Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Gewinne wegsteuern
  2. Mindestlohnbetrügern endlich das Handwerk legen!
  3. Hartz-IV-Empfänger: Nicht einmal jeder Zweite ist offiziell arbeitslos
  4. Das waren noch Zeiten
  5. Durchbruch zum „Breakfast Tea“
  6. Deutsche Industrie fordert Steuersenkung – wegen Trump
  7. Unkrautvernichter: Bundesregierung hilft bei Geheimhaltung von Glyphosat-Studien
  8. Schwarz-grün in Hessen will schlechtestes Informationsfreiheitsgesetz Deutschlands
  9. Abgrundtief dämlich
  10. Hebammen- und Kreißsaalmangel: Was tun gegen die Unterversorgung?
  11. Wenn der Zahnarztbesuch teuer wird
  12. 25 Jahre “Asylkompromiss: “Chronologie einer Grundrechtseinschränkung
  13. Mitbestimmung unterstützt Einhaltung von Menschenrechten im globalisierten Unternehmen, doch oft fehlen noch klare Regeln
  14. Die AAA-Bürger
  15. Monolithe der Blutleere
  16. Das Geschäft mit der Wahrheit: Wie Medien gesteuert werden
  17. Gerichtsurteil: Ehrung für Jebsen darf doch im Babylon stattfinden

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Gewinne wegsteuern
    Viele Politiker glauben, man könne eine Institution, die in großen Schwierigkeiten steckt, dadurch retten, dass man ihr neue Aufgaben gibt. So ist die EU-Kommission überzeugt, dass man die Euro-Krise dadurch lösen kann, dass man einen Währungsfonds und einen Finanzminister für die Euro-Zone installiert.
    Die Frage, um die es eigentlich geht, ist mit dem Vorschlag jedoch nicht beantwortet. Die Frage nämlich, welche Art von Finanzpolitik der Fonds und der Finanzminister unterstützen sollen. Wird der neue Euro-Finanzminister überzeugt sein, dass höhere Staatsschulden des Teufels sind, oder wird er verstehen, dass man öffentliche Schulden braucht? Wird der neue Finanzminister begreifen, dass Europa den deutschen Ausweg hoher Leistungsbilanzüberschüsse, also hoher Schulden im Ausland, gerade nicht wählen kann? […]
    Wer etwas fundamental ändern will, darf nicht davor zurück­schrecken, die richtigen Fragen zu stellen und dafür neue ökonomische Theorien zu bemühen. Vorschläge für neue Institutionen in den Raum zu stellen, bevor die zentralen Schwachstellen der Euro-Zone behoben sind, führt keinen Schritt weiter.
    Quelle: Heiner Flassbeck in junge Welt

    dazu: Berlins Traum, Europas Trauma
    Die Bundesregierung begrüßt die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Umgestaltung der Eurozone. Bei dem Plan, den Eurorettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) umzubauen und den Posten eines EU-Finanzministers zu schaffen, handle es sich um einen “wichtigen Beitrag”, der “achtsam und konstruktiv behandelt” werden müsse, erklärt Peter Altmaier (CDU), Kanzleramtschef und geschäftsführender Finanzminister. Vor allem mit dem Plädoyer, einen EU-Finanzminister einzuführen, knüpft Brüssel an Forderungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, die darauf abzielen, die extremen deutschen Handelsüberschüsse abzubauen, die die ökonomische Grundlage der Berliner Dominanz in Europa bilden. Allerdings höhlen die Brüsseler Vorschläge diese Absicht aus und verkehren sie tendenziell in ihr Gegenteil. Auch den neuen Eurogruppenchef Mário Centeno, den Finanzminister Portugals, glaubt Berlin einhegen zu können: Er habe ihn nach Berlin eingeladen, um “über die großen Zukunftsfragen” vom Euro bis zur Bankensicherung zu sprechen, teilt Altmaier mit.
    Quelle: German Foreign Policy

