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Heute unter anderem zu folgenden Themen: “Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf die Wirtschaftskrise”, Wie Schwarz-Gelb die Bosse beschenkt, Wirtschaftsideen aus dem Untergrund, Rebalancing the world economy, Schweinegrippe, Steueroasen, Afghanistan. (KR/WL)

  1. “Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf die Wirtschaftskrise”
  2. Koalitionsvereinbarung: So beschenkt Schwarz-Gelb die Bosse
  3. Seehofer ätzt gegen Gesundheitsreform
  4. FDP denkt über Abschaffung der Familienversicherung nach
  5. Schwarz-gelbe Steuerentlastung: Um wie viele Milliarden geht es?
  6. Joseph Stiglitz und George Akerlof: Wirtschaftsideen aus dem Untergrund
  7. Rebalancing the world economy: Germany
  8. Antworten auf Krise
  9. Der nächste Crash ist schon in Arbeit
  10. Thema: Schweinegrippe
  11. Thema Steueroasen
  12. Der Kampf ums Brot: Drohen uns Lebensmittelkartelle?
  13. Entlassene verdienen noch nach 15 Jahren weniger
  14. Telekom: Spitzeleien bis nach Übersee
  15. Schwarz-Gelb für Atomexport
  16. Sterbeversicherungen: Umstrittene Geschäfte der Sozialverbände
  17. Thema: Afghanistan
  18. Französische Städte gehen gegen skrupellose Geldhäuser vor
  19. Zur Sloeterdijk-Kontroverse: Wo bleibt der Bürgerkrieg
  20. Zu guter Letzt: Willst Du ein Schaf sein?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. “Koalitionsvertrag gibt keine Antwort auf die Wirtschaftskrise”
    Regierungswechsel: Die Hoffnung der neuen Bundesregierung, dass die geplanten Steuersenkungen zu mehr Wachstum führen, hält Heiner Flassbeck, Direktor bei der UN-Handelsorganisation UNCTAD, für unrealistisch. Wenn die Reallöhne nicht steigen, werde diese Steuersenkung verpuffen. Er bemängelt auch, dass die Finanzmärkte nicht streng reguliert werden sollen.
    Quelle: VDI-Nachrichten

    Anmerkung KR: Lesenswert und vor allem gegen Ende interessant: „Es hilft nicht, wenn einzelne Unternehmen die Löhne senken und die Beschäftigung stabilisieren. Eine Lohnsenkung bedeutet ja, dass Verluste, die ein Unternehmen deswegen nicht hat, woanders auftreten, z. B. im Einzelhandel. Die Unternehmen insgesamt können nicht ihre Verluste verringern, indem sie ihre Kosten senken, sie können solche Verluste nur verschieben. Wenn das alle so machen, vergrößern sie ihre Verluste ständig.“

  2. Markus Sievers: Koalitionsvereinbarung: So beschenkt Schwarz-Gelb die Bosse
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie feiert den Koalitionsvertrag – und er weiß, warum. Union und FDP arbeiten seinen Wunschzettel restlos ab. Eine Analyse der Steuerpolitik – und sechs Beispiele.
    Quelle: FR
  3. Seehofer ätzt gegen Gesundheitsreform
    Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende bekräftigt seinen Widerstand gegen einen radikalen Systemwechsel in der Gesundheitspolitik: Es könne eben keine “endlose Beitragserhöhung geben”. Dem Gesundheitsminister wünsche er darum “viel Glück”. Für die FDP unterstrich die neue Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger das Ziel, die Beitragssammelstelle, den Gesundheitsfonds, wieder abzuschaffen. Das sei im Koalitionsvertrag von Union und FDP “definitiv festgelegt”, sagte sie der in Berlin erscheinenden “BZ am Sonntag”. Ganz deutlich stehe auch in dem Papier, dass “wir künftig ein System mit mehr Beitragsautonomie der Krankenkassen, regionaler Differenzierung und einen Beitrag mit sozialem Ausgleich haben werden”.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ob Horst Seehofer opportunistisch oder aus Überzeugung handelt, Hauptsache er behindert die “Reform”. Wir wissen alle, wie schwierig Reregulierungen sind.

  4. FDP denkt über Abschaffung der Familienversicherung nach
    FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger will das gegenwärtige Modell der kostenfreien Familienmitversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung abschaffen. Für Familien würde das neue Kosten bedeuten.
    „Das ist ein sozialer Ausgleich, der über das Steuersystem finanziert werden sollte“, sagte Homburger am Freitag zu sueddeutsche.de. Die Gewerkschaft IG Metall warf Union und FDP vor, sie planten einen „Frontalangriff“ auf das System der Krankenversicherung.
    Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung
  5. Schwarz-gelbe Steuerentlastung: Um wie viele Milliarden geht es?
    Es geht um Milliardenentlastungen. Doch um wie viele dieser Milliarden – da ist sich selbst die FDP nicht ganz sicher. Auf Nachfrage von Panorama kommen nur verwirrende Antworten. Sind es nun 7, 14, 17, 21, 24 oder gar 40 Milliarden? Und wann dürfen die Bürger sich auf diese Entlastungen freuen? Kommen sie nun Anfang 2010, 2011, oder erst 2013? Das alles ist jetzt offenbar nicht mehr so wichtig. Berauscht verschließt man bei der FDP erst einmal die Augen.
    Panorama auf den Spuren einer offenbar leicht konfusen Partei, die jetzt auch mitregieren darf.
    Quelle: ARD Panorama Video

    Anmerkung WL: Es lohnt sich das Video anzusehen, um zu erkennen, wie wenig der Koalitionsvertrag zur Kenntnis genommen wird und wie sehr es nur auf die öffentliche Darstellung ankommt.

