„Gang of Four“: Senatoren forderten Tillerson auf, Rüstungskontrollgespräche mit dem Kreml zu eröffnen.

Ray McGovern
Ein Artikel von Ray McGovern

Vier U.S.-Senatoren drängen auf einen neuen Ansatz für die Beziehungen zwischen den USA und Russland, der auf erneuerten Rüstungskontrollbemühungen basiert; doch über die Mainstream-Medien ist hiervon bislang nichts zu vernehmen, berichten Gilbert Doctorow und Ray McGovern. Aus dem Englischen von Angelika Eberl.


Eine traurige Stellungnahme zum desolaten Zustand der US-Medien: Am 8. März 2018 sandten vier Senatoren der Vereinigten Staaten an US-Außenminister Rex Tillerson ein Schreiben, in dem sie den baldmöglichsten Beginn von Rüstungskontrollgesprächen mit dem Kreml fordern. Doch am Tag nach der Veröffentlichung auf der Senats-Homepage eines der Autoren, Senator Jeff Merkley (D-Oregon) fand sich nichts davon in den Mainstream-Medien. Nichts in der New York Times. Nichts in der Washington Post. Und so bleibt es den alternativen Medien überlassen, ihre Leserschaft auf eine wichtige Entwicklung in der Innenpolitik hinzuweisen: Die bedeutende Veränderung, dass die eigenen hochrangigen Politiker sagen, was in Bezug auf Russland getan werden sollte und dies wird uns – durch die russischen Haupt-Medien zur Kenntnis gebracht, einschließlich der Agentur RIA Novosti, RBK und Tass. Sie berichteten innerhalb weniger Stunden nach der Erstveröffentlichung.

Was wir haben, ist erstens eine echte „Mann-beißt-Hund“- Geschichte. Zwei der Senatoren, die den Brief verfasst haben, Dianne Feinstein (D-Kalifornien) und Bernie Sanders (I-Vermont), gehörten in den letzten Monaten zu den lautstärksten Verfechtern der unbewiesenen Behauptungen über Trumps Absprachen mit den Russen. Jetzt legen sie ihre Angriffe auf Trump und seine Gefolgsleute, die es wagten, russische Hände zu schütteln oder einen Witz mit einem russischen Botschafter zu teilen, für den Moment beiseite. Sie appellieren offen an den Außenminister, US-Vertreter zu entsenden, um mit Putins Leuten über unser Überleben auf diesem Planeten zu verhandeln.
 
Die Autoren waren in einer schwierigen Lage, als sie ihre neue Marschrichtung für den Staat erklärten. Und sie haben ihr Bestes getan, um Konsistenz zu erreichen für eine offensichtlich neue Politikrichtung, die ziemlich vielversprechend ist, um wieder Vernunft in den Beziehungen zwischen den USA und Russland herzustellen.

Erstens überdecken sie ihre Schattenseiten durch eine langwierige Darlegung von Russlands Missetaten, einschließlich angeblicher Einmischung in die Präsidentschaftswahlen von 2016, der „Verletzung“ des Völkerrechts in der Ukraine und dergleichen.

Zweitens stellen sie die vorgeschlagenen Rüstungsgespräche wie einen Spaziergang durch einen Rosengarten dar, wobei den Russen aus einer Position der Stärke heraus gesagt wird, was sie zu tun hätten. Das Ziel besteht darin, zwei von Russlands neuesten Waffensystemen, die Wladimir Putin in seiner Rede vom 1. März beschrieben hat, in den Rahmen des START-Vertrags einzufügen, sobald er zur Erneuerung ansteht. Dies, um die Probleme bezüglich von Russlands angeblichem Verstoß gegen den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme zu lösen.

In diesem Hokuspokus befindet sich jedoch der Hinweis auf Putins Rede und die neuen Waffensysteme, die er beschrieben hat, unter denen tatsächlich sechs waren, von denen einige noch nie zuvor gehört hatten und die ziemlich bedrohlich aussahen. Man könnte also schlussfolgern, dass Putins gewollte “Schock-und-Ehrfurcht”-Rede einen gewissen Effekt in Washington hatte, auch wenn das bisher noch niemand so sagt und selbst wenn unsere führenden Zeitungen eine Pause eingelegt haben, bis sie entschieden haben, wie sie mit den unliebsamen Nachrichten umgehen sollen.

Wissentlich oder nicht, die Vier haben gerade eine Bresche in die Mauer der Verachtung und der Abscheu für Putin und Russland geschlagen, eine Mauer, die seit Monaten, wenn nicht gar Jahren, in Washington aufgebaut wurde. Die unmittelbare Aufgabe besteht darin, diese Entwicklung einer breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen und die Überreste unserer einstmals beeindruckenden Verhandlungs-Teams über Rüstungsfragen aus der Mottenkiste zu holen, um den russischen Amtskollegen gegenüberzutreten, die lange auf diesen Moment gewartet haben.
 
