Leserbriefe zum 30. Pleisweiler Gespräch am 21. Oktober: „Verbaut die digitale Revolution unseren Kindern die Zukunft?“ Mit Prof. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt

Ein Artikel von:

Am Anfang stand ein Artikel von Tobias Riegel, zum Handyverbot in Frankreich an den dortigen Schulen, und den darauf folgenden Leser-Stimmen. Diese ließen Albrecht Müller zur Feder greifen und es entstanden diese Beiträge: Ein Bauherr beginnt auch nicht mit dem Dach. Die digitale Revolution verbaut unseren Kindern die Zukunft und Eine andere Sicht von der Digitalisierung und ein Musterbeispiel für Verlautbarungsjournalismus, was wiederum die Idee für das nächste Pleisweiler Gespräch aufkeimen ließ. Soviel zur Vorgeschichte, die hoffentlich bei der Einordnung der breit gefächerten Leserbriefe hilft. Es wird beim Lesen schnell klar, wie wichtig diese Themen einerseits sind und wie stiefmütterlich sie andererseits in unserer Gesellschaft behandelt werden. Wahrscheinlich wird Prof. Dr. Teuchert-Noodt nicht dazu kommen, alle diese Themen in ihrem Vortrag zu behandeln, aber auch ihre Kernthemen werden mehr als interessant sein. Wir hoffen, mit diesen Leserbeiträgen vielleicht Ihr Interesse am kommenden Pleisweiler Gespräch zu wecken und Sie zu einer Reise in die Südpfalz zu ermutigen, so es Ihnen möglich ist. Ein Thema, das für junge Menschen, Eltern, Lehrer und eigentlich jeden von immenser Bedeutung ist. Zusammengestellt von Moritz Müller

1. Leserbrief

Ein Bauherr beginnt auch nicht mit dem Dach. Die digitale Revolution verbaut unseren Kindern die Zukunft.

Sehr geehrter Herr Müller,

das Thema hat meiner Meinung nach ungeheure Brisanz. Wenn man sich mit der aktuellen Forschungslage auseinandersetzt, kann man diesen Hype um die Digitalisierung der Bildung nicht nachvollziehen.

Es kann keine Befürwortung von elektronischen Medien geben, angesichts der vielfältigen Auswirkungen dieser auf die kindliche Entwicklung. Dabei sind die Gesundheitsgefahren der immer stärker um sich greifenden Funktechnologie noch gar nicht berücksichtigt und auch hier gibt es mehr Hinweise auf eine Schädigung als dass keine Auswirkungen zu erwarten wären. Kinder sind bei dieser Technologie stärker gefährdet als Erwachsene.

Bemerkenswert neben allen Studien in diesem Zusammenhang ist ein Blick in die Kinderstuben von Managern der Silicon Valley Eliten.

Dort sind elektronische Medien im Kindesalter verpönt. Die Kinder besuchen private Waldorf und Montessori Schulen in denen es keine Computer gibt und eher auf Tafel mit Kreide sowie Stricknadel und Matsch gesetzt wird. Der Wert liegt hier in der Beziehung zwischen Lehrer und Schüler. (Das sollte vielleicht mal jemand unserem (Be)Denkverweigerer Lindner mitteilen.)

In der New York Times gibt es hierzu Berichte.

https://www.nytimes.com/2014/09/11/fashion/steve-jobs-apple-was-a-low-tech-parent.html

https://www.nytimes.com/2011/10/23/technology/at-waldorf-school-in-silicon-valley-technology- can-wait.html

Angesichts der heutzutage sowieso schon weit verbreiteten elektronischen Mediennutzung wäre ein Raum der Abstinenz doch eher ein Gewinn. Die Bedienung von PC und Co ist nicht kompliziert und Jugendliche beherrschen den technischen Umgang ohnehin. Die Silicon Valley Eliten haben keine Angst davor, dass ihre Kinder irgendetwas verpassen könnten.

Ein weiterer Aspekt ist die Gefahr einer epidemischen Ausbreitung der Kurzsichtigkeit, mit der Gefahr später blind zu werden. Asien ist hier ein schlechtes Beispiel und eine Warnung.

In Europa haben wir mittlerweile 30 Prozent kurzsichtige Kinder und Jugendliche, in China 80 Prozent und in Südkorea über 90 Prozent.

Es gibt zahlreiche Publikationen, die auf den Zusammenhang zwischen Smartphone Gebrauch und Kurzsichtigkeit hinweisen.

