Brasilien – Lulas “Stellvertreter” Fernando Haddad und der rechtsradikale Hinterhalt gegen die Demokratie

Frederico Füllgraf
Ein Artikel von Frederico Füllgraf

Eine derart groteske Wahlkampagne haben Brasilien und die Welt selten gesehen. Die Pointe: Mit 41 Prozent der Wählerintentionen für die Präsidentschaftswahlen vom kommenden 7. Oktober sitzt der landesweite Favorit als Opfer einer weltweit angeprangerten Justiz-Intrige seit fünf Monaten hinter Gittern. Seinen Anhängern wurde gar die Erwähnung seines Namens unter Androhung drakonischer Geldstrafen gerichtlich untersagt. Ein Bericht von Frederico Füllgraf.

Die Rede ist vom versuchten Comeback Luiz Inácio Lula da Silvas, dem populärsten Präsidenten Brasiliens aller Zeiten, der mit der Zustimmung von 87 Prozent seiner Landsleute im 200 Millionen Menschen zählenden südamerikanischen Land mit der sechstgrößten Wirtschaft der Welt die Amtsgeschäfte 2011 an seine Nachfolgerin Dilma Rousseff abtrat. Das Justiz-Mobbing ließ allerdings seit geraumer Zeit die Konturen eines flächendeckenderen Anti-Lula-Pakts der Konservativen erkennen.

Politische Falle begräbt exzessiven Glauben an die „Justiz“

Als der Altpräsident vor einem knappen Jahr sein Interesse an einer neuen Präsidentschaft bestätigte, schaltete das in Brasilien spöttisch so genannte „Putsch-Konsortium” (Justiz, Medien und Militär) bereits auf Warnstufe Gelb. Als er schließlich am vergangenen 15. August seine Kandidatur beim Obersten Wahlgericht (TSE) offiziell anmeldete, brach ein rechtsradikaler Sturm der Empörung aus. Generalstaatsanwältin Raquel Dodge reichte in weniger als 24 Stunden nach der Registrierung ihre Anfechtung ein, gefolgt von Jair Bolsonaro und faschistoiden NGOs, wie die von den USA finanzierte Gruppe “Movimento Brasil Livre”.

Im Vorfeld der offiziellen Wahlkampagne waren Lula bereits Mitte Juli Interviews für Medien untersagt worden. Die Entscheidung kam aus dem Umfeld von „Scharfrichter“ Sérgio Moro, der sich öffentlich darüber mokierte, „eine Gefangenenzelle ist kein Wahlkomitee“. Das Verbot rief Mitte August den UN-Menschenrechts-Ausschuss (OHCHR) auf den Plan. Mit einer Einstweiligen rechtsverbindlichen Verfügung wies das Human Rights Committee die brasilianische Regierung dazu an, sie solle die mediale Beteiligung Lulas an der Präsidentschaftskampagne sicherstellen.

Obwohl der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Jahr 2009 vom brasilianischen Staat mit der Gesetzesverordnung Nr. 311/09 rechtskräftig unterzeichnet wurde, reagierten Regierung und Justiz mit zynischem Schulterzucken. Heereskommandant Eduardo Villas-Bôas verstieg sich gar zur bewusst gewählten, unredlichen Behauptung, „die Anweisung ist ein Angriff auf die brasilianische Souveränität!”. Die UN-Anordnung wurde nicht befolgt, drei Revisionsanträgen von Lulas Anwälten folgten drei Niederlagen.

Es dauerte keine zwei Wochen, da wurde am 1. September Lulas Kandidatur vom Obersten Wahlgericht (TSE) abgelehnt, die der Wahlpropaganda der Arbeiterpartei (PT) immerhin bis zu 20 Sekunden lange Auftritte Lulas in Bild und Ton erlaubt. Doch schon wenige Tage später revidierte TSE-Richter Sérgio Banhos diese Entscheidung. Er unterbrach Wahlwerbespots der PT im Äther, verordnete die komplette Zensur von Lulas Auftritten und verhängte eine Geldstrafe von umgerechnet 108.000 Euro für Zuwiderhandlungen. Die juristische Einkesselung machte der PT, insbesondere Lula, einen Strich durch die Rechnung.

