Demokratie gab‘s (fast) nie. Es gab nie in der Geschichte der Bundesrepublik einen fairen Wettbewerb zwischen rechts und links. Und heute schon gar nicht.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Fangen wir mit der aktuellen Situation an: Der Chef der Tagesschau, Dr. Gniffke, ist seit Januar Mitglied einer „hochrangigen“ Expertengruppe der EU, die Fake News in den alternativen (!) Medien beobachten soll. Da ist mit Dr. Gniffke der Bock zum Gärtner gemacht worden. Wörtlich steht über einem Bericht der EU, der gestern veröffentlicht worden ist: „Bekämpfung von Desinformation im Internet: Europäische Kommission schlägt einen unionsweiten Verhaltenskodex vor“. Da wird der bekannte billige Trick angewandt: Haltet den Dieb. Man beschuldigt die Medien des Internets der Desinformation. Das ist das, was die etablierten Medien ständig tun. Albrecht Müller.

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Richtig ist: diese, die etablierten Medien sind hochgradig manipulativ. Und sie dulden keine Abweichung. Das hat Jens Berger gestern am Beispiel des ZDF-Journalisten Gack gezeigt. Die Tagesschau manipuliert unentwegt. Das haben die NachDenkSeiten in vielen Details schon belegt.

Das sind deutliche Zeichen und Belege dafür, dass die Medien und gerade auch die etablierten Medien von der Bild-Zeitung bis zum Öffentlich-rechtlichen Rundfunk ihrer Funktion als kritische Kontrolle des Geschehens nicht mehr gerecht werden. Sie sind stattdessen zum Lautsprecher der Interessen der Oberschicht und ganz spezieller Interessen geworden: Heute im konkreten Fall der Interessen des Westens und insbesondere der USA und der NATO, also der sogenannten Atlantiker, und im Hintergrund der Rüstungswirtschaft.

Von einer demokratischen Willensbildung kann man deshalb heute nicht mehr sprechen. Es gibt keine gleichen Wettbewerbschancen von Freunden des Friedens und des Sich-Verstehens mit allen Nachbarn einerseits und den Befürwortern kriegerischer Auseinandersetzungen andererseits; es gibt keine gleichen Wettbewerbschancen zwischen jenen, die für soziale Sicherheit und eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung eintreten und jenen, die ständig mehr Geld und Vermögen scheffeln und dann auch noch bei Gelegenheit und Notwendigkeit die Risiken ihrer Spekulation bei den Steuerzahlern abladen.

Von Anfang an gab es keinen gleichen Wettbewerb, vom Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und den ersten Wahlen 1949 an. Und dies nicht nur wegen des Zustands der Medien, der insgesamt sogar mal besser war als heute. Der durchgehende Grundzug: Die Besitzenden und wirtschaftliche Interessen hatten von Anfang an viel mehr zu sagen als das gemeine Volk.

Wenn ein anderer Eindruck entwickelt worden ist, dann ist das die Folge von konsequenter Propaganda. Wir haben schon in den Schulen gelernt, wir lebten in einer Demokratie. Wir haben unseren Brüdern und Schwestern in der DDR erzählt, wir lebten in einer Demokratie. Sie war auf manchen Ebenen, etwa in den Kommunen oder in den Ländern manchmal spürbar, das stimmt. Aber im Großen und Ganzen nicht.

Es gab auf Bundesebene 1969 und 1972 ein Aufflackern ebenbürtiger Konkurrenz und gleichberechtigter Wahlchancen. 1969 gab es sogar einen Machtwechsel, der dann 1972 noch einmal gesichert werden konnte. Aber diese Chancen mussten mit extremer Aufmerksamkeit erkämpft werden, sie waren in einer besonderen Konstellation möglich, eher zufällig, und sie wurden dann mit allen Mitteln korrigiert. 1998 gab es noch einmal einen Machtwechsel von der Union zur SPD-Kanzlerschaft, von Kohl zu Schröder. Aber das war, wie schnell zu erkennen war, kein Wechsel in der Sache. Schröder führte Krieg mit dem Einsatz der Bundeswehr im Kosovo-Krieg. Schröder führte mit der Agenda 2010 Krieg gegen Arbeitslose. Da war es dann schon ziemlich egal, wer regierte.