Demokratische Risse

Die ungewöhnliche Art und Weise, wie der Brief bekannt wurde – und die offenkundige Ungewissheit seitens der Mainstream-Medien, wie sie damit umgehen sollen – zeugt von zunehmenden Rissen unter den Demokraten.

Sogar unter den fanatischsten Fans von Hillary Clinton (und den Hassern von Präsident Trump) wächst das Gefühl, dass zum Beispiel der Kongressabgeordnete Adam Schiff (D-Kalifornien – ” Glaubt mir, die Russen haben unsere Wahl gehackt “) möglicherweise nicht in der Lage ist, etwas zu liefern, was über das “Glaubt mir” hinausgeht. Und viele beginnen sich zu fragen, ob der hochheilige Sonderermittler Robert Mueller möglicherweise mit nicht viel mehr aufwarten kann, als „Klick-Köder-Farmen“ in St. Petersburg und Schlamm, um dubiose Charaktere wie Paul Manafort aufgrund von Vorwürfen, die nichts mit Russiagate zu tun haben, ins Gefängnis zu stecken. (Immerhin war Müller schon lange dahinter her.)

Und was würde das für die Aussicht auf eine Wiederwahl von Kandidaten bedeuten, wie der bereits pensionierten Demokratin Dianne Feinstein (D-Kalifornien.), deren Erfolgsaussichten bereits abnehmen?

Nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, dass die Motivation der vier Senatoren auch durch eine neue Einschätzung hervorgerufen wurde, die erkennt, wie gefährlich es ist, alles auf Russland zu schieben, mit dem möglichen Resultat, dass die Beziehungen zwischen den USA und Russland in einen Zustand völliger Zerrüttung geraten. Die Schlüsselfrage ist, ob Präsident Putin entdämonisiert werden kann. Das wird von den Mainstream-Medien abhängen, die leider nicht gewohnt sind, die Kriegstrommeln zu überdenken und zum Schweigen zu bringen – selbst angesichts neuer Realitäten wie dem Im- Sande- Versickern von Russiagate und Putins absolut glaubwürdiger Erklärung des strategischen Gleichgewichts.

Brief der Vier an Außenminister Rex Tillerson[1]

Wie auf der Website von Senator Merkley veröffentlicht.

8. März 2018

Dem ehrenwerten Rex W. Tillerson
Außenminister
US-Außenministerium
Washington, DC

Sehr verehrter Herr Außenminister,

wir schreiben, um das Außenministerium dringend zu ersuchen, einen erneuten strategischen Dialog zwischen den USA und Russland so bald wie möglich einzuberufen.

Ein strategischer Dialog zwischen den USA und Russland ist nach der öffentlichen Rede von Präsident Putin am 1. März umso dringlicher, als er auf mehrere neue Atomwaffen hinwies, die Russland, wie verlautet, entwickelt, darunter ein Marschflugkörper und eine nukleare Unterwasserdrohne, die derzeit nicht durch den neuen START-Vertrag begrenzt sind, und die destabilisierend wirken würden, wenn sie bereitgestellt würden. Es besteht kein Zweifel, dass wir erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit Russland haben, einschließlich der dreisten Einmischung Russlands bei den US-Wahlen 2016, der fortgesetzten Verletzung des Washingtoner Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF), der Invasion der Ukraine und der illegalen Annexion der Krim sowie destabilisierender Aktionen in Syrien. Doch aufgrund dieser politischen Gräben, nicht trotz dieser Gräben, sollten die Vereinigten Staaten dringend mit Russland verhandeln, um Fehleinschätzungen zu vermeiden und die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zu verringern.

Erstens ermutigen wir die Regierung, alternative Lösungen vorzuschlagen, um Russlands Verstoß gegen den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF) anzusprechen.
Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow räumte ein, dass es sich um eine Cruise Missile (GLCM) handelt, behauptete aber, dass das System mit dem INF-Vertrag vereinbar sei.

Führende Amtsträger aus den Vereinigten Staaten und Russland haben gesagt, dass der INF-Vertrag eine “wichtige Rolle im bestehenden System der internationalen Sicherheit” spielt. Daher fordern wir das Außenministerium nachdrücklich auf, Russlands Vertragsverletzung durch bestehende Bestimmungen des INF-Vertrags oder neue, für beide Seiten akzeptable Mittel zu lösen.

