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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Brasilien
  2. Wir setzen auf das widerständige Bayern
  3. Das Vermögen der Familie Porsche wächst gewaltig – trotz Dieselskandal
  4. Parität im Haifischbecken
  5. Hohe Mieten sind eine sehr effektive Grenze
  6. Das schmutzige Geschäft mit Lkw-Fahrern aus Osteuropa
  7. Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft
  8. Umweltpolitik findet in dieser Koalition nicht statt
  9. Wieso es keinen Rechtsruck gibt, aber die extreme Rechte trotzdem wächst
  10. Angriff von rechts
  11. Bürgerrechtler bringen bayerisches Polizeigesetz vors Bundesverfassungsgericht
  12. Liberale Muslime weltweit sind von Linken in Europa enttäuscht
  13. Wir haben mittlerweile ein Klima der Denunziation
  14. Der wüste Sohn
  15. Bloß nicht Köln-Buchheim
  16. Hitler, feministisch gelesen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Brasilien
    1. Bolsonaro gewinnt erste Runde Brasilien: Rechtsaußen-Erfolg beflügelt die Märkte
      Der klare Sieg des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro bei der ersten Runde der brasilianischen Präsidentschaftswahlen sorgt an den Aktien- und Devisenmärkten für große Freude.
      Der brasilianische Leitindex Bovespa gewann zur Eröffnung in Sao Paulo 5,43 Prozent. In Frankfurt gewinnen die Titel des staatlichen Ölkonzerns Petrobras sogar über 13 Prozent.
      Auch der Landeswährung Real hat der Wahlsieg Bolsonaros einen Schub verliehen. Der Real wertete zum Dollar um über drei Prozent auf. Somit müssen für einen Dollar nur noch 3,76 Real nach 3,84 Real am Freitag bezahlt werden. “Die Finanzmärkte favorisieren Bolsonaro, der im Falle eines Wahlsieges den Investmentbanker Paulo Guedes zum Superminister für Wirtschaft und Finanzen machen will”, sagte LBBW-Analyst Martin Güth.
      Markt atmet auf
      Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen sieht insgesamt nur ein begrenztes Aufwertungspotenzial für die brasilianische Währung. Denn ein Sieg Bolsonaros sei zu einem großen Teil schon eingepreist. Zudem müsse sich erst noch zeigen, wie viel Einfluss Guedes tatsächlich auf die Wirtschaftspolitik des Landes haben werde, sollte er es ins Amt schaffen.
      Auf Bolsonaro entfielen bei der Wahl am Sonntag 46,3 Prozent der Stimmen. Sein linker Kontrahent Fernando Haddad erreichte 29 Prozent. Bolsonaro zieht nun als klarer Favorit in die zweite Runde der Wahlen am 28. Oktober. “Der Markt atmet auf, da Haddad, dessen Politik Brasilien nicht aus der wirtschaftlichen Talsohle befreien würde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Präsident werden wird”, sagte Edwin Gutierrez, Analyst bei Aberdeen Standard Investments. Bolsonaro kündigte unter anderem einen verschärften Kampf gegen Korruption und verstärkte Privatisierungen an.
      Quelle: boerse.ARD.de

      Anmerkung Albrecht Müller: Kapitalisten setzen auf Faschisten. Ziviler und weniger präzise ausgedrückt: Anleger bevorzugen Reformer.

      Wie auch immer, lesen Sie den Bericht von Börse.ARD zum Wahlergebnis in Brasilien und über die Reaktion der Börse und die Kommentare der Analysten. Nach allem was man über den Präsidentschaftskandidaten Bolsonaro weiß, ist dessen Nähe zur Demokratie gleich null, er befürwortet Waffen und Gewalt, verachtet die Rechte der Frauen und setzt auf das Militär, wo er auch herkommt.

      Es ist schon beachtlich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen solchen Bericht einschließlich der Kommentare der Analysten etc. präsentiert.

      Das überrascht uns allerdings nicht. Schon 1973 konnten wir beobachten, wie in den wirtschaftsnahen Medien Deutschlands dem Putsch von Pinochet gegen Allende Beifall gezollt wurde.

      Zur Ehrenrettung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks kann ich auf einen aufklärenden Beitrag im Deutschlandfunk von gestern Abend hinweisen:

    2. Klarer Sieg für Rechtsaußen
      Der Rechtsruck der Wähler in Brasilien ist erschreckend, kommentiert Jule Reimer. Doch noch erschreckender sei, wie sehr Brasiliens traditionelle Elite Jair Bolsonaro hofiere. Nur Dank der Medien habe der Rechtsextreme mit seinen absurden Thesen beim Wahlvolk punkten können.
      er etwas auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat gibt, blickt heute mit Entsetzen nach Brasilien. Zwar wird es Ende Oktober noch eine Stichwahl um das Präsidentenamt geben, doch die Ausgangsposition des Gewinners Jair Bolsonaro ist erschreckend gut. Jahrelang war er zwar eine etablierte, aber einsame Randfigur in der Politik. Einer, dem es vor allem dank häufigem Partei-Wechsel gelang, sich im brasilianischen Parlament zu halten.
      Aber jetzt votierten 46 Prozent der Wahlgänger für diesen rechtsextremen Waffennarr, der sich lieber einen toten als einen schwulen Sohn wünscht, der die Zeit der brasilianischen Militärdiktatur als die gute alte und Demokratie als Schwachsinn verkauft, der frauenfeindliche Sprüche klopft, der Lügen und Beschimpfungen hemmungslos in die Welt twittert.
      Leidet das halbe Land unter Gedächtnisschwund?
      Quelle: Deutschlandfunk
    3. Warum so viele Brasilianer einen Radikalen wollen
      In Brasilien gewinnt der Rechtsextreme Jair Bolsonaro die erste Runde der Präsidentschaftswahl. Es ist das Ergebnis eines gescheiterten politischen Systems.
      Brasilien steht ein politisches Erdbeben bevor. Der rechtsextreme Politiker Jair Bolsonaro hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen mit 46 Prozent der Stimmen gewonnen und verfehlte damit die absolute Mehrheit nur knapp. Der 63-Jährige gilt nun als großer Favorit für den zweiten Wahlgang im größten, bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Land Lateinamerikas.
      In der Stichwahl in drei Wochen trifft er auf den ehemaligen Bildungsminister und Bürgermeister von São Paulo, Fernando Haddad. Der 55-Jährige holte 29 Prozent der Stimmen. Er gehört zur linken Arbeiterpartei, die von 2003 bis 2016 das Staatsoberhaupt stellte, zunächst mit Lula da Silva und dann mit Dilma Rousseff. Letztere wurde in einem umstrittenen Impeachmentverfahren gestürzt, seitdem regiert Michel Temer von der konservativen MDB, der nicht antrat.
      Den dritten Platz erlangte der linksliberale Ex-Minister Ciro Gomes mit zwölf Prozent. Er hat bereits seine Unterstützung für Haddad erklärt. Bei der „Wahl zwischen Demokratie und Faschismus“ sei klar, auf welcher Seite er stehe.
      Quelle: Tagesspiegel

      Anmerkung unseres Lesers G.R.: Es ist schon interessant: Wochenlang war es unseren Leitmedien nur eine kurze Meldung wert, dass Brasiliens Favorit auf die Präsidentenwahl, Lula, mit juristischen Tricks von der Wahl ferngehalten wurde. Jetzt tun aber alle so, als sei das Kind so urplötzlich in den Brunnen gefallen. Wie wäre es wohl gewesen, wenn westliche Medien und westliche Politiker sich stärker für Lula eingesetzt hätten? Aber Lula ist bekanntlich ein Linker, der nicht immer nach der neoliberalen Pfeife tanzt. Da riskieren wir es doch lieber, dass ein Faschist in Brasilien ans Ruder kommt und zeigen nach der Wahl eifrig Entsetzen. Das ist einfach nur verlogen!