  6. Joseph Stiglitz und George Akerlof: Wirtschaftsideen aus dem Untergrund
    Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist ein Moment tiefer Reflexion im ökonomischen Metier, denn sie hat viele lange gepflegte Vorstellungen auf die Probe gestellt. Wenn sich die Wissenschaft durch ihre Fähigkeit definiert, die Zukunft vorherzusagen, dann sollte das Versagen so vieler Ökonomen, die Krise kommen zu sehen, Grund zu großer Besorgnis sein. Doch gibt es tatsächlich eine sehr viel größere Ideenvielfalt unter Ökonomen, als einem häufig bewusst ist. Die diesjährigen Nobelpreisträger in Ökonomie sind zwei Wissenschaftler, deren Lebenswerk alternative Ansätze untersucht. Die Ökonomie hat eine enorme Vielzahl an Ideen hervorgebracht; und viele davon argumentieren, dass Märkte nicht notwendigerweise effizient oder stabil sind und unsere Gesellschaft durch die Standardmodelle des Wettbewerbsgleichgewichts, die von vielen Ökonomen verwendet werden, nicht gut beschrieben wird.
    Ideen sind wichtig. Unsere Aufsichtsbehörden und gewählten Vertreter wurden politisch vereinnahmt: Sonderinteressen an den Finanzmärkten profitierten in erheblichem Maße von der ungezügelten Deregulierung und dem Versagen, die aufsichtsrechtliche Struktur an die neuen Produkte anzupassen. Aber unsere Aufsichtsbehörden und Politiker litten auch unter einer intellektuellen Vereinnahmung. Sie hätten ein breiteres und robusteres Portfolio an Ideen gebraucht, auf die sie sich stützen können. Deshalb ist auch die jüngste Ankündigung von George Soros so aufregend, der eine finanziell gut ausgestattete Initiative for New Economic Thinking (Inet) schaffen will, die diese Ideen unterstützen soll. Forschungsgelder, Symposien, Konferenzen und eine neue Fachzeitschrift: All dies wird dazu beitragen, dass neue Ideen und gemeinsame Bemühungen blühen und gedeihen. Inet wurde völlige Handlungsfreiheit eingeräumt, sowohl inhaltlich wie in Strategiefragen.
    Quelle: FTD
  7. Rebalancing the world economy: Germany
    There is a danger that Germany takes the wrong lesson from the crisis. It could decide the episode only shows the folly of relying on finance and services to drive growth, as America and Britain have. It could simply reinforce its long-standing export bias. But thoughtful Germans may conclude that a crisis that has created such a burden for future taxpayers stems partly from the ill use of their own savings. They may well end up wishing they had spent the money on themselves.
    Quelle: Economist
  8. Antworten auf Krise
    Die Reaktionen der Gewerkschaftsvorstände auf die tiefste Wirtschaftskrise seit acht Jahrzehnten sind völlig unzureichend. Das war der Tenor einer Konferenz der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG), die am Wochenende in Stuttgart stattfand. »Der Konfliktvermeidungskurs, die Politik des Co-Managements und des Verzichts haben sich schon in den vergangenen Jahren fatal ausgewirkt, doch jetzt werden sie für die Beschäftigten existenzbedrohend«, erklärte Christa Hourani vom IVG-Arbeitsausschuß zur Eröffnung des zweitägigen Treffens, an dem knapp 100 Gewerkschafter aus verschiedenen Teilen des Bundesgebiets teilnahmen.
    Besonders zwei Themen wollen die in der IVG zusammengeschlossenen Gewerkschafter in ihren Organisationen propagieren: das Mittel des politischen Streiks und die Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung. »Wir müssen das Tabu knacken, daß der politische Streik angeblich nicht erlaubt ist«, forderte Werner Sauerborn, Referent für Grundsatzfragen beim ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg. Die Chancen dafür stünden nicht schlecht, was sich unter anderem beim letzten Gewerkschaftstag der IG Bauen-Agrar-Umwelt gezeigt habe. Dieser hatte sich gegen den Willen des Bundesvorstands für das Recht auf politischen Streik ausgesprochen. Inhaltlich ist für die Gewerkschaftslinken die Frage der Arbeitszeitverkürzung entscheidend. »Radikale Arbeitszeitverkürzung ist unsere zentrale Antwort, um Überkapazitäten und Erwerbslosigkeit zumindest etwas zurückzudrängen«, so Daimler-Betriebsrätin Hourani. Ihr Kollege André Halfenberg rechnete vor, dass der Autobauer vor 25 Jahren noch rund 500000 Fahrzeuge produziert habe, im vergangenen Jahr aber 1,2 Millionen – bei gleichzeitig um Zehntausende Stellen reduzierter Belegschaft.
    Quelle: Junge Welt
  9. Der nächste Crash ist schon in Arbeit
    Die hoffnungsvollen Reden vom Ende der Krise verschweigen, dass die offenen Rechnungen nicht mit ein bisschen Aufschwung zu bezahlen sind
    Von Laurent Cordonnier, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Lille I und Autor von “Pas de pitié pour les gueux”, Paris (Raison d’agir) 2000.
