Unternehmer von Haftung befreien, die Politik retten? Werner Rügemer zum künftigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes.

Werner Rügemer
Ein Artikel von Werner Rügemer

In diesen Tagen muss man den Eindruck gewinnen, dass einem nichts erspart bleibt: Mit Merz als potentiellem Bundeskanzler ein Anhängsel von US- und NATO-Interessen; mit der Alternative Kramp-Karrenbauer auch nichts besseres, wie gestern Abend bei Anne Will sichtbar wurde. Und schon auf dem Weg ist mit dem zum stellvertretenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählten Stephan Harbarth ein einschmiegsamer Vertreter der Wirtschaft. Dazu Werner Rügemer. Albrecht Müller.

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Stephan Harbarth (CDU): Der zukünftige Präsident des Bundesverfassungs-Gerichts und seine Unternehmer-Kanzlei Schilling Zutt & Anschütz SZA

Am 22. und 23. November 2018 wählten Bundestag und Bundesrat den CDU-Abgeordneten Stephan Harbarth zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungs-Gerichts. Dazu hatten sich die Fraktionen der regierenden CDU und SPD auch mit der FDP und den Grünen zu der nötigen Zweidrittel-Mehrheit geeinigt. Harbarth soll 2020 dann auch Präsident des obersten deutschen Gerichtes werden. Es gab schon viele politisch „konservative“, reaktionäre oberste Bundesverfassungs-Richter, aber noch keinen, der so direkt aus der Welt der größten Unternehmen kam. Blackrock & Merz lassen grüßen.

Der unscheinbare katholische Aufsteiger

Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Harbarth ist ein unbekannter, ja unauffälliger Politiker, jedenfalls für die breite Öffentlichkeit. Er inszeniert sich auf seiner website als biederer Familienvater, katholisch verheiratet, drei Kinder. Heimatverbunden wohne er „im schönen Kraichgau“, teilt der immer bescheiden Lächelnde mit. Das Handelsblatt bescheinigt ihm liebevoll, „ein besonnener Typ“ zu sein, mit angenehmer, unauffälliger, aber immer korrekter Erscheinung. „Er ist schmal, trägt in Berlin stets dunkle Anzüge mit Krawatte und Einstecktuch, und sein Haar liegt wie eine silberne Haube auf seinem Kopf.“ Das Unternehmerblatt berichtet über weitere Eigenschaften: „Bei aller Zurückhaltung zeigt er immer inhaltliche Stärke und Führungskraft.“ Zudem sei er „im guten altmodischen Sinne höflich und nobel.“

Als 22-Jähriger hatte der unscheinbare, aber prinzipienfeste Katholik begonnen, sich in der CDU hochzuarbeiten, von den Vorständen des Wahlkreises Rhein-Neckar über die CDU Nordbaden, über die CDU Baden-Württemberg, bis er zum stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und zum Mitglied im CDU-Bundesvorstand aufstieg, immer geräuschlos und effektiv. Auch gegen die Ehe für alle sprach er sich gottesfürchtig aus, wie sein seelenverwandter Ex-Kollege Friedrich Merz. Schon früh auf dieser christlich lackierten Spur muss der unauffällige Aufstreber dem Privatkapital und seinen medialen Laut-Sprechern aufgefallen sein.

Nummer 3 der Top-Hauptverdiener im Bundestag

So gehört der immer nach Handelsblatt-Vorschriften korrekt Business-Bekleidete mit dem dezenten Einstecktuch im grauen Anzug zu den vier Top-Nebenverdienern unter den 630 Abgeordneten. Nach der im doppelten Sinn großzügigen Regelung für die Veröffentlichung von beruflichen und unternehmerischen Neben- bzw. Haupteinkünften rangiert Harbarth in der obersten Kategorie 10: Sie besagt aber lediglich, dass der und die Betreffende mindestens 250.000 Euro verdient, jährlich, neben seinen kleinen Abgeordnetendiäten. Die Skala der Kategorie 10 ist nach oben offen: Das können Millionen sein.

Die Nebeneinkünfte dieses Abgeordneten sind seine Haupteinkünfte. Die nach oben offene Bereicherungs-Skala soll bei Harbarth um etwa eine Million Euro pendeln, wie einschlägige Kenner vorsichtig vermuten. Er ist seit 2006 Partner, also Miteigentümer, der Unternehmerkanzlei Schilling Zutt & Anschütz SZA.

