Klaus Staeck ist mitverantwortlich für den Niedergang der SPD. Jetzt will er nicht einmal “aufstehen” und polemisiert dagegen mit Sprüchen der Rechten: “Linke Spieler”.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Das soll vermutlich an das gebräuchliche Etikett “linke Spinner”erinnern. Welch ein Niedergang eines großen politischen Agitators. Der Heidelberger Polit-Grafiker hat als politischer Aufklärer große Verdienste. Seine Plakate waren ein wichtiger Teil der notwendigen Gesellschaftskritik. Später dann hat er jeden Rückwärtssalto der SPD mitgemacht und unterstützt. Er warnte weder vor der Abkehr von der Entspannungspolitik und der Hinwendung zu militärischen Interventionen noch vor der Agenda 2010. Er ist damit am Niedergang und dem absehbar andauernden Machtverlust der linken Seite mitverantwortlich. Aber der hoffnungslose Niedergang auf 20,5 % bei den letzten Wahlen und auf 16,5 % bei neuen Umfragen juckt Staeck nicht. Er glaubt an eine Mehrheitsfähigkeit. So nachzulesen in einem Interview mit der Westdeutschen Zeitung. Albrecht Mueller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Klaus Staecks Leistungen waren beachtlich, aber sie liegen lange zurück.

Viele Zeitgenossen der sechziger und siebziger Jahre haben noch dieses Plakat in Erinnerung:

Staeck schuf noch viele andere. Ich fand dieses zum Beispiel sehr eindrucksvoll:

Als in den sechziger und siebziger Jahren für Wahlkämpfe Verantwortlicher wusste ich um die Bedeutung der Arbeit des Grafikers Staeck für eine wichtige Zielgruppe. Wir haben damals und dann bis etwa 2003 eng zusammengearbeitet. Wöchentlich mindestens einmal telefoniert. Klaus Staeck ist sogar indirekt verantwortlich für die “Erfindung” der NachDenkSeiten. Er machte mich im Herbst 2000 auf die Gründung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft aufmerksam und meinte, dagegen müsse man doch etwas tun. Daraus ist die Idee zur Gründung der NachDenkSeiten entstanden.

Was dann passiert ist, verstehe ich bis heute nicht. Klaus Staeck beugte sich Schröders Agenda 2010 und machte auch jeden weiteren Winkelzug und jede weitere Abkehr von der sozialdemokratischen Programmatik und den Grundwerten dieser Partei mit. Staeck schwieg zu den militärischen Interventionen, Staeck schwieg zur Demontage der Arbeitslosenversicherung. Er unterstützte jede noch so abenteuerliche und aussichtslose Kanzlerkandidatur: von Steinmeier über Steinbrück bis zu Martin Schulz.

Im letzten Jahr um diese Zeit warb er für Martin Schulz mit einem Aufruf, der schon betrügerischen Charakter hatte. Er suggerierte, Schulz habe eine Chance. Und er behauptete, die SPD sei in der großen Koalition zwischen 2013 und 2017 erfolgreich gewesen. Auf diesen Aufruf sind wir auf den NachDenkSeiten am 11. August letzten Jahres eingegangen . Nebenbei: Machen Sie sich das Vergnügen, diesen Aufruf, dieses wichtige “Dokument der Zeitgeschichte”, nachzulesen und auch die Liste der Unterzeichner anzuschauen. Da können Sie sehen, wieviele gut ausgebildete Menschen man mit Illusionen abspeisen kann.

Klaus Staeck war mit seiner Nibelungentreue in guter Gesellschaft – Günter Grass, Erhard Eppler, Johano Strasser, Oskar Negt, Gesine Schwan – sie haben alle die programmatische Entleerung der SPD mitgemacht und haben damit das Gegenteil dessen getan, was nötig gewesen wäre: ein Warnschuss von Grass, Staeck, Eppler und anderen aus dem Bereich der ehedem kritischen Intelligenz hätte die Führung der Sozialdemokratie von Schröder über Müntefering bis zu Gabriel und Steinmeier und Martin Schulz zum Nachdenken gezwungen.

Offenbar waren diesen Personen aus dem Bereich der kritischen Intelligenz die Nestwärme und die damit verbundenen Vorteile sowie die prominente Darstellung ihrer Person – sie wurden bei Parteitagen immer schön in der ersten Reihe gezeigt – wichtiger als das programmatische Profil und der Erfolg der SPD.

