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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Sammlungsbewegung
  2. Trump and the Art of the No Deal
  3. Erdogan droht USA mit Ende der Partnerschaft
  4. Tsipras Pyrrhussieg: Austerität in Permanenz
  5. Ausbeutung bei Ryanair: Verwerflich bestimmt – aber so schön billig
  6. KfW-Tochter DEG – Zwischenstopp in der Steueroase
  7. Deutsche Banken ringen um Milliardenvermögen der Kirchen
  8. Rekord bei Kindergeld-Empfängern im Ausland: Nahles will Missbrauch “Riegel vorscheiben”
  9. Lafontaine gegen allgemeine Dienstpflicht
  10. Fehlende Fachkräfte bremsen Wohnungsbau
  11. Aufgedeckt: Verbraucherabzocke auf Autobahnraststätten wird vom Staat subventioniert
  12. Eigentlich müsste man da sofort mit Durchsuchungsbeschluss rein
  13. In guter Verfassung
  14. Welterfahrung und Weltzerstörung
  15. A400M-Militärbasis kostet 750 Millionen Euro
  16. Ein Herzchen für die NSU-Terroristen
  17. Glyphosat: Monsanto soll 250 Millionen Dollar wegen “Heimtücke” bezahlen
  18. Wollen Vale und BHP Entschädigung nach Staudammkatastrophe in Brasilien vermeiden?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sammlungsbewegung
    1. Aus der Geschichte lernen
      #aufstehen Im Land der Bedenkenträger wird es eine linke Sammlungsbewegung schwer haben. Doch einen Versuch ist sie allemal wert.
      Nun ist sie gestartet, die lange angekündigte “linke Sammlungsbewegung”. 48 Stunden nach Freischaltung der Webseite aufstehen.de hatten sich bereits 36.000 Unterstützer online registriert. Der Wunsch nach Veränderung ist offenbar stark.
      Das Ganze sei eine “Kopfgeburt”, sagen jene, die gern verdrängen, dass jede Bewegung als Kopfgeburt beginnt. Ein Bedürfnis steigt vom Bauch in den Kopf – und der Kopf verlangt nach Konsequenzen. In dieser Frühphase befindet sich das Projekt #aufstehen.
      Das sollten sich alle, die eine “Gründung von oben” beklagen, durch den Kopf gehen lassen. Sie verkennen, dass eine “linke Alternative” längst populär ist. Umfragen zeigen, dass eine “Liste Sahra Wagenknecht” bis zu 25 Prozent der Stimmen erhalten könnte. Ob eine solche “Bewegung” auch den Kriterien der Politikwissenschaft für “soziale Bewegungen” entspricht, dürfte dann zweitrangig sein.
      Bewegungen funktionieren heute nicht mehr wie 1971ff (Frauen), 1974ff (Umwelt) oder 1979ff (Frieden). Heute genügt schon “eine Mischung aus unkonventionellem Politikstil und moderner digitaler Infrastruktur, klassischen sozialen Forderungen und ungewohnten Gesichtern”, wie Sahra Wagenknecht und Bernd Stegemann jüngst feststellten.
      Die gute alte Latsch-Demo wird von einem millionenfach geteilten Twitter-Hashtag ersetzt, aus einer Whatsapp-Gruppe kann eine Selbsthilfe-NGO oder eine “Bewegungs-Partei” hervorgehen.
      Diese neuen Formen der Organisation mögen kurzlebig und zerbrechlich sein, doch in Italien, Frankreich und Spanien sitzen sie derzeit in der Regierung. In Deutschland, im Land der Bedenkenträger, wird es eine linke Sammlungsbewegung nicht leicht haben. Ihre Gegner sind zahlreich und eloquent.
      Mit Häme und Popcorn schauen sie von der Seitenlinie aus zu, wie sich die Sammler abmühen. Manche schleudern Bannflüche, schlagen in Panik um sich, spenden vergiftetes Lob. Ihr Ziel ist es, das Projekt kaputtzureden oder für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Statt die Chance der Bewegung zu erkennen, hören wir, warum das Ganze ein falscher Ansatz für linke Erneuerung ist.
      Quelle: Wolfgang Michal im Freitag
    2. Interview mit Sahra Wagenknecht „Über 50.000 Menschen sind keine Alibi-Veranstaltung“
      Frau Wagenknecht, Sie haben mit anderen „Aufstehen“ gegründet. Warum?
      Weil ich finde, dass man dem Rechtsruck in Deutschland nicht einfach zuschauen darf. Die jetzige Situation muss sich ändern. Wir haben in der Bevölkerung andere Mehrheiten. Viele Menschen wünschen sich eine sozialere Politik, bessere Renten, höhere Löhne, eine Vermögenssteuer für Superreiche. Und ich will, dass das politisch umgesetzt wird. Dafür muss es einen neuen Aufbruch geben.
      Es gibt mindestens drei Einwände gegen Ihre Bewegung. Der erste lautet: Sie seien im Grunde nationalistisch und flüchtlingsfeindlich. Als letzter Beleg dafür gilt, dass Sie von der „allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur“ gesprochen haben, die ebenso abzulehnen sei wie die Ressentiments der AfD.
      Ich finde es schon abenteuerlich, wie einige reflexartig gegen die gerade in Gründung befindliche Sammlungsbewegung zu Felde ziehen. Meine Position in der Flüchtlingspolitik ist bekannt, und mir Flüchtlingsfeindlichkeit oder Nationalismus zu unterstellen, ist boshaft. Ich habe immer das Asylrecht verteidigt, das in den letzten Jahren ausgehöhlt wurde. Meine Überzeugung ist, dass Verfolgte Schutz brauchen – aber dass man das Problem der Armut in der Welt nicht durch grenzenlose Zuwanderung lösen kann. Wir müssen vielmehr alles dafür tun, dass Deutschland und Europa nicht weiter Lebensperspektiven in den armen Ländern zerstören. Die Menschen brauchen in ihrer Heimat eine Perspektive. (…)
      Ist das auch die Position der Sammlungsbewegung?
      Die Sammlungsbewegung wird sich ihre Programmatik selbst erarbeiten. Wir sind kein top-down-Projekt, sondern legen großen Wert darauf, dass unsere Mitstreiter die Positionen dieser Bewegung selbst diskutieren. Wir werden Debatten organisieren, bei denen sich viele Tausende einbringen können. Es gibt moderne digitale Möglichkeiten dafür.
      Das heißt, es wird irgendwann auch ein Programm geben?
      Die Bewegung wird am 4. September gegründet. Dann werden die Namen aller prominenten Initiatoren bekannt gegeben, und es wird eine erste programmatische Orientierung in Form eines Gründungsaufrufs veröffentlicht. Aber die Programmatik der Sammlungsbewegung wird nicht von den Initiatoren festgelegt. Die muss von den mittlerweile über 50.000 Mitstreitern der Sammlungsbewegung in den nächsten Monaten entwickelt werden. Das halte ich für sehr wichtig. In den meisten Parteien werden die Mitglieder mit den Positionen ihrer Führung konfrontiert, die sie oft gar nicht teilen. Sie wurden aber nie gefragt. Wir wollen einen demokratischen Prozess.
      Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
    3. Umfrage zeigt: So viele Deutsche würden Wagenknechts Bewegung wählen
      Neben der bereits am Donnerstag verkündeten Zahl von 50.000 Unterstützern kann Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung „Aufstehen“ einen weiteren frühen Erfolg feiern: Laut einer Umfrage des Instituts Emnid im Auftrag des Nachrichtenmagazins Focus können sich satte 34 Prozent der Bundesbürger vorstellen, das Bündnis bei einer Bundestagwahl zu wählen.
      Besonders groß ist der Anteil der potenziellen Wähler unter den Anhängern der Linkspartei. Von ihnen wären 87 Prozent bereit, die Bewegung zu wählen. Unter Grünen- und SPD-Anhängern beläuft sich der Anteil auf 53 beziehungsweise 37 Prozent. Der kleine Haken: Bei Wahlen will „Aufstehen“ nach dem Stand der bisherigen Überlegungen eigentlich gar nicht antreten. Seine Mitglieder sollen nach Wagenknechts Idee Platz auf den Listen anderer Parteien finden.
      Quelle: Merkur.de
    4. Sammeln oder spalten?
      SPD-Mitglied Steve Hudson unterstützt Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung. […]
      Hoffnung ist kostbar. Und sie kann Hunderttausende begeistern und die Demokratie erneuern. Das hat man in Großbritannien bei der Labour Party gesehen. Mit der Wahl Jeremy Corbyns als Parteivorsitzender hat Labour eine Linkswende vollzogen – trotz (und auch wegen) des furiosen Widerstands des Partei- und Medienestablishments. Innerhalb von zwei Jahren hat sich die Zahl der Labour-Mitglieder auf fast 600.000 verdreifacht. Bei der Unterhauswahl wurde der Niedergang Labours vorhergesagt. Stattdessen sprang sie auf fulminante 40 Prozent, mit einem klaren linken Wahlprogramm, das die Jugend inspirierte und mobilisierte. Ähnlich beflügelt hat die Kampagne von Bernie Sanders in den USA.
