Über Mythen zur Relation von Bezahlung und Wertschöpfung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Wir weisen auf eine interessante Vereinigung hin: “nef (the new economics foundation) is an independent think-and-do tank that inspires and demonstrates real economic well-being”. Einen bemerkenswerten Beitrag dieser Website über Mythen stellen wir im Folgenden ein. Der englische Text wurde von einem Nutzer der NachDenkSeiten, von Daniel Dannemeyer, freundlicherweise übersetzt. Herzlichen Dank. Albrecht Müller.

Hier ist er:

Ein wenig reich

Wie der tatsächliche, gesellschaftliche Wert verschiedener Berufe errechnet wird
Die Mythen von Bezahlung und Wertschöpfung

Das Ziel dieser Studie ist es, einige vorherrschende Mythen über Bezahlung und Wertschöpfung zu widerlegen. Vor allem gilt es aufzuzeigen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen hoher Entlohnung und positiver Leistung für die Gesellschaft besteht. Hierauf richtet sich das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung. Es handelt sich dabei um mehr als eine rein akademische Überlegung, lassen sich daraus doch Schlussfolgerungen über die Art und Weise ableiten, wie unsere Gesellschaft und Volkswirtschaft strukturiert sind. Finanzielle Anreize üben große Macht aus, und wir neigen dazu, sie in übermäßigem Umfang einigen der Berufe zukommen zu lassen, die größte Belastungen für Gesellschaft und Umwelt produzieren. Dies führt zu einer Begünstigung von nicht wünschenswertem Verhalten, während positives Handeln geächtet wird.

Mythos 1: Das Londoner Bankenviertel ist für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs unverzichtbar
Der Zugang zu Kapital und Finanzierungsmöglichkeiten für alle ist für die Volkswirtschaft Großbritanniens von wesentlicher Bedeutung. Doch das Finanzzentrum Londons war in erster Linie mit der aggressiven Jagd nach Profiten beschäftigt. Von der Jahrhundertkrise, die sich als Konsequenz dieses Handelns ergab, waren alle Wirtschaftszweige betroffen. Mittlerweile zweifeln sogar dem Bankenviertel Nahestehende immer stärker an dessen volkswirtschaftlichem Nutzen für die britische Volkswirtschaft. Der Anteil der Londoner City an der britischen Wertschöpfung liegt den höchsten Schätzungen zufolge bei drei Prozent – gegenüber 12,5 Prozent des verarbeitenden Gewerbes.

Mythos 2: Niedriglohnjobs sind die erste, niedrige Sprosse auf der Karriereleiter – Aufstiegschancen stehen allen gleichermaßen offen
Der Höhe der Einkommensungleichheit versetzt Besserverdienende in die Lage, ihre soziale Stellung und die ihrer Kinder durch den Erwerb von Bildung und die Anhäufung von Vermögen zu sichern oder gar auszubauen. Die Leiter, die Menschen aus einkommensschwachen Verhältnissen den Weg nach oben ermöglichen sollte, wird ihnen sozusagen unter den Füßen weggezogen. Die einzige Möglichkeit, die Chancen- und auch die Ergebnisgleichheit zu verbessern, wäre, die Leiter von vornherein zu verkürzen.

Mythos 3: Lohngefälle spielen keine Rolle, solange wir die Armut beseitigen
Armut spielt selbstverständlich eine Rolle. Es ist jedoch zunehmend nicht nur der absolute Armutsgrad allein, sondern es sind die Klassenunterschiede, die zu solchen gesellschaftlichen Problemen wie Kriminalität, schlechter Gesundheitsversorgung, niedrigem Bildungsniveau und Drogenproblematik führen. In unserem Bemühen, das Leben derjenigen zu verbessern, die am schlechtesten gestellt sind, haben wir die Spannungen übersehen, die die Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der wir uns nun wiederfinden, mit sich bringt.

Mythos 4: Wir müssen hohe Gehälter zahlen, um die größten Talente im Lande zu halten
Unsere Fallstudien belegen, dass hohe Gehälter nicht notwendigerweise auf große Befähigung hinweisen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, so müsste es nicht zwangsläufig zur Konsequenz haben, dass die Besten der Besten mit Kind und Kegel durch die Weltgeschichte dem höchsten Salär hinterher reisen. Viele Hinweise deuten stattdessen darauf hin, dass Länder mit größerer sozialer Gleichheit sich durchaus ein gutes Maß an Innovations- und Kulturkapital bewahren können.

Mythos 5: Besserverdienende arbeiten härter
Die Menschen am unteren Verteilungsende verbringen mehr Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung als Hochbezahlte. Sie müssen sich zudem auch eher einen Zweitjob suchen, da dies für viele der einzige Weg ist, Armut zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird klar, dass schlechter Bezahlte mindestens genau so viel arbeiten wie Bessergestellte.