Am vergangenen 5. August hatten der Ex-Präsident und der PT-Vorstand den ehemaligen Bürgermeister São Paulos und Lulas sowie Dilma Rousseffs Bildungsminister (2005-2012) Fernando Haddad zum Vize auf Lulas Liste und – für den Fall eines Kandidatur-Verbots Lulas – zu Haddads Vize wiederum die populäre Abgeordnete Manuela D´Ávila von der Kommunistischen Partei (PCdoB) benannt. Die verständliche, jedoch auch halsbrecherische Taktik Lulas und seiner Anwälte besagte wörtlich, zur Sicherstellung seiner Kandidatur „alle Rechtsmittel bis zur letzten Minute” auszuschöpfen. Mit „letzter Minute” in diesem Tauziehen war der 17. September als wahlrechtliche Frist für den Austausch von Kandidaten der Listenführungen gemeint. Kernstück dieser Taktik war der Glaube an eine – allerdings unwahrscheinliche – Umstimmung des Wahlgerichts und des Obersten Gerichtshofs (STF) zugunsten der Kandidatur Lulas.

In seiner promisken und lukrativen Doppelrolle als Vorsitzender des Wahlgerichts und gleichzeitiges Mitglied des Obersten Gerichtshofs – eine der zum Himmel schreienden Anomalien des brasilianischen Justizapparates – hatte jedoch der konservative Magistrat Roberto Barroso in einer überstürzten Änderung der Tagesordnung vom 31. August Lula das Ultimatum gestellt (Barroso nega registro de Lula e veta campanha do petista na TV até troca na chapa – O Estado de São Paulo, 31. August 2018), bis zum vergangenen 11. September einen Stellvertreter zu benennen, andernfalls der PT die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen untersagt würde. Dass Barroso und der STF sich mit einer rechtlich umstrittenen Vorverlegung einen feuchten Dreck um die legale Fristenbestimmung scherten, machte unmissverständlich deutlich, dass Lula in keine juristische, sondern in eine von langem Arm vorbereitete politische Falle zur Verhinderung seiner Kandidatur getappt war.

Gleichwohl zum lausigen Nachteil des zweiten Teils der Taktik von der „letzten Minute”, nämlich der Logik und Erwartung, Lulas 41-prozentige Wählerzustimmung würde „automatisch und 100-prozentig” auf Stellvertreter Fernando Haddad übertragen. Was nicht zutraf, denn in jenen drei Wochen des juristischen Tauziehens war ein erheblicher Anteil der verunsicherten Wähler zu den konkurrierenden Zentrumskandidaten und ehemaligen Lula-Ministern Ciro Gomes und Marina Silva migriert. Allein Gomes erzielte einen Anstieg seiner seit Monaten stagnierenden Zustimmung von kaum 5 Prozent auf sprunghafte 13 Prozent.

Nach jüngsten Umfragen vom vergangenen 10. September des Datafolha-Instituts im Besitz der liberal-konservativen Tageszeitung Folha de S. Paulo erklärten immerhin 33 Prozent der Befragten, dass sie „mit Sicherheit” Haddad anstelle Lulas wählen, weitere 16 Prozent gaben an, „es könnte sein”, dass sie einen vom Ex-Präsidenten empfohlenen Stellvertreter unterstützen würden. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte eine Studie des Ibope-Instituts vom 11. September, die Haddad ein Stimmenpotenzial mit oberer Grenze von 38 Prozent einräumt.

Für die PT-Anhänger eine klare Rechnung: „49 Prozent werden Haddad wählen, Haddad wird die Wahl gewinnen!”. So unmissverständlich und ungetrübt ist der Stimmentransfer jedoch längst nicht, was Haddads Kampagnen-Leitung zu einem didaktischen und amüsanten Video veranlasste.

Wer ist Fernando Haddad?