  2. Mindestlohnbetrügern endlich das Handwerk legen!
    Die DIW-Studie „Mindestlohn noch längst nicht für alle“ belegt einmal mehr: Mindestlohnverstöße sind noch immer an der Tagesordnung! Mindestens 1,8 Millionen Beschäftigte bekamen im ersten Halbjahr 2016 – also über ein Jahr nach Einführung des Mindestlohns – weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Legt man nicht nur die vertraglichen, sondern die von ArbeitnehmerInnen angegebenen tatsächlichen Arbeitszeiten zugrunde, sind es sogar 2,6 Millionen. Am schlimmsten trifft es MinijobberInnen, Frauen, ostdeutsche und ausländische Beschäftigte sowie ArbeitnehmerInnen in kleineren Betrieben.
    Mindestlohnverstöße schaden vor allem den Beschäftigten, führen zu Einnahmeausfällen in der Sozialversicherung und den Steuerkassen, bedeuten aber auch Schmutzkonkurrenz für die Unternehmen, die sich korrekt verhalten. Es sollte daher das Interesse aller Redlichen in dieser Gesellschaft sein, diesem Betrug wirksam einen Riegel vorzuschieben.

    Quelle: DGB klartext

  3. Hartz-IV-Empfänger: Nicht einmal jeder Zweite ist offiziell arbeitslos
    Im Juli 2017 gab es knapp 4,4 Millionen erwerbsfähige Hartz IV-Empfänger, aber weniger als die Hälfte von ihnen gilt als arbeitslos im Sinne der Statistik. Mit 62 Prozent wird der überwiegende Teil von ihnen nicht zu den Arbeitslosen gezählt. Das zeigt der aktuelle Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit.
    Im Juli 2017 lebten in Deutschland knapp 6,4 Millionen Menschen in einem Hartz IV-Haushalt. Knapp 4,4 Millionen der Hartz-IV-Empfänger waren im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 Jahren und der Regelaltersgrenze und könnten grundsätzlich einer Arbeit von mehr als drei Stunden täglich nachgehen. Obwohl es laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Juli 2017 rund 80.000 mehr erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger als im Vorjahr gab, waren im Vergleich zum Vorjahr rund 100.000 Hartz-IV-Empfänger weniger offiziell arbeitslos: Nur noch knapp 1,7 Millionen bzw. 38 Prozent galten im Juli gemäß der BA-Statistik als arbeitslos. Wie ist das möglich?
    Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt
  4. Das waren noch Zeiten
    Österreich: Künftige Regierungsparteien wollen Arbeitszeit »flexibilisieren«: Es drohen Zwölf-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche
    Österreichs Beschäftigte sollen länger arbeiten. Obwohl die Koalitionsverhandlungen zwischen der konservativen Volkspartei (ÖVP) und der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) immer noch nicht abgeschlossen sind, haben die wahrscheinlichen Regierungschefs in spe am Mittwoch einige Vorhaben präsentiert. Bei einer Pressekonferenz verkündeten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, dass sie eine »Flexibilisierung« der Arbeitszeit umsetzen wollen. Diese Erfüllung eines langjährigen Wunsches von Unternehmerverbänden und Industriellenvereinigung ist wenig überraschend, beide Parteien hatten dies schon im Wahlkampf angekündigt. Künftig soll es Unternehmern möglich sein, Beschäftigte bis zu zwölf Stunden täglich und bis zu 60 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Droht ähnliches auch für Deutschland – auch bei einer Koalition aus SPD und Unionsparteien?

  5. Durchbruch zum „Breakfast Tea“
    May willigte zwar schriftlich ein, dass es keine „harte“, also von Zäunen oder Mauern bewehrte Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland geben wird. Auch der Zugang zum EU-Binnenmarkt soll auf der irischen Insel nicht beschränkt werden.
    Doch wie die künftige „smarte“ Grenze aussehen soll, wie man Schmuggel und andere mögliche Probleme im Binnenmarkt verhindern will – über all das schweigt sich der 96 Kapitel umfassende „gemeinsame Bericht der Unterhändler“ aus. „Da sind kreative Lösungen gefragt“, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Von einer „besonderen Lage und einer spezifischen Lösung“ hatte vorher May gesprochen.
    Das Problem ist tatsächlich besonders „tricky“. Denn die Iren wollen keine Nachteile durch den Brexit hinnehmen. Die Nordiren und ihre Democratic Unionist Party (DUP), die die May-Regierung in London stützt, wollen hingegen nicht im Binnenmarkt bleiben. Sollte dies auf Umwegen am Ende doch geschehen, so haben Schottland und London bereits gefordert, ebenfalls am Binnenmarkt partizipieren zu können. May muss wohl die Quadratur des Kreises gelingen, um dieses noch nie da gewesene Grenzproblem zu lösen. Vorerst beschränkt man sich in Brüssel auf einen Formelkompromiss, der den Status Quo sichert.
    Quelle: Eric Bonse in der taz
  6. Deutsche Industrie fordert Steuersenkung – wegen Trump
    Die drastische Steuersenkung für US-Unternehmen weckt auch bei der deutschen Wirtschaft Begehrlichkeiten. Der Industrieverband DIHK wendet sich mit einem deutlichen Wunsch an die Bundesregierung.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: So, so, Steuersenkungen für Unternehmen, Reiche und Superreiche sind also eindeutig mit “unseren westlichen Werte” vereinbar, die Trump ja angeblich sonst immer mit Füßen tritt. Man kann Trump jedenfalls nicht vorwerfen, dass er nicht die Interessen seiner Klasse, also des obersten 1 %, vertritt.

