor recherchierten Ermittlungsakten und anderen offiziellen Unterlagen zum NSU-Fall ergeben. Alle diese Dokumente sind im Kriminalroman “Die schützende Hand” als Quellen explizit angegeben. Lars Kraume hat als Drehbuchautor und Regisseur dieses Films die wichtigsten Argumente aus der Romanvorlage kongenial filmisch umgesetzt.
    Als Reaktion gab es Lob, aber auch heftige Kritik. Deshalb seien im Folgenden nochmals unsere wichtigsten Indizien und Argumente kurz dargelegt. Die neu recherchierten Hinweise, Dokumente und Analysen zum Todeszeitpunkt erschienen erst Anfang 2017 nach Abschluß der Dreharbeiten in der erweiterten Taschenbuchausgabe des Romans “Die schützende Hand”.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  12. Firmen investieren weniger in deutsche Hochschulen
    Unternehmen haben lange jedes Jahr mehr Geld für Forschung an deutsche Hochschulen ausgegeben – bis jetzt, sagt eine neue Studie. Zum ersten Mal haben Firmen demnach mehr in Forschungseinrichtungen im Ausland investiert. Einer der Gründe hierfür: “die zunehmenden Transparenzgesetze”, sagte Studienautor Matthias Winde im Dlf.
    Quelle: Deutschlandfunk
  13. Dokumentarfilm über Gentrifizierung: “Das Land gehört allen!”
    Bei der diesjährigen Architekturbiennale in Chicago hat der Dokumentarfilm “The Property Drama” für Wirbel gesorgt. Es geht um Preisexplosionen auf dem Wohnungsmarkt, Verdrängung und die Zukunft unserer Städte.
    Nur 30 Minuten dauert dieser Film, vielleicht hätten ihm ein paar mehr gut getan. 30 atemlose Minuten, in denen weltweit agierende Architekten über das “Property Drama”, das Drama mit dem Eigentum sprechen. Es geht um den Grund und Boden, der uns, der Stadtgesellschaft, zunehmend abhanden kommt, weil er in private Hände gelangt, deren Profitgier keine Grenzen kennt. Denn so ein Stück Stadt ist per se ja eine gute Geldanlage!
    Hans-Jochen Vogel, inzwischen 91-jährig, ist kein Architekt, war aber Oberbürgermeister. Und er kommt in diesem Film auch zu Wort. “Wenn einer gar nix macht und der Wert steigt nicht in Folge seiner Anstrengung, sondern weil die Stadt wächst und dadurch der Bedarf zunimmt, dann sind das Gewinne, für die er selber keinen eigenen Beitrag geleistet hat” … und diese Gewinne daher, so der SPD-Politiker weiter, äußerst fragwürdig sind.
    Und dann nennt Vogel diese Zahl, die einem die Sprache verschlägt: In München ist der Bodenpreis seit 1950 bis heute um etwa 36.000 Prozent gewachsen! 36.000 Prozent!
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  14. Sonderwirtschaftszonen in Honduras: Die Neuerfindung der Bananenrepublik
    Auf dem Gebiet von Honduras sollen Ministaaten entstehen – fast autonome Gebiete, aus dem honduranischen Staat herausgetrennt, mit eigenen Gesetzen – und verkauft an internationale Investoren. Während führende Politiker und Investoren die Idee als Entwicklungsprojekt bewerben, warnen andere vor dem Ausverkauf des mittelamerikanischen Landes.
    Wahlkampf in Honduras. Mit Jeans und hochgekrämpelten Hemdsärmeln steht Juan Orlando Hernández, der amtierende und wohl auch künftige Präsident des Landes, auf einer Bühne in der Stadt Choloma und redet von seinem Lieblingsprojekt: Den ZEDE – auf Deutsch: “Zonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung”.
    Zehntausende neue Arbeitsplätze will der Präsident mit den neuen Zonen schaffen. Am Ende seiner Rede wendet sich der Präsident an seine Kritiker. Die seien ohnehin immer gegen alles, ewige Nörgler und Bedenkenträger – aber auch ihnen will er sagen: Die ZEDE werden das Land revolutionieren. Markige Worte! Doch würden die ZEDE tatsächlich Wirklichkeit, dann wären sie in der Tat eine Revolution. Mit ihnen entstünden neue, fast autonome Ministaaten, in denen nicht die Gesetze und die Rechtsprechung von Honduras, sondern die des jeweiligen Investors gelten: In dieser Form ein Novum – weltweit.
    Die ZEDE sollen wirtschaftlichen Aufschwung bringen in ein Land, das viele Beobachter für einen gescheiterten Staat halten. Das Land hat eine der höchsten Mordraten der Welt. Straflosigkeit, Korruption und die Unterwanderung der staatlichen Behörden durch die organisierte Kriminalität sind ein großes Problem.
    Druck von oben
    Nicht alle Honduraner glauben den Heilsversprechen des Präsidenten. Doch wer sich den Plänen der Regierung widersetzt, muss mit harten Konsequenzen rechnen…
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers D.W.: Ein hoch interessanter “Hintergrund-Podcast”. Sollte sich das Modell durchsetzen, wäre das der Beginn einer neuen Epoche des Neoliberalismus, der Beginn der endgültigen Marginalisierung aller Staatlichkeit- der Traum der extremen Libertären. Die Machtfülle, die Konzerne durch dieses Projekt erhalten könnten, erinnert an die Allmacht der “Honourable East India Company”, die als Großkonzern seinerzeit über eigenes Militär, eine eigene Gerichtsbarkeit und selbst ernannte Gouverneure verfügte und vor der jede Regierung der Welt erzitterte. Jeden, der die neoliberale Ideologie kritisch sieht, sollte dieses, unter anderem von der “Hayek-Gesellschaft” initiierte Projekt, in höchste Alarmbereitschaft versetzen.

  15. Zu guter Letzt: Keine Regierungsbeteiligung: FDP-Großspender fordern ihr Geld zurück
    Berlin (dpo) – Das wird nicht billig! Großkonzerne und Interessenverbände, die der FDP in den vergangenen Jahren üppige Parteispenden zukommen ließen, fordern nach der Absage der Liberalen an eine Jamaika-Koalition ihr Geld zurück. Ohne Regierungsbeteiligung sei die FDP nicht imstande die Bundespolitik im Sinne ihrer Gönner zu beeinflussen – ein Umstand, der so nicht vereinbart war. […]
    Ob bei der FDP, die nach der Union den zweithöchsten Betrag aus Firmenspenden erhalten hat, etwas zu holen ist, gilt jedoch als fraglich. Experten gehen davon aus, dass die FDP einen Großteil des Geldes bereits im Wahlkampf für Schwarzweiß-Fotoshootings, Plakate und Kokain ausgegeben hat.
    Quelle: Der Postillon

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