  2. Wir setzen auf das widerständige Bayern
    Landtagswahl am Sonntag: Die Linke hofft nach Großdemonstrationen in München auf Sprung ins Parlament. Ein Gespräch mit Ates Gürpinar.
    Die Linke könnte bei der Wahl an diesem Sonntag den Einzug in den bayerischen Landtag schaffen. Bei einer »Bayerntrend«-Umfrage des BR-Politikmagazins »Kontrovers« knackte sie Mitte September erstmals die Fünfprozenthürde. Wieso hat das Ihre Partei in den vergangenen zehn Jahren nicht geschafft?
    In Bayern galt in einigen Ortschaften schon die SPD als linksradikal. Wenn ein Land seit Jahrzehnten erzreaktionär regiert wird, zeigt sich das auch an der Haltung der Bevölkerung. Es hat gedauert, bis wir uns etablieren konnten.
    Jetzt gibt es in Bayern eine neue Entwicklung, Menschen zeigen ihren Protest auf der Straße. Einerseits liegt das am Rechtsruck durch das Erstarken der AfD, andererseits motivieren soziale Missstände die Menschen dazu, wie fehlender günstiger Wohnraum oder der Pflegenotstand. Bei der Linkspartei stehen diese Themen im Vordergrund: Wir fordern bezahlbare Mieten durch den Bau von 40.000 Sozialwohnungen pro Jahr. Zudem haben wir das Volksbegehren »Stoppt den Pflegenotstand an den bayerischen Krankenhäusern« im Bündnis mit anderen auf den Weg gebracht. Statt Spezlwirtschaft, Elitenpolitik und Abbau von Grundrechten stehen wir für politische Alternativen, soziale Gerechtigkeit und Ökologie. (…)
    Sind Sie zu revolutionär für bayerische Verhältnisse?
    Schon immer gab es das erzreaktionäre Bayern, zugleich aber auch das widerständige – auf letzteres setzen wir. Hier gehen mehr Menschen auf die Straße als in anderen Bundesländern. Die Grünen sind im bürgerlichen Lager angekommen und grenzen sich von konservativer Politik nicht mehr ab. Das wird auch bei ihren Koalitionen mit der CDU in Baden-Württemberg und Hessen sichtbar. Sie haben kein Problem, mit einem Seehofer oder Söder zu koalieren. Die SPD wiederum kann auch nicht dagegenhalten, selbst wenn sie es wollte. Sie hat erst jüngst auf Bundesebene Glaubwürdigkeit verspielt, etwa in der Causa des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Bayern braucht die Linkspartei als Opposition.
    Wie stehen Sie zur Sammelbewegung »Aufstehen«?
    Dort sollen vor allem enttäuschte Sozialdemokraten und Grüne eingesammelt werden, denen ihre Parteien nicht links genug sind. Wir haben diese Probleme, sich von reaktionären Parteien vereinnahmen zu lassen, nicht. Freilich gibt es Meinungsverschiedenheiten: Wir wollen Die Linke stärken und sind zuversichtlich, dass uns das mit den Sammlungsbewegungen gelingt, wie sie bei »No PAG«, »Ausgehetzt« und dem Pflegevolksbegehren zu sehen sind. Aber: Sahra Wagenknecht, Kochefin der Bundestagsfraktion und Mitinitiatorin von »Aufstehen«, unterstützt uns im Bayern-Wahlkampf – wie andere prominente Linke auch.
    Quelle: junge Welt
  3. Das Vermögen der Familie Porsche wächst gewaltig – trotz Dieselskandal
    “Keine der größeren deutschen Unternehmerdynastien erlebt eine solche Krise wie die Porsches. Doch trotz des Dieselskandals ist ihr Vermögen stärker gewachsen als das fast aller anderen Milliardäre.
    Nach Bekanntwerden des Dieselskandals folgten Milliardenstrafen in den USA und eine unübersichtliche Zahl von Verfahren, auch in Deutschland. Staatsanwaltschaften in Niedersachsen und Bayern ermitteln. In etlichen deutschen Städten drohen Fahrverbote, die Autohersteller stritten mit der Bundesregierung um die Kosten der Nachrüstung.
    Im Frühjahr wechselte der CEO bei Volkswagen: Auf Matthias Müller folgte Herbert Diess. Und bei Audi wurde der langjährige Chef Rupert Stadler verhaftet, der immer als besonderer Intimus der Familie Porsche galt.
    Dem Vermögen hat das im Laufe des vergangenen Jahres nicht geschadet. Es ist um 3,5 Milliarden auf insgesamt zwölf Milliarden Euro gestiegen. Das ergibt die neueste Schätzung des Vermögens der 1001 reichsten Deutschen des manager magazin. Die Sippe zählt damit zu den größten Gewinnern unter den Reichsten und reiht sich als Newcomer sogar ein in die Riege der zehn reichsten Deutschen.
    Der Grund für das Wachstum: Die Börsenwerte von VW und der Porsche SE – in der die Porsches gemeinsam mit dem Familienstamm der Piëchs ihre 52 Prozent der VW-Stammaktien bunkern – haben sich wieder erholt. Denn die Geschäfte der Autohersteller laufen trotz allem erfreulich. Volkswagen konnte 2017 den Nettogewinn verdoppeln und im ersten Halbjahr 2018 abermals Rekorde melden. Das macht die Porsches immer reicher. Ganz egal, was Staatsanwälte oder Richter meinen.”
    Quelle: SPON
  4. Parität im Haifischbecken
    Allein die Finanzbranche gibt für ihre Interessenvertretung nach Berechnung des Corporate Europe Observatory in der EU mehr als das 30-fache im Vergleich zu Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherverbänden und Gewerkschaften zusammen aus.
    Die Resultate dieser Einflussnahme sind allgegenwärtig. Trotz Pleite der US-Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 und der damit verbundenen Finanzkrise dominiert die Finanzlobby weiterhin die Gesetzgebung. Ein Beispiel ist die Höhe des Eigenkapitals der Banken: Mangelndes Eigenkapital war ein Hauptgrund für die Krise, da Banken Verluste nicht abfangen konnten. Banken sollten daher ihr Geschäft zu mindestens 20 Prozent aus Eigenkapital finanzieren. So fordern es beispielsweise Stanford-Ökonom Anat Admati, Martin Hellwig vom Europäischen Ausschuss für Systemrisiken. Auch Studien der Bank of England auf Grundlage historischer Erfahrungen legen diesen Wert nahe. Die EU aber sieht lediglich drei Prozent vor. Diese Bescheidenheit geht auch auf das Konto der Finanzbranche, die ein höheres Eigenkapital ablehnt. Schließlich sind Boni an die Eigenkapitalrendite gekoppelt – und die ist bei gleichem Gewinn umso höher, je stärker Finanzinstitute ihr Geschäft auf Kredit finanzieren.