Dass dann heute jemand mit diesem Hintergrund und dieser Mitverantwortung für das mögliche Ende der ältesten Partei Deutschlands gegen den Versuch antritt, mit einer neuen Sammlungsbewegung wenigstens den Versuch einer Mehrheitsbeschaffung zu machen, ist der Gipfel an Dreistigkeit.

Wenn Sie diese klare und unfreundliche Wertung stört, dann lesen Sie doch bitte das Interview mit Klaus Staeck in der Westdeutschen Zeitung nach. Hier folgen Auszüge mit Zwischenbemerkungen:

5. August 2018
INTERVIEW
Harte Kritik an Wagenknecht: “Ihr traue ich am wenigsten ehrliche Absichten zu”

Von Werner Kolhoff

Der Künstler Klaus Staeck (SPD), sonst linken Initiativen gegenüber sehr offen, geht mit der Linken-Chefin und der Initiative “Aufstehen.de” in unserem Interview hart ins Gericht.

Seit Samstag wirbt die Website „Aufstehen.de“ für eine von Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ins Leben gerufene „Sammlungsbewegung“. Der Heidelberger Künstler Klaus Staeck (SPD), sonst linken Initiativen gegenüber sehr offen, hält davon nichts. Mit dem früheren Präsidenten der Akademie der Künste sprach unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff.

Der Name Klaus Staeck hat früher selten unter Aufrufen linker Initiativen gefehlt. Wird er auch unter der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ stehen?

Staeck: Auf keinen Fall.

Warum nicht?

Staeck: Weil es ein Frontalangriff vor allem gegen die Sozialdemokratie ist. Sarah Wagenknecht ist für mich die falsche Initiatorin. Ihr traue ich am wenigsten ehrliche Absichten zu.

Anmerkung Albrecht Müller (A.M.): Das ist billige Polemik noch dazu im persönlichen Bereich und ohne wirklichen Beleg.

Politik ist keine Talkshow. Für mich zielt „Aufstehen“ hauptsächlich auf unzufriedene Sozialdemokraten. Das ganze erinnert fatal an die „Komitees für Gerechtigkeit“ in Ostdeutschland Anfang der 1990er Jahre. Das lief auch alles auf die PDS hinaus.

Sind es nur die falschen Leute oder sind es auch die falschen Inhalte, die Sie abhalten?

Staeck: Beides. Ich bin ein Gegner der direkten Demokratie, die nicht zufällig die AfD so sehr befürwortet, weil sie dann noch erfolgreicher polarisieren kann. Die Demokratie ist schon genug gefährdet. Man muss die demokratischen Parteien jetzt generell eher stärken als sie noch weiter zu demontieren. Mit Bewegungen sind wir in der deutschen Geschichte schon genug gestraft.

(A.M.: Das ist eine bösartige Assoziation mit den Nazis)

Hier sind republikbekannte linke Spieler am Werk. Dagegen wende ich mich.

(A.M.: Mit den beiden Wörtern „linke Spieler“ wird bewusst an das rechtskonservative Etikett für die achtundsechziger Bewegung, für kritische Studenten und für linke Sozialdemokraten erinnert: „linke Spinner“. Außerdem arbeitet Staeck hier seinen persönlichen Konflikt mit Lafontaine ab.)

In Frankreich mit Mélenchon und in England mit Corbyn ist es mit solchen Bewegungen aber gelungen, wieder viele Politikenttäuschte zu mobilisieren.

Staeck: Wo stehen denn Mélenchon und Corbyn heute?

(A.M.: Hier übersieht Klaus Staeck beflissen die Kampagne, die gegen Corbyn in Großbritannien läuft. Also: Keine Solidarität auf Seiten des sich links nennenden Polit-Grafikers, stattdessen Verstärkung der rechten Agitation gegen einen Hoffnungsträger in Großbritannien.)

Ich bleibe dabei: diese Bewegung schwächt nicht nur die Sozialdemokratie – auch die Linke! Mag sein, dass es einige Sozialdemokraten gibt, die sich da anschließen. Die Dummheit auch auf Seiten der politischen Linken stirbt ja nie aus.

(A. M.: Klar, klug ist nur Klaus Staeck, was man an seiner Mitwirkung am Niedergang der SPD wunderbar belegt findet.)

Gibt es überhaupt noch eine Perspektive für eine linke politische Mehrheit in Deutschland, also für Rot-Rot-Grün?