Zu Suchtgefahren und Ablenkung die mit dieser Technologie verbunden sind.

https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/digitale-dealer-auf-entzug

Aus dem Artikel:
Bezeichnenderweise entwöhnen sich viele der kritischen Mittdreißiger-Tech-Experten von ihren eigenen Produkten und schicken ihre Kinder in Silicon Valley auf Eliteschulen, in denen iPhones, Tablets, ja sogar Laptops tabu sind. Sie scheinen den Rat aus einer Biggie-Smalls-Liedzeile zu befolgen, dass ein Crack-Dealer die Finger von seiner eigenen Ware lassen sollte: „Never get high on your own supply.“

Vielleicht sollte man das Smartphone in Sillyphone umbenennen…. P.S.
Vielen Dank für Ihre Beiträge zur Meinungsvielfalt und Aufklärung. Mfg
S.S.


2. Leserbrief

Hallo Herr S,

Bezug nehmend auf den Hinweis zum 30. Pleisweiler Gespräch am 21. Oktober: „Verbaut die digitale Revolution unseren Kindern die Zukunft?“

möchte ich Sie darauf hinweisen, dass zu diesem wichtigen Thema ein weiterer Aspekt automatisch dazugehören sollte, nämlich der gesundheitlich schädliche Aspekt von zu viel Blaulicht.

Das Thema ist bis heute eher in Fachkreisen bekannt und wird seitens der breiten Öffentlichkeit weitgehend ignoriert.

Die tägliche Überflutung von insbesondere Kinderaugen durch Smartphones, allerlei Pads, Internet- & TV-Geräte birgt ungeahnte Risiken, die am 21. Oktober ebenfalls kommuniziert werden sollten.

Diese flachen Endgeräte verwenden eine LED-Hintergrundbeleuchtung auf Quecksilberbasis mit einem unnatürlich hohen Blaulichtanteil. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass durch die exzessive, tägliche Nutzung u.a. die Erkrankungsraten an altersbedingter Makuladegeneration, die später zur Erblindung führt,  in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark ansteigen werden, wobei die Betroffenen immer jünger werden.

Dazu 2 Links:

https://www.i-magazin.com/gesundes-licht-vs-lichtgefahren/

https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/LED-Lampen-foerdern-Makuladegeneration,led266.html

Mit besten Grüßen,
Marc Wilhelm Lennartz


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

die Einladung der Neurobiologin Frau Prof. Teuchert-Noodt zu dem Pleisweiler Gespräch ist eine sehr gute Idee. Ihre Vorträge zeigen die Gefahren der Digitalisierung für die kindliche Entwicklung deutlich auf. Ebenfalls sollten Sie Peter Hensinger von diagnose: funk zu einem Vortrag einladen. Herr Hensinger zeigt in seinen Vorträgen sehr umfassend die Probleme, die mit der Verbreitung  der Digitalisierung einhergehen, auf. Überhaupt sollten Sie Ihre Leser auf die vielen hoch interessanten Artikel und Untersuchungen auf der Homepage von diagnose: funk zum Thema Strahlung von Telefonen und W-lan etc. aufmerksam machen. Ein wichtiger Beitrag ist der Film bzw. auch das dazugehörende Buch von Klaus Scheidsteger “Thank you for calling”, der über die Machenschaften der “Strahlungsindustrie”, wie es auch Jens Wernicke in seinem Artikel “Das Strahlungskartell” beschreibt, hervorragend aufklärt. Sowohl Film wie auch Buch werden leider in der öffentlichen Diskussion – wie so häufig – nicht erwähnt. Im Film zeigt Scheidsteger, welche Probleme Wissenschaftler bekommen, wenn sie öffentlich auf die Gefahren der Strahlung von Handys etc.  – gestützt durch ihre wissenschaftlichen Studien – aufmerksam machen. Diese Vorgänge erinnern an die Auseinandersetzungen mit der Tabakindustrie, wo Wissenschaftler und Kritiker mundtot gemacht wurden.

Viele Eltern und Bürger wissen nicht, dass der Weltgesundheitsbehörde Untersuchungen über die Handy, W-lan und DECT-Strahlung vorliegen, die deutlich zeigen, dass die Strahlung zu DNA-Brüchen führen kann. Konsequent weitergedacht brauchen wir uns nicht über die zahlreichen krebserkrankten Menschen in dieser Welt wundern. Gerade die Macher der Internetseiten von diagnose-funk haben sich seit vielen Jahren die Aufklärung über die Gefahren von Strahlung jeglicher Art zur Aufgabe gemacht.

