Wir waren schon viel weiter – im Umgang mit Russland, in der Wirtschaftspolitik und bei der Solidarität in Europa, sogar bei Überlegungen zur Verkehrsvermeidung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Regression, Rückwärtsentwicklung ist das Markenzeichen unserer Zeit. Wir setzten auf gemeinsame Sicherheit und rüsten jetzt wieder gegeneinander auf, militärisch und geistig, mental und medial. Wir ersticken im Verkehr, wir verlangen Freihandel und mehr Handel, statt darüber nachzudenken, wie man die Produktion auf der Welt dezentralisieren und damit unnötigen Verkehr vermeiden könnte. Am 28. August 1991, also nunmehr ziemlich genau vor 27 Jahren, habe ich einen Vorschlag für eine Strategie der Verkehrsvermeidung veröffentlicht. Siehe hier. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das war das Ergebnis der Beratungen einer Arbeitsgruppe „Verkehrsvermeidung“ im „Arbeitskreis ökologische Erneuerung der SPD-Bundestagsfraktion“. Ich gebe Ihnen dieses Papiers zur Kenntnis, weil es nicht veraltet ist, im Gegenteil, es ist sehr aktuell. Klar, dass es mich freuen würde, wenn Sie sich die Mühe machen würden, dieses Papier wenigstens zu überfliegen.

Zur Begründung der Aktualität und gleichzeitig als Beleg für die stattfindende Regression sei darauf hingewiesen, was seit 1991 bei der Verkehrsentwicklung in Deutschland passiert ist:

  • Der Straßengüterverkehr auf deutschem Boden hat sich, genauer gesagt: wurde von 1991-2016 nahezu verdoppelt, von 245 Milliarden Tonnenkilometer auf 465 Milliarden Tonnenkilometer. Und dies bei weitgehend gleich großer Bevölkerung und ähnlichem Lebensstandard.
  • D. h.: die Transportintensität wurde krass erhöht, um ca. 65-70 %.

Für die Zukunft heißt dies praktisch: wir müssen endlich umsteuern. Einige Ideen dazu sind in dem Papier vom 28.8.1991 enthalten.

Weiter zur zu beobachtenden Rückwärtsentwicklung und zugleich zu einem Streifen am Horizont:

Die Rückwärtsentwicklung, wie wir sie zum Beispiel in der Ostpolitik beobachten müssen, wird von der Politik – siehe Außenminister Maas – und Medien in gleicher Weise befeuert. Ich empfinde manches, was heute geschrieben und gesagt wird, als noch schlimmer als zu Zeiten des Kalten Krieges in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein neues Beispiel, das auch die NachDenkSeiten und mich betrifft, und Sahra Wagenknecht und die Sammlungsbewegung sowieso, findet sich heute im Berliner Tagesspiegel. Da macht der bekannte Scharfmacher des Tagesspiegel, Mathias Meisner, mobil gegen die Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Der Autor wirft Sahra Wagenknecht und damit verbunden den NachDenkSeiten vor, Freundschaft mit Russland schließen zu wollen. Diese Absicht wird also heute offensichtlich als beklagenswert betrachtet. Wirklich ein Paradebeispiel für die geistige und sachliche Rückwärtsentwicklung wichtiger Meinungsführer.

Ein Silberstreif am Horizont:

In den heutigen Hinweisen des Tages finden Sie hier als Hinweis Nr. 5 einen Beitrag von Kontraste des RBB mit dem Titel:

Die Opfer des Exportweltmeisters

Wie Deutschland Arbeitslosigkeit in Europa produziert

Deutschland ist nicht ohne Grund als “oberlehrerhaft” verschrien. Gerne erklären wir dem Rest der Welt, dass er sich an Verträge zu halten hat. Dabei ist gerade Deutschland ein “Weltmeister” im Regel-Brechen. Statt, wie bei der Einführung des Euro vereinbart, für stabiles Lohnwachstum und Inflation entsprechend der Produktivitätsentwicklung zu sorgen, spart und geizt Deutschland, wo es nur geht. Die Folge: deutsche Produkte sind gut – und vor allem preiswert. Ausländische Anbieter, wie französische Autozulieferer setzt das noch mehr unter Druck. Niedrige Mindestlöhne und zu geringe staatliche Investitionen hierzulande kosten dort Arbeitsplätze. Die Zeche zahlen deutsche Niedriglöhner und ein wachsendes Arbeitslosenheer in anderen EU-Ländern. 

Das ist einfach Klasse. Und es stört uns überhaupt nicht, dass wir von Beginn der Arbeit an den NachDenkSeiten, also seit 15 Jahren darauf hinweisen. Wir haben davor gewarnt, mit der Politik der Exportüberschüsse zugleich Arbeitslosigkeit zu exportieren und den Zusammenhalt Europas zu ruinieren. Wir haben gerade in den letzten Wochen mehrmals darauf hingewiesen, was das für Völker im Süden und Südosten Europas und im Osten bedeutet: die Zerschlagung der beruflichen Perspektive sehr vieler junger Leute und damit auch die Zerschlagung des guten Rufs Europas und der europäischen Zusammenarbeit.

Jetzt kommt Kontraste mit einem solchen Beitrag. Wir gratulieren und wir freuen uns und hoffen, dass es viele Nachahmer gibt, damit wir diese elende Rückwärtsentwicklung stoppen und umdrehen können – hier bei der Wirtschafts- und Währungspolitik, dort bei der Umwelt- und Verkehrspolitik und auf vielen anderen Feldern.