    Ähnlich sieht es mit der Finanztransaktionssteuer aus, der geplanten und viel diskutierten Steuer auf den Wertpapier- und Devisenhandel. Nur vier Tage des weltweiten Devisenhandels im Jahr würden ausreichen, um den tatsächlichen Welthandel zu finanzieren. Der Rest ist Selbstzweck – für die Finanzbranche gleichwohl lukrativ. Die Finanzlobby geht mit einer wahren Vielfalt an Mythen gegen die Steuer vor. Entsprechend wird deren Einführung seit Jahren verschleppt. Zudem sind Ausnahmen geplant, die den unproduktiven Handel nicht entschleunigen, sondern lediglich umlenken würden.
    Der Lobbyismus der Finanzbranche ist also besonders stark. Zugleich ist die Politik hier übermäßig anfällig.
    Quelle: IPG
  5. Hohe Mieten sind eine sehr effektive Grenze
    Menschen in Berlin-Kreuzberg oder dem Hamburger Schanzenviertel wohnen unter sich – merken das aber nicht. Soziologin Cornelia Koppetsch im Gespräch über Innenstädte, die bald so homogen sind wie Reihenhaussiedlungen.
    Was bedeuten die hohen Mieten und Kaufpreise für die soziale Mischung in unseren Städten?
    Auch wenn dies kaum gewollt und den Beteiligten zumeist nicht bewusst ist: Die hohen Preise funktionieren wie eine hochgradig effektive Grenze.
    Was meinen Sie damit?
    In den begehrten und teuren Stadtteilen lassen sich Personen aus unteren Schichten zunehmend gar nicht mehr antreffen. Die Viertel werden kulturell und sozial immer homogener. Auf diese Weise wird von klein auf der Kontakt mit Menschen aus anderen sozialen Schichten unterbunden. So etwa haben Arbeiterkinder in den 1970er Jahren oftmals noch selbstverständlich mit den Lehrerkindern auf der Straße gespielt. Das wäre heute so kaum noch möglich: Zum einen, weil die Nachbarschaften zunehmend entmischt sind und zum anderen, weil die Lehrer ihre Kinder nicht mehr so gerne auf der Straße spielen lassen, sondern mit dem Auto zum Musikunterricht oder Ballett fahren.
    Die Innenstadt ist also bald so homogen wie eine Reihenhaussiedlung?
    Ja, diese Entwicklung hat ihre Wurzeln in den siebziger Jahren. Damals hat ein buntes, zumeist studentisches Alternativmilieu begonnen, damals noch sehr günstige und oft heruntergekommene Altbauquartiere als Lebensraum für sich zu entdecken. Dann haben sich ihre Bewohner im Zuge ihrer beruflichen Etablierung verbürgerlicht, weitere Akademiker und auch Familien sind nachgezogen, wodurch sich die ehemaligen Alternativquartiere oftmals zu Hochburgen gehobener Bürgerlichkeit herausgeputzt haben. Denn dort sind ja nicht nur die Mieten und Eigentumswohnungen teurer geworden, sondern auch die Restaurants, Bio-Supermärkte und das Sportangebot.
    Werden diese teuren Viertel heute auch bewusst gewählt, um sich abzuschotten?
    Einer aktuellen, von Marcel Helbig und Stefanie Jähnen am Wissenschaftszentrum Berlin durchgeführten Studie zufolge, zeigt sich diese Tendenz zur sozialen Entmischung vor allem bei Familien mit Kindern: Ist die Nachbarschaft zu durchmischt, neigen viele Mittelschichtseltern dazu, ihre Kinder auf private Grundschulen zu geben. Gibt es diese Option nicht, ziehen sie eher weg, in ein sozial bessergestelltes, homogeneres Viertel.
    Quelle: FAZ
  6. Das schmutzige Geschäft mit Lkw-Fahrern aus Osteuropa
    Pylnev, muskulös, kahlgeschoren und mit einem schüchternen Lächeln auf dem Jungsgesicht, ist ein moderner Wanderarbeiter. Er fährt für eine Spedition in Polen, aber dort ist er nicht im Einsatz. Zum Dienstantritt fährt er stattdessen mehr als 2000 Kilometer aus der Ukraine nach Deutschland, um dort den Lastzug von einem Kollegen zu übernehmen. Dieses Mal in München. Anschließend steuert er zwei Monate lang kreuz und quer durch Westeuropa, mindestens 10 000 Kilometer im Monat. Wohin er welche Ladung bringt, erfährt er von Tag zu Tag neu per SMS. Derzeit bringt er „irgendwas aus Glas“ nach Belgien. Vor dort kann es nach Italien gehen oder nach Schweden. „Ist mir auch egal“, sagt er. Seine Frau und seinen zehnjährigen Sohn sieht Pylnev nur alle drei Monate. „Das ist sehr hart”, gesteht er und wirft einen traurigen Blick auf das Foto neben den Armaturen. Aber der ukrainische Mindestlohn beträgt 100 Euro im Monat. „Hier kriege ich bis zu 1800 Euro“, sagt er, und das weitgehend steuerfrei und ohne Sozialabgaben. Die werden lediglich für den polnischen Mindestlohn von rund 500 Euro bezahlt. Dazu erhält er eine Pauschale von 50 Euro für jeden Arbeitstag, solange er unterwegs ist. Für seine Zeiten in der Heimat, für Krankheit und Altersvorsorge bekommt er dagegen fast nichts. Er hätte Anspruch darauf, so schreiben es die Gesetze der Länder vor, in denen er tätig ist. Aber das kümmert weder seinen Arbeitgeber noch die Behörden. „Und was soll ich schon machen?“, fragt er achselzuckend.
    So wie Pylnev leben Hunderttausende auf den Straßen Westeuropas. Ihre bis zu 500 PS starken Maschinen sind fast alle in Polen und anderen östlichen EU-Ländern registriert. Die Fahnen an ihren Frontscheiben verraten, dass die Fahrer selbst meist noch weiter im Osten zu Hause sind, in Weißrussland, der Ukraine, in Moldawien, Serbien und Kasachstan. Sie führen ein einsames Leben auf der Autobahn und sind zugleich das logistische Rückgrat der europäischen Ökonomie mit ihren Lieferketten über die Grenzen hinweg. Ohne sie würde kein Auto gebaut, blieben die Supermärkte leer und die Fabriken stünden still. Doch beim Umgang mit seinen motorisierten Lastenträgern zeigt sich Europa von seiner schlechtesten Seite.
    Quelle: Tagesspigel