Der Jurist und promovierte Philosoph Fernando Haddad (Doktorarbeit: “Von Marx zu Habermas – Historischer Materialismus und sein geeignetes Paradigma”) ist der zweitälteste Sohn eines Ehepaars mit libanesischen Wurzeln. Khalil Haddad, sein Vater, verließ 1947 im Alter von 24 Jahren den Libanon und etablierte sich als Textil-Großhändler in Brasilien. Sowohl seine Mutter – die Lehrerin Norma Teresa Goussain – als auch seine Ehefrau – die promovierte Zahnärztin und Hochschullehrerin Ana Estela Haddad – entstammen ebenfalls der tausendfachen libanesischen Diaspora in Brasilien.

Haddads Familie pflegt ein besonderes Vermächtnis, nämlich vom anti-kolonialen Widerstand. Als Cury Habib Haddad, Fernandos Großvater väterlicherseits, Witwer wurde, trat er im Jahrtausende alten Antiochia der griechisch-orthodoxen Kirche als Priester bei. Nach dem Ersten Weltkrieg erlangte er dort Ansehen als Anführer im Kampf gegen die französische Herrschaft. Er starb 1961 in Brasilien. Enkel Fernando, der seinen legendären Großvater zu Lebzeiten nicht kennenlernte, trägt seitdem dessen Foto in seiner Brieftasche.

Haddad gehört wie so viele brasilianische Intellektuelle zur „Werte-Reserve” der Arbeiterpartei. Intellektueller, ja – aber ein “Macher”.

Von 2005 bis 2012 war er Bildungsminister der Regierungen Lula und Dilma Rousseff, von 2013 bis 2016 Bürgermeister der Stadt São Paulo. Und er schrieb in beiden Ämtern als Ideenformer Geschichte. Dem heute gerade 55-jährigen Ex-Bildungsminister der Regierung Lula verdankt Brasilien Meilensteine in der Geschichte seines Bildungssystems. Mit einem weitsichtigen Projekt aus dem Jahr 2007, genannt Plan zur Bildungs-Entwicklung (PED), gelang Haddad von der Grundschule zum Postgraduierten-Studium eine Strukturveränderung des staatlichen, kostenlosen Bildungssystems.

Mit seinem Index für Grundschulbildungs-Entwicklung (IDEB) wurde zum ersten Mal die Qualität der Primar- und Sekundarschulbildung bemessen und jährliche Leistungsziele für Schulen, Gemeinden und Bundesstaaten mit dem Ziel zugrunde gelegt, Mängel zu beheben und die bessere Ressourcen-Verteilung sicherzustellen. Damit wurden allein 2008 rund 5 Milliarden Reais (damals ca. 2 Milliarden Euro) vom Bund an die Länder und Kommunen zur Qualitätssteigerung der Grundschulausbildung und der Lehrer-Gehälter transferiert.

Als Haddad als Minister aus der Regierung ausschied, hatte Brasilien die öffentlichen Bildungsinvestitionen von 3,9 Prozent auf 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Zum Bildungs-Engagement der Regierungen Lula und Dilma Rousseff gehörte die vorschriftsmäßige Einführung der 9-jährigen Grundschulausbildung, ferner die Einweihung von 14 neuen Bundes-Universitäten, der Ausbau von 100 Campussen, die Einführung der Quotenbestimmung für Arme und Afrobrasilianer und der Ausbau der Studienplatz-Zahlen, die allein zwischen 2007 und 2010 von 139.000 auf 218.000 angestiegen waren.

Haddad, der Exotische

Lulas Stellvertreter tritt unter der bewährten PT-Listennummer 13 auf. In der Zahlenmystik steht die 13 für Wandel und Umbruch. Ihre Schwingungen seien Hinweise für Loslassen, Abschiede, Neubeginn, Transformation, Wachstum und Weiterentwicklung; Attribute, die maßgeschneidert Haddads Persönlichkeit kleiden.