      Solch eine Hoffnung könnten wir in Deutschland gut gebrauchen. Ich bin der SPD beigetreten, als Martin Schulz im Wahlkampf 2017 die Agenda 2010 kritisierte. Für Millionen Menschen schien plötzlich eine neue SPD und ein besseres Deutschland möglich. Schulz’ Agendakritik wurde aber schnell wieder begraben – und damit der kurze Höhenflug der SPD gestoppt. Nun sitzen wir in der bleiernen Realität von GroKo und “Weiter so”.
      Quelle: Steve Hudson auf zeit.de
  2. Trump and the Art of the No Deal
    Donald Trump promised to be America’s dealmaker-in-chief, touting his “extraordinary” ability to negotiate. But so far, Trump has shown he can’t make a deal. Here’s the list of biggest no-deals:
    1.No deal with North Korea. Following his summit with Kim Jong Un, Trump declared on Twitter that “there is no longer a nuclear threat” from North Korea. But in fact, there’s no deal. Kim conceded nothing on weapons and missile programs. Recent satellite imagery shows North Korea is actually improving its nuclear capability.
    2.No deal with Russia. At the Helsinki summit, Russia agreed to nothing. But Trump gave away the store, even casting doubt on Russia’s collusion in the 2016 election in the face of the conclusions of America’s own intelligence agencies.
    3.No deal with China on trade. Instead, we’re on the brink of a trade war with China, which is retaliating against U.S. tariffs.
    4.No deal with Europe on trade. Instead, Europe has merely agreed to negotiate towards a resolution of the trade war Trump provoked in the first place. […]
    Quelle: Robert Reich
  3. Erdogan droht USA mit Ende der Partnerschaft
    Der Niedergang der türkischen Wirtschaft setzt Präsident Recep Tayyip Erdogan enorm unter Druck. US-Präsident Donald Trump hat die Krise zusätzlich befeuert, indem er eine Verdoppelung der Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet hat. Erdogan reagierte nun in einem Gastbeitrag für die US-Zeitung “New York Times” und hat die USA vor einem Ende der Partnerschaft mit seinem Land gewarnt.
    “Wenn die Vereinigten Staaten die Souveränität der Türkei nicht respektieren und beweisen, dass sie die Gefahren, denen unsere Nation ausgesetzt ist, verstehen, könnte unsere Partnerschaft in Gefahr sein”, schrieb Erdogan in dem am Freitagabend veröffentlichten Meinungsbeitrag.
    Der türkische Präsident forderte, Washington müsse “die fehlgeleitete Vorstellung aufgeben, dass unsere Beziehung asymmetrisch” sei. Die Türkei habe “Alternativen”. Erdogan warf der Regierung von US-Präsident Trump Rücksichtslosigkeit und Alleingänge vor. “Wenn wir diesen Trend des Unilateralismus und der Respektlosigkeit nicht umkehren, werden wir uns auf die Suche nach neuen Freunden und Verbündeten machen müssen”, schrieb der türkische Präsident.
    Erdogan orientiert sich schon seit Längerem in Richtung Moskau, obwohl die Türkei Nato-Mitglied ist.
    Quelle: Spiegel Online
  4. Tsipras Pyrrhussieg: Austerität in Permanenz
    Es sollte ein für alle sichtbares Signal sein: Die Krisenjahre sind vorbei, es geht wieder aufwärts. Die Zeit der Memoranden – der Kreditvereinbarungen mit den europäischen Gläubigern – endet, und mit ihr die politische Gängelung. Kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2015 hatte Alexis Tsipras versprochen, er werde erst dann eine Krawatte anziehen, wenn die „Nach-Memorandum-Epoche“ beginnt. Nun ist die dritte und letzte Kreditvereinbarung ausgelaufen, und der griechische Premierminister trat mit Schlips vor die Kameras. Doch irgendetwas an dem sorgsam inszenierten Auftritt wirkte gedämpft. Und das lag nicht nur an der Farbe der Krawatte, die nicht leuchtend rot, sondern in einem dumpfen Burgunderton gehalten war.
    Denn ähnlich dumpf fallen auch die Reaktionen der griechischen Bevölkerung aus. Nach acht Jahren Austerität und technokratischer Überwachung ist man zwar vielerorts erleichtert, aber Begeisterung will sich nicht recht einstellen. Die regierende Syriza habe zwar alles getan, was die gegebenen Bedingungen zuließen, lautet der allgemeine Tenor. Doch auch wenn die Memorandumsschleife vorerst endet, ist allen klar: Die Lage bleibt noch immer ernst. Der Schuldenberg ist nicht kleiner geworden, und die Konditionen der Memoranden bestimmen nach wie vor den Rahmen des wirtschaftspolitischen Handelns. Obendrein wurden diese Bedingungen in der Schlussvereinbarung mit der Gläubiger-Quadriga vom 21. Juni dauerhaft fixiert – und das gleich für nahezu das nächste halbe Jahrhundert.
    Quelle: Blätter
  5. Ausbeutung bei Ryanair: Verwerflich bestimmt – aber so schön billig
    Nach dem aktuellen Streik wird Ryanair seine menschenverachtende Personalpolitik verändern müssen. Dass sie sich überhaupt so lange halten konnte, ist ein Armutszeugnis für die Konsumgesellschaft.(…)
    “Ryanair verkauft keine Hähnchenschenkel und Nackensteaks, doch bei der Billig-Airline geht es um dasselbe. Wer sich etwa für die Strecke von Köln nach Berlin in eine der blau-gelben Röhren des irischen Unternehmens setzt und die 500 Kilometer für rund 15 Euro fliegt, muss sich darüber im Klaren sein, dass irgendjemand anderes den Preis für diesen Preis bezahlt. Einzig: Ryanair hat in aller Regel kein Problem damit, die Tickets an den Mann zu bringen. Wer kann bei solchen Schnäppchen schon widerstehen? (…)
    Wer etwa für O’Leary fliegt, ist in der Regel nicht angestellt, sondern muss ein Unternehmen irischen Rechts gründen und sich dann als Freiberufler für Flüge “bewerben”. Einstiegsgehalt als Pilot: rund 39.000 Euro, Co-Piloten bekommen etwa 25.000 Euro – brutto. Die mehrere zehntausend Euro teure Pilotenausbildung muss der Nachwuchs davon meist abbezahlen. Flugbegleiter verdienen zwischen 700 und 1300 Euro netto. Auch sie müssen ihre knapp 3000 Euro teure Ausbildung selbst bezahlen. Sie sind zwar angestellt, allerdings meistens in Leiharbeitsverträgen – befristet und ohne Grundgehalt. Überstunden werden nicht bezahlt, eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es nicht. Nicht wenige Ryanair-Flugbegleiter haben Nebenjobs, um über die Runden zu kommen.
    Als er wieder einmal für seine menschenverachtende Personalpolitik in die Kritik geraten ist, sagte O’Leary einmal, es zwinge ja niemand die Menschen, bei Ryanair zu arbeiten. Seine Piloten nennt er nach deren Angaben mal “überbewertete Taxifahrer” oder “Busfahrer”. Als vergangenen Herbst Forderungen nach mehr Gehalt laut wurden, sagte er, seine Angestellten hätten ein überzogenes Selbstwertgefühl. In einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” sagte er einmal, die Umwelt interessiere ihn “einen Dreck”, was ihn interessiere, seien die Ölpreise. Das Beste, was man seiner Ansicht nach mit Umweltaktivisten machen könne, sei es, sie “abzuknallen”, ein weiteres Zitat von ihm. Und was sein eigenes Auskommen angeht, sagte er einmal: “Ich verdiene etwa das 20-Fache dessen meiner Angestellten. Ich denke, diese Lücke sollte größer sein.”
    Und auch über seine deutschen Kunden sagte O’Leary einmal etwas, das erklären könnte, warum die Airline einen Umsatzrekord nach dem nächsten einheimst – trotz aller Skandale. “Die Deutschen würden mit nackten Eiern über Glasscherben robben, nur um günstige Preise zu bekommen.” Freilich macht nicht nur die schlechte Bezahlung der eigenen Leute derartige Schnäppchen möglich. Ryanair spart auch, indem kleine Flughäfen angesteuert werden oder weil die Maschinen fast immer ausgebucht sind. Aber Dumpinglöhne sind eben auch zentraler Bestandteil der Preisstrategie.
    Dass sich nun höchstwahrscheinlich doch etwas ändern wird bei Ryanair, haben die Piloten selbst bewirkt. Nach dem Ausstand in vier europäischen Ländern kann O’Leary kaum etwas anderes übrigbleiben, als sich mit den Gewerkschaften zu einigen. Auch wenn er zuvor ankündigte, dass “eher die Hölle zufrieren” würde. Der aktuelle Streik hat Dimensionen, die neu sind für die Airline: Europaweit fallen 400 Flüge aus, 55.000 Passagiere sind betroffen. Schon im vergangenen Quartal knickte der Umsatz wegen Streiks um 20 Prozent ein. Werden die Ausstände noch größer, würde O’Leary seine Anleger verprellen, die er all die Jahre auf dem Rücken seiner unterbezahlten Angestellten mit Traumrenditen verwöhnt hat.”
    Quelle: n-tv