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Bei der Ost-Erweitung der EU waren diese Folgen absehbar, bei diesem Wohlstandsgefälle. Die Erweitung der EU in Richtung Osten mit freiem Warenverkehr (neue Absatzgebiete), Kapital- und Arbeitskräfteverkehr wollte vor allem die Wirtschaft – mit willfähriger Unterstützung der Politik. Die Wirtschaft und einige (nicht alle) Politiker wussten genau, was das bedeutet. Das gemeine Volk wurde für dumm verkauft, die Erweiterung schmackhaft gemacht mit dem Argument von mehr Freizügigkeit beim Reisen durch den Wegfall von Grenzkontrollen.

    Wer das u. a. auszubaden hat, zeigt der Artikel auf. Diesen Beitrag sollten alle, die offene Grenzen wie eine heilige Monstranz vor sich tragen, sehr aufmerksam lesen.

  7. Klimarat fordert raschen Umbau der Weltwirtschaft
    Der Weltklimarat IPCC hat ein entschlossenes Handeln angemahnt, um die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Notwendig seien “schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen”, heißt es in einem Sonderbericht des IPCC, der im südkoreanischen Incheon veröffentlicht wurde. Sollte dieses 1,5-Grad-Ziel verfehlt werden, drohen den Wissenschaftlern zufolge dramatische Folgen für das Leben auf der Erde.
    In ihrem Bericht – eine der maßgeblichen wissenschaftlichen Grundlage für die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris – gehen die 91 Autorinnen und Autoren davon aus, dass bereits heute eine Erwärmung von etwa einem Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu verzeichnen ist – mit erheblichen Folgen wie häufigerem Extremwetter, steigendem Meeresspiegel und dem Verschwinden arktischen Meereises.
    Demnach könnte die 1,5-Grad-Marke bereits 2030 erreicht werden. “Die kommenden Jahre sind vermutlich die wichtigsten in der Menschheitsgeschichte”, warnte die IPCC-Wissenschaftlerin Debra Roberts.
    Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie ausführen, gibt es Zweifel daran, ob das einstige Ziel, die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad, noch ausreicht.
    “Jede weitere Erwärmung, besonders über 1,5 Grad hinaus, vergrößert die Gefahr lang anhaltender oder nicht mehr umkehrbarer Veränderungen wie etwa dem Verlust von Ökosystemen”, sagte der Kieler Klimaforscher Hans-Otto Pörtner, der an dem IPCC-Bericht mitgearbeitet hat. Pörtner und die anderen Autoren fordern deshalb ein radikales Umdenken, vor allem im Energiesektor, bei Verkehr und Landwirtschaft.
    Quelle: ZEIT
  8. Umweltpolitik findet in dieser Koalition nicht statt
    Ihr Ziel hatten sie schon erreicht, bevor sie aufbrachen. Ein Gericht hatte die Rodung des Hambacher Waldes gestoppt, dennoch zogen Zehntausende auf die Äcker am Tagebau. Denn denen, die sich da gewehrt haben und immer noch wehren, geht es um mehr als nur 100 Hektar Wald. Am Rande des Hambacher Forstes wird über das fossile Deutschland verhandelt, über seine Rolle im Kampf gegen die Erderhitzung, das größte Umweltproblem der Menschheit. Die Jüngeren kämpfen da mittlerweile schon für sich selbst, die Älteren für ihre Kinder und Enkel.
    Ein Menschheitsproblem? Aus der Bundesregierung hört man dazu wenig. Kürzlich war Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Den Haag zu Gast. Die Regierung dort, so musste sich der CDU-Mann anhören, wolle im Klimaschutz schneller werden, alle EU-Ziele anheben. Die Zeit sei reif für “Drastisches”. Altmaier entgegnete, man solle sich nur Ziele setzen, die sich auch erreichen lassen. Weniger Ambition geht kaum.
    Umweltpolitik findet in dieser Koalition nicht statt. In der Union hat der Wirtschaftsflügel das Sagen, in der SPD das Gewerkschaftslager. Die Schnittmenge aus beidem ist das Gegenteil von Umwelt- und Klimaschutz. Die Umweltministerin von der SPD merkt zwar zuweilen zu Recht an, dass es auf einem toten Planeten keine Jobs gebe. Ein Aufschrei ist aber von ihr nicht überliefert. Der Kanzlerin, die selbst mal Umweltministerin war, fehlt mittlerweile die Kraft, auch noch für mehr Klimaschutz zu kämpfen. Wie bei so vielen anderen Themen regiert auch hier die AfD längst mit: nur keinen mehr verprellen mit einer Politik, die zwar künftige Generationen schützt, dafür aber neue Unsicherheiten im Jetzt schafft. Mutlos ist die freundliche Beschreibung solcher Politik, verantwortungslos die treffendere.
    Denn in einer entscheidenden Phase der internationalen Klimapolitik fällt neben den USA nun auch Europas wichtigstes Industrieland als treibende Kraft aus. Viele EU-Partner wären zu mehr Klimaschutz bereit, neben den Niederlanden etwa Spanien, Portugal, Frankreich, Dänemark, sogar Italien. Doch bei Abstimmungen zu einer klimafreundlicheren Energiepolitik in der EU fand sich Deutschland zuletzt im Lager der Osteuropäer wieder. Die Idee des EU-Klimakommissars, das europäische Klimaziel anzuheben, fertigte die Kanzlerin kühl ab. Bei Autos dringt Berlin auf möglichst schwache Klimavorgaben, während andere das Ende des Verbrennungsmotors vorbereiten. Halb Europa will Tempo, Deutschland bremst.
    Quelle: SZ
  9. Wieso es keinen Rechtsruck gibt, aber die extreme Rechte trotzdem wächst
    Spätestens nach Chemnitz heißt es, Deutschland sei nach rechts gerückt. Doch das stimmt nicht. Warum sind extrem rechte Parteien trotzdem so stark?
    Es scheint ein Ruck durch Deutschland zu gehen. Und nicht nur durch Deutschland, nein, durch den ganzen Westen. Jedenfalls ist derzeit viel von einem Rechtsruck die Rede. Das Problem ist: Das Bild führt in die Irre, es verstellt den Blick auf das, was wirklich passiert. Wenn es im Flugzeug ruckelt, werden alle Passagiere durchgeschüttelt. Wenn man sich einen Ruck gibt, bewegt sich der ganze Körper. Rechtsruck, das klingt, als verrutsche eine ganze Gesellschaft.
    Das stimmt aber nicht.
    Die Wirklichkeit ist viel komplizierter.
    Eine neue Konfliktlinie durchzieht die westlichen Gesellschaften. Aber woher kommt sie und was macht sie aus?
    Um das zu verstehen, muss man die Fixierung auf den rechten Rand überwinden und für eine Weile dorthin schauen, wo die Welt nicht immer zorniger und brauner wird, sondern offener, bunter und grüner. Erst dann wird klar, warum Parteien wie die AfD zunehmend zu Massenparteien werden und warum in Chemnitz Tausende an der Seite von Neonazis demonstrierten.
    Aber zuerst muss man in die Vergangenheit blicken.
    Quelle: Jonas Schaible auf t-online

    Anmerkung unserer Leserin C.L.: Mal ein ganz anderer Erklärungsansatz als der von wirtschaftlicher Abgehängtheit. Nachdenkenswert.