Zweitens fordern wir die Vereinigten Staaten mit Nachdruck auf, den Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen (New START) zu verlängern. Die von der Trump-Administration selbst erstellte Nuclear Posture Review 2018 (NPR) verweist auf Russlands robustes Nuklearmodernisierungsprogramm als eine der wichtigsten Rechtfertigungen für die Notwendigkeit der Umstrukturierung der drei Beine der Nukleartriade. Eine Verlängerung von New START würde nachweislich die zentralen Obergrenzen des Vertrags[2] festschreiben und damit auch die Reduzierung der strategischen Kräfte, die Russland gemacht hat.
Der neue START-Vertrag, der 2011 in Kraft getreten ist, bietet Transparenz und Vorhersehbarkeit in Bezug auf die Größe und den Standort der strategischen nuklearen Trägersysteme, Sprengköpfe und Anlagen Russlands. Die solide Verifikations-Architektur von New START umfasst Tausende von Austauschdaten und regelmäßige Inspektionen vor Ort. Die Vereinigten Staaten bestätigten im Februar, dass Russland die Vorgaben des Vertrags: „New START’s Central Treaty Limits“ erfüllt und erklärten, dass “die Umsetzung des New START-Vertrags die Sicherheit der Vereinigten Staaten erhöht”. Dieselben „Central Treaty Limits könnten auch für zwei der neuen Typen von Kernwaffen gelten, auf die Präsident Putin am 1. März Bezug genommen hat – ein Fall, den die Vereinigten Staaten durch die halbjährliche Beratungskommission (BCC) des Vertrags vorbringen könnten.

Und schließlich: Wie die Nuclear Posture Review im Jahr 2018 feststellt, hat Russland gegenüber den Vereinigten Staaten einen zahlenmäßigen Vorteil in der Anzahl der nicht-strategischen Kernwaffen. Im Jahr 2010 hat der Senat in seiner Resolution zur Ratifizierung von New START eine Bestandsaufnahme dieses Ungleichgewichts vorgenommen und die Vereinigten Staaten aufgefordert, Verhandlungen einzuleiten, um die “taktischen Atomwaffen auf nachprüfbare Weise zu sichern und zu reduzieren”. Versuche der Obama-Regierung, ein Abkommen über diese Waffenklasse auszuhandeln, stießen auf Widerstand aus Russland. Auch wenn der politische Spielraum für ein formelles Abkommen oder einen bindenden Vertrag mit Russland fehlt, fordern wir das Außenministerium auf, Möglichkeiten zur Verbesserung der Transparenz bei nicht-strategischen Kernwaffen zu erörtern.

Die Verlängerung von New START, die Lösung des Verstoßes Russlands gegen den INF-Vertrag und die Verbesserung der Transparenz in Bezug auf nicht-strategische Kernwaffen werden ebenfalls dazu beitragen, die wachsenden Besorgnisse vieler Länder zu beruhigen, dass die Vereinigten Staaten ihren Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NVV) nicht nachkämen. Die drei sich gegenseitig verstärkenden Säulen des Vertrags: Nichtverbreitung, friedliche Nutzung der Atomkraft und Abrüstung können nur durch die Führung der USA in allen drei Bereichen vorangetrieben werden.

Es gibt keine Garantie dafür, dass wir mit Russland in diesen Fragen Fortschritte machen werden. Doch selbst auf dem Höhepunkt der Spannungen während des Kalten Krieges konnten sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion für die Fragen der strategischen Stabilität einsetzen. Die Staats- und Regierungschefs beider Länder waren der Ansicht, dass die unglaubliche Zerstörungskraft der Atomwaffen Grund genug ist, jegliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Möglichkeit zu verringern, dass sie jemals wieder eingesetzt werden.

Hochachtungsvoll

Senatoren Jeff Merkley (D-Oregon.), Dianne Feinstein (D-Kalifornien.), Edward J. Markey (D-Massachussetts.), Bernie Sanders (I-Vermont)


Gilbert Doctorow ist ein unabhängiger Analyst für Politik in Brüssel. Sein neuestes Buch Does the United States Have a Future? erschien im Oktober 2017. Sowohl Taschenbuch- als auch E-Book-Versionen sind auf amazon.com und allen angeschlossenen Amazon-Websites weltweit erhältlich.

Ray McGovern arbeitet bei „Tell the Word,“ einem Publikationsorgan der ökumenischen Church of the Saviour in der Stadt Washington. Er war 30 Jahre beim Geheimdienst der US-Army und als CIA-Analyst tätig. Im Ruhestand war er Mitbegründer von Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS).


[«1] Anmerk. d. Übersetz: Inzwischen ist er nicht mehr US-Außenminister, aber am 8.3.2018 war er es noch.

[«2] Anmerk. d. Übers.: engl. Bezeichnung: The Treaty’s Central Limits : hier, dem Sinn nach, mit „zentrale Obergrenzen des Vertrags“ übersetzt.)

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