VIPS-Memorandum an Trump: Geheimdienstinformation über Iran könnte katastrophale Auswirkungen haben

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Wieder werden die Kriegstrommeln gerührt – diesmal gegen den Iran. Falls die Warnung der Veterans Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) erneut ignoriert wird wie vor dem Irakkrieg, werden diesmal die Folgen noch katastrophaler sein. Ein Memorandum der Veteran Intelligence Professionals for Sanity, für die NachDenkSeiten aus dem Englischen übersetzt von Josefa Zimmermann.

MEMORANDUM AN: Den Präsidenten
VON: Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)
BETREFF: Fehleinschätzung der Geheimdienste über den Iran

Herr Präsident,

als die Regierung George W. Bush vor 15 Jahren den Angriff auf den Irak vorbereitete, konnten wir keinen zwingenden Grund für einen Krieg erkennen. Wir beschlossen aber dennoch, Präsident Bush zuzugestehen, dass er sich von Vizepräsident Dick Cheney und anderen hat täuschen lassen. Wir gingen von der Möglichkeit aus, dass er den Beweisen des Geheimdienstes vertraute, die Colin Powell den Vereinten Nationen als “unwiderlegbaren und unleugbaren” Beleg für Massenvernichtungswaffen im Irak und für eine „dunkle Verbindung“ zwischen Saddam Hussein und al-Qaida vorgelegt hatte.

Für uns Mitglieder von VIPS war jedoch klar, dass Powells „Geheimdienstbeweise“ falsch waren. So legten wir Präsident Bush am selben Nachmittag, dem 5. Februar 2003, ein Memorandum wie dieses vor und empfahlen ihm dringend, sich beraten zu lassen, und zwar „über den Kreis jener Berater hinaus, die eindeutig Krieg wollen, für den wir keinen zwingenden Grund erkennen können und von dem wir glauben, dass die unbeabsichtigten Folgen katastrophal sein werden“.

Es ist für uns keine Genugtuung, dass wir mit unserer Prognose einer politischen und humanitären Katastrophe im Irak Recht behielten, auch wenn niemand auf uns hörte. Die meisten Amerikaner erfuhren nur, die Geheimdienste hätten sich geirrt. Das trifft aber nicht zu. Es war ein totaler Betrug, an dem leider einige unserer früheren Kollegen beteiligt waren.

Fünf Jahre nach der Rede Powells nahm der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses kein Blatt vor den Mund, als er das wichtigste gemeinsame Ergebnis einer fünf Jahre arbeitenden Kommission bekannt machte. Er sagte: „Indem sie die Argumente für einen Krieg vorbrachte, stellte die Regierung wiederholt Informationen als Tatsache dar, obwohl sie in Wirklichkeit unbegründet, widersprüchlich oder gar nicht existent waren. Infolge dessen ließ sich das amerikanische Volk davon überzeugen, dass die Bedrohung durch den Irak viel größer sei, als sie tatsächlich war.“

Jetzt ist der Iran im Fadenkreuz

Da nun wieder die Kriegstrommeln gerührt werden, diesmal mit dem Angriffsziel Iran, werden wir als Veterans Intelligence Professionals für Sanity und andere erfahrene, objektive Analysten wieder einmal ignoriert werden. Und diesmal fürchten wir noch KATASTROPHALERE Folgen als im Fall Irak.

In unseren Memoranden an Sie in den letzten anderthalb Jahren haben wir Sie darauf hingewiesen, dass erstens die Unterstützung des internationalen Terrorismus durch den Iran weit geringfügiger ist als noch vor Jahrzehnten und zweitens, dass Sie von Premierminister Benjamin Netanjahu über den Iran getäuscht werden. Netanjahus Informationen basieren auf Geheimdienstberichten, die schon vor mehreren Jahren als betrügerisch entlarvt wurden.

Interessanterweise wartete Netanjahu, bis Ihr neuer Sicherheitsberater drei Wochen im Amt war, bevor er seine Diashow am 30. April präsentierte, mit der er behauptete, dass der Iran ein geheimes Atomwaffenprogramm betreibt. Für den Fall, dass unsere Analyse von Netanjahus Diavortrag Sie nicht erreicht haben sollte, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der israelische Premierminister Informationen aus nachgewiesenen Fälschungen aufbereitet hat, wie wir Ihnen im letzten Frühjahr in einem Memorandum berichteten.

Sollte unser Memorandum vom 7. Mai irgendwo im Westflügel verlorengegangen sein, hier unsere wichtigsten Punkte:

Die Beweise, die der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am 30. April mit seinem sogenannten “iranisches Atomarchiv” präsentierte, zeigen eklatante Anzeichen einer Fälschung. Diese „Beweise“ basieren auf Dokumenten, mit denen die Bush-Regierung schon mehr als ein Jahrzehnt zuvor ein geheimes iranisches Atomwaffenprogramm beweisen wollte. Auch diese Dokumente wurden eindeutig gefälscht.

In unserem Memorandum vom 7. Mai 2018 erklärten wir außerdem: “Wir können beweisen, dass die echten Dokumente ursprünglich nicht aus dem Iran stammten, sondern aus Israel. Außerdem wurden die Dokumente nie von der CIA oder der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) authentifiziert.”