    Quelle: LE MONDE diplomatique
  10. Thema: Schweinegrippe
    1. Das Geschäft mit der Grippe
      Ende Oktober starteten die lange geplanten Impfungen gegen A/H1N1. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest: Die erwartete Pandemie mit hoher Morbidität und Mortalität ist ausgeblieben. Die neuen „Pandemien“ sind auf jeden Fall ein sicheres Geschäft für die Hersteller. Und das alle Jahre wieder, wenn nicht schnellstmöglich „stopping-rules“ zur Entwarnung bei vermuteten, aber sich als harmlos erweisenden Pandemien eingeführt werden – sowie eine öffentliche Kontrolle der Entscheidungsprozesse, einschließlich der Offenlegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Impfstoffherstellern und Regierung. Gesundheitsressourcen in derartiger Höhe, die an anderen Stellen dringend gebraucht werden, dürfen in Zukunft nicht mehr einfach hinter verschlossenen Türen verteilt werden. Intransparenz und potenzielle Interessenkonflikte unterminieren die Glaubwürdigkeit der zuständigen Empfehlungs- und Zulassungsbehörden. Mehr noch: Im aktuellen Fall nähren sie den Verdacht, dass die H1N1-Grippewelle als Schweinegrippe-Pandemie von der Pharmaindustrie gezielt zur Vermarktung genutzt wurde. Eine genaue Durchleuchtung der Vorgänge durch eine parlamentarische Untersuchungskommission ist deshalb dringend angezeigt.
      Im Falle der Schweinegrippe erfolgte die Zulassung des Impfstoffs durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA, deren Arbeit Transparency Deutschland seit Jahren äußerst kritisch beobachtet. Höchst problematisch ist, dass die EMEA der Generaldirektion Wirtschaft der Europäischen Kommission und nicht der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz untersteht. Ebenso bedenklich ist die Tatsache, dass ihre Arbeit zu fast zwei Dritteln durch die pharmazeutische Industrie finanziert wird – und eine Überprüfung der Zulassungsunterlagen durch externe Wissenschaftler grundsätzlich erst nach erfolgter Zulassung möglich ist.
      Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
    2. Harald Schumann: Schweinegrippe: Höchste Warnstufe
      Die Angst vor der Schweinegrippe geht um – und beschert Pharmakonzernen Milliardenprofite. Viele Experten macht das skeptisch: Die Pandemiegefahr halten sie für eine Inszenierung der Industrie – und das Virus sogar für nützlich.
      Könnte die Schweinegrippe am Ende mehr Leben retten, als sie bedroht?
      Quelle: Tagesspiegel
  11. Thema: Steueroasen
    1. Panik in Lugano
      Nach den Razzien der italienischen Finanzpolizei am Dienstag in 76 Filialen von Schweizer Banken in Italien ist der Steuerstreit mit dem südlichen Nachbarland weiter eskaliert. Zuvor hatte der italienische Finanzminister Giulio Tremonti eine Steueramnestie erlassen. Steuerflüchtlinge können ihr Geld offenlegen oder nach Italien zurückführen und bezahlen nur eine Strafsteuer von fünf Prozent. Tremonti erhofft sich dadurch mindestens fünf Milliarden Euro Steuereinnahmen. Er zählt die Schweiz weiterhin zu den nicht kooperativen Offshore-Zentren und verzögert die Neuverhandlungen des Doppelbesteuerungsabkommens bis nach Ende der Steueramnestie Mitte Dezember. Ausserdem schikaniert die Finanzpolizei die italienische Kundschaft des Finanzplatzes Tessin mit zivilen Detektiven und dem sogenannten Fiscove­loxsystem, mit dem Spezialkameras an zwei Grenzübergängen die Nummernschilder der vorbeifahrenden Autos registrieren. Im Finanzdepartement (EFD) ist die Gegenoffensive von Generali und Citterio auf offene Ohren gestossen. «Bundespräsident Merz ist besorgt über das Vorgehen Italiens», teilte das EFD letzte Woche mit, «und hat beschlossen, in dieser Angelegenheit eng mit der Associazione bancaria ticinese zusammenzuarbeiten. Merz wird demnächst auch die Tessiner Regierung zu einer Lagebeurteilung empfangen.»
      Der Finanzplatz Tessin gilt ennet [ennet, schweiz. mundartl: jenseits] dem Gotthard als dubios, mit einem noch breiteren Geschäft in der Grauzone zwischen legal und illegal als in Zürich oder Genf. Doch das ist ein Mythos. Das Tessin wird von den gleichen Banken dominiert und pflegt die gleichen Standards wie Zürich und Genf.
      Quelle: WOZ (CH)
    2. Italiens Jagd auf Reiche: Wer kann, wird Svizzero
      Abkommen für Pauschalbesteuerung nehmen rapid zu, Milliardäre lassen sich einbürgern: Die reichen Italiener wenden sich von ihrem Land ab. «Scudo fiscale – la prima guerra della Svizzera», der erste Krieg der Schweiz: So wies die italienische Zeitung «Republica» diese Woche auf eine Reportage in den «Schatzkammern Luganos» hin.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Und auch die NZZ verteidigt eifrig die Steueroase.

