Und der Sieger heißt: Friedrich Spahn-Karrenbauer

Und der Sieger heißt: Friedrich Spahn-Karrenbauer

Und der Sieger heißt: Friedrich Spahn-Karrenbauer

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Laut aktuellen Umfragen würde nur noch fast jeder Vierte die CDU wählen. Nichtsdestotrotz wird die bevorstehende Wahl des oder der neuen Parteivorsitzenden medial in einer Art gehypt, dass man glatt denken könne, die drei Kandidaten würden für vollkommen unterschiedliche Positionen stehen und die gesamte politische Debatte des Landes abbilden. Doch das ist Unsinn. Die CDU ist keine Einheitspartei und die drei aussichtsreichen Kandidaten unterscheiden sich nur in klitzekleinen Nuancen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als die NachDenkSeiten vor 15 Jahren das Licht der Welt erblickten, ging es im allerersten Beitrag um die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und um Friedrich Merz. Keine Frage – Friedrich Merz war und ist nicht nur für uns eine echte Reizfigur, vertritt er doch auf nahezu allen politischen Feldern das exakte Gegenteil unserer Positionen. Merz ist neoliberal, fordert Privatisierungen öffentlicher Aufgaben und eine Stärkung der privaten Altersvorsorge. Er ist ein Lobbyist der Wallstreet und der Finanzwirtschaft, der sich – nicht nur in Steuerfragen – permanent für eine Umverteilung von unten nach oben stark macht und außen- und sicherheitspolitisch als Vorsitzender der Atlantik-Brücke einen klaren Kurs pro USA und pro NATO verfolgt. Als ich hörte, dass Friedrich Merz die Nachfolge von Angela Merkel antreten wolle, war meine erste Reaktion: „Alles, nur nicht Merz“. Daran hat sich zwar wenig geändert.

Die in progressiven Kreisen vorherrschende Konzentration auf den Kandidaten Merz hat jedoch auch dazu geführt, dass seine zwei aussichtsreichsten Kontrahenten ein wenig unter dem Radar blieben. Kein Wunder: Im Vergleich zur personifizierten Dunklen Seite der Macht wirkt selbst ein chronischer Unsympath wie Jens Spahn schon fast wieder sympathisch. Schlimmer noch. Und im Vergleich zu Merz und Spahn kommt selbst Annegret Kramp-Karrenbauer vergleichsweise progressiv rüber. Doch für was stehen Spahn und Kramp-Karrenbauer eigentlich? Gibt es wirklich einen Grund, einem der beiden Kontrahenten die Daumen zu drücken?

Kurz vor der Kandidatur von Friedrich Merz war Jens Spahn sicher der in progressiven Kreisen meist verhasste Unionspolitiker. Vor allem seine wohl kalkulierten verbalen Ausfälle gegenüber Armen und Benachteiligten, seine nur noch zynisch zu nennenden Schlaumeiereien als Gesundheitsminister gegenüber dem Pflegepersonal und sein ständiger Rückgriff auf AfD-Rhetorik lassen die Sozialen Netzwerke regelmäßig überkochen. Emotionales Spahn-Bashing ist ja schön und gut. Aber inwieweit unterscheidet sich Spahn eigentlich inhaltlich von der Kanzlerin und was unterscheidet ihn von Friedrich Merz? Seine Positionen zur Flüchtlingspolitik sind beispielsweise bei näherer Betrachtung fast deckungsgleich mit denen Merkels. Die CDU hat es jedoch geschafft, ein und denselben Inhalt über verschiedene Kommunikationskanäle als breites politisches Spektrum zu verkaufen. Und so wird Merkel bis tief in die Grünen-Wählerschaft – zu Unrecht – für ihre „humane Flüchtlingspolitik“ gelobt und Spahn geht verbal für die CDU halt dahin, wo es ein wenig braun riecht und die AfD zu Hause ist. So schafft die CDU es mehr oder weniger erfolgreich, ein breites politisches Spektrum abzudecken. Das ist geschickt und die Medien spielen dabei ja auch immer wieder lammfromm mit.