  10. Angriff von rechts
    Wer wissen will, was auf Deutschland zukommen würde, wenn die AfD an die Macht käme, der muss nur nach Österreich blicken. Dort steht ihre Schwester, die Freiheitliche Partei (FPÖ), seit zehn Monaten in Regierungsverantwortung und ist voll am Werk.
    Zunehmend eng wird es auch für Gewerkschafter. Die Freiheitlichen haben in ihren Reihen nie wirklich Fuß fassen können. Also versuchen sie, ihnen zuzusetzen, wo sie nur können. Und dazu gibt es viele Möglichkeiten in einem Land, in dem Sozialpartnerschaft bisher groß geschrieben worden ist.
    Zunächst ist es jedoch nötig, diesen Widerspruch zu betonen: Die FPÖ gibt sich gerne als die “Partei des kleinen Mannes”. Durchaus erfolgreich. Bei den jüngsten Parlamentswahlen kam sie bei Arbeitern auf 59 Prozent. Die Sozialdemokraten mussten sich mit 19 Prozent begnügen. Allerdings sind die Freiheitlichen vor allem deshalb erfolgreich, weil Ängste gegenüber Migranten und Emotionen gegenüber dem “Establishment” schüren, zu dem sie Journalisten und “Funktionäre” und ausdrücklich auch Arbeitnehmervertreter zählen. In der Regierung liefert sie nun die Taten zu alledem und schwächt die Gewerkschafter so sehr, dass in immer mehr Bereichen ausgerechnet dem “kleinen Mann” (und der “kleinen Frau”) eine wichtige Lobby abhandenkommt. So viel zum Widerspruch.
    Protest gegen die FPÖ mit Schildern, auf denen steht: Omas gegen rechts.
    Jetzt zur Ausführung. Der Bundeskongress des Gewerkschaftsbundes (ÖGB) war am 14. Juni 2018 kaum zu Ende, da präsentierten die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ eine Initiative zur Arbeitszeitflexibilisierung, die Widerstand auslösen musste: Vorausgegangen war diesem Schritt keine Verhandlungsrunde, wie sie in solchen Fällen in der Vergangenheit immer selbstverständlich gewesen war. Ja, es gab nicht einmal ein inszeniertes Bemühen um eine Zustimmung aller Sozialpartner. Man ignorierte die Arbeitnehmervertreter ganz einfach.
    Quelle: Gegenblende
  11. Bürgerrechtler bringen bayerisches Polizeigesetz vors Bundesverfassungsgericht
    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und das Bündnis “NoPAG” klagen gemeinsam in Karlsruhe gegen die jüngste Reform des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Die beiden Gruppierungen kündigten am Freitag in München an, die Beschwerde am Samstag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.
    Der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer argumentierte, dass das Gesetz “hochproblematische Einzelmaßnahmen” erlaube wie “den Einsatz von Explosivmitteln zur Gefahrenabwehr oder von Staatstrojanern zu Überwachungszwecken”. Zudem verstoße das PAG auch gegen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze.
    Unter den zehn Beschwerdeführern sind neben mehreren Rechtsanwälten viele Vertreter aus der Zivilgesellschaft. Sie wehren sich mit ihrer Klage vor allem dagegen, dass die bayerische Polizei nun schon bei einer nur “drohenden Gefahr” präventiv massiv eingreifen kann. So dürften Ermittler etwa Personen außerhalb ihrer Wohnungen durch V-Leute oder Drohnen überwachen lassen, Bildaufnahmen anfertigen und sich heimlich Zugriff auf technische Geräte wie Smartphones und Computer im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie noch weitergehender heimlicher Online-Durchsuchungen verschaffen. Es müssten keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den Betroffenen “überhaupt irgendetwas droht”.
    Durch das neue, im Mai mit der Mehrheit der CSU im bayerischen Landtag beschlossene Gesetz könne die Polizei wie ein Geheimdienst agieren, moniert Frederick Heussner von der NoPAG-Allianz, der über 80 Organisationen sowie Parteien angehören. Zu befürchten seien tiefe Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen. Diese könnten sich dagegen kaum wehren, da sie in der Regel nichts davon erführen.
    Quelle: heise online

    Anmerkung JK: Was an dieser Thematik noch delikat werden könnte ist die immer wahrscheinlicher werdende schwarz-grüne Koalition in Bayern und die Position der Grünen zum PAG. Noch lehnen die Grünen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz vehement ab – noch.