    3. Regeln für britische Steueroasen
      Die britische Regierung nutzt die Finanznöte ihrer Kolonien und den Wunsch nach Transparenz im Offshore-Geschäft, um ihren Steuerparadiesen klare Grenzen zu setzen. Am Donnerstagabend hat der ehemalige Banker Michael Foot nach knapp einjähriger Arbeit seinen Abschlussbericht über die nötigen Reformen veröffentlicht. Foots Untersuchung widmet sich neben den genannten Kron-Gebieten namentlich sechs ehemaligen Kolonien: Anguilla, den britischen Jungferninseln, den Caymaninseln, den Turks- und Caicosinseln (alle in der Karibik) sowie Bermuda und Gibraltar. Die starke einseitige Abhängigkeit der meisten dieser Gebiete vom Finanzsektor und vom Tourismus hat in jüngster Zeit zu empfindlichen Einbussen bei den Staatseinnahmen geführt. Da ihre Kompetenz, sich eigenmächtig zu verschulden, aber streng limitiert ist, trat die End-Haftung des britischen Steuerzahlers unter diesen Umständen klar zutage. Anguilla, Cayman und selbst die Insel Man mussten sich deshalb die Auferlegung von empfindlichen Restriktionen aus London gefallen lassen. Die Turks und Caicos wurden wegen eines Korruptionsskandals vorübergehend sogar ganz entmündigt.
      Quelle: NZZ
    4. Die Top-Steueroase liegt in den USA
      Kein Finanzplatz ist verschwiegener als Delaware. Die USA und Grossbritannien sind bisher nicht offiziell im Zusammenhang mit Steueroasen genannt worden – wohl weil diese Länder in den maßgebenden Gremien OECD und G-20 einen grossen Einfluss ausüben. Das politisch unabhängige Tax Justice Network (TJN) dagegen hat für seinen Index, der von nun an alle zwei Jahre aktualisiert werden soll, 60 Finanzplätze anhand von nachvollziehbaren Kriterien unter die Lupe genommen. Die internationale Organisation, zu deren Gründungsmitgliedern Alliance Sud und die Erklärung von Bern gehören, stößt sich daran, dass Großkonzerne und vermögende Privatunternehmen ihre Steuerpflicht umgehen, indem sie ihre Gelder in Steueroasen verstecken.
      «Der Financial-Secrecy-Index unterscheidet sich deutlich von den Steueroasen-Listen der OECD», sagt Andreas Missbach, Finanzexperte der Erklärung von Bern. «Finanzplätze wie Delaware, Nevada und London blieben bisher von den schwarzen und grauen OECD-Listen ausgeschlossen, weil sie keine souveränen Staaten sind und weil machtpolitische Gründe mitspielten.» Die Schweiz solle den Index denn auch als Aufforderung verstehen, außenpolitisch in die Offensive zu gehen, so Missbach. «Sie muss sich für multilaterale Initiativen einsetzen, die mehr Transparenz in Steuerfragen und im Weltmarkt für Finanzdienste gewähren – und zwar weltweit.» Das sei das beste Mittel, Wettbewerbsnachteile für den eigenen Finanzplatz zu vermeiden.
      Der Grad der Geheimhaltung eines Finanzplatzes (Financial-Secrecy- Index) setzt sich aus zwei Faktoren zusammen, deren Werte für das Endergebnis miteinander multipliziert werden. Basis für den ersten Faktor Intransparenz sind zwölf Kriterien (siehe Kasten rechts, der die wichtigsten davon aufführt). Der zweite Faktor erfasst die Bedeutung einer Jurisdiktion im grenzüberschreitenden Geschäft für Finanzdienste. Grundlage hierfür bilden Zahlungsbilanz-Daten des Internationalen Währungsfonds (IMF). Die Kriterien zur Beurteilung, wie intransparent ein Finanzplatz ist, sind breit gefasst. «Es geht beim Streit um die Steueroasen nicht nur um private Steuerhinterziehung. Wesentliche Einnahmen gehen Industrie- und Entwicklungsländern auch durch die Steuervermeidungspraktiken transnationaler Unternehmen verloren», sagt Mark Herkenrath, Verantwortlicher für Steuerfragen bei Alliance Sud. «Damit Unternehmensgewinne angemessen versteuert werden können, arbeitet das TJN seit längerem darauf hin, dass transnationale Konzerne ihre Bilanzen nach Ländern aufschlüsseln.» So würde es schwieriger, über missbräuchliche interne Verrechnungspreise den Grossteil der Gewinne an Briefkastenfirmen in Steueroasen zu überweisen.
      Quelle: NZZ