Damit ist er an den jährlichen Gewinnausschüttungen beteiligt. Er ist auch noch Geschäftsführer der Kanzlei. Und er ist noch Mitglied im Vorstand der Kanzlei, denn die ist als Aktiengesellschaft organisiert, und der Vorstand wird auch entlohnt. Und vor allem: Der unternehmerische Anwalts-Abgeordnete übernimmt Mandate für große Unternehmen und wird dafür noch etwas mehr honoriert. Und weil der skandallose Neben- und Hauptverdiener das alles schon länger macht, hat er daneben, wie Ex-Kollege Merz, noch Einkommen aus Vermögen: Das muss er aber nach den barmherzigen Publizitätspflichten des Deutschen Bundestages nicht als Nebeneinkünfte angeben.

Unternehmer-Recht als Markt-Ware

Seine Kanzlei SZA mit 65 Anwälten, davon 20 Partnern wie Harbarth selbst, ist als Aktiengesellschaft organisiert, nach US-Vorbild also eine law firm. Zeitweise war SZA Teil der US-Großkanzlei Shearman & Stirling, die u.a. die Besetzung internationaler privater Schiedsgerichte dominiert. 2008 machte sich SZA als eigene Aktiengesellschaft wieder selbständig.

Rechtliche Vertretung ist hier eine Ware wie eine andere, allerdings eine besonders hochwertige. Es geht nicht um Recht im Sinne von Gerechtigkeit, nicht um Gleichheit aller Bürger und Bürgerinnen vor dem Gesetz. Vielmehr verkauft SZA das Recht-Bekommen als möglichst teure Ware, die einen möglichst hohen Gewinn bringen soll, für die Kanzlei selbst, etwa für Anwalt und Vorstandsmitglied Harbarth und auch für die Mandanten.

Diese Ware „Recht für Unternehmer“ verkauft SZA an eine kleine, immer radikalere Minderheit der Gesellschaft, an Unternehmen, und zwar an möglichst große und gewinnträchtige Unternehmen. Und SZA hat ausschließlich private Unternehmen als Mandanten.

So beriet seit den 1950er Jahren der Mitgründer und Namensgeber Wolfgang Schilling etwa Friedrich Flick, Ciba Geigy, die Deutsche Bank und Daimler-Benz. Über den CDU-Wirtschaftsrat bekam die Kanzlei Mandate der Treuhand für die staatlich hochsubventionierte Privatisierung der DDR-Betriebe. Im Jahre 2012 gehörten 12 der 30 DAX-Konzerne gleichzeitig zur Kundschaft der Kanzlei. Sie beriet auch etwa Daimler bei der Milliarden-Übernahme von Chrysler.

Davon bekommt Miteigentümer, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Harbarth auch einiges ab. Zum Beispiel auch noch Mandate für den Auto- und Finanzkonzern Daimler, den Versicherungs-, Wertpapierhandels- und Immobilienkonzern Allianz sowie die Pharmakonzerne Sanofi-Aventis und Merck – alles Harbarths Mandate für Milliardendeals. Weiter auf der Liste der Harbarth-Mandate, die er über SZA bekam und bekommt: Südzucker, Springer Science, Perfect Vision, Woellner-Gruppe, MVV Energie, Gruner & Jahr, Klett, Crop Energies, Kuka… Da ging und geht es um Fusionen und Übernahmen, Verkauf von Unternehmensteilen, Joint Ventures und Platzierung von Anleihe-Paketen.

Nach dem Abgas-Betrug: SZA vertritt VW

Auf der website exponiert die Kanzlei ihr inniges Verhältnis zu ihrer Mandantschaft, die jetzige und die zukünftige. Einige der anbiedernden Werbeslogans lauten: „Zu uns kommen Konzerne“ – „constantly involved in high value deals“ (ständig befasst mit Hochwert-Deals) – „Größe kann ein Problem sein. Aber nur wenn man vorher nicht bei uns war“.