    dazu: Deutscher Export knackt Billionen-Marke schon jetzt
    „Die Währungsunion hat ihre Konjunkturkrise endgültig hinter sich gelassen“, sagt der Außenhandelschef des DIHK. Eine Zahl macht den Fachmann aber nachdenklich.
    Die deutschen Exporteure haben so früh wie noch nie in einem Jahr die Umsatzmarke von einer Billion Euro geknackt. In den ersten zehn Monaten wuchsen die Ausfuhren um 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,06 Billionen Euro, teilte das Statistische Bundesamt an diesem Freitag mit. „Damit wurde erstmals schon in einem Oktober die Billionen-Grenze übertroffen”, sagte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. In den beiden Vorjahren gelang dies erst im November. Im Jahr 2011 waren erstmals überhaupt in einem Jahr mehr als eine Billion Euro im Ausland umgesetzt worden. […]
    Die Exporte übertrafen die Importe in den ersten zehn Monaten um mehr als 200 Milliarden Euro. Deutschland steht wegen seiner enormen Exportüberschüsse international teils in der Kritik, etwa von Seiten der amerikanischen Regierung.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Ich würde jede Wette eingehen, dass am Ende des Jahres 2017 der Exportüberschuss gegenüber dem von 2016 noch einmal gewachsen sein wird. Dann kommen wieder die (berechtigten) Klagen des Auslands über die niedrigen deutschen Löhne und Investitionen und die (unsinnigen) Behauptungen der deutschen Regierung und Exportunternehmen, die Deutschen könnten am Außenhandelsüberschuss aber so gar nichts machen. Same procedure as every year.

