AfD-Spendenskandal? Das ist nur die Spitze des Eisbergs!

Jens Berger
Ein Artikel von:

Alice Weidels AfD-Kreisverband soll zwei Großspenden von anonymen Spendern aus der Schweiz und Belgien bekommen haben. Es geht um 280.000 Euro, von denen jedoch nach Medienangaben 274.000 Euro zurückgezahlt wurden. Von den verbleibenden 6.000 Euro kann man sich bei CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen übrigens als „Sponsor“ gerade mal 20qm Stellfläche auf dem Parteitag mieten – auch dies mitten im rechtlichen Graubereich der Parteifinanzierung, der keinesfalls nur die AfD betrifft. Deren rechtliche Probleme mit womöglich illegalen Finanzgeschäften gehen jedoch weit über den aktuellen Fall hinaus – seit 2016 ist eine zweistellige Millionensumme im Raum, die über eine Schweizer PR-Agentur und einen Briefkastenverein an sämtlichen Gesetzen vorbei für den Wahlkampf der AfD geflossen sein soll. Im Unterschied zu Weidels eindeutig illegalen „Schweizer Petitessen“ ist von diesen Zuwendungen jedoch nicht viel zu lesen. Von Jens Berger.

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Ein Grundsatz des Parteiengesetzes besagt, dass Parteispenden aus dem Nicht-EU-Ausland illegal sind, wenn sie die Höhe von 1.000 Euro übersteigen und nicht von einem EU-Bürger oder einem Unternehmen stammen, das zu mehr als 50% in deutscher oder EU-Hand ist. Ein zweiter Grundsatz besagt, dass anonyme Spenden, sowie Spenden, die erkennbar im Namen Dritter weitergeleitet wurden, ebenfalls illegal sind, wenn sie die Summe von 500 Euro übersteigen. Diese beiden Grundsätze, die jedem Schatzmeister einer Partei bekannt sein müssen, reichen eigentlich bereits aus, um die Schweizer Spende an Alice Weidel klar und eindeutig als illegal einzuordnen. Sie kam aus dem Nicht-EU-Ausland, von einem Nicht-EU-Unternehmen, das offen angibt, die Summe für einen anonymen Dritten weitergeleitet zu haben. Und es geht um eine Summe i.H.v. 130.000 Euro, die deutlich über allen relevanten Freibeträgen liegt. Auch die zweite Großspende über 150.000 Euro aus Belgien war erkennbar illegal, da sie – obgleich aus dem EU-Ausland – von einem anonymen Spender kam. Auch wenn die AfD den Großteil des Geldes – wenn auch viel zu spät – zurückgezahlt hat, stellt die Verwendung der 6.000 Euro aus der Schweizer Spende aus dem April 2017 einen klaren Verstoß gegen das Parteiengesetz dar.

An der Stelle muss jedoch – AfD hin, AfD her – die Frage gestellt sein, ob die mediale Aufgeregtheit bei der fraglichen Summe von 6.000 Euro in einem vernünftigen Verhältnis steht. Zumal gerade die AfD im Zentrum eines noch laufenden Spendenskandals steckt, der die Spenden an Alice Weidel deutlich in den Schatten stellt. Seit 2016 sind über den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ offenbar mehr als zehn Millionen Euro für die Unterstützung des AfD-Wahlkampfs geflossen.


Plakat zur Landtagswahl 2017 in NRW, finanziert vom „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“

Dieses Geld floss zum Beispiel in Großplakate, die mit AfD-Motiven zur Wahl der AfD aufrufen, aber nicht von der AfD, sondern von eben jenem dubiosen Verein finanziert wurden, der auf eine Briefkastenadresse in Stuttgart verweist. Weitere Gelder dieses Vereins flossen in das „Extrablatt“, das vor den Landtagswahlen in Millionenauflage verteilt wurde, zur Wahl der AfD aufrief, aber eben nicht direkt von der AfD finanziert wurde. So liefen große Teile des AfD-Wahlkampfs nicht über die Konten der Partei, sondern über einen dubiosen Briefkasten-Verein, der nach außen offenbar von der Schweizer PR-Agentur Goal vertreten wird und der wahrscheinlich nur eine Vorfeldorganisation der Goal AG ist. Goal ist eine Art Spinne im PR-Netz der rechten Parteien im deutschsprachigen Raum und wird vom deutschen PR-Berater Alexander Segert geführt, der in der Schweiz auch als Lokalpolitiker für die „Blocher-Partei“ SVP tätig ist.