Lesen Sie dazu bitte unsere Dokumentation: „Das Image von Angela Merkel hat mit der Realität nicht viel zu tun“.

Und wie sieht es mit Annegret Kramp-Karrenbauer aus? Nun ist die Frau zwar schon seit sagenhaften siebzehn Jahren in der Regierungsverantwortung – sie war schon Innen-, Sozial-, Frauen-, Familien-, Sport-, Kultur-, Bildungs- und Präventionsministerin, Ministerpräsidentin und ist seit Februar dieses Jahres Generalsekretärin der CDU – jedoch vermied sie es auch geschickt, sich ein inhaltliches Profil zu verpassen. Darin ähnelt die „Mini-Merkel“, wie sie vor allem von der Auslandspresse gerne genannt wird, ihrer großen Förderin. Und auch in der Außenwirkung ist Kramp-Karrenbauer eine wahrlich „würdige“ Merkel-Nachfolgerin. Sie wird nämlich unverständlicherweise von zahlreichen Journalisten und Kommentatoren immer wieder als „sozial“, „liberal“, „gemäßigt“ oder gar „irgendwie links“ eingeordnet. So wird ihr ja auch konsequenterweise im Dreierduell mit den Platzhirschen Merz und Spahn stets die Rolle der „nicht ganz so konservativen“ Alternative zugeschrieben und die Wähler scheinen ohnehin ihre – inhaltlich ungerechtfertigten – Projektionen auf die Kanzlerin nun spiegelbildlich auch auf die „Mini-Merkel“ zu projizieren. Kramp-Karrenbauer erbt also offenbar das realitätsferne Image von Merkel.

Doch auch das ist nicht sinnstiftend. In vielen politischen Punkten ist Kramp-Karrenbauer nämlich deutlich konservativer als ihre beiden männlichen Kontrahenten. So beschrieb Kramp-Karrenbauer in einem Interview gleichgeschlechtliche Ehen als Vorstufe zu legaler Polygamie und Inzest. Die Gleichstellung von Lesben und Schwulen stellt für sie eine „schleichende Erosion“ des „Fundaments unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts“ dar. Spricht so jemand, der „liberal“ oder gar „irgendwie links“ ist? Merkel war übrigens auch immer eine klare Gegnerin der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und stimmte im Bundestag auch gegen die Ehe für Alle – nur, dass dies im Merkel-Hype, der selbst links-liberale Hirne vernebelt, immer gerne vergessen wird. Kramp-Karrenbauer ist übrigens Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken; einer konservativen Laienorganisation, die unter anderem den Deutschen Katholikentag veranstaltet. Merz ist ebenfalls Katholik.

Bei der Ehe für Alle und der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen – dem Thema, das ohnehin das einzige inhaltliche Unterscheidungsmerkmal der drei Kandidaten zu sein scheint – vertritt der „konservative“ Außenseiter Spahn übrigens die „progressivste“ Position unter den drei apokalyptischen Reitern – der bekennende Homosexuelle war und ist ein klarer Befürworter gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Den Einfluss der Kirchen auf die Politik kritisiert der Protestant Spahn übrigens.

Aber da hören die Unterschiede dann auch schon wieder auf. Als bedeutender Malus für Merz wird auch immer wieder seine transatlantische Orientierung ins Feld geführt. Das ist ja auch richtig, aber Spahn und Kramp-Karrenbauer sind in diesen Punkten auch kaum besser. Jens Spahns Vita liest sich sogar wie die eines „transatlantischen Golems“. Schon 2012 gehörte er zu den „European Young Leaders“, absolvierte das „Young Leader Program“ des American Council on Germany, war Gast der Bilderberg-Konferenz und ist heute Mitglied der Deutsch Atlantischen Gesellschaft.