Sein konzilianter Auftritt ist meilenweit von einem – mit Verlaub – schrillen Umgangston à la Nicolás Maduro entfernt, sein ideologisches Profil könnte man als links-sozialdemokratisch-humanistisch umschreiben, doch gerade deshalb unter Brasiliens 20 Prozent erzkonservativen bis faschistisch motivierten Law&Order-Krakeelern aus zwei skurrilen Gründen verhasst. Zum einen wegen seines Programms “Brasilien frei von Homophobie”, zum anderen seinem Versuch geschuldet, als Bürgermeister São Paulos die 20-Millionen-Megalopole mit Samthandschuhen zu humanisieren.

Bestärkt von einer Initiative des brasilianischen Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2004 zur Bekämpfung sexueller Diskriminierung, vor allem der grassierenden Homophobie, gab im Jahr 2008 das von Haddad geleitete Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit der NGO Pathfinder eine Reihe Aufklärungsvideos zur Verteilung an brasilianischen Mittelschulen in Auftrag. Die unerlaubte Verbreitung der Videos im Internet, längst bevor die Unterrichtsmaterialien mit pädagogischen Gutachten ausgestattet waren, rief im Handumdrehen die Parlamentsfraktionen der Evangelikalen, pensionierten Polizisten und Militärs auf den Plan – allen voran den faschistischen Abgeordneten und Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro – die den Regierungen Lula und Dilma Rousseff „homosexuelle Indoktrinierung“ und „Verbreitung homosexuellen Lebensstils” vorwarfen. Dieser konservative Kreuzzug bildete eine der Speerspitzen in den Aufmärschen zum Sturz von Präsidentin Dilma Rousseff.

Mit dem Titel “Gegen Widerstände kämpft ein Bürgermeister für die Entstopfung des Verkehrs in einer brasilianischen Mega-Stadt” (Fighting Resistance, a Mayor Strives to Ease Gridlock in a Brazilian Megacity) wurde Haddad 2015 für sein Mobilitätsprogramm sowohl vom Wall Street Journal als auch von der New York Times über den Klee gelobt. Von New York, Bogotá, Paris und anderen Stadt-Experimenten inspiriert, habe Haddad hunderte von Meilen Radwege und Busspuren gebaut, Bürgersteige verbreitert, Tempolimits eingeführt, öffentliche Parkplätze begrenzt und prominente Alleen – wie die Avenida Paulista – für Radfahrer, Fußgänger und ihre Freizeitgestaltung freigegeben – Maßnahmen, die allesamt den Autoverkehr in der Megalopole unter Kontrolle zu bringen versuchten, die umgekehrt vom Autoverkehr beherrscht war.

Mit der Geschwindigkeits-Begrenzung auf 70 Stundenkilometer auf dem Autobahnring durfte sich São Paulo bereits nach eineinhalb Jahren über den rasanten Abbau der Verkehrsunfälle – insbesondere mit Todesfällen – um 23 Prozent erfreuen. Auch darauf, dass zwischen 2014 und 2015 die Zahl der von PKWs angefahrenen Fußgänger um rund 19 Prozent schrumpfte. Für europäische Gemüter unbegreiflich bis empörend, zollte die Stadt-Humanisierung São Paulos Haddad keinen Dank, sondern bescherte ihm umgekehrt einen Hagel von Gerichtsklagen, unter anderem der Staatsanwaltschaft, die in ihren Begründungen doch tatsächlich behauptete, dass Fußgänger, die von Autos auf Schnellwegen überrascht wurden, „gesetzesbrecherische Selbstmörder” seien.

Ausblick: die Messerattacke auf Bolsonaro und die Drohungen der Generäle

Nach dem Attentat vom 7. September auf den rechtsextremistischen Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro verbreitete einer seiner Söhne einen Tweet mit dem tröstlichen Hinweis „außer Hautabschürfungen nichts Ernsthaftes gewesen”, der jedoch bald gelöscht wurde. Darauf folgte die Verbreitung einer Reihe angeblich authentischer Fotos, die Bolsonaro ohne Blutflecken auf seinem T-Shirt, die angeblichen Chirurgen im Operationssaal ohne Gummihandschuhe abbildeten und somit das Attentat zunächst als Inszenierung verdächtigten.