      Anmerkung Orlando Pascheit: Sicherlich spielt für die NZZ eine Rolle, dass der Schattenfinanzindex  einige Finanzplätze aus dem Schatten holt, auf die die Schweiz immer wieder vergeblich hingewiesen hat, aber der Index der Nichtregierungsorganisation  Tax Justice Network (Netzwerk für Steuergerechtigkeit) dürfte anspruchsvoller sein als die Kriterien der OECD, deren schwarze Liste inzwischen leer ist. In Deutschland wird die alternative Rangliste der Steueroasen am 2. November 2009 in Berlin vorgestellt (11.00-13.00 Uhr, Hotel Albrechtshof, Albrechtstraße 8, 10117 Berlin).

  12. Der Kampf ums Brot: Drohen uns Lebensmittelkartelle?
    Hansjörg Strohmeyer sitzt auf der 18. Etage des UN-Hochhauses am East River in New York. Eigentlich ist das die Hochburg der Diplomaten, in der man eine verklausulierte sowie stets rücksichtsvolle Sprache pflegt. Doch Strohmeyer pfeift an diesem frühen Nachmittag auf diplomatische Konventionen.
    Er redet sich in Rage: “Die Industrieländer können nicht mehr sagen: Das ist uns egal. Nein, das wird ihnen um die Ohren fliegen. Dann werden nicht mehr Tausende nach Gibraltar oder auf die Kanaren kommen, sondern Zehntausende. Und dann wird es Instabilitäten geben.” Strohmeyer managt bei der UN die Taskforce on the Global Food Security Crisis, die es seit Ende April 2008 gibt und direkt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon unterstellt ist. Sie beschäftigt sich mit der Ernährungskrise, ihren Ursachen und ihren Folgen. Und eine der möglichen Konsequenzen hat Strohmeyer gerade angedeutet – die Flucht von hungernden Menschen aus dem armen Süden in den reichen Norden. Sollte sich die Ernährungssituation in den Entwicklungsländern weiter verschärfen, drohen Migrationsbewegungen, wie sie die Welt seit der Völkerwanderung nicht mehr gesehen hat.
    Quelle: manager magazin
  13. Entlassene verdienen noch nach 15 Jahren weniger
    Wer in einer Wirtschaftskrise arbeitslos wird, bekommt die finanziellen Folgen noch Jahrzehnte später zu spüren. Nach 15 Jahren verdienen die Betroffenen von Massenentlassungen in Deutschland noch 10 bis 15 Prozent weniger als Vergleichspersonen, die ihre Stelle behalten haben. Diese Ergebnisse gehen aus Langzeitstudien zu Deutschland und den Vereinigten Staaten hervor. Die deutlichen Einkommenseinbußen zeigten sich über alle Branchen hinweg und beträfen Männer wie Frauen gleichermaßen, betonte Till von Wachter, Wirtschaftsprofessor an der New Yorker Columbia Universität. Deshalb seien die Ergebnisse der Studie auch auf die aktuelle Wirtschaftskrise übertragbar. Die harten Einschnitte könnten hierzulande viele Menschen treffen: Trotz Kurzarbeit wird die durchschnittliche Arbeitslosenquote nach Prognosen der Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr um rund 300.000 auf 3,5 Millionen steigen und im Jahr 2010 sogar auf 4,1 Millionen.
    Wie aus der Studie hervorgeht, sinkt der Verdienst in der ersten Neuanstellung der Entlassenen bis 30 Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe der weiterbeschäftigten früheren Kollegen. Danach erholt sich das Lohnniveau zwar relativ schnell, verlangsamt sich aber nach fünf Jahren wieder. Nach ungefähr zehn Jahren beträgt der Einkommensverlust immer noch rund 12 Prozent und verringert sich danach nur noch schleichend. Damit sind in Deutschland die langandauernden Effekte der Arbeitslosigkeit ähnlich schwerwiegend wie in den Vereinigten Staaten. Dort haben die gekündigten Arbeitnehmer noch zwei Jahrzehnte nach der Massenentlassung ein um 15 bis 20 Prozent geringeres Gehalt. Die Ökonomen führen verschiedene Gründe für die starken Einbußen auf: So sei es möglich, dass eine besondere Spezialisierung nach dem Arbeitsplatzwechsel nicht mehr benötigt wird und die Löhne deshalb geringer ausfallen. Zudem haben sich Arbeitnehmer meist im Laufe eines Berufslebens über eine längere Zeit hinweg die für sie lukrativste Stelle in einem stabilen Umfeld erarbeitet – und können dies in einem neuen Unternehmen nicht noch einmal wiederholen. Die im Vergleich zu Amerika großzügigere soziale Absicherung der Arbeitnehmer federten in Deutschland die Einkommenseinbußen nur geringfügig ab
    Quelle: FAZ
  14. Telekom: Spitzeleien bis nach Übersee
    Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Bresser ist in die Schnüffelakten der Telekom geraten – weil ein Freund aus den USA ihn anrief. “Ein ungeheuerlicher Vorgang”, findet der TV-Journalist.
    Unter Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke hatte die Telekom mit Hilfe der Berliner Detektei Network herausfinden wollen, wer die Presse mit internen Zahlen und Papieren aus dem Konzern versorgte.