    Anmerkung unseres Lesers J.Z.: Der n-tv Redakteur nimmt kein Blatt vor den Mund. Solch klare Worte wünschte man sich in der BILD-Zeitung, dem angeblichen Sprachrohr des kleinen Mannes. Tatsächlich wird man dort zu derartigen Skandalen wohl kaum kritische Beiträge finden, schließlich liegt die Kernkompetenz des Springerblatts im Treten nach unten, so dass der berechtigte Unmut der Bevölkerung möglichst elitenfreundlich kanalisiert wird. Eine Verkäuferin unseres Supermarktes – eine herzensgute Frau – bedauerte kürzlich die vor einigen Jahren vollzogene örtliche Schulschließung für die Oberstufe, da ihr Enkel dadurch nun weiter fahren muss und merkte im Nachsatz an, dass jedoch für die Kinder von Ausländern Kindergeld da sei. Wo soll man da anfangen und aufhören zu argumentieren. Die BILD-Kampagnen wirken – leider!

  6. KfW-Tochter DEG – Zwischenstopp in der Steueroase
    Die KfW-Tochter DEG fördert Firmen in Entwicklungsländern. Das Geld fließt dabei jedoch oft über Steueroasen wie Mauritius. Dabei geht es inzwischen um fast eine Milliarde Euro.
    Mit frittiertem Hähnchen ist Deji Akinyanju der Durchbruch gelungen. Heute hat seine Kette „Chicken Republic“ mehr als 65 Franchise-Restaurants in Nigeria und Ghana. Akinyanju gilt als Vorzeigeunternehmer, einer, der die Wirtschaft an der Westküste Afrikas voranbringt, der Jobs schafft. Auch dank deutscher Entwicklungsgelder. Es ist ein weiter Weg von Köln, wo die KfW-Tochter DEG ihren Sitz hat, bis nach Lagos, wo Chicken Republic gegründet worden ist. Und er führt über eine Insel, die als Steueroase bekannt ist: Mauritius.
    Wer verstehen will, wie deutsche Entwicklungsgelder verteilt werden, muss sich durch eine Liste im Geschäftsbericht der DEG quälen. In kleiner Schrift sind dort Fonds aufgelistet, in die die DEG investiert. Diese Fonds wiederum stecken das Geld dann in Firmen wie Food Concepts, den Mutterkonzern von Chicken Republic. Hilfe zur Selbsthilfe ist das: Die Firmen in den Entwicklungsländern sollen dadurch mehr investieren können, Jobs schaffen, letztlich mehr Steuern zahlen. Doch schaut man sich die Liste an, stolpert man über die Länder, in denen die Fonds sitzen: Mauritius etwa, aber auch die Kaimaninseln, Guernsey, Jersey, Malta, Panama, Bermuda, St. Kitts und Nevis und die Jungferninseln.
    Quelle: Tagesspiegel
  7. Deutsche Banken ringen um Milliardenvermögen der Kirchen
    Deutsche Banken berichten von einer Kundengruppe, die immer häufiger an ihre Türen klopft: Kirchen. Auch sie kämpfen mit den Auswirkungen der Niedrig-Zinsen.
    Schätzungen zufolge verfügen die Kirchen in Deutschland über ein Vermögen von mehreren hundert Milliarden Euro. Das stellt sie vor ein Problem: Die niedrige Zinsen drücken auf die Erträge klassischer Anlagen, zudem haben erstmalige Finanzberichte einige Fehl-Investments ans Licht gebracht. Die Kirchen holen sich deshalb verstärkt professionelle Hilfe bei der Verwaltung ihrer Vermögen.
    „Die Kirche hat sich in ihrer Vermögensanlage in den zurückliegenden Jahren immer weiter professionalisiert und greift daher auch häufiger auf professionelle Asset-Manager wie uns zurück“, sagt Martina Erlwein, die sich bei der Hamburger Joh Berenberg Gossler & Company um kirchliche Investoren kümmert. Ähnliches berichtet Daniel Kerbach, CIO der Merck Finck Privatbankiers: „Kirchen sind einer der ganz großen Markteilnehmer. Sie nutzen vermehrt professionelles Asset Management.“
    Gerade im aktuellen Umfeld niedriger Zinsen könne mit einer „klassischen Buy-and-Hold-Rentenanlage keine auskömmliche Rendite mehr erzielt werden“, sagt Philip Schätzle, Head of Institutions & VAG Investors Europe bei Metzler Asset Management in Frankfurt. Die Folge sei eine breitere Diversifikation, wofür sich die Kirchen nun Hilfe holen würden.
    Gleichzeitig hatten sich viele Kirchen zuletzt verpflichtet, ihre Finanzen erstmals genauer zu durchleuchten und Berichte zu veröffentlichen. Dabei sind sie auf Fehltritte gestoßen. So geht das Bistum Eichstätt davon aus, dass riskante Immobilien-Investments zu einem Verlust in Millionenhöhe geführt haben. Jetzt sollen sich im Bistum Fachleute ums Geld kümmern.
    Zwar waren die Einnahmen aus der Kirchensteuer in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch bei einer schwächelnden Konjunktur droht ein Rückgang, was die Renditen aus den Vermögensanlagen um so wichtiger macht.
    Erträge brauchen die Kirchen nicht nur für ihren laufenden Betrieb. Sie haben als Arbeitgeber auch „erheblichen Pensionslasten“, sagt Eberhard von Alten, Direktor Institutionelle Kunden bei Feri Trust. Er war Anfang 2018 vom Bistum Mainz, wo er seit 2009 als Finanzdirektor gearbeitet hatte, zu dem Bad Homburger Vermögensverwalter gekommen. „Das Markt-Volumen ist schwer zu schätzen, weil noch nicht alle Körperschaften ihre Vermögen vollständig bewertet und offengelegt haben.“
    Quelle: Handelsblatt
  8. Rekord bei Kindergeld-Empfängern im Ausland: Nahles will Missbrauch “Riegel vorscheiben”
    Mehrere hundert Millionen Euro Kindergeld zahlt der deutsche Staat inzwischen an Empfänger im EU-Ausland, Tendenz stark steigend. Oberbürgermeister schlagen Alarm: Der soziale Friede sei zunehmend gefährdet. (…)
    SPD-Chefin Andrea Nahles kündigte ein Kindergeld-Spitzentreffen mit betroffenen Städten für den 27. September in Berlin an. “Es ist klar, dass wir Missbrauch und organisierter Kriminalität einen Riegel vorschieben müssen”, sagte Nahles bei einem Besuch der Arbeiterwohlfahrt in Duisburg.
    Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte, die Regierung setze sich für eine europäische Lösung ein. Das Ziel ist, dass statt 194 Euro (erstes Kind) für im EU-Ausland lebende Kinder weitaus niedrigere Summen gezahlt werden, die sich an den dortigen Lebenshaltungskosten orientieren. Aber entsprechende Reformversuche sind auf EU-Ebene gescheitert.
    Die EU-Kommission lehnt eine Neuregelung auch weiterhin ab. “Wenn ein Arbeitnehmer in ein nationales Sozialversicherungssystem einzahlt, sollte er die gleichen Leistungen erhalten wie jeder andere, der einzahlt – unabhängig von seiner Nationalität und vom Wohnort seiner Kinder”, sagte eine Sprecherin der dpa in Brüssel. Eine Anpassung der Zahlungen an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes sei wegen des Diskriminierungsverbot nirgendwo im EU-Recht vorgesehen. (…)
    Forderungen nach neuen EU-Regeln für Kindergeldzahlungen ins Ausland haben nach Einschätzung von EU-Diplomaten kaum Erfolgsaussichten. Länder wie Deutschland und Österreich seien zuletzt mit dem Versuch gescheitert, im Zuge der Modernisierung der Sozialsystemkoordinierung eine sogenannte Indexierungsmöglichkeit zu schaffen, hieß es in Brüssel. Die Mehrheit der EU-Staaten lehnt es demnach strikt ab, eine EU-Regelung zu schaffen, die eine Anpassung von Kindergeldzahlungen an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes ermöglicht.
    Quelle: Focus Online