  12. Liberale Muslime weltweit sind von Linken in Europa enttäuscht
    Eine der größten Errungenschaften der Aufklärung ist die Religionskritik, schreibt Schirmbeck und erinnert daran, dass Linke – und mit Linke meint er nicht nur die Partei „Die Linke“, sondern auch Grüne und SPD – vehement die christlichen Kirchen kritisierten, die in Deutschland noch bis vor ein paar Jahrzehnten diktierten, wie die Menschen zu leben hatten. Sie machten sich – besonders seit 1968 – religionskritische Merksätze zu Eigen. Etwa: „Religion ist Opium für das Volk“. So wollten sie Kirche und Religion demontierten.
    „Die Kritik an Dogmen, das war doch mal, das gehörte sozusagen zum Eingemachten der Linken, überlegen Sie, Ströbele, als der Papst kam, ist er rausgegangen aus dem Bundestag, Christentumskritik gehörte immer bei den Linken und bei den Grünen dazu. Sobald das Wort ‚Islam‘ fällt, hört das auf.“
    Keine Kritik am Frauenbild im Islam, am Umgang mit Homosexualität, keine Auseinandersetzung mit muslimischen Parallelgesellschaften oder der Gewaltfrage. Im Gegenteil, die Linken hofieren konservative Islamvertreter, so Schirmbecks Vorwurf. Reaktionäre Islamströmungen könnten sich so in Deutschland immer weiter verfestigen und ausbreiten.
    „Insgesamt kann man sagen – und das erlebe ich nun seit meiner Rückkehr aus Nordafrika, nach diesen zehn Jahren, und ich reise ja auch immer wieder dorthin, gibt es überhaupt keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Frage des Islam. Ich habe das erlebt seit 2001, seit 9/11, gibt es zwei Worte: Die Verbände sagen ‚islamophob‘, wenn man kritische Fragen stellt, und die Grünen und Linken sagen ‚Rassismus‘. Damit ist die Diskussion gekillt.“
    Quelle: Deutschlandfunk
  13. Wir haben mittlerweile ein Klima der Denunziation
    Seit einem Jahr berichten Frauen unter dem Hashtag #MeToo von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt. Durch die Initiative werde Gewalt gegen Frauen viel stärker thematisiert, sagte die Philosophin Svenja Flaßpöhler im Dlf. Die Debatte habe aber auch eine extreme Schlagseite.
    Katja Lückert: Svenja Flasspöhler, heute am Tag, an dem sich die MeToo-Bewegung zum ersten Mal jährt, wurden auch die Friedensnobelpreise bekannt gegeben. Und sie gehen in diesem Jahr an zwei Menschen, die sich gegen Gewalt gegen Frauen richten, nämlich den kongolesischen Gynäkologen Denis Mukwege und die Jesidin Nadia Murad. Besteht für Sie da ein Zusammenhang, haben Sie das Gefühl, Gewalt gegen Frauen ist im allgemeinen Diskurs stärker zum Thema geworden – obwohl wir doch deutliche Unterscheidungen machen müssen zwischen sexueller Gewalt, die im Kriegsfalle eingesetzt – und sexueller Gewalt in relativ friedlichen Gesellschaften des Westens?
    Svenja Flaßpöhler: Zunächst einmal ist es natürlich vollkommen richtig beobachtet, dass unsere Aufmerksamkeitsschwelle enorm gesunken ist. Das heißt, wir nehmen viel mehr wahr. Wir sehen viel mehr Gewalt gegen Frauen. Wir thematisieren die Gewalt gegen Frauen viel, viel stärker. Das wird klar an so prominenten Beispielen wie Cristiano Ronaldo, gegen den es jetzt Vergewaltigungsvorwürfe gibt. Natürlich aber auch der Supreme Court-Kandidat Brett Kavanaugh, der in der Diskussion steht. Das heißt, wir reden eigentlich gerade ständig über Gewalt gegen Frauen.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung JK: Die Linksliberalen haben offenbar ihren Gramsci gut gelesen. Es geht bei #Metoo auch um die Durchsetzung der kulturellen Hegemonie des links-bürgerlichen Milieus. Die Problematik liegt, wie im obigen Beitrag erwähnt, darin, dass wer einmal durch #MeToo öffentlich an den Pranger gestellt wurde, faktisch beruflich und sozial erledigt und in seiner Existenz massiv bedroht ist und zwar völlig unbenommen davon ob die Vorwürfe einer juristischen Überprüfung standhalten oder nicht.

    Dabei geht es nicht darum sexuelle Gewalt gegen Frauen zu verharmlosen. Es ist aber offensichtlich, dass #Metoo von privilegierten weißen, akademisch gebildeten Frauen der oberen Mittelschicht ins Leben gerufen und weiter vorangetrieben wird. Die Frauen, die in ihrem Alltag dagegen massiver sexueller Repression ausgesetzt sind, Frauen aus der Arbeiterklasse aus den weniger gebildeten und in prekären Verhältnissen lebenden Schichten, kommen dabei überhaupt nicht zu Wort.

    Dazu: “So kann man eine Person kaputt machen”
    Der größte #MeToo-Skandal in Schweden entzündete sich an dem renommierten Theatermacher Benny Fredriksson. Nach ungerechtfertigten Vorwürfen brachte er sich um. Seine Frau, die Opernsängerin Anne Sofie von Otter, äußert sich hier zum ersten Mal über die Tragödie.
    Quelle: ZEIT