    Auch im Ausland tätig

    Die Telefonverbindungen von Aufsichtsräten und Journalisten wurden ausspioniert, mit Hilfe von Datensätzen aus der Telekom. Das war wohl illegal. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verstößen gegen das Fernmeldegeheimnis und anderer Delikte.
    Quelle: SZ

  15. Schwarz-Gelb für Atomexport
    Der Export von Nukleartechnik soll künftig wieder durch staatliche Bürgschaften abgesichert werden, planen Union und FDP. Die rot-grüne Regierung hatte dies gestoppt.
    Quelle: TAZ
  16. Sterbeversicherungen: Umstrittene Geschäfte der Sozialverbände
    Mit Sterbeversicherungen kann viel Geld verdient werden. Nun sind Sozialverbände in die Kritik geraten, weil sie mit Versicherungen gemeinsame Sache machen.
    Quelle: Der Westen
  17. Thema: Afghanistan
    1. USA: Taliban müssen nicht besiegt werden
      Während die US-Außenministerin zu einem Staatsbesuch in Pakistan ist, tötet eine Bombe 90 Menschen. Daheim in USA wird publik, dass Obama eine neue Strategie für Afghanistan plant: Schutz nur für einige Zonen – in einem Land, in dem der Bruder des Präsidenten verdächtigt wird, Drogenhändler und CIA-Agent zu sein. Insgesamt sei derzeit von zehn möglichen Schutzzonen die Rede. Zurückziehen könnten sich US- und Isaf-Truppen demgegenüber von Außenposten im ländlichen Raum. Elemente des Konzepts würden bereits umgesetzt, hieß es: Vorigen Monat habe Afghanistan-Kommandeur Stanley McChrystal die Schließung von rund einem halben Dutzend kleinerer Stützpunkte angeordnet. De facto dürfte eine solche Strategie Afghanistan freilich in Zonen teilen, die sich unter dem direkten Schutz westlicher Truppen befinden, und solche, in denen der Kampf gegen die Taliban vor allem aus der Luft und mit gezielten Kommandoaktionen geführt würde. Andere Elemente des Konzepts seien der beschleunigte Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte, verstärkte Wirtschaftshilfen sowie Versöhnungsangebote an Aufständische. Die Taliban würden in den strategischen Überlegungen als fest verwurzelte einheimische Kraft anerkannt, die nicht zu besiegen sei und die auch nicht besiegt werden müsse, um die Interessen der USA zu wahren. Der geplante bessere Schutz der Zivilbevölkerung solle langfristig bewirken, dass die Taliban an Rückhalt verlieren, heißt es in dem Bericht weiter.
      Quelle: FR

      Anmerkung Orlando Pascheit: So schnell kommen und gehen Strategien in Afghanistan. Noch im August erklärte General McChrystal, er werde in Helmand und Kandahar stationierte US-Truppen tief in von Taliban kontrolliertes Gebiet schicken um die dort lebenden Menschen zu beschützen. Und jetzt wird die Strategie, dem Schutz der Zivilbevölkerung Vorrang zu geben, auf  zehn Städte reduziert. Aber auch die Hoffnung auf sichere Schutzzonen dürfte sich angesichts der Anschläge in  Peshawar und Kabul aber auch in Bagdad  als Illusion erweisen.