    Anmerkung Christian Reimann: Hat Frau Nahles eine eigenständige SPD-Politik zum Thema angekündigt? Fehlanzeige! Sie verweist darauf, dass sie „ Missbrauch und organisierter Kriminalität einen Riegel vorschieben“ wolle. Dabei sollte das für jeden Staat Normalität sein.

    Schlimmer ist: Es könnte der Eindruck entstehen, die SPD wolle Kürzungen vornehmen, wo es um Millionen Euro hauptsächlich für die Arbeitnehmerschaft geht. Wenn es aber um Milliarden-Beträge – z.B. bei der Geldwäsche oder korrekten Besteuerung von Groß-Konzernen wie Apple und Starbucks – geht, scheint die SPD-Spitze stets auf die Brermse zu treten. Auch die aktuelle SPD-Spitze muss den „schönen Sonntagsreden“ über soziale Gerechtigkeit endlich Taten folgen lassen, wenn sie endlich wieder ernst genommen werden möchte.

    Dem Spitzenpersonal der SPD sollte auch die neue Regelung der konservativ, national-neoliberalen Regierung in Östereich zu denken geben. Ihnen scheint es eindeutig lediglich um das Kürzen von Ausgaben zu gehen.

    Dazu: Deutsche Politiker fordern Reform beim Kindergeld
    Gleiches Kindergeld auch für Kinder im EU-Ausland? Diese in Deutschland heftig diskutierte Frage hat Österreich für sich schon beantwortet.
    Trotz Bedenken in Brüssel sieht Österreich gute Chancen, dass die Höhe des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder künftig neu berechnet werden kann. Die Europäische Kommission habe festgestellt, dass die EU-Staaten über die Zuerkennung und die Berechnungsmethode von Familienleistungen selbst entscheiden dürften, sagte die österreichische Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Eine Anpassung sei damit im Einklang mit dem Europarecht. (…)
    Österreich plant im nationalen Alleingang eine Indexierung, also eine Zahlung, die sich an den Lebenshaltungskosten in dem jeweiligen Land orientiert. Die Neuregelung soll 2019 in Kraft treten. Die EU-Kommission hatte zuletzt betont, eine Anpassung von Zahlungen an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes sei wegen des Verbots von Diskriminierung nirgendwo im EU-Recht vorgesehen.
    Quelle: T-Online

