Alle 12 Minuten eine Bombe – die unerklärten Kriege der USA haben ein absurdes Ausmaß angenommen

Jens Berger
Ein Artikel von:

George W. Bush gilt in Deutschland und anderswo vor allem als Kriegstreiber. Zu Recht, warfen die US-Streitkräfte während seiner achtjährigen Amtszeit doch 70.000 Bomben auf fünf Länder. Dann kam Barack Obama, der Friedensnobelpreisträger, der in Deutschland und anderswo vor allem als Friedensbringer gilt. Zu Unrecht, steigerte sich die Zahl der von den USA nun auf sieben Länder abgeworfenen Bomben in seiner Amtszeit doch auf 100.000. Und nun heißt der Präsident Donald Trump. Während alle Welt sich über seine Tweets aufregt, erreicht die Zerstörungswut des Pentagons bislang nicht für möglich gehaltene Ausmaße – allein im ersten Jahr seiner Präsidentschaft warfen die USA bereits 44.000 Bomben und dies obgleich sie sich offiziell mit keinem andern Land im Krieg befinden. Von Jens Berger.

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Während der Präsidentschaft George W. Bushs warfen die USA im Schnitt jede Stunde eine Bombe ab – jede Stunde, jeden Tag, jeden Monat, die vollen acht Jahre seiner Amtszeit. Barack Obama erhöhte die tödliche Schlagzahl um fast die Hälfte auf 34 Bomben pro Tag. Zynisch könnte man fragen, ob er oder Henry Kissinger damit die Liste der kriegslustigsten Friedensnobelpreisträger anführt. Doch selbst Obama wird von Trump mühelos in den Schatten gestellt. 121 Bomben pro Tag ließ der aktuelle US-Präsident während seines ersten Jahres im Amt weltweit abwerfen – alle zwölf Minuten eine Bombe, fünf pro Stunde, also fünf mal so viel wie der „Kriegstreiber“ Bush jr.

Und auch in einer verwandten tödlichen Disziplin ist Trump auf dem besten Weg, neue Negativrekorde zu erreichen. War es zu Zeiten eines George W. Bush noch ein großes Thema, dass die USA insgesamt 57 Drohnenangriffe auf Menschen in befreundeten oder neutralen Ländern ausführten und dabei zwischen 384 und 807 unschuldige Zivilisten töteten, steigerte sich diese Zahl unter Obama auf 563 Drohnenangriffe – die Zahl der getöteten Zivilisten war bereits zu dieser Zeit noch nicht einmal mehr seriös zu schätzen, da die US-Militärs und –Dienste getreu dem Motto „fire and forget“ sie noch nicht einmal mehr protokolliert haben. Die Anzahl der Drohnenangriffe verzehnfachte sich jedenfalls unter Obama. Und unter Trump? Obgleich nun gar keine offiziellen Zahlen mehr veröffentlicht werden, sickerte durch, dass die USA in Trumps erstem Jahr alleine im Jemen und in Somalia 161 Drohnenangriffe verübt haben – das ist dreieinhalb Mal so viel wie unter Obama und dreiundzwanzig Mal so viel wie unter Bush jr.

Die Zahl der zivilen Todesopfer lässt sich dabei bestenfalls schätzen. Wenn mal Zahlen durchsickern, dann sind sie jedenfalls erschreckend. Die CIA berichtete in einer internen Auswertung, dass alleine im Jemen und in Pakistan 250 Kinder Todesopfer von US-Drohnenangriffen wurden . Die NGO Airwars, die sich bei ihren Beobachtungen auf Irak und Syrien konzentriert, beziffert die zivilen Opfer von US-Bombardements in der Ära Obama auf 3.923 bis 6.102. Unter Trump stieg die Opferzahl alleine in den ersten sieben Monaten seiner Präsidentschaft auf 2.298 bis 3.398. Sollte dieser Präsident zwei Amtszeiten diese mörderische Schlagzahl halten, werden die USA auf 31.515 bis 46.601 Opfer durch Bombenangriffe alleine in diesen beiden Ländern auf dem Gewissen haben, mit denen die USA – daran sei immer wieder erinnert – sich noch nicht einmal offiziell im Krieg befinden. Zynisch könnte man nun fragen, ab wie vielen Todesopfern man sich eigentlich für Den Haag qualifiziert. Aber das ist sinnlos, da die USA den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkennen und seit 2002 sogar ein Gesetz haben, das es den US-Militärs „erlaubt“, eine Invasion der Niederlande durchzuführen und amerikanische Staatsbürger zu befreien, wenn diese in Den Haag vom ICC angeklagt und inhaftiert werden. Eine weitere Unglaublichkeit, die nur sehr, sehr selten thematisiert wird.

Unglaublich ist übrigens auch die Erklärung, nach der die Bombenangriffe und Drohnenattacken gezielt oder gar chirurgisch präzise seien. Die Trefferquote für Ziele, die auf der „Todesliste“ der USA stehen, beträgt verschwindend geringe 2%, gemessen an den gesamten Opferzahlen dieser Angriffe. Weitere 18% der Opfer werden von den USA – zu Recht oder nicht – als militärische Ziele eingestuft. Die Zahl der zivilen Opfer, die man militärisch korrekt zynisch als „Kollateralschäden“ bezeichnet, beträgt damit unglaubliche 80%. Da kann man schon fast wieder verstehen, dass die US-Dienste aufgehört haben, diese Daten überhaupt erst zu erheben und der Einfachheit halber die Definitionen geändert haben. Wer sich im Zielgebiet eines US-Drohnenangriffs aufhält, ist nun automatisch per Definition ein „Kombattant“. Zivile Opfer kann es demnach keine mehr geben.

Wann haben Sie jemals in den großen Medien etwas über diese Zahlen gelesen? Trump dominiert ja – wenn gerade kein Fußball läuft und niemand sich über „die Flüchtlinge“ aufregt – nahezu jeden Tag die Titelseiten unserer Postillen. Da geht es um Tweets, Pornostars, angebliche Russland-Kontakte, seine skurrile Frisur und ähnlich wichtige Dinge. Die Kriege, Bomben und Opfer der USA sind wohlweislich meist kein Thema. Man müsste sich dann ja unangenehme Fragen stellen. Wenn die USA so mörderisch sind, warum lässt Deutschland sie dann in Stuttgart, Ramstein, Wiesbaden, Grafenwöhr oder Spangdahlem gewähren? Ist das keine Beihilfe zum Mord?

Der einzige Funken Hoffnung, dass Trump seine mörderische Schlagzahl nicht wird halten können, liegt auf einem komplett absurden „Nebenkriegsschauplatz“. Den USA gehen nämlich bereits – so meldete es jüngst das Fachblatt DefenseNews – die Bomben aus. Zwar lägen die Bombenproduzenten Raytheon und Lockheed Martin, die als moderne Meister des Todes 97% der US-Bomben und –Raketen produzieren – im Plan, aber die Zulieferer haben wohl massive Probleme, da so langsam die exotischen Substanzen für bestimmte technische Komponenten ausgehen und die Lieferketten aus Europa und China auf die gesteigerte Produktionsmenge nicht eingestellt waren. Nun hat das Pentagon das Budget für Munition erst einmal um schwindelerregende 20 Mrd. US-Dollar erhöht. Da kann niemand sagen, dass den USA ihre Opfer nichts wert sind.

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