Ein besonders großer Mandant, bei dem es um zweistellige Milliardenbeträge geht, ist der VW-Konzern. Seit dem Bekanntwerden seiner systemischen Abgas-Betrügereien lässt er sich von SZA vertreten, nachdem „ein Problem“ aufgetaucht war. In diesem Fall hat nicht Harbarth das Mandat übernommen, sondern ein Kollege.

Deshalb konnte der noble und entscheidungsstarke Harbarth in seiner anderen Rolle als Abgeordneter im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz – hier ist Harbarth Obmann der CDU-Fraktion – ganz unparteiisch und unschuldig dafür eintreten, dass ein für VW unangenehmes Thema von der Tagesordnung gestrichen wurde, mit Harbarths Stimme. Der Tagesordnungspunkt lautete: „Verbraucherrechtliche Auswirkungen, zivilrechtliche Ansprüche und rechtliche Konsequenzen des aktuellen VW-Skandals“. Nicht Schutz von geschädigten Verbrauchern ist Harbarths multi-tasking-Anliegen, sondern Schutz von Unternehmern, und seien sie kriminell.

Wenn Unternehmer nicht einmal einen Bierdeckel brauchen: Steuer-“Gestaltung“ für Unternehmer

Zu den für Kanzlei wie Mandanten einschlägigen Maßnahmen der Gewinnsteigerung gehört die Steuerhinterziehung, pardon: Steuer-“Gestaltung“. Der dafür werbende Slogan auf der SZA-webite lautet: „Steuerrecht gleicht einem Dschungel. Wir führen Sie kompetent hindurch“.

Hier ist der Bierdeckel des seelenverwandten Unternehmer-Anwalts und Ex-Abgeordneten Merz noch nicht angekommen, wird auch nie ankommen. Die optimale Lösung besteht ja darin, dass man nicht einmal einen Bierdeckel braucht – wenn man nämlich gar keine Steuererklärung abgibt. Für abhängig Beschäftigte ist das schwer, für Unternehmer aber umso leichter.

Denn die einschlägigen Wirtschafts“prüfer“, Unternehmensberater und Wirtschaftskanzleien gestalten ja selbst den Steuer-Dschungel weltweit in vier Dutzend Finanzoasen zwischen Delaware, Luxemburg und Singapur immer dichter. Deshalb ist die kompetente Führung durch den selbst mitgeschaffenen Dschungel ein schöner Geschäftsbereich. Auch für SZA. Zu den Mandanten, mit denen die Kanzlei hier wirbt, gehört etwa auch die Uniwheels Holding mit Sitz in der Finanzoase Malta.

SZA: Steuerhilfe für Brexit-Flüchtlinge

Gegenwärtig schafft zum Beispiel der Brexit gute Möglichkeiten für Steuer“gestaltung“ im Steuer-Dschungel. Auf der website informiert uns SZA, dass in der Vergangenheit 8.000 bis 10.000 Unternehmen in Deutschland sich die britische Unternehmens-Rechtsform einer UK-Limited oder Limited & Co KG bei den einschlägigen Beratern gekauft haben. Die war von britischen Anwälten für Unternehmen auf dem EU-Kontinent angeboten und von deutschen Anwälten vermittelt worden. Übrigens: Das nutzten solche aufstrebenden Unternehmer wie Eric Schweitzer, heute Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK): Als er sein Müll-Unternehmen ALBA mit dem Müll-Unternehmen Interseroh fusionierte (das von der Wirtschaftskanzlei Mayer Brown beraten wurde und dessen Anwalt Merz in den Aufsichtsrat aufnahm), gründete Schweitzer in London unter anderen die beiden Briefkastenfirmen Alpsee Limited und Eibsee Limited, um in ihnen seine 50.000 Aktien zu verstecken, gerecht aufgeteilt auf jeweils 25.000.

In eine solche Firma musste keine noch so kleine Haftungssumme von 25.000 Euro wie in eine deutsche GmbH eingezahlt werden. Darüber hinaus ist eine UK-Limited „ein kostengünstiger und zuverlässiger Schutz vor persönlicher Haftung“, bestätigt SZA. Diese vorteilhafte Lösung der rechtlich abgesicherten Verantwortungslosigkeit sei mit dem Brexit allerdings vorbei: Diese Rechtsform wird dann in Deutschland nicht mehr anerkannt. Was tun?