  9. Lafontaine gegen allgemeine Dienstpflicht
    Der frühere Linke-Chef Oskar Lafontaine ist gegen eine allgemeine Dienstpflicht für junge Männer und Frauen. Es gebe nicht nur «erhebliche rechtliche Bedenken», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. «In jedem Fall sollte nicht der Verdacht aufkommen, dass man Menschen verpflichtet, die dann für ein Taschengeld arbeiten», sagte er. Die Antwort auf den Mangel an Pflegekräften sei «ganz einfach»: «Wenn man ordentliche Löhne zahlt, dann kommen die Leute auch.»
    Lafontaine sprach sich auch gegen Überlegungen in der CDU zur Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht für die Bundeswehr aus. «Man sollte aufhören, unsere Soldaten in Kriegseinsätze in aller Welt zu schicken. Es müsste doch nachvollziehbar sein, dass viele junge Menschen ihr Leben nicht am Hindukusch aufs Spiel setzen wollen.» Die Debatte der CDU sei «ein Nebenkriegsschauplatz».
    Quelle: Wiesbadener Kurier
  10. Fehlende Fachkräfte bremsen Wohnungsbau
    Klempner, Heizungsinstallateure und Co. dringend gesucht: Fehlende Fachkräfte und der Baulandmangel in Ballungszentren bremsen nach Einschätzung der KfW den Bau neuer Wohnungen. Die wichtigste Ursache für Engpässe auf dem Wohnungsmarkt seien nicht zu langsame Genehmigungen der Kommunen oder zu wenige Bauwillige. Eine zentrale Rolle spielten vielmehr Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft – zunehmend ausgelöst durch Fachkräftemangel, heißt es in einer Studie der staatlichen Förderbank.
    “In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Schere zwischen Baugenehmigungen und Baufertigstellungen im Wohnungssektor immer weiter geöffnet. Aktuell warten in Deutschland 653.000 genehmigte Wohnungsneubauten auf Umsetzung”, erläuterte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
    Die Auftragsbücher der Bauunternehmen sind prall gefüllt, doch weil Fachkräfte fehlen, können sie nicht schnell genug abgearbeitet werden. Während das Bauhauptgewerbe, zum Beispiel Hochbauunternehmen, den Angaben zufolge die Lücke bislang mit Mitarbeitern aus dem Ausland füllt, fehlen im Bauhandwerk zunehmend qualifizierte Kräfte. Der Studie zufolge mangelt es an Fachkräften im Klempner-, Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung Christian Reimann: Scheinbar betreibt KfW-Chefvolkswirt Keuner keine Ursachenforschung. Kann es sein, dass die entsprechenden Fachbetriebe zu wenig ausgebildet haben? Kann es sein, dass die Arbeitsbedingungen in der Branche schlicht und einfach zu wenig attraktiv waren und sind? Aber die Lösung soll wohl – wie z.B. in der Pflege und im Bauhauptgewerbe – aus dem Ausland kommen.

  11. Aufgedeckt: Verbraucherabzocke auf Autobahnraststätten wird vom Staat subventioniert
    Die Bundesregierung murkst an der deutschen Autobahn-Infrastruktur herum und steht deswegen zu Recht in der Kritik. Nach immer neuen Skandalen um den privaten Mautbetreiber “Toll Collect” gerät nun das deutsche Autobahnraststättensystem in den Blick. Die Preise dort für Snacks, Erfrischungen oder einen Toilettengang werden häufig als ungewöhnlich hoch wahrgenommen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat nun einen Zusammenhang mit der Politik der Bundesregierung hergestellt und präsentiert Zahlen, die nahelegen, dass dieses Geschäftsgebaren auch noch indirekt vom Staat subventioniert wird. Sie fordert eine Rückabwicklung der Privatisierung.
    Der Hintergrund: Die Tank- und Rastanlagen wurden 1998 als “Tank&Rast GmbH” privatisiert. Seither sind die Preise immer weiter gestiegen, die Pächter werden mit immer höheren Gewinnvorgaben unter Druck gesetzt und private Investoren streichen einen fetten Gewinn ein. Etwa 95 Prozent der Raststätten auf deutschen Autobahnen werden von der “Tank & Rast GmbH” betrieben. An dem Unternehmen sind Großkonzerne wie die Allianz, aber auch Investoren aus China beteiligt. Das Unternehmen wies zuletzt einen Jahresüberschuss von 160 Millionen Euro aus. (…)
    Wie sich nun herausstellt, ist diese Abgabe viel zu niedrig, bemessen an den tatsächlichen Ausgaben des Bundes. Auf Anfrage (PDF) von Victor Perli, Haushaltsexperte der LINKEN im Bundestag, musste die Bundesregierung nun konkrete Zahlen für die Jahre 2016 und 2017 nennen. Daraus geht hervor: Die Konzessionsabgabe betrug für diese beiden Jahre jeweils rund 16 Millionen Euro. Dem standen jedoch Ausgaben des Bundes für Bau- und Erhaltungsmaßnahmen von Raststätten in Höhe von 94 Millionen Euro (2016) bzw. 100 Millionen Euro (2017) entgegen. Der Abgeordnete aus Niedersachsen kritisiert diese fragwürdige “Arbeitsteilung”: “Die Zufahrtswege, Parkplätze und weitere Infrastruktur der Rasthöfe werden weiterhin aus Steuermitteln finanziert – während die Gewinne, die damit ermöglicht werden, in private Taschen fließen”, stellt Perli fest. Er sieht darin eine verdeckte Subventionierung der Unternehmensgewinne durch den Staat. “Die Bürger werden doppelt abgezockt: ihr Steuergeld und die Wucherpreise für Snacks, Getränke, Toiletten landen bei Konzernen wie der Allianz.” Die Bundesregierung müsse die Rückabwicklung der Privatisierung des deutschen Raststättensystems forcieren, “um den Mondpreisen für Snacks und Erfrischungen, sowie der Abzocke beim Toilettensystem ein Ende zu bereiten”, so Perli.
    Quelle: Die Linke. im Bundestag
  12. Eigentlich müsste man da sofort mit Durchsuchungsbeschluss rein
    Der Verkehrsökonom Alexander Eisenkopf erklärt, warum der Staat sich von Toll Collect jahrelang zu viel in Rechnung stellen ließ. Und fordert Konsequenzen (…)
    ZEIT ONLINE: Das zuständige Verkehrsministerium scheint das alles nicht so schlimm zu finden.
    Eisenkopf: Auch für dieses Verhalten gibt es in der Ökonomie einen Erklärungsansatz. Man spricht von “Regulatory capture”. Gemeint ist eine Form politischer Korruption, eine Art Staatsversagen. Das Ministerium oder die Behörde, die ein Unternehmen im Sinne der Öffentlichkeit kontrollieren soll, lässt sich von diesem über die Jahre immer mehr vereinnahmen. Gerade bei einer sehr langen Zusammenarbeit besteht diese Gefahr. Im Fall von Toll Collect dauert sie schon 16 Jahre. Über so einen Zeitraum entsteht fast zwangsläufig immer mehr Nähe. Am Ende sieht das Ministerium vielleicht gar kein Problem mehr darin, den Forderungen des Unternehmens nachzugeben. Man versteht sich ja als Partner, ist froh, dass alles läuft und vermeidet Ärger. Auch im Falle des Diesel-Abgasskandals ist die Nähe zwischen Ministerium und der Autobranche ja ein Problem.
    ZEIT ONLINE: Zum Ende des Monats läuft der Vertrag mit Toll Collect aus. Nach einer kurzen Übergangsphase, in der der Staat übernimmt, soll das Maut-System wieder an private Unternehmen vergeben werde. Können Sie das nachvollziehen?
    Eisenkopf: Angesichts der jetzigen Erkenntnisse muss man das eigentlich abblasen. Toll Collect hat diese Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und privaten Unternehmen komplett diskreditiert. Ich gehe davon aus, dass die Öffentlichkeit und auch die Oppositionsparteien sich gegen eine erneute Vergabe des Maut-Systems an private Unternehmen wehren werden.
    ZEIT ONLINE: Die Bundesregierung sagt, ein Betrieb durch private Unternehmen sei wirtschaftlicher.
    Eisenkopf: Solange mir das keiner vorrechnet, glaube ich das nicht – und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die man gemacht haben will, sind ja auch geheim. Toll Collect und der Bund haben sich 14 Jahre vor einem privaten Schiedsgericht gestritten. Allein die Anwaltskosten dafür belaufen sich auf eine halbe Milliarde Euro. Dann kann man schon hinterfragen, ob das eine wirtschaftliche Veranstaltung war. Auch andere ÖPP-Projekte bewertet der Bundesrechnungshof kritisch.
    Quelle: Zeit Online