    2. Kritik am Krieg bekommt ein Gesicht
      Matthew Hoh, ehemaliger Marine-Offizier, warnt Amerika vor Desaster in Afghanistan. Matthew Hoh steht für die Probleme Amerikas in Afghanistan. Der 36-Jährige war Mitarbeiter des State Department und leitete ein ziviles Wiederaufbauteam in der Provinz Zabul im Südosten Afghanistans. Doch am 10. September sandte Hoh der Personalabteilung im Ministerium ein vierseitiges Kündigungsschreiben. «Ich habe das Verständnis und das Vertrauen in die strategischen Ziele der amerikanischen Präsenz in Afghanistan verloren», schrieb er. Hoh bezeichnet den achtjährigen Einsatz der USA dort nicht nur als aussichtsloses Unterfangen, sondern als Ursache für den eskalierenden Konflikt. Dies sei ein «seit 35 Jahren währender Bürgerkrieg», der nicht nur zwischen Stämmen, Dörfern und Tälern ausgetragen werde, sondern zwischen dem «ländlichen, religiösen und traditionellen Afghanistan einerseits» und dem «urbanen, säkularen und modernen Afghanistan andererseits». Bei seinem Einsatz in Zabul, aber auch in anderen Regionen habe er festgestellt, dass die Amerikaner als Besatzer oder als Vertreter des korrupten und gottlosen Regimes in Kabul wahrgenommen und deshalb speziell von den Paschtunen im Süden und Osten des Landes bekämpft würden. Zudem weist Hoh das Argument zurück, der westliche Einsatz in Afghanistan sei unabdingbar für die Bekämpfung der Kaida: Das Terrornetzwerk habe sich längst zu einer «Wolke im Internet» entwickelt und sei auch in Jemen oder in Somalia präsent.
      Quelle: NZZ
    3. Taliban sind viele
      Sie brennen Schulen nieder, schütten Schülerinnen Säure in die Gesichter, schneiden angeblichen Spionen die Kehle durch und töten mehr Zivilisten als die Nato-Truppen. Es fällt schwer, die Taliban nicht zu verabscheuen. Und doch ist es notwendig, möglichst nüchtern zu analysieren, wer die Aufständischen in Afghanistan genau sind und was sie wollen. Die Bewegung der Aufständischen in Afghanistan ist heterogen. Sie besteht aus mindestens sieben unterschiedlichen Organisationen, die aus verschiedenen Beweggründen kämpfen und ganz unterschiedlich in der Bevölkerung verankert sind. Die “Islamische Bewegung der Taliban” mit Mullah Mohammed Omar als “Oberhaupt der Gläubigen” an der Spitze ist davon nur die stärkste Organisation. Afghanistans Taliban sind ein Netzwerk von Netzwerken. Ihre Feldkommandeure werden manchmal straff geführt, manchmal lässt man ihnen große Spielräume. Nach außen treten sie zunehmend geschlossen auf.
      Anders als das Hakkani-Netzwerk, haben sich die Mainstream-Taliban um Mullah Omar ideologisch und operativ bisher nicht von al-Qaida einfangen lassen. Sie hängen keiner “globalen Ideologie” an und sind auch nicht “weltweit” aktiv. Sie beteiligen sich nicht an Terroranschlägen außerhalb ihres Landes und sammeln auch kein Geld in deutschen Moscheen. Kurz: die afghanischen Taliban machen ihr eigenes Ding und verfolgen, wie manch andere islamistische Gruppe – siehe Hisbollah im Libanon oder Hamas – eine nationale Agenda: in diesem Fall, die ausländischen Truppen aus Afghanistan zu vertreiben und, wenn möglich, ihr Emirat wieder zu errichten. Die unterschiedlichen Strömungen unter den afghanischen Aufständischen auseinander zu halten, darin liegt der Schlüssel für eine politische Lösung. Denn die meisten Afghanen haben das Blutvergießen in ihrem Land satt. Der Westen aber muss anerkennen, dass nicht alle Taliban Terroristen sind, und die “Pragmatiker” in ihren Reihen ernst nehmen und stärken. Verhandlungen mit den Taliban werden langwierig und hart, das ist sicher, eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Aber auch keine echte Alternative.
      Quelle: TAZ
    4. Wie die Außenpolitik paramilitarisiert wird
      »Keine Entwicklung ohne Sicherheit!« Auf dieses Mantra verzichten die führenden Sicherheitspolitiker nie, wenn sie versuchen, die immer unheilvoller verlaufende NATO-Mission am Hindukusch zu legitimieren. Im gleichen Sinne propagiert Verteidigungsminister Franz Josef Jung vor jeder Kamera und jedem Mikrophon die »vernetzte Sicherheit«. Dasselbe meinen die NATO-Offiziellen mit dem »Comprehensive Approach«, den es in Afghanistan umzusetzen gelte. Was aber verbirgt sich hinter diesen Termini technici?
      Von Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr.
      Quelle: Linksnet
    5. Afghanistan: Abdullah boykottiert Stichwahl
      Nach dem Verzicht des afghanischen Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah auf seine Teilnahme an der Stichwahl will Amtsinhaber Hamid Karsai den für Samstag angesetzten Wahlgang trotzdem abhalten. Der Herausforderer des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zieht sich von der Stichwahl zurück. Eine Woche vor dem Wahltermin erklärte der ehemalige Außenminister am Sonntag, dass er an der Stichwahl nicht teilnehmen werde. Er habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Er protestiere damit gegen die “unangemessenen Taten” der Regierung und der umstrittenen Wahlkommission (IEC). Abdullah hatte bei der Stichwahl erneut massiven Wahlbetrug befürchtet, zu dem es bei der ersten Runde am 20. August gekommen war. Am Samstag war Abdullahs Ultimatum an die Regierung abgelaufen, wegen des Wahlbetrugs in der ersten Runde im August den Chef der Wahlbehörde und drei Minister zu entlassen. Karsai hatte sich erst nach internationalem Druck zu der Stichwahl bereiterklärt, war auf die Forderungen Abdullahs aber nicht eingegangen.
      Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat zur Besonnenheit aufgerufen. Er bedauere die Entscheidung Abdullahs, sagte Westerwelle am Sonntag in Saarbrücken am Rande einer FDP-Veranstaltung. “Jetzt geht es darum, dass der Wahlvorgang streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt wird.” In Afghanistan sei eine Regierung nötig, “die in vollem Umfange demokratisch und auch rechtstaatlich legitimiert ist.”
      Quelle: FR

      Anmerkung Orlando Pascheit: Ach Guido, wenn Du doch nur geschwiegen hättest, ein Außenminister kann auch beredt schweigen, aber dann ist doch der Jurist mit Dir durchgegangen. Der Wahlvorgang soll “streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt wird.” Das hast Du schön gesagt, aber mußt Du denn die recht hilflose Hillary Clinton nachplappern. Du hättest zumindest eines von Angela abgucken können, abwarten. So klar ist das gar nicht, dass die Wahlen abgehalten werden. Hamid Karsai ist doch kein Volltrottel. Dem wird noch klar werden, dass eine weitere Wahlrunde nicht nur eine Farce ist, sondern auch viel Geld und  Menschenleben kosten würde. Und ob die Afghanen dabei mitmachen und zur Urne gehen, ist eigentlich auch nicht zu erwarten. Gut möglich, dass Karsai das ihm hörige Verfassungsgericht anrufen wird, die das Ganze kippt. So oder so wir, die USA und ihre Verbündeten, stehen dumm da.