  14. Der wüste Sohn
    Angela Merkel preist Saudi-Arabien gern als Stabilitätsanker im Nahen Osten. Nicht erst das Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi zeigt, dass dieses Bild überholt ist. Schuld daran trägt Kronprinz Mohammed bin Salman.
    Irgendetwas Schlimmes muss Jamal Khashoggi zugestoßen sein. Vor sechs Tagen, am Dienstagmittag um 13.30 Uhr, hatte der Publizist einen Termin im Istanbuler Konsulat seines Heimatlandes Saudi-Arabien. Seither gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Türkische Regierungskreise beschuldigen das Königreich, Khashoggi umgebracht zu haben. Ermittler wollen herausgefunden haben, dass ein Team von 15 Agenten nach Istanbul gereist sei, den Journalisten im Konsulat ermordet und dann außer Landes gebracht habe.
    Saudi-Arabien weist diesen Vorwurf zurück – bleibt aber bislang eine überzeugende Erklärung dafür schuldig, was mit Khashoggi passiert ist. Das Herrscherhaus behauptet, er habe das Konsulat nach kurzer Zeit verlassen. Einen Beleg dafür liefert Riad nicht. Die Überwachungskameras, die den Ein- und Ausgang des Konsulats filmten, seien am Dienstag leider ausgefallen. Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz bestreitet kategorisch, dass er das Gebäude am vergangenen Dienstag verließ. Sie habe bis nach Mitternacht vergebens auf den Mann gewartet, den sie am nächsten Tag heiraten wollte.
    Quelle: SPON
  15. Bloß nicht Köln-Buchheim
    Bildung Lehrermangel, welcher Lehrermangel? Bürgerliche Schulen sind bei Pädagoginnen beliebt.
    Gregor Stiels leitet die Grundschule „An St. Theresia“ in Köln-Buchheim, einem Brennpunkt auf der rechten Rheinseite. Rund 200 Kinder aus 40 Nationen kommen jeden Morgen in den Unterricht. Als vor eineinhalb Jahren eine Sonderpädagogin schwanger wurde, musste Stiels eine Studentin anheuern, die neben der Uni lehrt. Eine Fachkraft war einfach nicht zu bekommen. Zu diesem Schuljahr schrieb Stiels zwei Lehrerstellen aus. Einmal bekam er drei Bewerbungen, das andere Mal gar keine. „Es ist verrückt“, sagt der Rektor. „Vor drei Jahren hätten wir noch 90 Zuschriften pro Stelle bekommen und eine echte Bestenauslese für unsere Schülerinnen und Schüler vornehmen können. Jetzt ist das unmöglich.“
    So wie Gregor Stiels geht es derzeit vielen Schulleitern. Lehrkräfte werden rar im Land. Die Bertelsmann-Stiftung hat vor einigen Monaten ausgerechnet, dass 60.000 Grundschullehrerinnen bis 2025 in den Ruhestand gehen und ersetzt werden müssen. Weitere 26.000 Pädagogen würden benötigt, um die steigenden Schülerzahlen aufzufangen, 19.000 zusätzliche Kräfte bräuchte es allein für den Ausbau der Ganztagsbetreuung – insgesamt also mehr als 100.000. Die Universitäten dürften im selben Zeitraum aber nur 70.000 Lehramtsstudierende verlassen. Was Schulen derzeit erleben, sind dabei nur die Vorwehen eines Bildungsnotstandes: Den richtig großen Mangel erwarten die Bertelsmann-Forschenden erst in zwei Jahren. …
    Quelle: Freitag
  16. Hitler, feministisch gelesen
    Drei Forschern ist ein böser Streich gelungen: Sie haben Teile der linken “Gender Studies”-Szene mit grotesken Fälschungen blamiert. Nun werden sie als Rechte geschmäht – dabei geht es um etwas ganz anderes.
    Der seltsamste der Artikel, die Helen Pluckrose und ihre Komplizen veröffentlichen konnten, ist der mit den Hunden.
    Darin behauptet die – fiktive – Autorin, sie habe in einem Park in Portland, Oregon, die Genitalien von knapp 10.000 Hunden inspiziert und die Herr- und Frauchen dabei über deren sexuelle Orientierung und Präferenzen befragt. Das wiederum soll irgendetwas mit “queerer Perfomativität” zu tun haben. In dem Text wird vorgeschlagen, Männer wie Hunde zu trainieren, damit sie nicht zu Vergewaltigern würden.
    Helen Pluckrose, James A. Lindsay und Peter Boghossian, drei Wissenschaftler mit einer Mission, haben binnen eines guten Jahres 20 derartige Texte produziert, nach den Regeln und mit dem Literaturkanon der jeweiligen Fachrichtungen. Unter falschen oder geborgten Namen reichten sie die Artikel bei Fachzeitschriften ein. Bevor der Prozess abgeschlossen war, flogen sie auf – doch diverse Artikel waren schon erschienen, andere angenommen, weitere steckten im Überarbeitungsprozess. Nun kann man die grotesken “Forschungsarbeiten” online nachlesen – samt zum Teil sehr befremdlichen Kommentaren von Gutachtern. ….
    Einer der nun akzeptierten Artikel enthält die These, dass es sinnvoll sei, dem Bodybuilding eine Ergänzung namens “Fat Body Building” an die Seite zu stellen. Aktives und stolzes Arbeiten am eigenen Übergewicht müsse als legitimer Sport akzeptiert werden.
    Ein anderer Artikel bestand aus umgeschriebenen und mit aktuellem kulturwissenschaftlichen Jargon angereicherten Passagen aus “Mein Kampf”. Einer warb für die Ermächtigung einer “feministischen künstlichen Intelligenz” mit absichtlich irrationalen Aspekten. Einer enthielt den Vorschlag, “Privilegierte”, also weiße Männer, in universitären Lehrveranstaltungen zum Schweigen zu verpflichten und sie zu zwingen, in Ketten auf dem Boden zu sitzen. Ein anonymer Gutachter bescheinigte diesem Artikel, er werde “nach einer Überarbeitung einen starken Beitrag zu der wachsenden Literatur über epistemische Ungerechtigkeit im Unterricht leisten”. ….
    In der kultur- und geisteswissenschaftlichen Szene in den USA hat der aufwendige Streich einen Skandal ausgelöst. Die Herausgeber der vorgeführten Zeitschriften sind beleidigt, manche feministischen Wissenschaftlerinnen nennen die Aktion “einen koordinierten Angriff von rechts”.
    Quelle: SPON

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