SZA weiß Rat. Nun müssten diese 8.000 bis 10.000 Unternehmen eben umgegründet werden. Aber, leider, bringen die deutschen Rechtsformen „erhebliche Haftungsrisiken und steuerliche Belastungen“ mit sich, so SZA. Aber es bleibe noch eine Übergangszeit. Die Kanzlei helfe bei der Konstruktion „haftungsbeschränkter Rechtsformen“ auch in Deutschland, zum Beispiel mithilfe der Verschmelzung einer UG & Co KG mit einer GmbH. Zudem gehört zur Kanzlei schon länger die Praxisgruppe „Beratung von vermögenden Privatpersonen“ und für die „steuerrechtliche Beratung bei der Verwaltung größerer Vermögen“.

Standesgemäß: Honorarprofessur

Fast hätten wir es vergessen: Neben seinen Funktionen als Abgeordneter, in seinem Wahlkreis Rhein-Neckar, im Fraktionsvorstand, im CDU-Bundesvorstand, im Kanzlei-Vorstand, als Kanzlei-Geschäftsführer und neben seinen Anwaltsmandaten für große Unternehmen findet der bisher skandallos Unauffällige noch genügend Zeit für Tätigkeiten, die einen Anwalt seines Milieus nebenbei standesgemäß auch zieren müssen: Seit 2004 ist er Lehrbeauftragter und seit 2018 Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg.

Der Korrektheit halber sei angemerkt: „Honorarprofessor“ – da darf man zwar den irgendwie angesehenen Titel Professor tragen. Aber das bedeutet gerade nicht, dass man dafür ein Honorar bekommt. Nein, man bekommt gar nix, außer dass man mit einem solchen Titel – im eigenen Milieu wie auch bei Unkundigen – das Image aufpolieren kann. Gerade ein Wirtschaftsanwalt braucht was Objektives, Wissenschaftliches oder was jedenfalls so klingt.

Allerdings: Man muss auch eine gewisse Lehrtätigkeit absolvieren, sonst verliert man den Titel. Das macht Harbarth nebenbei: Der jetzt inthronisierte Vizepräsident des Bundesverfassungs-Gerichts behandelt in seiner Lehrveranstaltung im Wintersemester 2018/19 Themen aus dem aufblühenden After-Brexit-Geschäft seiner Kanzlei: Wie sieht eine passende GbR, OHG, KG, GmbH&Co KG aus?

Stolze Tradition: Schon rechtliche Hilfe für die IG Farben

Die Kanzlei SZA rühmt ihre 100-jährige Tradition im Einsatz für modernste Unternehmensformen: So hätten die Kanzleigründer Heinrich Kronstein und Wilhelm Zutt während der 1920-er Jahre in der Weimarer Republik am Verkauf von Opel an General Motors mitgewirkt.

Besonders wichtig war die rechtliche Konstruktion bei der Gründung der IG Farben. In diesem Kartell wurden die damals größten deutschen Chemiekonzerne Bayer, BASF, Höchst und andere zusammengefasst. Sie bildeten ein machtvolles Monopol und dann die Grundlage für die lukrative Kriegsplanung der Nazis. Dazu gehörten – ganz modern – Briefkastenfirmen in der Schweiz und globale, marktaufteilende Kartellverträge mit US-Energie- und Rüstungskonzernen wie Standard Oil und Dupont.

Kanzlei-Gründer Kronstein beriet bis 1935 in Nazideutschland bei der Arisierung jüdischer Unternehmen, wie Wikipedia berichtet. Dann musste er selbst ins Exil, wegen der dorthin aufgebauten Beziehungen ging er in die USA. Er bekam die US-Staatsbürgerschaft und arbeitete während des Weltkriegs als Kenner der deutschen Wirtschaft für die US-Regierung. Hier gestand er 1940 ein, dass die kartellierte Wirtschaftsstruktur Deutschlands die Machtergreifung Hitlers erleichtert habe. Nach dem Krieg arbeitete Kronstein für US-Behörden beim Wiederaufbau in Westeuropa mit, ab 1951 lehrte er als Wirtschafts-, Aktien- und Kartellrechtler an der Frankfurter Universität. Für die Rückgabe arisierter jüdischer Unternehmen setzte er sich allerdings nicht ein.