    Dazu: Bund stellt eigenem Prüfsystem bei Toll Collect Persilschein aus
    Alles bestens im Sinne der Steuerzahler. So versucht das Verkehrsministerium einen brisanten Vorwurf zu entkräften, vom Lkw-Mautbetreiber Toll Collect jahrelang hinters Licht geführt worden zu sein. Laut Medienberichten hat Toll Collect dem Staat strittige Ausgaben für Marketing in Rechnung gestellt – der Bund hat sie nach eigenen Angaben aber nicht bezahlt.
    Wie die Wochenzeitung “Die Zeit”, das Portal Zeit Online und das ARD-Magazin Panorama berichten, handelte es sich etwa um Sponsoring für eine Oldtimer-Rallye, einen Aufenthalt der Toll-Collect-Chefs in einem Hotel sowie die Unterstützung eines Kinderheims. Dies sei jeweils als “Marketingkosten” für die Maut abgerechnet worden, was aber der vertraglichen Regelung mit dem Bund widerspreche.
    Das Verkehrsministerium erklärte nun, das Prüfungssystem des Bundes habe zu 100 Prozent funktioniert. “Strittige Ausgaben im Marketingbereich, die Toll Collect zur Abrechnung vorgelegt hat, wurden vom dafür zuständigen Bundesamt für Güterverkehr geprüft, abgelehnt und nicht bezahlt.” Klarheit und Wahrheit stünden stets im Vordergrund – sowohl bei Ermittlungen der Justiz, als auch im Verwaltungsverfahren. Das Ministerium wies Vorwürfe strikt zurück, man habe staatsanwaltschaftliche Ermittlungen beeinflussen wollen.
    Quelle: manager magazin

    Anmerkung Christian Reimann: Selbst das eher neoliberal aufgestellte „manager magazin“ scheint dem Privatunternehmen „Toll Collect“ nicht zu trauen. Das CSU-geführte Verkehrsministerium scheint alle Kritik im Sinne einer Art „Spezi-Ökonomie“ trotzen zu wollen. Jedenfalls könnte der Eindruck entstehen als wolle Bundesminister Scheuer an alte Zeiten anknüpfen, oder? Die SPD-Spitze könnte auch hier endlich mal die „Reißleine“ ziehen und dem zumindest anscheinbaren Komplott zulasten der Steuerzahlerschaft ein Ende bereiten. Tut sie aber nicht. Warum eigentlich nicht?

    Bitte lesen Sie dazu auch Verstaatlichung von Toll Collect – und was wird aus den Milliardenforderungen an die Telekom und Daimler? sowie Eine Bitte an die Sozialdemokratinnen/en unter NachDenkSeiten-Lesern: JETZT Bundesfernstraßengesellschaft und damit die Privatisierung der Autobahnen verhindern! und Public Private Partnership: Seit 15 Jahren eine Spur des Scheiterns.

  13. In guter Verfassung
    Dokumentiert: Heute beginnt in Kuba die Diskussion des Entwurfs der neuen Konstitution des Landes. In Auszügen stellt junge Welt das Papier vor
    Das kubanische Parlament hat Ende Juli einstimmig den Entwurf für eine neue Verfassung verabschiedet. Sie soll Anfang kommenden Jahres die bisher gültige aus dem Jahr 1976 ablösen. Vom heutigen Montag bis zum 15. November ist die Bevölkerung aufgerufen, das Papier zu diskutieren. Dazu sind landesweit mehr als 135.000 Veranstaltungen in Stadtteilen, Arbeits- und Ausbildungsstätten geplant. Rund 800.000 gedruckte Exemplare des Entwurfs waren bereits nach kurzer Zeit vergriffen, 200.000 Nachdrucke sind in Auslieferung. Die neue Verfassung tritt in Kraft, wenn zwei Drittel der Abgeordneten im Parlament und die Mehrheit der Bürger in einem Volksentscheid dafür stimmen. Da zahlreiche Rechte aufgenommen und etliche Bestimmungen modifiziert wurden, soll die Konstitution neben der Präambel statt bisher 137 künftig 224 Artikel umfassen. Wir dokumentieren im folgenden einige der neuen Passagen der Verfassung. Die Redaktion bedankt sich an dieser Stelle herzlich bei Angelika Becker, der Vorsitzenden des Netzwerks Cuba, für die Übersetzung. (jW)
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung unserer Leserin Sarah Rosenstern: Hier kann man sich selbst ein eigenes unvoreingenommenes Bild vom Originaltext machen, ohne auf die Mainstream-Medien mit ihrer einseitigen Sicht aus Lügen und Halbwahrheiten angewiesen zu sein.