Staeck: Ja, warum denn nicht? Auch Frau Merkel hört einmal auf. Zwischen CDU und CSU gärt es. Da wird es neue Möglichkeiten geben.

(A. M.: Hier wird sichtbar, dass der ehemalige Präsident der Akademie der Künste Berlin die Dramatik des Kampfes gegen den fortschrittlichen Teil unserer Gesellschaften nicht wahrnimmt. Wir müssen nämlich feststellen, dass weltweit und systematisch versucht wird, jede aufkeimende potentielle linke Mehrheit sofort zu erschlagen. Das gilt für nahezu alle Länder Europas, es wird gerade in Brasilien praktiziert. Siehe den heutigen Beitrag zum Thema auf den NachDenkSeiten. Klaus Staeck hat den Ernst der Lage auch nicht andeutungsweise erkannt.

Aber vorher müsste die Zersplitterung zwischen den drei Parteien SPD, Grüne und Linke überwunden werden. Wie kann das gelingen?

Staeck: Durch gemeinsame Projekte und Gespräche. Jedenfalls nicht durch eine neue Fragmentierung. Was garantiert nichts nutzt, ist, das eigene vermutete Lager immer nur neu zu sortieren, mit immer neuen Parteien und immer neuen Sammlungsbewegungen. Bisher ist „Aufstehen“ nur der Versuch einer Umschichtung innerhalb des linken Lagers. Das bringt gar nichts. Das Ganze ist für mich mehr eine mediale Inszenierung mit hohem Selbstdarstellungspotenzial für die Initiatoren.

(A. M.: Hier wird sichtbar, dass Klaus Staeck die dramatische innere Entwicklung seiner eigenen Partei nicht sieht oder leugnet. Dort haben die Seeheimer und die Netzwerker die Macht übernommen. Sie denken gar nicht daran, am Aufbau einer fortschrittlichen Mehrheit mitzuarbeiten. Ihre programmatischen Vorstellungen sind durch Angela Merkel und die große Koalition prima abgedeckt. Die Sammlungsbewegung Aufstehen könnte, ich wiederhole: könnte wenigstens diese Verhärtung aufbrechen.)

Müsste auch die SPD ihre Politik ändern, um bündnisfähiger zu werden?

Staeck: Ändern muss man sich immer, die Frage ist nur, was und in welche Richtung. Im Moment wollen die Leute alles gleichzeitig: Veränderung, aber dass es so bleibt, wie es ist. Klimaschutz, aber nicht bei sich selbst anfangen. Jeder ist seine eigene Ich-AG. Revolutionäre Ideen kommen in Deutschland gerade nicht besonders an.

(A. M.: So viele dumme Sprüche in vier Zeilen, das ist rekordverdächtig.)

Das ist pessimistisch.

Staeck: Nein, das ist realistisch.

Also glauben Sie nicht, dass es mal wieder eine linke Regierung geben wird?

Staeck: Der Glaube höret nimmer auf. Außerdem: Gerade weil das alles so unpolitisch geworden ist, ist alles möglich. Leider auch eine rechte Mehrheit. Das ist das wirkliche Problem derzeit. Dagegen sollte man geschlossen vorgehen und sich nicht noch weiter zersplittern.

Schlussbemerkung A. M.: Klaus Staeck war einmal zu differenziertem und kritischem Denken fähig. Dass bei ihm jetzt Geschlossenheit und noch dazu eine illusorische Geschlossenheit der letzte Rettungsanker zu sein scheint, ist Zeichen eines bemerkenswerten Niedergangs.

Insgesamt muss man sein Wirken heute anders als früher als den Versuch sehen, jede fortschrittliche Alternative zur Mehrheit von Frau Merkel unmöglich zu machen. Diese Wertung gilt für die Mitwirkung von Klaus Staeck am Niedergang der SPD zwischen 1998 und heute und sie gilt für seine Haltung zum Versuch einer Sammlungsbewegung. Diese ist ein Versuch – nicht mehr.

Zum Abschluss wegen der Relevanz für die Einschätzungen des Heidelberger Grafikers noch die Übersicht über die gegenwärtige Stimmungslage in Deutschland. Die programmatisch entleerte SPD steht nach der neuesten Umfrage bei 16,5 %. Auch der Durchschnitt aller Institutserhebungen rechtfertigt Optimismus und Strategie des Klaus Staeck nicht:

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