Allem Anschein nach war der Anschlag jedoch ernsthafter als vermutet. Bolsonaro erlitt schwere Darmschnittverletzungen und musste einer Reihe chirurgischer Eingriffe unterzogen werden. Spekuliert wird in brasilianischen Medien, er laufe Gefahr, von seiner Wahlkampagne Abschied nehmen zu müssen.

Das Attentat – das die Bundespolizei zunächst einem geistesgestörten Einzeltäter zuschrieb und als „nicht politisch motiviert” definierte – hatte jedoch erwartungsgemäße Folgen. Vom gesamten demokratischen Spektrum zwar kleingeredet, beschenkte die mediale Viktimisierung Bolsonaro mit mindestens 5 Prozent neuem Wählerzulauf. Mit angeblichen 26 Prozent der Wahlintentionen führt nun der rechtsextreme Hauptmann a.D. das brasilianische Präsidentschaftsrennen an.

Das ist jedoch nicht die eigentliche schlechte Nachricht für die Zukunft der Demokratie im tonangebenden Land südlich von Miami. Kann der gegenwärtige Zustand in Brasilien mit den treffenden Worten Boaventura Sousa Santos‘ als “Demokratie niedriger Intensität” (finanzkapitalistische Herrschaft mit Destabilisierung der Staatsorgane und wachsendem Abbau demokratischer Grundrechte) umschrieben werden, so treibt das Land einer neuartigen, schleichenden Militärdiktatur entgegen.

„Der Tanz der Militärs um Bolsonaro ist intensiv”, warnte der brasilianische Kolumnist Mauro Lopes mit Hinweis auf eine Ereigniskette zur Veranschaulichung des bedrohlichen Protagonismus führender Generäle (As nuvens estão ficando mais carregadas no horizonte – Brasil 247, 12. September 2018), dem man nur zustimmen kann. Erster Hinweis ist die erstmalige Besetzung des Verteidigungsministeriums mit einem Militär seit 25 Jahren. Die Militarisierung wurde intensiviert mit der Ernennung des rechtsradikalen Generals Sergio Etchegoyen zum Geheimdienstchef.

Dritter im Bunde ist Bolsonaros Vize, General a.D. Hamilton Mourão. Der beeilte sich, mit unverantwortlicher, krimineller Attitüde, der PT die Verantwortung für die Messerattacke in die Schuhe zu schieben. „Davon bin ich hundertprozentig überzeugt”, keifte der rechtsradikale Uniformierte. Nicht den blassesten Schimmer von Wahrheit und Beweisführung hatte die Anschuldigung, sie sollte jedoch signalisieren, die „Jagdsaison” auf die Linke ist eröffnet. Damit nicht genug, wendete sich Mourão an das Wahlgericht mit dem Antrag, den behinderten Bolsonaro als Spitzenkandidat abzulösen und die Wahlkampagne in die eigenen Hände zu nehmen – ein „Putsch” in den eigenen Reihen?

Dem folgte die nicht weniger provokative Drohung des amtierenden Heereschefs, General Eduardo Villas Bôas, in einem Interview vom 9. September mit der Tageszeitung O Estado de São Paulo. Falls Bolsonaro die Wahl verliere, „kann die Legitimität der neuen Regierung sogar in Frage gestellt werden”, wagte der Militär durch die Blume an die Adresse der beiden demokratischen Präsidentschaftsbewerber, Fernando Haddad und Ciro Gomes, auszuposaunen. Wie die meisten seiner Kameraden ist Villas Bôas Wiederholungstäter. Er fiel des Öfteren durch Sprüche gegen die erwartete Bestrafung von Uniformierten auf, die Verbrechen gegen die Menschenrechte begangen haben.

„Die Lage ist mehr als angespannt”, kommentierte Lopes. „Am Horizont braut sich ein Sturm zusammen. Mag sein, dass er von den Winden der Demokratie zerstreut wird, doch die Wolken sind tief grau und beladen”.