  14. Welterfahrung und Weltzerstörung
    Gute Reisende sind herzlos“, schrieb Elias Canetti schon vor 50 Jahren.[1] Der Schriftsteller hatte bei einem Marrakesch-Besuch mit unverhohlenem Interesse blinde Bettler beobachtet, die religiöse Litaneien deklamierten. Und obwohl in seiner Beschreibung noch die ursprüngliche Faszination durchscheint, spiegelt sie doch auch das Erschrecken über sein respektloses Verhalten. Ein weitaus stärkeres Erschrecken müsste eigentlich heutige Touristen befallen. Denn ein „guter Reisender“ lebt nun mit ungleich größeren Widersprüchen. Auch er unterhält jenes konsumistische Verhältnis zu seinem Gastland und dessen Attraktionen, wenn nicht gar zur Welt selbst, für das Canetti sich schämte. Aber heute haben ein verschärfter Wettbewerb und eine massive Beschleunigung längst Lohnarbeit und Lebenswelt erfasst. Für Hotelpersonal und Reinigungskräfte am Urlaubsort gilt – wie für viele Individuen generell –, „dass wir immer schneller laufen müssen, um unseren Platz in der Welt zu halten“, wie der Soziologe Hartmut Rosa treffend schreibt.[2] Dem gestressten Personal tritt also der getriebene Reisende gegenüber, der oft geradezu in den Urlaub hetzt – und den schnellen Weg per Flugzeug wählt.
    Das aber fordert einen hohen Preis: Jenes Elend, das Canetti so ungebührlich reizvoll fand, droht durch den massenhaften Tourismus noch verschärft zu werden. Denn jeder Ferienflieger verstärkt mit seinem CO2-Ausstoß den Klimawandel und trägt somit erheblich zur Zerstörung ebenjener natürlichen Räume, Kulturlandschaften und Städte bei, um derentwillen die Reisenden überhaupt aufbrechen. Das wirft die dringende Frage auf: Wie könnte eine andere Art des Reisens aussehen, die schonender für Mensch und Planeten ist – und die ein anderes Verhältnis zur Welt ermöglicht?
    Quelle: Blätter
  15. A400M-Militärbasis kostet 750 Millionen Euro
    Der Luftwaffen-Standort Wunstorf in Niedersachsen entwickelt sich zur Drehscheibe für weltweite Militär-Einsätze. Die Kosten für die Modernisierung der Heimatbasis des Militärtransporters A400M schätzt das Landesfinanzministerium jetzt auf insgesamt 750 Millionen Euro.
    Laut einer Mitteilung des Ministeriums, das auch für das staatliche Baumanagement in Wunstorf zuständig ist, wurden zwischen August 2009 und Dezember 2016 etwa 450 Millionen Euro ausgegeben. Die bis 2028 “und gegebenenfalls darüber hinaus” fortgeführte Modernisierung dürfte bis zum Ende des Ausbaus weitere 300 Millionen Euro kosten.
    Aktuell sind von den 19 bislang ausgelieferten neuen Transportflugzeugen nur etwa acht einsatzbereit. Die A400M gilt zwar als modernster Militär-Transporter der Welt, bei der Entwicklung und auch nach Auslieferung der ersten Flieger an die Bundeswehr ab Dezember 2014 gab es aber immer wieder technische Probleme. (…)
    Deutschland hat insgesamt 53 Maschinen beim Hersteller Airbus bestellt, um die ein halbes Jahrhundert alten Transportflugzeuge vom Typ Transall zu ersetzen. Die Probleme haben die Auslieferung nach Angaben des Verteidigungsministeriums aber um mehr als elf Jahre verzögert, die Kosten liegen inzwischen 1,5 Milliarden Euro über der ursprünglich veranschlagten Summe.
    Quelle: n-tv

    Dazu: Die Bundeswehr will milliardenschwere Kampfschiffe anschaffen, die auch Ziele unter Wasser bekämpfen können
    Die Bundeswehr soll ein neues Mehrzwecksschiff vom Typ MKS 180 bekommen, das sowohl Angriffe unter und über Wasser als auch in der Luft abwehren kann. Zudem sollen die neuen Fregatten in der Lage sein, Einsätze der Soldaten an Land zu koordinieren. Mit einem Gesamtvolumen von vier Milliarden Euro ist es das wohl größte Rüstungsprojekt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), berichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ).
    Neben seiner Größe soll sich das MKS 180 vor allem in seiner Anpassungsfähigkeit von seinen Vorgängern abheben. Das Mehrzweckschiff soll laut Bundeswehr optimal an die jeweiligen Bedingungen des Einsatzes angepasst werden. Unter anderem zähle dazu die Ausstattung mit diversen Missionsmodulen wie etwa ein Schleppsonar zur U-Boot-Jagd, ein modernes Schiffslazarett oder Räume, um Personen in Gewahrsam nehmen zu können. Eine Besatzung von bis zu 180 Soldaten soll das Schiff aufnehmen können. (…)
    Bislang unklar ist, welche Werft die Mehrzweckschiffe bauen wird. Um den Auftrag für den Bau an Land zu ziehen, haben sich nun zwei deutsche Werften zusammengeschlossen. Die Kieler Werft German Naval Yards (GNYK) bewerbe sich in Kooperation mit der Thyssen-Krupp-Tochtergesellschaft TKMS um den Zuschlag für das milliardenschweren Marine-Projekt Deutschlands, teilte GNYK mit. Damit sei die Kieler Werft „der einzig verbliebene deutsche Generalunternehmer in dem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb“, heißt es in der Mitteilung. Sollten die Unternehmen den milliardenschwerden Auftrag bekommen, wird TKMS mit seinen Ingenieurskompetenzen einen Großteil der Entwicklungs- und Konstruktionleistungen übernehmen.
    Neben der wirtschaftlichen hat das Projekt auch eine nationale industriepolitische Bedeutung. Durch die Realisierung der Pläne innerhalb der Bundesrepublik könnten Arbeitsplätze gesichert werden. Sollte GNYK den Zuschlag für den Auftrag bekommen, soll die Entwicklung und Konstruktion der MKS 180 komplett in Deutschland durchgeführt werden. Außerdem sollen Know-how und Designrechte in Deutschland verbleiben.
    Quelle: msn nachrichten

    Anmerkung Christian Reimann: Es stimmt offenbar überhaupt nicht, dass die Bundesregierung – und wohl auch eine Mehrheit im Deutschen Bundestag – Probleme mit der Forderung von US-Präsident Trump nach deutschen Mehrausgaben für die Rüstung hat. Faktisch wird der Forderung aus den USA jedenfalls gefolgt.

    Aber wird das Geld nicht vielmehr an anderer Stelle hiesiger Probleme benötigt – einige Beispiele: Infrastruktur von Schienen und Straßen (einschließlich Radwege), technische und personelle Ressourcen bei Polizei und Zoll sowie Gelder für die Armutsbekämpfung, für ein funktionierendes, am Wohl von Patienten orientiertes Gesundheitswesen und die volle Konzentration auf die gesetzliche Rente?