  7. Unkrautvernichter: Bundesregierung hilft bei Geheimhaltung von Glyphosat-Studien
    Die EU-Lebensmittelbehörde Efsa weigert sich, Studien über den Unkrautvernichter Glyphosat herauszugeben. Die Bundesregierung hat sich jetzt in den Fall eingeschaltet – auf Seiten der Efsa und der Chemiekonzerne. […]
    Warum die Bundesregierung dem Verfahren beigetreten ist und was aus ihrer Sicht gegen die Veröffentlichung der Studien spricht, ist unklar. Das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium erklärt auf Anfrage: “Über die Hintergründe für einzelne prozessuale Schritte gibt die Bundesregierung grundsätzlich keine Auskunft.” Minister Christian Schmidt (CSU) machte zuletzt Schlagzeilen, indem er im EU-Ministerrat der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zustimmte und sie damit ermöglichte – entgegen der ausdrücklichen Weisung, sich zu enthalten.
    Die Efsa begründet die Geheimhaltung der Studien damit, dass eine Veröffentlichung die Geschäftsinteressen der Urheber Monsanto und Cheminova gefährdet und damit geltendes EU-Recht verletzt hätte. Die vier Grünen-Europaabgeordneten Heidi Hautala, Benedek Jávor, Michèle Rivasi und Bart Staes hatten die Efsa daraufhin im Mai vor dem EuGH verklagt. Ihr Argument: Bei den Studien handele es sich um Umweltinformationen, die veröffentlicht werden müssten, selbst wenn Interessen von Unternehmen betroffen seien. Zudem sei das öffentliche Interesse in diesem Fall höher einzustufen.
    Quelle: Spiegel Online
  8. Abgrundtief dämlich
    Wahnsinn. Der Tiefbahnhof wird teurer. Wer hätte das gedacht? Unser Autor schon. In seinem Exklusivbeitrag für Kontext verrät er, dass er mit Vergnügen beim Einstürzen der “vielen Lügengebäude” zuschaut. Bis zum Scheitern von Stuttgart 21.
    Irre! Krass! Stuttgart 21 soll eine Milliarde mehr kosten! Die Bauzeit wird länger! Unglaublich! Ist das denn die Möglichkeit? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Eine Frechheit, eigentlich. Langsam reicht’s jetzt aber mal!
    So ungefähr lesen sich die Pressemeldungen der letzten Tage. Den Zigtausenden von Aktivistinnen und Aktivisten aber, die seit mehr als zehn Jahren gegen Deutschlands teuerstes, sinnlosestes, korruptestes, kriminellstes und dümmstes Infrastrukturprojekt protestieren, entlockt die abermalige Steigerung allenfalls ein müdes Achselzucken.
    Denn es ist keine Überraschung, dass Stuttgart 21, eine gigantische Gelddruckmaschine für die Bau-und Immobilienwirtschaft, noch teurer wird. Es wurde lediglich und zum wiederholten Male etwas zugegeben, was schon lange bekannt war. 2016 wurden vom unabhängigen Bundesrechnungshof Projektkosten von neun bis zehn Milliarden Euro kalkuliert. Es ist also noch viel Luft nach oben für die nächsten Kostenexplosionen, die natürlich kommen werden.
    Diese Taktik der häppchenweisen Wahrheitsvermittlung hat Methode. Da es nachvollziehbare Argumente, die zumindest noch eine Debatte über das Unglücksprojekt am Laufen halten würden, schon lange nicht mehr gibt, wendet man seit Jahren ein ritualisiertes Lügen-Muster an: faktenbasierte Kritik wird reflexartig abgeräumt und danach einfach das Gegenteil behauptet.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  9. Schwarz-grün in Hessen will schlechtestes Informationsfreiheitsgesetz Deutschlands
    Nach dem Willen der schwarz-grünen Regierung in Hessen soll ein neues Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz kommen. Der Entwurf hat mit Informationsfreiheit allerdings nicht viel zu tun: Er sieht vor, dass weder Gemeinden und Landkreise noch Polizei und Verfassungsschutz Auskunft geben müssen.
    Aufatmen in Baden-Württemberg: Das Bundesland wird bald nicht mehr das schlechteste Informationsfreiheitsgesetz Deutschlands haben. Neuer Anwärter auf diesen zweifelhaften Titel ist Hessen. Die dortige schwarz-grüne Regierung möchte in der kommenden Woche nach langjährigem Stillstand ein Informationsfreiheitsgesetz ins Parlament einbringen.
    Bisher gehört Hessen neben Bayern, Sachsen und Niedersachsen zu den Ländern ohne Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Gesetzentwurf, der das ändern soll (pdf), ist der Regierung allerdings grundlegend misslungen: So ist von dem Grundsatz, dass amtliche Informationen von Behörden auf Antrag veröffentlicht werden müssen, nicht viel übrig geblieben. Tatsächlich sind nach dem Entwurf nämlich nur Landesbehörden zur Auskunft verpflichtet. Für Gemeinden und Landkreise, die in anderen Flächenstaaten die meisten Informationsanträge erhalten, gilt das Gesetz nur auf freiwilliger Basis.
    Quelle: Netzpolitik.org
  10. Hebammen- und Kreißsaalmangel: Was tun gegen die Unterversorgung?
    Viele Schwangere haben große Schwierigkeiten, eine Hebamme und einen Platz in einem Kreißsaal zu bekommen. Und nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands wird das monatlich schlimmer. Wie kann das Problem entschärft werden?