Nun zurück zu den Anfängen:

  1. Konrad Adenauer, der erste Kandidat für das Bundeskanzleramt und dann Bundeskanzler, wurde mit Millionen subventioniert. Seine Wahlkämpfe waren deshalb besonders erfolgreich.

    SPD und KPD hatten keine Chance gegen die geballte Macht der anderen Seite. Werner Rügemer hat zu diesem Komplex recherchiert und auf den NachDenkSeiten hier publiziert. Hier die Kernaussage:

    Konrad Adenauer wäre nie Bundeskanzler geworden und nicht geblieben, wenn er sich an Grundgesetz und demokratische Verfahren gehalten hätte. Schwarze Kassen, Schweizer Nummernkonten, Liechtensteiner Stiftungen, gefakete Anzeigen, Tarnorganisationen und Geheimdienste im In- und Ausland: Mit Verfassungsbruch und krimineller Energie finanzierten Konzerne die Regierungsparteien der neu gegründeten Bundesrepublik – und schon vorher.

    Adenauer hat sein Geld und seine Macht auch genutzt, um die Union von fortschrittlichen, linken Ideen und Personen zu reinigen und er hat sogar Einrichtungen außerhalb seiner Partei in die von ihm und seinen Auftraggebern gewünschte Richtung gedrängt. Beispielhaft hat das Werner Rügemer am Fall der EuropaUnion beschrieben.

  2. Gegen Linke wurde auch mit anderen als finanziellen Mitteln vorgegangen: mithilfe des Bundesverfassungsgerichtes.

    Die Konservativen haben mithilfe des Bundesverfassungsgerichtes das Verbot der KPD erreicht; der Historiker Josef Foschepoth hat diesen Vorgang in seinem 2017 erschienenen Buch „Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg“ beschrieben.

    Die Debatte um das Verbot der KPD und die Entscheidung darüber hatte nicht nur eine Wirkung für die Kommunistische Partei Deutschlands. Das strahlte auf die Linke insgesamt ab – negativ. Und nur ziemlich einfältige Sozialdemokraten konnten annehmen, dass das Verbot der Konkurrenz auf der linken Seite von Vorteil gewesen sei oder zumindest nicht geschadet hätte. Die absolute Mehrheit der Union bei der Bundestagswahl 1957 ist auch Ausdruck der damit geschaffenen Atmosphäre der Verfolgung von Linken und all dessen, was nach links riecht.

  3. Der von Adenauer und seinem Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes Hans Globke übernommene BND-Chef Reinhard Gehlen ließ Sozialdemokraten überwachen, insbesondere Willy Brandt.

    Davon berichtete die Süddeutsche Zeitung am 1. Dezember 2017 unter dem Titel „BND installierte Spitzel bei Willy Brandt“. Wenn die amtierende Bundesregierung ihren Auslandsgeheimdienst einsetzen kann, um die linke Konkurrenz beobachten zu lassen, dann wird damit die Wettbewerbschance zwischen den Parteien eindeutig verschoben. Im konkreten Fall wurde versucht, Willy Brandt Frauengeschichten anzuhängen. Diese Gerüchte haben sich bis heute festgesetzt. Ekelhaft und undemokratisch.

    Im konkreten Fall hat die Sache noch einen komischen Beigeschmack: ein vom BND eingesetzter Spitzel war der Kommunikationschef der SPD, Wesemann. Mit ihm verbinde ich den ersten von mir beobachteten Wahlkampf der SPD bei der Bundestagswahl 1965. Der war von einer besonders läppischen Werbemaßnahme gekennzeichnet. Damals waren gerade die neuen Autonummernschilder installiert gewesen. Also meinte die SPD – möglicherweise auf Anregung des Spitzels Wesemann – die Wählerschaft mit einem Logo „SPD 1965“ beeindrucken zu können.