  16. Ein Herzchen für die NSU-Terroristen
    Seit der Enttarnung der rechtsradikalen Terrorbande NSU sind in Deutschland fast 360 Straftaten begangen worden, bei denen die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds verherrlicht wurden. Vor allem die Gedenkorte, die an die Opfer der Mordserie erinnern sollen, werden immer wieder geschändet. So urinierten im Februar 2016 Neonazis auf die Gedenktafel für die Opfer in Nürnberg und stellten das Bild mit der Bemerkung ins Internet: “Wir pissen drauf.” In Zwickau, wo die zu lebenslanger Haft verurteilte Beate Zschäpe mit ihren Komplizen wohnte, wurden Bänke, die an die Opfer erinnerten, zerstört und gestohlen. Und im Februar 2017 wurde ein Gedenkort in Rostock mit Farbe überschüttet. 2018 wurde es dann unmissverständlich: Neonazis malten in Rostock am Ort eines NSU-Mordes ein Herzchen mit der Aufschrift NSU.
    Für die Bundesregierung scheint das allerdings kein Problem zu sein: Der NSU und der Prozess gegen die Terrorbande habe keine “größeren Auswirkungen auf das rechtsextremistische Spektrum” gehabt, schreibt das Innenministerium in einer Antwort auf die Anfrage der Links-Fraktion. Die Szene lasse “weitestgehend keinerlei Akzeptanz der Taten des NSU erkennen”. Es lasse sich keine Vorbildwirkung des NSU in der rechten Szene ausmachen. Dessen Taten würden als unvermittelbar und kontraproduktiv wahrgenommen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  17. Glyphosat: Monsanto soll 250 Millionen Dollar wegen “Heimtücke” bezahlen
    Es ist ein amerikanisches Gerichtsurteil mit einer typisch spektakulären Geldforderung, das der Superior Court of California in San Francisco gestern in einem weithin verfolgten Verfahren gegen Monsanto bekannt gab: 289 Millionen US-Dollar muss das Unternehmen an Dewayne Johnson zahlen. 39 Millionen Dollar als “compensatory” und 250 Millionen als “punitive damages”, berichtet die New York Times. Wegen “Bosheit” und “Unterdrückung”, wie beim berühmten Anwalt des Klägers, Robert F. Kennedy jr, nachzulesen.
    In deutschen Berichten ist von knapp 250 Millionen Euro “Schmerzensgeld” die Rede, wie in der Tagesschau oder der SZ. Der Kläger Dewayne Johnson leidet an einem Non-Hodgkin-Lymphom, einer bösartige Erkrankung des Lymphgewebes, die zu den Krebserkrankungen zählt und er macht den Umgang mit “Roundup” und “Ranger Pro” dafür verantwortlich.
    Beides sind Kernprodukte des “Saatgutriesen” Monsanto, der gerade vom deutschen Bayer-Konzern übernommen wurde. “Roundup” und “Ranger Pro” sind Unkrautbekämpfungsmittel, die Glyphosat enthalten, das jahrelang als Wundermittel galt und sehr viel verwendet wird, aber seit einiger Zeit wegen möglicher Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit seinem Gebrauch in Kritik steht.
    Das Gerichtsurteil ist hier eindeutig. Die Geschworenen urteilten, die glyphosathaltigen Mittel hätten “wesentlich zur Krebserkrankung des Klägers beigetragen” – und: Der Konzern hätte Kunden davor warnen sollen, dass Herbizide Krebs auslösen können. So habe er sich der “Heimtücke” schuldig gemacht. (…)
    Bayer schließt sich den wissenschaftlichen Expertisen an, die den Einsatz von Glyphosat für unbedenklich halten: “Das Urteil steht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach kein Zusammenhang besteht zwischen dem Einsatz von Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom”, zitiert der Spiegel einen Konzern-Sprecher. Der Konzern sei überzeugt, dass Glyphosat “sicher und nicht krebserregend ist”.
    Dem widerspricht aber eine Einschätzung aus der WHO. Die zu ihr gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) sorfte mit der Einstufung von Glyphosat “wahrscheinlich krebserregend für den Menschen” für internationales Aufsehen.
    Die US-Umweltbehörde EPA und EU-Behörden sind dagegen der Auffassung, dass keine Krebsgefahr von dem Herbizid ausgeht. Wer in das Konzert der Argumente mit Stimmen, die eher dafür oder dagegen sind (vgl. Glyphosat – und kein Ende?), hineinhört, verliert rasch den Boden unter den Füßen.
    Daher kommt das Gewicht des Urteil der Geschworenen des Gerichts in San Franzisko. Mehrere tausend andere Fälle warten. Le Monde berichtet von 4.000 ähnlichen Fällen in den USA. BBC meldet sogar über 5.000 ähnliche Fälle, Hunderte würden wahrscheinlich vor Gericht kommen.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung unseres Lesers J.B.: bin eben auf ein Gerichtsurteil von 2012 aus Argentinien gestossen, dass Glyphosat bzw. dem Sprühen von Herbiziden die Schuld an schweren Missbildungen bei Neugeborenen gibt. Und das ist schon lange her. Scheint unsere Regierung ja nicht sonderlich zu berühren. Gerichtsurteil: «Gen-Soja von Monsanto ist schuld».

  18. Wollen Vale und BHP Entschädigung nach Staudammkatastrophe in Brasilien vermeiden?
    Die internationalen Bergbauunternehmen Vale und BHP Billiton wollen nur noch acht Prozent der veranschlagten Reparationsleistungen für die Schäden nach einem Bruch des Mariana-Staudamms im Jahr 2015 zahlen. Statt der laut Bundesstaatsanwaltschaft (MPF) erforderlichen 155 Milliarden Reais, rund 36 Milliarden Euro, die für den Wiederaufbau und die ökologische Wiederherstellung der Region nötig sind, plane die dafür gegründete Wiederaufbaugesellschaft Fundação Renova nun mit zwölf Milliarden Reais, etwa 2,7 Milliarden Euro. Die berichtet der brasilianische Nachrichtendienst UOL. Die letzten Entschädigungszahlungen sollen bereits bis 2025 geflossen sein, so die Erwartungen von Renova.
    Die durch den Dammbruch im November 2015 ausgelöste Welle aus Schlick und Abbauresten der Eisenerzmine führte zum Tod von 19 Menschen, zerstörte das angrenzende Dorf Bento Rodrigues und verseuchte rund 650 Kilometer des Flusses Rio Doce und dessen Ufer sowie weite Teile des Mündungsbereichs im Atlantik. Insgesamt 15 Millionen Menschen waren akut bis langfristig von der schlimmsten Umweltkatastrophe des Landes betroffen. (…)
    Der angekündigte Betrag und der kurze Zeitraum stießen bei Staatsanwaltschaft und Aktivisten auf Empörung. Der für die juristische Aufarbeitung der Katastrophe zuständige Bundesstaatsanwalt José Adércio Sampaio hält die Summen für illusorisch angesichts der realen Erfordernisse. “Wir sprechen von der Wiederherstellung einer kompletten Flussregion. Das dauert 20 bis 30 Jahre.” Renova spreche von der Renaturalisierung von 5.000 Zuflüssen des Rio Doce. Aber vorläufige Studien zeigten, dass 30.000 Quellarme wiederhergestellt werden müssten. Angesichts dieser Größenordnungen zeugt es von fehlendem Respekt den Opfern gegenüber, eine solche geringe Summe anzubieten, bekräftigte Sampaio.
    Auch der Sprecher der “Bewegung der Betroffenen von Staudämmen” (Movimento dos Atingidos por Barragens, MAB), Thiago Alves, kritisierte das Vorgehen der Bergbaugiganten. “Die Renova gibt mehr Geld dafür aus, Personen zu beeinflussen, die in die Verhandlungen um die Reparationszahlungen involviert sind, anstatt für die Opfert selbst”, so Alves. (…)
    Große europäische Finanzinstitutionen tragen an der Tragödie eine Mitschuld. Wie eine Studie der deutschen NGO Facing Finance zeigt, haben namhafte europäische Finanzhäuser die beiden Bergbaukonzerne Vale und BHP zwischen 2010 und 2017 mit 25,8 Milliarden Euro durch Investitionen, Krediten und Beteiligungen versorgt, obwohl seit 2007 Anzeichen für Fehler im Betrieb des Staudamms bekannt gewesen seien. Insbesondere die französische Bank BNP Paribas und die englische HSBC trügen eine Mitverantwortung, weil durch die finanziellen Zuwendungen Samarco seine Aktivitäten fortsetzen konnte, wie aus dem Bericht der NGO hervorgeht.
    Quelle: amerika21

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