Spahn (2. von re.), Grenell (2. von li.) ihre Ehemänner und Hund Lola
Quelle: Daniel Funke/twitter

Zusammen mit seinem Ehemann, dem Bunte-Journalisten Daniel Funke, pflegt Spahn übrigens eine enge Freundschaft zum US-Botschafter Richard Grenell und dessen Ehemann. Wir erinnern uns, Grenell war es, der vor noch gar nicht allzu langer Zeit in einem Interview mit dem ultrarechten Blog Breitbart eine Stärkung und Vernetzung der europäischen Rechten unter amerikanischer Regie gefordert hatte. Man sollte Spahn also nicht einfach als jungen Maulhelden abtun – hinter ihm stehen sehr einflussreiche Netzwerke, die denen Friedrich Merz´ nicht unähnlich und teils sogar deckungsgleich sind.

Kramp-Karrenbauer wurde zwar nicht derart transatlantisch geformt, vertritt aber – wenn sie mal etwas zu außen- oder sicherheitspolitischen Themen sagt – ebenfalls lupenrein transatlantische Positionen. Ihr jüngster Auftritt bei Anne Will sollte all denjenigen eine Mahnung sein, die sich von der Kandidatin eine rationalere, friedensorientierte Außenpolitik erhoffen. Alles, was von Kramp-Karrenbauer kam, war Opportunismus pur und stellte sogar Merkel in den Schatten – Putin trägt die alleinige Schuld, der Westen müsse neue Sanktionen verhängen. Vor allem das große Feld der Außen- und Sicherheitspolitik zeigt, dass die CDU-Delegierten nur die Wahl zwischen Pest und Cholera haben und egal wer Merkel nachfolgen wird, eine konsequent transatlantische Politik vertritt.

Welche Punkte vertreten Spahn und Kramp-Karrenbauer in der Wirtschafts- und Finanzpolitik? Wie stehen sie zu Europa? Und wie zu Umwelt- und Klimapolitik? Zu diesen Themenfeldern äußern sich die Kandidaten nur sehr selten und wenn dann stets auf Parteilinie. Man sollte hier auch gar keinen Graben aufmachen. Weder Spahn noch Kramp-Karrenbauer sind die Antagonisten von Friedrich Merz und treten für eine Stärkung der Gesetzlichen Rente, eine Rückabwicklung der Privatisierungen oder gar für einen Aufbau eines sozialen Fundaments für die EU ein. Im Grunde haben die CDU-Delegierten die Wahl zwischen drei Schattierungen von dunkelgrau.

Abseits dieser erstaunlichen inhaltlichen Übereinstimmungen wird die Wahl jedoch von Medien als „Schicksalswahl“ oder gar als „Zäsur“ hochgejazzt. Man ist bemüht, die drei Kandidaten zu eigenständigen Figuren zu erklären, die für einen völlig anderen Kurs stehen, und projiziert dabei – gewollt oder ungewollt – Assoziationen, die diese Wahl ganz einfach nicht erfüllen kann. Würde Merz die CDU nach rechts treiben? Vielleicht. Jedoch stehen Spahn (z.B. beim Thema Islam) und Kramp-Karrenbauer (bei gesellschaftspolitischen Themen) mindestens genauso weit rechts wie Merz. Genauso unsinnig und ganz einfach inhaltlich nicht begründbar ist auch das populäre Narrativ, Kramp-Karrenbauer würde den Merkel-Kurs fortführen und die CDU in eine liberale Mitte führen. Anhand welcher Aussagen von Kramp-Karrenbauer soll man das bitte festmachen?

Die Medien scheinen vielmehr endgültig Opfer ihrer eigenen Fehl-Assoziationen geworden zu sein. Wer Merkels Politik derart abstrus falsch darstellt und dabei ein Image aufgebaut hat, das mit der Realität nur sehr wenig zu tun hat, muss natürlich auch daran scheitern, wenn nun drei inhaltlich kaum zu unterscheidende Kandidaten anhand dieses Zerrbilds vermessen werden sollen.

Artikelbild: M-SUR/shutterstock.com

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