    6. Falsche Freunde in Kabul
      Abdullahs Verzicht auf die Stichwahl zieht dem letzten schwachen Rest demokratischer Politik den Teppich unter den Füßen weg. Hamid Karsai wird Chef in Kabul bleiben, allerdings kein starker. Abdullahs Verzicht, zur Stichwahl anzutreten, zieht dem letzten schwachen Rest demokratischer Politik in Afghanistan den Teppich unter den Füßen weg. In der Sache war das schon zwiefach geschehen. Zuerst, als Hamid Karsai sich vom höchsten Gericht hatte bescheinigen lassen, dass sein im Mai ausgelaufenes Mandat weiter bestand; kein Kunststück, den Gerichtshof hatte er großteils selbst eingesetzt. Dann durch die massiven Wahlfälschungen und das Nachwahl-Feilschen. Der Vorgang hat den Adressaten jenseits des Atlantik zwar nicht die Sprache, aber anscheinend das Denken verschlagen. Hillary Clinton, die Außenministerin der USA, verharrt standhaft auf dem Argument, legitim sei auch eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten. Das ist absurdes Theater. Der Clinton-Satz zeigt die dröhnende Ratlosigkeit in Washington.
      Quelle: FR
  18. Französische Städte gehen gegen skrupellose Geldhäuser vor
    Auch in Frankreich haben sich zahlreiche Kommunen mit hochriskanten Kreditgeschäften verspekuliert. Eine Stadt folgt nun dem Vorbild mehrerer deutscher Gemeinden und klagt gegen die Deutsche Bank.
    Quelle: ND
  19. Wo bleibt der Bürgerkrieg?
    Mehr als eine Professorenschlacht: Im Streit um Peter Sloterdijks Steuerthesen geht es um die Zukunft der Demokratie. Im Mantel philosophischer Theorie tritt uns hier eine Ideologie entgegen, die mehr ist als ein Denkspiel: Sie ist letztlich eine Aufforderung zum politischen Umsturz. Wehe uns, wenn sie gehört wird.
    Quelle 1: Berliner Zeitung
    Quelle 2: Der Ausgangstext von Peter Sloterdijk Revolution der gebenden Hand
    Quelle 3: Die Replik Axel Honneths in der Zeit
    Quelle 4: Die Erwiderung auf Honneth durch Sloterdijk
    Quelle 5: Der zitierte Beitrag von Karl-Heinz Bohrer
    Quelle 6: Der gleichfalls zitierte Beitrag von Christoph Menke aus der Zeit
  20. Zu guter Letzt: Willst Du ein Schaf sein?
    Ein Gedicht von Uta Samiri Reichenberger

    Willst du ein Schaf sein?

    Du glaubst, du bist in Sicherheit,
    wenn du nur stets und still
    den Pfaden folgst, die alle geh´n,
    zwar manchmal ohne Freude
    und oft auch ohne Sinn und Ziel,
    doch wenigstens bist du dabei
    und fällst nicht auf, wenn man euch prüft.

    Du hast das Richtige getan,
    stets der Verantwortung bewußt,
    die du zu haben glaubst.

    Doch wer führt letztlich alle an,
    die stets und still die ausgetret´nen Wege geh´n?
    Wo ist der Lohn für den Verzicht an Freiheit,
    den du ein Leben lang geübt?
    Wer sagt dir denn, daß du dann richtig hast getan,
    wenn du dich anpaßt und nur schweigst,
    obwohl dein kritischer Verstand und auch dein Bauch nicht will,
    was du doch tust?

    Erinn´re dich, du bist ein MENSCH,
    du hast die Wahl in jedem Augenblick und kannst
    vergleichen deine Tat mit dem,
    was Tiere tun.

    Du bist ein Schaf?
    Stets willig und ein Herdentier?
    Dann sei dir klar, daß man von dir
    nur Wolle, Haut und Fleisch,
    nicht aber deine Meinung will.

    Du willst kein Schaf sein?
    Dann blick´ dich um und sieh, wo du voll Angst
    dem Trend der Herde folgst
    anstatt dich zu verweigern.

    Anstatt zu brüllen, wenn du wütend,
    anstatt zu geh`n, wenn du verstrickt
    um erst mal wieder dich zu fühl´n,
    bevor du weiter streitest.

    Natürlich kannst du nicht
    in deiner Arbeit plötzlich nur noch schrei´n!
    Auch gehen kannst du nicht, du brauchst das Geld.

    Doch sei dir klar,
    zuhause bist du frei und kannst beginnen,
    der Wahrheit Raum zu geben,
    wo vorher du dich beugtest und verstummt.

    Dann wirst du fühlen diese Sonne,
    die in dir scheint und dir erhellt,
    daß du kein Schaf bist, das nur wartet,
    bis and´re es verwerten.

    Pan durch Samiri am 17

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