Eine weitere wichtige Stimme im “Kampf” gegen die Digitalisierung in der Schule ist Prof. Ralf Lankau. Auch er zeigt sehr deutlich, dass beim digitalen Ausbau von Schule und Hochschulen der Kommerz im Vordergrund steht. Den Firmen, wie z.B. der Bertelsmann-Stiftung, geht es vor allem um die Sammlung von Daten (Profilbildung) der Nutzer in Schule und Hochschule. Das Thema Bildung – im Sinne von Humboldt – spielt bei diesen Firmen überhaupt keine Rolle.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Publikationen von Prof. Krautz u.a. zum Thema Manipulation der Bildung aufmerksamen machen. Ebenso wie Prof. Lankau zeigen die Autoren deutlich auf, wie die europäische Bildungslandschaft seit 1960 systematisch mit Hilfe der OECD vom Bildungsansatz zum Kompetenzansatz umgebaut wird. Das Buch ist das Ergebnis einer Tagung an der Universität Wuppertal, wo diese Autoren ihre Forschungsergebnisse vor einem großen und interessierten Publikum vorstellten.

Die oben genannten Bücher und Filme verdienen einen größeren interessierten Kreis von Hörer und Lesern in unserer Gesellschaft.

Mit lieben Grüßen
Jürgen Lang


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

dass Sie auf Ihren Seiten am 21.08.2018 und nochmals am 23.08.2018 unter dem Titel: “Eine andere Sicht von der Digitalisierung und ein Musterbeispiel für Verlautbarungsjournalismus” auf den Text der Bielefelder Neurobiologin Gertraud Teuchert-Noodt in umwelt · medizin · gesellschaft 4/2016 aufmerksam gemacht haben, freut mich.

Bisher kannte ich nur einen Interview-Beitrag ebenfalls aus der Zeitschrift Umwelt Medizin Gesellschaft (UMG 30 | 3/2017), der mich an einen ebenfalls Interviewbeitrag mit dem Psychiater / Hirnforscher Manfred Spitzer unter dem Titel: “Spitzer: Digitales Klassenzimmer” im Deutschlandfunk am 08.03.2018 erinnert.

Wiederum bemerkenswert finde ich, dass Gertraud Teuchert-Noodt auf eine Veröffentlichung des israelisch/US-amerikanischen Psychologen und emeritierten Hochschullehrers Daniel Kahneman, der 2002 mit Vernon L. Smith den Wirtschafts-Nobelpreis erhielt, verweist mit dem Titel “Schnelles Denken, langsames Denken” (englischer Originaltitel: Thinking, Fast and Slow, 2011/2012). Darin werden seine Forschungen (oft gemeinsam mit Amos Tversky) aus mehreren Jahrzehnten zum schnellen, instinktiven und emotionalen “System 1” und dem langsameren, Dinge durchdenkenden und logischeren “System 2” zusammengefasst. Wie sich das bei der Nutzung von elektronischen Medien, insbesondere bei Kindern in bestimmten Entwicklungsabschnitten auswirken kann/dürfte, erscheint bedenklich. Dazu kommen u.a. noch etwa die schon zu dieser Zeit vorliegenden Erkenntnisse des Psychologen Michal Kosinski zu Analyse- und Manipulationsmethoden bei “Big Data” (z.B. hier).

Schließlich sei dazu auf eine Initiative zur Förderung eines kompetenten und selbstbestimmten Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien zur Unterstützung von Eltern, Schulen und Betroffenen und zur Vernetzung von Experten und Facheinrichtungen hingewiesen, das als Gemeinschafts-Projekt unter dem Namen »diagnose:media« mit einer neuen Webseite und einem durch ein Autorenteam verfassten Ratgeber – im September 2018 an den Start gehen soll.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Freund


5. Leserbrief

Liebe NDS-Redaktion,

eine digitalisierte Arbeitswelt verlangt vor allem nach “flexibleren Arbeitszeiten” – bei zunehmend standartisierten Arbeiten wird menschliche Arbeitskraft nur noch sporadisch vorübergehend gebraucht. Durch Digitalisierung wird die “Schöne neue (Arbeits)-Welt” in einen riesigen Computer verwandelt, möglicherweise in ein einziges virtuelles Konzentrationslager. Staatliche Geheimdienste und die Internetgiganten (GAFAM) haben Überwachungs- und Manipulationsmöglichkeiten, dagegen waren Gestapo und Stasi die reinsten Chorknaben. Wirtschaftsunternehmen und deren Kapitalgeber sind an wirtschaftlicher Vormachtstellung in der digitalen Ära interessiert, nicht aber an Verantwortung für die Bürger. Eine Zeit lang glaubte man, durch das Internet gebe es mehr Demokratie – diese Euphorie ist mittlerweile verflogen. Eine Gesellschaft, die durch Google, Amazon, Facebook sowie von staatlichen Geheimdiensten auf Schritt und Tritt überwacht wird, ist nicht mehr, sondern weniger selbstbestimmt – und wird in ihren bürgerlicher Freiheiten zunehmend stärker beschnitten.

VG Michael Wrazidlo, Essen

p.s.: Gefahren der Digitalisierung werden in dem Buch “Das Ende der Demokratie” von Yvonne Hofstetter ziemlich umfassend beschrieben.