Mythos 6: Die Privatwirtschaft ist effizienter als der öffentliche Bereich
Billige Arbeit ist nicht notwendigerweise auch effiziente Arbeit. Der Glaube an den Mythos der effizienteren Privatwirtschaft ist die sinnstiftende Kraft hinter der Privatisierungswelle, die Einrichtungen des öffentlichen Dienstes in private Hand gibt und sie dem Wettbewerb aussetzt. Wettbewerbsfähigkeit ist dann die Rechtfertigung für die Senkung der Stück- und Lohnkosten. Preissenkungen gehen jedoch zuweilen auf Kosten der Servicequalität, was nahelegt, dass eine bessere Entlohnung insgesamt effizienter sein kann.

Mythos 7: Wenn wir die Reichen besteuern, werden sie sich mit ihrem Geld aus dem Staub machen
Es ist unmittelbar einleuchtend, dass die Entscheidung zur Auswanderung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Zusätzlich zu monetären Abwägungen gesellen sich das angestammte kulturelle Umfeld, die Umwelt, die Nähe zu Freunden und Familie und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen.

Mythos 8: Die Reichen leisten einen größeren Beitrag zur Gesellschaft
Im Vergleich zu Armen zahlen Reiche proportional weniger Steuern. Darüberhinaus sind viele unserer Steuern, wie z.B. die Gemeindesteuer und die Mehrwertsteuer, stark regressiv. Relativ betrachtet spenden Reiche sogar weniger als Arme für wohltätige Zwecke.

Mythos 9: Erfüllende Berufe bedürfen keiner hohen finanziellen Entlohnung
Arbeitszufriedenheit hängt von mehreren Faktoren ab: Eigenständigkeit, Einfluss auf den Arbeitsprozess, Einkommen und Status. Sie alle steuern zu einem erfüllenden und zufriedenstellenden Berufsleben bei. Sollte ein hohes Salär zum Teil als Kompensation für hohes Risiko, Stress und lange Arbeitszeiten dienen, so würde man erwarten, bei gefährlichen Berufen eine hohe Entlohnung vorzufinden. Auf der Liste der gefährlichsten Berufe in Großbritannien steht der des Fischers an erster Stelle. Dazu gesellen sich Dachleger und Gerüstbauer sowie auf Platz 18 der Müllmann. Doch die Mehrheit der Arbeitnehmer wird in keinem dieser Berufsfelder gut bezahlt.

Mythos 10: Die Bezahlung ist Belohnung für die ihr zugrunde liegende Ertragslage
Wie zunehmend deutlich wird, besteht nur ein schwacher Zusammenhang zwischen Bezahlung und erfolgreichem Wirtschaften. Trotz eines Wertverlustes im Jahre 2008 von beinahe einem Drittel stiegen die Grundbezüge der Manager der größten Unternehmen Großbritanniens um ein Zehntel an. Empirische Studien haben ergeben, dass Gehaltsvereinbarungen darauf ausgerichtet sind, den finanziellen Interessen der Manager zu dienen und nicht denen der Anteilseigner.

Fazit
Zweck dieser Studie soll es nicht sein, einzelne Personen anzugreifen, die in gut bezahlten Positionen tätig sind, wie sie hier untersucht werden. Ebenso wenig soll sie bloß suggerieren, dass weniger gut entlohnte Berufe besser bezahlt werden sollten. Unser Anliegen ist vielmehr, dass ein Zusammenhang hergestellt werden sollte zwischen dem Gehalt und den Werten, die wir mit unserer Arbeit für die Gesellschaft schaffen.
Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass weitreichende, strukturelle Fehlentwicklungen überwunden werden müssen. Viele davon wurden bereits in der nef-Studie “The Great Transition” aufgezeigt, in der wir den Übergang von unserem derzeitigen, wachstumsbasierten Wirtschaftssystem zu einer vernünftigen und nachhaltigen Ökonomie beschreiben. Es steht viel auf dem Spiel: Ohne ein funktionierendes System der Kontrollen und des Interessenausgleichs könnte unser Wirtschaftssystem genau die Aspekte des Lebens verdrängen, an denen den Menschen am meisten liegt. Wir müssen die materiellen Anreize für berufliche Tätigkeiten dringend danach ausrichten, welche gesellschaftlichen und ökologischen Werte damit geschaffen werden.

Und hier der Beginn des Originals auf Englisch:

A bit rich
Calculating the real value to society of different professions

The myths of pay and value

This report sets out to shatter some myths about pay and value. Chief among them – and the point of the research – is to show that there is not a straightforward relationship between high financial rewards and good societal outcomes. This isn’t just an intellectual exercise – it has big implications for the way in which our society and economy are structured. Financial incentives are very powerful, and we tend to shower them on some of the professions that are the most socially and environmentally costly. This promotes undesirable behaviour, while positive activities are discouraged.
(…)

Conclusions
This report is not about targeting any individuals in the highly paid jobs it scrutinises. Neither is it simply suggesting that people in low paid jobs should be paid more. The point we are making is a more complex one – that there should be a relationship between what we are paid and the value our work generates for society.
We need to overcome deep structural issues to act on the implications of this report. Many of these were recently spelled out in a nef report The Great Transition, which charts the change from our current growth-based economic system to a more sustainable and equitable one.2 The stakes are high: without proper checks and balances we believe our economic system could squeeze out those aspects of life that people value most. We urgently need to align incentives with the social and environmental value that are generated by the workforce.