„Extrablatt“ zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016, finanziert vom „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“

Wer finanziell hinter diesen Kampagnen steht, ist jedoch unbekannt. Aus dem Schweizer Dachverband der PR-Firmen wurde Goal bereits ausgeschlossen, da die Agentur sich weigert, die Transparenzregeln einzuhalten. Im baden-württembergischen Wahlkampf 2016 betreute Goal auch die Website des AfD-Vorstands und Spitzenkandidaten Jörg Meuthen, für den Goal auch Anzeigen und Großplakate finanzierte. Wer diese Projekte finanziert hat, ist ebenfalls unbekannt. Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass über die Schweizer Goal AG illegale Parteispenden für die AfD eingesetzt wurden. Denn auch wenn es eine ideologische Nähe zwischen Meuthen und Goal-Besitzer Segert geben mag – es ist kaum anzunehmen, dass Segert den Wahlkampf Meuthens aus seiner eigenen Tasche finanziert hat. Woher kam also das Geld? Woher kamen die mehr als zehn Millionen, die vom „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ über die Schweizer Goal AG für den AfD-Wahlkampf ausgegeben wurden?

Anzeige der Goal AG für Jörg Meuthen. Quelle: Frontal 21 vom 29.8.2017

Die AfD hat ein massives Problem mit ihrer „Swiss-Connection“ – das betrifft aber nicht unbedingt Alice Weidel, sondern geht bis tief ins Zentrum der Partei, die dubiose und intransparente Gelder aus der Schweiz in allen Landtagswahlkämpfen seit 2016 und im Bundestagswahlkampf eingesetzt hat. Die Spende an Weidel war so dilettantisch und offensichtlich illegal, dass sie wahrscheinlich tatsächlich von einem ihrer Schweizer Gesinnungsgenossen kam – immerhin hat sie als ehemalige Goldman-Sachs-Bankerin und Mitglied der Hayek-Gesellschaft sicher beste Verbindungen zu wohlhabenden Gönnern, die sich für die gesetzlichen Regulierungen bei Parteispenden nicht sonderlich interessieren.

Die Affäre um den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ und die Schweizer Goal AG ist jedoch eine ganz andere Liga. Hier geht es um Summen, die eher an die große CDU-Spendenaffäre der 1990er oder die Flick-Affäre der 1980er erinnern. Die Bundestagsverwaltung weiß übrigens seit 2016 von diesen Unregelmäßigkeiten und ermittelt seitdem auch gegen die AfD. Im Extremfall wäre es sogar möglich, dass die „Swiss-Connection“ der AfD schon bald das Genick bricht – denn die in solchen Fällen üblichen Strafen wird die AfD auf legale Art und Weise kaum aufbringen können. Hätte die Goal AG ihren Sitz nicht im beschaulichen Andelfingen, sondern in Moskau, wäre die ganze Affäre sicher schon Gegenstand zahlreicher Brennpunkte und Sondersendungen.

P.s.: Auf jeden Fall hat die Spendenaffäre von Alice Weidel heute schon eine wunderbare Perle des Journalismus zutage gebracht. SPON titelt nämlich wortwörtlich und frei jeder erkennbaren Ironie …

Nach dem Bekanntwerden der Überweisung aus Belgien fordert die FDP nun, dass Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble das Finanzgebaren der AfD insgesamt überprüfen lässt.

Na, da ist die Sache ja in guten Händen. Ob Schäuble der FDP die Ergebnisse in einem Aktenkoffer oder bei einer Tasse Mövenpick-Kaffee überreichen wird, war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt ;-)

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