Der Iran war 2008 schon beinahe Angriffsziel

Bereits vor einen Jahrzehnt gab es die konkrete Gefahr eines Krieges mit dem Iran. Bush und Cheney planten 2008, in ihrem letzten Amtsjahr, in enger Absprache mit Israel, den Iran anzugreifen. Zum Glück kam ein ehrliches National Intelligence Estimate (NIE) [gemeinsames Gutachten der amerikanischen Geheimdienste] vom November 2007 zu dem Ergebnis, dass der Iran seit 2003 nicht mehr an einem Atomwaffenprogramm arbeitet, und dieses Schlüsselgutachten wurde veröffentlicht. Damit brachte das NIE die Kriegsmaschinerie abrupt zum Stillstand, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.

Das Schlüsselgutachten über die Einstellung der Arbeit an einem Atomprogramm war das Ergebnis eines mühsamen Beratungsprozesses, wie er früher bei der Erstellung eines NIE üblich war. Am Ende dieses einjährigen Beratungsprozesses wurde das NIE im November 2007 von allen US-Geheimdiensten einstimmig beschlossen.

(Mit anderen Worten, es war definitiv KEIN stümperhaftes „Gutachten“, wie das innerhalb weniger Wochen von „handverlesenen” Analysten dreier ausgewählter, einer Agenda verpflichteter Geheimdienste zusammengeschusterte über die russische Einmischung. Wir beziehen uns hierbei auf das beweisfreie und fälschlich “Intelligence Community Assessment” genannte Papier der Direktoren von FBI, CIA und NSA vom 6. Januar 2017. Der Militärgeheimdienst DIA und der Geheimdienst des State Department gehörten zu den 13 Geheimdiensten, die an diesem „Intelligence Community Assessment“ nicht beteiligt waren.)

Was die Pläne der Bush-Cheney-Regierung zum Angriff auf den Iran 2008 anbelangt, so schrieb Präsident George W. Bush in seiner Autobiographie „Decision Points“ über seine Verärgerung über das, was er als das „ins Auge stechende“ Ergebnis des NIE bezeichnete, die Entlarvung der verbreiteten Meinung, der Iran sei kurz davor, Atomwaffen zu besitzen. Bush fügte bedauernd hinzu: „Wie sollte ich erklären, dass das Militär die Nuklearanlagen eines Landes zerstört hat, von dem die Geheimdienste behaupten, dass es gar kein Atomwaffenprogramm gab?”

Herr Präsident, wir wissen nicht, ob ein neues Geheimdienstgutachten über Atomwaffen im Iran erstellt wurde und falls ja, ob es genau so glaubwürdig ist wie das NIE vom November 2007, das dazu beigetragen hat, den Beginn eines weiteren unnötigen Krieges im Folgejahr zu verhindern. Wir stehen zu unseren Dokumenten. Kurz gesagt, wenn Sie der Ansicht sind, dass es glaubwürdige Beweise dafür gibt, dass der Iran aktiv an einem Atomwaffenprogramm arbeitet, dann sind wir überzeugt, dass Sie getäuscht wurden. Und wenn Sie aufgrund falscher Informationen Entscheidungen über den Iran fällen, wird das unvermeidliche Ergebnis viel schlimmer sein als das Bush-Cheney-Debakel im Irak.

Für die Steuerungsgruppe
Veteran Intelligence Professionals for Sanity

  • William Binney, ehem. NSA Technical Director for World Geopolitical & Military Analysis; Mitgründer des Signals Intelligence Automation Research Center der NSA (i.R.)
  • Sen. Richard H. Black, 13th District of Virginia; Colonel US Army (i. R.); ehem. Chief, Criminal Law Division, Office of the Judge Advocate General, Pentagon (associate VIPS)
  • Marshal Carter-Tripp, Foreign Service Officer (i. R.) und Division Director, State Department Bureau of Intelligence and Research
  • Kathleen Christison, Senior Analyst on Middle East, CIA (i. R.)
  • Bogdan Dzakovic, ehem. Team Leader of Federal Air Marshals and Red Team, FAA Security (i. R.) (associate VIPS)
  • Philip Giraldi, CIA, Operations Officer (i. R.)
  • Larry C. Johnson,  ehem. CIA and State Department Counter-terrorism officer
  • Michael S. Kearns, Captain, USAF (i. R.); Wing Commander, RAAF (i. R.); Intelligence Officer & ex-Master SERE Instructor
  • Linda Lewis, WMD preparedness policy analyst, USDA (i. R.) (associate VIPS)
  • Edward Loomis, NSA Cryptologic Computer Scientist (i. R.)
  • David MacMichael, Capt., USMC (i. R.); ehem. Senior Estimates Officer, National Intelligence Council
  • Ray McGovern, ehem. US Army Infantry/Intelligence Officer & CIA analyst; CIA Presidential briefer (i. R.)
  • Elizabeth Murray, ehem. Deputy National Intelligence Officer für den Nahen Osten, National Intelligence Council & CIA political analyst (i.R.)
  • Todd E. Pierce, MAJ, US Army Judge Advocate (i.R.)
  • Scott Ritter, ehem. MAJ., USMC; ehem UN-Waffeninspekteur im Irak
  • Coleen Rowley, FBI Special Agent und ehem. Minneapolis Division Legal Counsel (i.R.)
  • Sarah G. Wilton, Intelligence Officer, DIA (i. R.); Commander, US Naval Reserve (i. R.)
  • Robert Wing,  ehem. Foreign Service Officer (associate VIPS)
  • Ann Wright, Colonel, US Army (i. R.); Foreign Service Officer (Rücktritt wegen Ablehenung des Irakkrieges)

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