US-Medien: Milliardäre und ihr „Recht“ auf die eigene Zeitung

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Das „Time Magazine“ wurde von einem US-Milliardär durch einen „privaten Kauf“ übernommen. Der Vorgang beleuchtet eine ungute Tendenz auf dem US-Medienmarkt: super-reiche Individuen erkaufen sich private Medienmacht. Von Tobias Riegel.

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In den USA hat ein Medium den Besitzer gewechselt. Was für sich genommen nicht nach einer großen Nachricht klingt, ist aus zwei Gründen doch wert, es näher zu betrachten: Zum einen ist das „Time Magazine“ ein einflussreiches und traditionsreiches Blatt mit großer Reichweite und weitgehend „seriösem“ Ruf – wenn man die Kriterien der Branche zugrunde legt. Zum anderen wirft die Person des Käufers ein Licht auf eine bedenkliche Tendenz: das „private“ Erwerben von Medien durch milliardenschwere Einzelpersonen.

Denn das 1923 gegründete „Time Magazine“ steht seit dem Wochenende dem politischen Sendungsbewusstsein des US-Industriellen Marc Benioff zur Verfügung: Der Gründer des IT-Konzerns „Salesforce“ und seine Frau kauften das „Time Magazine“ für 190 Millionen Dollar vom Meredith-Verlag, wie etwa die „FAZ“ meldet. Der Kauf des Wochenmagazins habe nichts mit dem IT-Unternehmen zu tun, sondern sei das private Projekt von Benioff und seiner Frau. Wie Medien berichten, wollen sich die Benioffs eigenen Versicherungen zufolge nicht in das Tagesgeschäft der Redaktion einmischen und auch die Chefredaktion vorerst nicht austauschen. Das „Time Magazine“ erreicht laut „FAZ“ mehr als 100 Millionen Leser in Print und Online.

Milliardär kauft Medium mit „enormen Auswirkungen auf die Welt“

Benioff schätzt die Macht seines neuen Unternehmens realistisch ein:

„Wir investieren in ein Unternehmen mit enormen Auswirkungen auf die Welt.“

Nun hat er sich mit dem Erwerb des Magazins das Privileg erkauft, in seinem Sinne direkte und enorme mediale Wirkung auf die Welt auszuüben.

Ein einzelner Milliardär muss medial nicht destruktiver wirken als eine Aktiengesellschaft. So war der vorherige Eigentümer des „Time Magazine“ der Konzern Meredith, dem man auch nicht blind vertrauen möchte. Schließlich hatte Meredith den Time-Verlag erst im Januar übernommen – mit finanzieller Unterstützung der für ihr radikales politisches Sendungsbewusstsein bekannten milliardenschweren Koch-Brüder.

„Time Magazine“ kein Einzelfall – Kontrollverlust in der US-Medienlandschaft?

Es erscheint aber doch besonders aufreizend, wenn sich ein super-reiches Individuum allein so viel vom Kuchen der Massen-Aufmerksamkeit sichern kann wie nun Marc Benioff. Das erzeugt den Eindruck eines unkontrollierten Ausverkaufs von potenziell gefährlichen Propaganda-Werkzeugen. Dieser Kontrollverlust betrifft sowohl die Medienkonsumenten als auch die Beschäftigten der betreffenden Medien. Die Risiken solcher Übernahmen liegen nicht nur in der potenziellen propagandistischen Instrumentalisierung für private Geschäftsinteressen. Sie liegen auch in der Unerfahrenheit der neuen Eigentümer, die sich trotz dieses Mangels mutmaßlich als die „besseren Herausgeber“ und im positiven Sinne schillernde „Außenseiter“ betrachten.

Alarmierend ist der Vorgang um das „Time Magazine“ auch darum, weil er kein Einzelfall, sondern Teil einer bedenklichen Tendenz ist. Denn Benioff ist nur das aktuellste Beispiel von Aneignung publizistischer Macht durch private Vermögen. Da gibt es etwa noch die Investoren Jeff Bezos, John Henry, Carlos Slim, Chris Hughes und Warren Buffett. Sie alle sind Milliardäre, die in jüngerer Vergangenheit als Einzelpersonen in große US-Medien investiert haben, wie unter anderem das „Handelsblatt“ berichtet. Das letzte Beispiel in dieser bedenklichen Reihe war US-Unternehmer Patrick Soon-Shiong, der die Traditionszeitungen „Los Angeles Times“ und „San Diego Union Tribune“ übernommen hatte. Aber wie gesagt: Die super-reichen Individuen sind als Akteure der Propaganda nicht grundsätzlich gefährlicher als weltumspannende Medien-Konzerne wie die News Corporation oder Bertelsmann. Das Phänomen wirft nur andere Fragen auf.

Sie investieren viel Geld – und wollen viel politischen Einfluss

Das „private“ Engagement in die absteigende Medienbranche bringt nicht nur Prestige und Einfluss – es kostet auch viel Geld: Warren Buffett kauft im Gegensatz zu Henry, Slim, Bezos oder Soon-Shiong keine Edel-Printprodukte, sondern investiert in kleine Medien, die in Not geraten sind: Über 30 Zeitungstitel hat seine Firma „Berkshire Hathaway“ mittlerweile gekauft, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Auch Investor Carlos Slim, seit dem Jahr 2009 vorübergehend Hauptaktionär bei der „New York Times“, hat laut Medienberichten bereits etliche Millionen Dollar in die Zeitung gesteckt. Am potenziell gefährlichsten erscheint Amazon-Chef Jeff Bezos, der 2013 laut Spiegel 250 Millionen Dollar für die „Washington Post” bezahlt hat: Er fordert unter den neuen Medien-Milliardären wohl am lautesten sein „Recht“ ein, sich politisches Gehör auf Basis seines Vermögens verschaffen zu dürfen.

Man muss sich immer wieder verdeutlichen, dass ein finanzieller Gewinn aus diesen Investitionen kaum zu erwarten ist. Das Medien-Engagement der US-Milliardäre widerspricht also vordergründig den Geschäftsinteressen. Es sei denn, die Medien würden eingesetzt, um politischen Einfluss für eben diese Geschäftsinteressen auszuüben. Und genau das ist die Gefahr.