  4. Auch das wirtschaftsnahe Meinungsforschungsinstitut Allensbach ließ sich in den Wahlkampf 1965 einspannen.

    Elisabeth Noelle-Neumann, die Chefin von Allensbach, ließ sich zur Gehilfin des CDU-Wahlkampfes machen. Die CDU und sie suggerierten, es gebe ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU/CSU und SPD und die SPD habe gute Chancen, die Wahlen mit der Chance des Kanzlerwechsels zu gewinnen. Die tatsächlichen Umfragen, so bekannte die Chefin von Allensbach einvernehmlich mit dem CDU-Bundesgeschäftsführer Dufhues hinterher, signalisierten kein Kopf-an-Kopf-Rennen. Aber im konservativen Lager brauchte man diesen Eindruck, um die eigenen Wähler an die Urnen zu bringen. Das ist gelungen. Das Ergebnis: Union 47,6, SPD 39,3.

    Das war ein vergleichsweise kleiner Vorgang. Eine ganz andere Dimension hat …

  5. … die Intervention des Großen Geldes im Bundestagswahlkampf 1972

    Davon hatten die NachDenkSeiten schon berichtet. Anonyme, von der Wirtschaft finanzierte Gruppen mit sonderbaren, erfundenen Namen intervenierten mit 100 verschiedenen Motiven von Anzeigen und insgesamt über 30 Millionen DM in den Wahlkampf. Siehe ein früherer Beitrag hier. Wir nannten diesen Vorgang in einer späteren als rororo-aktuell erschienenen Dokumentation „Klassenkampf von oben“.

    Der damalige Anschlag auf den demokratischen Wettbewerb konnte nur deshalb abgewehrt werden, weil die SPD diese Intervention des Großen Geldes zum großen Thema gemacht hat und so zum ersten Mal Hunderttausende von Menschen als Multiplikatoren mobilisiert werden konnten. Das war der erste gelungene Aufbau einer Gegenöffentlichkeit.

    Da ich mittendrin war, weiß ich sehr genau, dass dies auch hätte ganz anders verlaufen können. Außer Willy Brandt, dem Spitzenkandidaten, Parteivorsitzenden und amtierenden Bundeskanzler und dem Bundesgeschäftsführer Holger Börner war keiner aus der SPD-Spitze für diese Gegenwehr zu gewinnen. Im Gegenteil. Helmut Schmidt zum Beispiel hat mir später mehrmals vorgeworfen, ich hätte mit dieser Kampagne gegen das Große Geld das Verhältnis der SPD zur Wirtschaft beschädigt. Herbert Wehner, der andere stellvertretende Vorsitzende, war ohnehin gegen alles, was aus dem Brandt-Stall kam.

  6. Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl

    Helmut Kohl, der CDU-Parteivorsitzende und Bundeskanzler, wurde von der Wirtschaft großzügig mit Geld ausgestattet. Davon hat das Erste hier berichtet – eine Dokumentation über die schwarzen Kassen des Helmut Kohl, über „Bimbes“.

    Wenn man als Spitzenkandidat und wenn die Helfer so freizügig über viel Geld verfügen können, dann sind Wahlkämpfe leicht zu machen und auch vergleichsweise leicht zu gewinnen.

    Auch später, auch nach Helmut Kohl gibt es keinen fairen Wettbewerb. Die Lage der Medien ist zu Anfang schon geschildert worden. Sie sind massiv nach rechts und ins unkritische Lager verschoben worden. Wahlkämpfe sind heute von der linken Hälfte im Wettbewerb und bei Nutzung der Medien als Träger von Informationen nicht mehr zu gewinnen. Das geht nur noch, wie 1972 praktiziert, durch Mobilisierung von Menschen. Ob das noch lange möglich sein wird, ob künftig noch ausreichend Menschen als Multiplikatoren gewonnen werden können, ist sehr fraglich. Dass dies 1972 gelungen ist, hatte viel damit zu tun, dass die wirtschaftliche Lage und die berufliche Situation der angesprochenen Menschen damals um vieles besser war als heute. Heute können sich Lohnabhängige nur schwer dazu entschließen, sich politisch so zu engagieren, wie das vor 40 und 50 Jahren möglich war. Erst das Fressen, dann die Moral, erst die Arbeitsplatzsicherheit, dann das politische Engagement. Diese Erfahrung steht drohend vor der Zukunft demokratischer Verhältnisse.

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