    “Ich habe mich in der achten Schwangerschaftswoche um eine Hebamme bemüht, das war aber schon äußerst schwierig”, musste eine werdende Mutter erfahren, die kurz vor der Geburt steht. Wie viele Schwangere hierzulande hat sie eine Liste von Geburtskliniken, die sie abtelefonieren wird, wenn die Wehen einsetzen.
    Dabei muss sie mit überfüllten Kreißsälen und überforderten Hebammen rechnen, die vier oder sechs Gebärende gleichzeitig betreuen müssen. Hinzu kommen im ländlichen Raum immer weitere Anfahrtswege zu einer Entbindungsklinik. Bundesweit ist ihre Anzahl in den vergangenen 15 Jahren von rund 1200 auf knapp 700 gesunken – und das bei gestiegener Geburtenrate. Gleichzeitig haben aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen und hoher Versicherungskosten immer mehr Hebammen ihren Beruf aufgegeben oder konzentrieren sich nur noch auf die Vor- und Nachbetreuung der Schwangeren.
    Quelle: Deutschlandfunk
  11. Wenn der Zahnarztbesuch teuer wird
    Bei einer Befragung durch die Verbraucherzentrale zeigte sich, dass viele Patienten bereits für Zahnersatz, Füllungen oder Wurzelkanalbehandlungen zahlen. Und das gar nicht mal wenig: Schon eine Füllung kostete fast 60 Prozent der Befragten mehr als 50 Euro. Auffällig ist, sagt Wolf, dass nur etwa die Hälfte der Patienten angab, sich gut über die durch die Behandlung entstehenden Kosten informiert zu fühlen. Einem Viertel der Befragten war auch nicht klar, dass es Alternativen gegeben hätte – zum Beispiel eine Kassenleistung ohne Zuzahlung.
    “Das ist wirklich erstaunlich, was da passiert”, sagt Christine Heyner, die früher selbst als Zahnärztin arbeitete und mittlerweile in Köln Patienten berät. “Als Zahnärztin musste ich früher mit meinen Patienten jede Zuzahlung eine halbe Stunde diskutieren, heute gehen Patienten davon aus, dass sie zuzahlen müssen.” Aber mit allen Fragen zu ihrer Rechnung blieben sie allein. Die Krankenkassen interessierten sich nicht dafür. Auf der Suche nach Hilfe landen Patienten dann bei den Beratungsstellen. Wie etwa jener, der sich bei Wolf meldete, weil er für die Ausmessung zweier Wurzelkanäle knapp 120 Euro zahlen sollte. Er wechselte den Zahnarzt – der neue nahm für die gleiche Leistung etwa 18 Euro. Wie kommen solche Unterschiede für die gleiche Leistung zustande? Um die Schwierigkeit eines Falls abzubilden, können Zahnärzte den in einer Gebührenordnung festgelegten Grundpreis mit einem Faktor multiplizieren. Im Falle der Wurzelbehandlung etwa setzte der erste Zahnarzt bei einem Grundpreis von 3,94 Euro für die Ausmessung einer Wurzel den Steigerungsfaktor 15 an, der zweite nur den Faktor 2,3.
    Quelle: Süddeutsche
  12. 25 Jahre “Asylkompromiss: “Chronologie einer Grundrechtseinschränkung
    Die Zahl der Asylbewerber stieg am Ende der 1980er-Jahre sprunghaft an. CDU und CSU wollten deshalb das Asylrecht einschränken. Dazu aber brauchten sie die Zustimmung der SPD. Nach zähen Verhandlungen wurde am 6. Dezember 1992 der sogenannte “Asylkompromiss” verkündet.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    dazu: Heute vor 25 Jahren: Grundgesetzänderung gegen „Asylantenschwemme“
    Vor kurzem jährte sich der Brandanschlag von Mölln zum fünfundzwanzigsten Mal. In der Nacht zum 23. November 1992 hatten zwei Neonazis die Wohnhäuser zweier türkischer Familien in der norddeutschen Kleinstadt mit Molotowcocktails angezündet. Zwei Mädchen, 10 und 14 Jahre alt, und ihre Großmutter starben. Diese Brandanschläge waren nicht vom Himmel gefallen. Bereits im Jahr davor hatten Neonazis in der Stadt Hoyerswerda Unterkünfte von Vertragsarbeitern und Flüchtlingsheime pogromartig angegriffen und, nachdem die terrorisierten Bewohner vertrieben waren, die Stadt für „ausländerfrei“ erklärt.
    Und im August 1992 brannte das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen mit der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber und einem angrenzenden Wohnhaus für vietnamesische Vertragsarbeiter unter johlendem Beifall eines rassistischen Mobs. Der damals amtierende Bundesinnenminister Rudolf Seiters nutzte die Geschehnisse in einer Bundestagsdebatte zu einem Generalangriff auf das Asylrecht: „Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen haben…“
    Schon damals also wurden die Pogrome der Rechten in der sogenannten bürgerlichen Mitte genutzt, um gegen ihre Opfer, Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge, Stimmung zu machen und damit Druck auf die SPD auszuüben, sich der Verunstaltung des Artikels 16 im Grundgesetz nicht länger zu verschließen. Am 6. Dezember 1992 beschlossen dann die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP eine Grundgesetzänderung, die das Asylrecht weitgehend einschränkte und zum Beispiel die Festlegung so genannter sicherer Herkunftsstaaten ermöglichte. Die Opfer des Pogroms wurden nie entschädigt, sie erhielten auch kein Bleiberecht in Deutschland.
    Quelle: Die Freiheitsliebe

