Der Umgang mit der Bild-Zeitung sagt viel über den Zustand auch jener Medien, die sich für seriös halten: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

Albrecht Müller
Ein Artikel von:


Die Bild-Zeitung leistet sich eine Hetze und Menschenverachtung nach der anderen, letzthin zum Beispiel die Häme über die krebskranke Frau des syrischen Präsidenten Assad, gestern die Diffamierung von Wagenknecht und Lafontaine als „National-Sozialisten“ durch den ehemaligen Bundeswehr-Professor Wolffsohn, scheinbar entschärft durch die lächerliche Einfügung eines Bindestrichs. In früheren Zeiten hätten sich andere Medien von diesen üblen Methoden distanziert und sie kritisiert, heute herrscht Schweigen im Walde. Die etablierten, sich seriös wähnenden Medien solidarisieren sich damit mit der Bild-Zeitung, ganz gleich wie diese sich aufführt. Uns bleibt in dieser Situation nichts anderes übrig, als immer wieder und möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass die Medien sich in ihrer großen Mehrheit als kritische und damit demokratische Kraft verabschiedet haben. Albrecht Müller.

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Dazu zwei Beobachtungen:

  1. Die Reihen zwischen den etablierten Medien werden auch dadurch besonders wirkungsvoll geschlossen, dass man gemeinsam den Feind in den sogenannten sozialen Medien, also in den Medien im Internet, erkennt. Bei uns wird dieses Geschäft vorzüglich von der Tagesschau und ihrem Faktenfinder betrieben. Jetzt hat der frühere Präsident Obama in einer Rede in Johannesburg in die gleiche Kerbe gehauen. Ich zitiere aus dieser Rede:

    „Die freie Presse ist unter Beschuss. Zensur und staatliche Medienkontrolle nehmen immer mehr zu. Die sozialen Medien, die einst als Mechanismus zur Verbreitung von Wissen, Verständigung und Solidarität galten, haben sich als ebenso effektiv darin erwiesen, Hass, Paranoia, Propaganda und Verschwörungstheorien zu verbreiten.“

    Das ist nicht falsch beobachtet, aber diese Tendenz gilt in jedem Fall genauso für die etablierten Medien. Der frühere US-Präsident beschönigt die Lage der Medien in seinem Land, in Großbritannien, in Frankreich, bei uns und sonstwo im verehrten Westen. Sie wird beherrscht vom großen Geld und kennt, siehe oben, keine Rücksicht auf Menschlichkeit und Charakter.

  2. Nicht nur die angeblich seriösen Medien, auch Politiker und die meisten Parteien decken mehrheitlich die Machenschaften der Bild-Zeitung.

    Hier unterscheidet sich die jetzige Situation deutlich von früher. Die Kritik und zwar die massive Kritik an der Bild-Zeitung und an der Springer-Presse war im linken und linksliberalen Milieu bis hin zu den liberalen selbstverständlich. Hier ein erstes Beispiel:

    Und hier ein zweites:

Es sei an dieser Stelle auch daran erinnert, dass auch die etablierte Politik mit der Bild-Zeitung und dem Springer-Konzern anders umgingen als heute – kritisch und ablehnend. Die Bild-Zeitung war Ende der sechziger Jahre gegen die Ost- und Reformpolitik des neugewählten Bundeskanzlers Willy Brandt, sie machte massiv Front dagegen, sie diffamierte die Ostpolitik als Ausverkauf Deutschlands. Sie und der gesamte Springer-Konzern haben unentwegt Front gemacht und Zusammenhänge verdreht.

Der damalige Bundesgeschäftsführer der SPD, Holger Börner, hat angesichts dieser grundsätzlichen Feindseligkeit des Springerkonzerns im Präsidium der SPD durchgesetzt, dass sich alle Präsidiumsmitglieder darauf verständigen, der Bild-Zeitung und anderen Springer-Blättern kein Interview zu geben und für diese Medien auch keine Artikel zu schreiben. (Diese Abrede hielt nicht ewig, aber immerhin einige Zeit).

In der Öffentlichkeitsarbeit und auch in der inneren Kommunikation, vor allem über das Medium „intern“, haben wir diese Strategie gestützt. Das hatte die positive Folge, dass zumindest die vielen Sympathisanten des damaligen Bundeskanzlers der Bild-Zeitung nichts mehr glaubten. Sie waren immun geworden. In der Frühstückspause und sonst am Arbeitsplatz wurde die neueste Bild-Ausgabe kritisch diskutiert und nicht nachgeplappert, was auch damals von der Bild-Zeitung an Hetze verbreitet wurde

Dann gab es, nach meiner Erinnerung schon 1970, einen lokalen Fall mit bundesweiter Ausstrahlung: So wie das SPD-Präsidium die Springer-Medien boykottierte, so haben damals Arbeiter der Stadtwerke Offenbach am Main die Verkaufskästen der Bild-Zeitung aus dem öffentlichen Raum, konkret von Straßenbahnhaltestellen, entfernt. Das war ein extremer Akt und hat auch kritische Diskussionen ausgelöst. Aber der Vorgang zeigt, dass die kritische Haltung von Spitzenpolitikern und von der Basis in gleicher Weise getragen und umgesetzt wurde.

Heute sind Spitzenpolitiker stolz darauf, in der Bild-Zeitung zu erscheinen. Sie haben keinerlei Distanz zu den dort angewandten Stürmer-Methoden.

Umso wichtiger ist Ihr Engagement, liebe Leserinnen und Leser. Gegen Hetze und Propaganda aufstehen. Das gilt auch hier.

Das entscheidende Ziel: die Glaubwürdigkeit dieser Medien erschüttern. Da auch sogenannte seriöse Medien de facto mit der Bild-Zeitung solidarisch sind, muss dieses Ziel auch für diese Medien gelten.