Die Kanzlei orientiert sich weiter global am US-Unternehmensrecht, insbesondere am Steuer-, Fusions-, Arbeits- und Kartellrecht. So hat Harbarth auch einen Abschluss an der Law School der Eliteuniversität Yale erworben. Harbarth ist wie Kollege Merz ein prinzipieller Transatlantiker und oft in den USA. Im Oktober 2018 referierte er an der Eliteuniversität Harvard bei der jährlichen German-American Conference über den „Schutz der Meinungsfreiheit“, gesponsert u.a. von Boston Consulting Group, Bayer und Siemens. Harbarths Büroleiter Jakob Schrot ist Gründer und Ehrenvorsitzender der „Initiative junger Transatlantiker“.

Gewerkschaften schwächen, Fach-Flüchtlinge reinlassen

Harbarth, wie Merz ein blinder Verehrer des US-Vorbilds, wurde ebenfalls vom größten Finanz- und Wirtschaftsereignis der letzten Zeit, das von den USA-Freunden ausging, der Finanzkrise, blind überrascht. So versteht er sich ohne Diskussion auch gut mit den Mitverursachern und Profiteuren der Finanzkrise, Blackrock & Co. Sie sind ohnehin Großaktionäre der wichtigsten der von SZA und Harbarth betreuten Mandanten.

SZA und auch Harbarth äußern sich nicht, im Unterschied zu Merz, als Hetzer gegen Gewerkschaftsmacht, gegen Mindestlohn und für die Abschaffung des Kündigungsschutzes. Aber unauffällig und effektiv arbeiten sie an der Schwächung der ohnehin Schwachen. Die SZA-Praxisgruppe Arbeitsrecht ist spezialisiert für dezentrale, unternehmensinterne Tarifverträge, die möglichst ohne öffentliche Diskussion über die Bühne gebracht werden.

Harbarth stellt auch nicht, im Unterschied zu Merz, nebenbei mal das Asylrecht infrage. Nein, er befürwortet den geplanten UN-Migrationspakt. Der hat auch einen Vorteil, den man bei SZA sehr schätzt: Er ist unverbindlich für Unternehmen, aber gut fürs Image. Damit es auch wirklich kein Missverständnis gibt, betont der zukünftige Präsident des obersten deutschen Gerichts zurückhaltend, aber bestimmt: Eine Zuwanderung von Gering- oder gar Unqualifizierten darf es nicht geben! In Harbarths reiche Welt dürfen nur Fach-Flüchtlinge gelangen, die die sanft sprechende, aber unerbittliche Vorherrschaft des großen Geldes klaglos akzeptieren.

Der Unternehmens-Anwalt als Anker politischer Stabilität?

Das Handelsblatt überschlägt sich in seinen Erwartungen an Harbarth als zukünftigem Präsidenten des Bundesverfassungs-Gerichts. „Es könne doch sein“, so himmelt die Autorin Heike Anger den Mann an, „dass Harbarth als Präsident des Bundesverfassungsgerichts dereinst ein Anker der Stabilität werden muss – sollten die politischen Verhältnisse in Berlin mit einer weiteren Erosion der Volksparteien zunehmend instabil werden.“

Dereinst! Der Unternehmer-Anwalt, der selbst zur Erosion seiner selbsternannten „Volks“partei beiträgt, der Groß-Nebenverdiener im Bundestag, der Mit-Organisator der Steuer“gestaltung“ für Vermögende, der intransparente Multimillionär, der blinde „Amerika“-Anbeter, dem Völkerrecht und Menschenrechte nach US-Vorbild am Arsch vorbeigehen – der soll zum obersten Hüter des Rechts in Deutschland werden? Und auch noch Retter der politischen Verhältnisse, zu deren Zerstörung er selbst beiträgt?

Leute, Mitbürgerinnen und Mitbürger, Wählerinnen und Wähler, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Richterinnen und Richter, Autofahrerinnen und Autofahrer, Journalistinnen und Journalisten – seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Wollt Ihr Euch das auch noch bieten lassen?

Von Werner Rügemer erschien zuletzt: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure. Köln 2018, 357 Seiten, 19,90 Euro