    dazu auch: Diskurs um Flucht und Asyl in den 1990er-Jahren: Hetze gegen “Scheinasylanten” und “Asylmissbrauch”
    Rassisten stecken Flüchtlingsunterkünfte in Brand, Medien schreiben gegen eine vermeintliche “Asylantenflucht” an und Politiker verharmlosen rassistische Ausfälle als berechtigten Unmut: Zu Beginn der 1990er-Jahre tobt in Deutschland ein Kampf um die Verschärfung des Asylrechts.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

  13. Mitbestimmung unterstützt Einhaltung von Menschenrechten im globalisierten Unternehmen, doch oft fehlen noch klare Regeln
    Unternehmen sollen die Menschenrechte achten – über die gesamte Kette ihrer Subunternehmen und Zulieferer hinweg. So sehen es die 2011 verabschiedeten „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ vor. (…)
    Das von den Vereinten Nationen geschaffene Rahmenwerk mit seinen 31 Leitprinzipien beurteilen die Experten grundsätzlich positiv. Schließlich sei darin erstmals festgeschrieben worden, dass nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen und deren Subunternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten zu sorgen haben. Dieser Ansatz löse die alte Rollenverteilung zwischen Staat und Wirtschaftsakteuren ab – und entspreche besser den aktuellen Bedingungen einer globalisierten Welt. Zumal die UN-Leitprinzipien vorsehen, dass Unternehmen für sämtliche Auswirkungen ihrer Wirtschaftstätigkeit – über die gesamte Lieferantenkette und im gesellschaftlichen Umfeld – Verantwortung tragen sollen.
    Für die Umsetzung der Leitlinien sind zunächst die nationalen Regierungen und die Unternehmen selbst zuständig. Allerdings bewegten sich diese „bisher eher in ihren bekannten und eingefahrenen Bahnen“, schreiben die Experten. Vor allem die Regierungen machten nur sehr zögerliche Vorgaben und setzten stattdessen auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Viele große international tätige Unternehmen zeigten zwar gute Ansätze. So wiesen beispielsweise Adidas, BASF, Daimler, die Deutsche Telekom oder Unilever explizit darauf hin, dass sie sich an den UN-Leitprinzipien für Menschenrechte orientieren. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen bemängelten allerdings das Fehlen verbindlicher Regeln und Sanktionen.
    Nach Meinung der Experten sollten sich auch die Arbeitnehmervertreter bei der Umsetzung der UN-Leitprinzipien stärker engagieren. Die UN-Leitprinzipien wiesen hierfür zahlreiche Ansatzpunkte auf. Indem Arbeitnehmervertreter auf die Einhaltung der Menschenrechte im Ausland dringen, könnten sie zum Beispiel dazu beitragen, die Spirale des globalen Unterbietungswettbewerbs zu durchbrechen – und damit letztlich auch Beschäftigung in Deutschland sichern.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

    dazu: Tag der Menschenrechte: Konzerne sollen haften!
    Anlässlich des Tags der Menschenrechte am 10. Dezember fordert Attac die aktuelle und künftige Bundesregierung auf, die Verhandlungen für ein verbindliches UN-Abkommen, das Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet (Binding Treaty), nicht weiter zu blockieren.
    „Neben staatlicher Repression in vielen Ländern leiden die Menschen weltweit unter Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne“, sagt Sven Perten, Attac-Vertreter in der Deutschen Treaty Alliance. „Ob im Textilsektor, der Landwirtschaft oder der Rohstoffgewinnung: Verletzungen der Menschenrechte sind in internationalen Lieferketten die Regel. Auch deutsche Unternehmen profitieren von günstigen Einkaufspreisen auf Kosten der Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen bis hin zu moderner Sklaverei wie beim Anbau von Kakao in der Elfenbeinküste oder dem Abbau seltener Erden im Kongo.“
    Doch die Verhandlungen der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Menschenrechtsabkommen werden durch den Widerstand der Industrieländer erschwert. Insbesondere die EU und Deutschland tun sich als Bremser hervor. So schickte die Bundesregierung zu den fünftägigen Verhandlungen Ende Oktober in Genf nur eine Praktikantin und andere nicht zuständige Mitarbeiter. Alfred Eibl vom Attac-Koordinierungskreis: „Trotz der nachgewiesenen verheerenden Menschenrechtsverletzungen versucht die deutsche Regierung, verbindliche Regeln und klare Sanktionsmechanismen für Unternehmen zu verhindern. Das ist unvereinbar mit Artikel eins des Grundgesetzes.“
    Quelle: attac

  14. Die AAA-Bürger
    Bonuspunkte für den Kauf gesunder Babynahrung, Abzug für Pornokonsum: In China wird das Social Credit System getestet. Es überwacht, bewertet und erzieht die Bürger. […]
    Von einem Social Credit System ist die Rede, einer Art Schufa für so gut wie alle Belange des gesellschaftlichen Lebens, einer Bürgerbewertung. “Meine Regierung plant ja den komplett gläsernen Bürger”, sagt Ling.
    Bürger werden eingestuft wie von einer Rating-Agentur
    So wie Alibaba und Amazon wissen, wofür sich ihre Nutzer interessieren und was sie als Nächstes kaufen könnten, will der chinesische Staat aus den Datenspuren seiner Bürger ableiten, wie sie sich in der Vergangenheit verhalten haben und in der Zukunft verhalten könnten und sie nach einem Punktesystem entsprechend bewerten. Wer zum Beispiel über das Internet gesunde Babynahrung bestellt, soll Pluspunkte erhalten. Wer sich hingegen Pornos ansieht oder zu viel Zeit mit Computerspielen verbringt, muss mit Abzügen rechnen. Vorausgesetzt, der Staat bekommt das mit. Die technischen Möglichkeiten dazu hat er jedenfalls. […]
    Wer es hingegen wagt, in den sozialen Medien ständig über die Missstände im Land zu schimpfen, bekommt Punkte abgezogen. Wang spricht vom “kommunistischen Musterbürger”, den die chinesische Führung auf diese Weise schaffen wolle. Zugleich bedeute das “die totale Kontrolle”.
    Quelle: Golem

    dazu passt: Private Companies Look to Cash in as Homeland Security Brings Facial Recognition to U.S. Borders
    In a crowded conference room earlier this month in Menlo Park, California, representatives from companies around the world listened intently as officials from the Department of Homeland Security explained the bidding process for contracts to develop facial recognition capabilities at land border crossings. The companies were eager to get on the ground floor of the government’s pilot program for using facial scanners and databases at the border. The pilot program, managed by the DHS Silicon Valley Innovation Program, in conjunction with U.S. Customs and Border Protection, is one of several initiatives to use image-recognition technology designed for security purposes on a grander scale.
    Quelle: The Intercept

  15. Monolithe der Blutleere
    Eine scharfe Rüge nannte die Presse das, was die Bundeskanzlerin zum Glyphosat-Alleingang ihres Agrarministers ins Protokoll diktierte: Das darf nicht nochmal vorkommen – »Du du du!«, tadelte sie ihn und machte dabei große Augen. Lassen wir mal beiseite, ob der Minister den Schmidtchen Schleicher gab oder die Union sehr wohl eingeweiht war. Dass etwas an dieser Kontrollkanzlerin vorbeigeschmuggelt wird: wirklich schwer vorstellbar. Aber wenn die Presse einem diese saftlose »Schelte« als einen impulsiven Akt, als Abkanzelei von Format verkaufen möchte, dann fragt man sich tatsächlich: Wie viel Leben steckt da noch in diesem demokratischen Schauspiel? Was da Rüge sein soll, gilt bei anderen als klassisches Laissez-faire. Was dort als Schärfe feilgeboten wurde, ist für andere Zeitgenossen fast schon Zeichen von Liebkosung.
    Quelle: Heppenheimer Hiob
  16. Das Geschäft mit der Wahrheit: Wie Medien gesteuert werden
    Medien sollen die Bevölkerung informieren und die Herrschenden kontrollieren, um damit zu einer funktionierenden Demokratie beizutragen. So stellt man sich zumindest ihre idealtypische Rolle vor. Die Realität sieht jedoch oftmals anders aus.
    Ob und wie Nachrichten die Bevölkerung erreichen, wird durch politische und ökonomische Machtstrukturen bestimmt. Eine genaue Beschreibung dieses Phänomens haben Noam Chomsky und Edward S. Herman in ihrem Propaganda-Modell gegeben. Diese Theorie, die erstmals 1988 im Buch „Manufacturing Consent. The Political Economy of the Mass Media“ publiziert wurde, beschreibt, wie die politischen und ökonomischen Eliten ein Propagandasystem durch die Massenmedien aufbauen. Dieses wird dazu verwendet, die öffentliche Meinung zu lenken und gesellschaftlichen Konsens zugunsten einer Oberschicht zu produzieren. Gleichzeitig bleibt jedoch die Illusion von freien Medien und demokratischer Meinungsbildung gewahrt.
    Die Medien werden nach Herman und Chomsky ganz grundsätzlich von den Eliten als Instrument zur Sicherung ihrer Macht und Interessen missbraucht. Während die Eliten in totalitären Staaten Gewalt zu ihrer Legitimierung nützen, wird in Demokratien die Berichterstattung systematisch beeinflusst, um so Konsens im Interesse der Oberschichten zu erzeugen. Chomsky selbst fasst das mit diesem Zitat zusammen:

    „Ohne Knüppel, ohne Kontrolle durch Gewalt muss man das Denken kontrollieren. Dazu greift man zu dem, was in ehrlicheren Zeiten Propaganda genannt wurde.“

    Dabei geht es den beiden Wissenschaftlern hier nicht um das Aufdecken einer großen Verschwörung, sondern einfach darum, tendenziöse Berichterstattung als Produkt ökonomischer Sachzwänge begreifbar zu machen.
    Quelle: Kontrast.at

    Anmerkung unseres Lesers D.S.: “Manufacturing Consent“ ist ein Klassiker, aber es ist immer wieder überraschend wie die Mechanismen, die Noam Chomsky in den 80ern erklärte, immer noch stimmen.

  17. Gerichtsurteil: Ehrung für Jebsen darf doch im Babylon stattfinden
    Die Verleihung des umstrittenen »Kölner Karlspreises für engagierte Literatur«, den das Blog »Neue Rheinische Zeitung« (NRhZ) in diesem Jahr an den Journalisten Ken Jebsen vergeben will, kann doch stattfinden. Das bestätigte eine Sprecherin der Berliner Zivilgerichte gegenüber »nd«. Das Amtsgericht Berlin-Mitte urteilte am Donnerstag, dass der Mietvertrag zwischen der Neue Babylon Berlin GmbH und der NRhZ nach wie vor Bestand hat. Gegen den Urteilsspruch kann das Babylon Berufung einlegen. Auf der Tickethomepage des Kinos ist die Bestellfunktion für die Veranstaltung bereits wieder freigeschaltet.
    Das Amtsgericht hat die Gründe für die Kündigung, die das Babylon vorgebracht hat, als unbegründet zurückgewiesen. Die NRhZ will den Preis also wie geplant am 14. Dezember ab 18 Uhr in einer dreistündigen Veranstaltung an Ken Jebsen verleihen, wie das Blog mitteilte. Auch zur bereits angekündigten Kundgebung vor dem Kino, die sich gegen Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) wendet, rufen die Veranstalter in der Mitteilung nochmals auf.
    Das Kino Babylon hatte laut Urteilsspruch als Begründung für die kurzfristige Kündigung angegeben, aufgrund des Drucks aus dem Berliner Senat gehandelt zu haben und gab außerdem Sicherheitsbedenken als Grund für die Absage an. Außerdem habe man vom geplanten Auftritt der Band »Die Bandbreite«, die dem rechten Milieu nahesteht, erst nach Vertragsunterzeichnung aus einem Werbeflyer für die Veranstaltung erfahren. Das Gericht erkannte keinen der vorgebrachten Gründe an, verwies darauf, dass Anfechtungsfristen nicht eingehalten wurden, obwohl dem Babylon da schon bekannt war, mit wem es zu tun hatte.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut „Querfront“ – Die strategisch ausgedachte Propagandaformel wirkt. Berlins Kultursenator Lederer verweigert den Raum für eine Preisverleihung an Ken Jebsen. Vielleicht möchten sich die Verantwortlichen in der Linkspartei nun überlegen, ob der Beschluss “Klare Kante gegen Querfront” tatsächlich “notwendig” war.

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