Hinweise des Tages (2)

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Zu folgenden Themen: Erst die Banken-, dann die Wirtschaft, jetzt die Staaten; die griechische Tragödie; gläserner Derivatmarkt; wer an Privatisierungen verdient; Transaktionssteuer; politischer Streik; Überstunden statt Arbeitsplätze; Ärzte als Pillendreher; Pharmakosten; Kostenexplosion bei Prestigeprojekten; Geschäfte der Bahn; Vatikan mauschelt Priester frei; Rüttgers grenzt sich ab; neue Militärstrategie für Afrika; Westerwelle & friends.

  1. Die dritte Stufe der Eskalation
  2. “Gefechtskehrtwende” verschreckt Investoren
  3. Merkel opfert den Euro
  4. Michael Schlecht: Die griechisch-deutsche Tragödie
  5. Testfeld Griechenland
  6. Trichet fordert gläsernen Derivatemarkt
  7. ZDF/WISO zur Transaktionsaktionssteuer
  8. Finanzskandal: Ex-Stapi von Zürich zieht Notbremse
  9. Volker Bahl: Der Streik und die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften” aus eigener Kraft”
  10. “Eine Million Menschen sitzen auf der Straße, weil wir nicht pünktlich Feierabend machen”
  11. Nochmals: Zeitarbeit
  12. Dubiose Nebengeschäfte: Ärzte als Pillenhändler
  13. Klinikdirektor Ganser “Der Zusatznutzen für Patienten ist oft null”
  14. Pflege ist kein Halbtagsjob
  15. Abgeschoben ins Private
  16. Kostenexplosion: Wenn der Staat baut
  17. Bahn fährt auf Arriva ab
  18. Vatikan mauschelt Priester frei
  19. Rohe Leber, nackte Männer
  20. Rüttgers soll sich von Bundes-CDU abgrenzen
  21. Neue Militärstrategie der USA für Afrika
  22. Die Geschäfte des Michael Mronz
  23. Der strahlende Herr Westerwelle
  24. Westerwelle auf Reisen – wie es wirklich war

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die dritte Stufe der Eskalation
    Erst mussten die Banken gerettet werden, dann Industrieunternehmen, jetzt ganze Staaten, und Berlin merkt: Das Geld ist alle, doch die Krise geht weiter. Von einer einheitlichen Position ist Europa weit entfernt. Das gilt nicht nur für die Meinung zu Schäubles neuer Institution. Im Kanzleramt in Berlin bringt man auf einmal doch wieder den IWF als potenziellen Retter für Griechenland ins Spiel, obwohl Schäuble strikt dagegen ist. Die Kanzlerin fürchtet den Zorn des Volkes, falls die deutsche Regierung Geld nach Athen überweist. Ihre Berater bezweifeln, dass eine Rettung überhaupt mit der Verfassung vereinbar sei. Auf den ersten Eskalationsstufen der Krise ging es um Wirtschaft – jetzt geht es um Politik. Wie wollen die Staaten künftig zusammenarbeiten? Wo werden die Entscheidungen gefällt? Nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten sich die Bedenkenträger durchgesetzt. Tatsächlich ist ein Bankrott Griechenlands – und damit eine schnelle finanzielle Hilfe durch andere Länder Europas – nicht vom Tisch. In deutschen Regierungskreisen heißt es, die Verhandlungen über langfristig neue Regeln für die Euro-Zone seien »nach wie vor offen«. So spielen die Staaten auf Zeit – in einem Moment, in dem die Krise weiter eskaliert.
    Quelle: Zeit Online
  2. “Gefechtskehrtwende” verschreckt Investoren
    Hellas schien gerettet. Doch die Bundesregierung macht einen Rückzieher: Kanzlerin Merkel bringt den Internationalen Währungsfonds ins Spiel. Kreditderivate auf griechische Staatsanleihen legen deutlich zu, der Euro fällt. Das Zögern der deutschen Regierung beunruhigt auch die Banken. Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann warnte vor dramatischen Folgen eines Griechenland-Bankrotts: “Deutsche Banken haben beträchtliche Milliarden im Feuer gegenüber dem Land”, sagte der Schweizer am Mittwochabend. Sein eigenes Haus nahm er dabei allerdings ausdrücklich aus.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Da scheint doch die Deutsche Bank auf die europäische Solidarität gewettet zu haben. Oder warum sonst der Appell? Natürlich lauern da noch die portugiesischen und spanischen Staatsanleihen im Hintergrund.

  3. Merkel opfert den Euro
    Man kann lange darüber streiten, ob bei einer drohenden Pleite der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Europäische Union einspringen sollte. Für beide Positionen gibt es gute Argumente – und für die Griechen wären ein Programm des IWF wahrscheinlich sogar angenehmer als eines der EU. Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Europäische Zentralbank würden den Fall gerne selbst lösen, Merkels Berater tendieren dazu, den IWF einzuschalten. Wie gesagt, beides geht. Was nicht geht, ist sich nicht festlegen zu wollen. Merkels Versäumnis ist ihr Mangel an Führung. Erst hielt sie zu Schäuble und jetzt, da die Wut der Straße zunimmt und die Wahlen in Nordrhein-Westfalen näher rücken, lässt sie Sympathie für den IWF durchblicken. In der Innenpolitik mag ein solches Herumeiern angemessen sein, in der internationalen Finanzpolitik braucht es klare Ansagen – Unentschlossenheit, und noch dazu in Europas größter Volkswirtschaft, ist Gift für den Euro. Als tödlich für die gemeinsame Währung aber dürfte sich der deutsche Vorschlag erweisen, Mitgliedsstaaten, die sich nicht an die Regeln halten, aus der Euro-Zone auszuschließen. Die Drohung mit dem Währungsentzug ist geradezu eine Einladung an Spekulanten, sich auf gefährdete Länder zu stürzen.
    Quelle: Zeit Online Herdentrieb
  4. Michael Schlecht: Die griechisch-deutsche Tragödie
    Die Krise in Griechenland hält Europa in Atem. BILD und STERN lästern über die “faulen Griechen”. Die sozialen Leistungen in Griechenland seien zu hoch, der griechische Staat zu fett. Das sind Märchen.
    Mein neues Hintergrundpapier beleuchtet die wahren Hintergründe und Ursachen der griechischen Tragödie. Die deutschen Billiglöhne, das griechische Steuerdumping und die Spekulanten gefährden den Zusammenhalt der Euro-Zone. DIE LINKE. fordert ein Ende des deutschen Lohndumpings und eine Reform der Eurozone.
    Quelle: Michael Schlecht [PDF – 410 KB]
  5. Testfeld Griechenland
    Die Diktatur der Gläubiger ist das Pilotprojekt für den Angriff auf die Unter- und Mittelschichten in ganz Europa…
    Die implizite Behauptung, mit der Währungsunion sei vorrangig das Ziel verfolgt worden, den allgemeinen Lebensstandard zu erhöhen, entbehrt jeder Grundlage. Sieht man einmal von den tief sitzenden, moralisierenden Ressentiments über die “Schlamperei” und “Mißwirtschaft” der faulen Südeuropäer hinweg, die nun die “Solidarität” der europäischen Staatengemeinschaft einforderten, bezieht sich dieses Argument in seinem ökonomischen Kern auf das Leistungsbilanzdefizit der griechischen Wirtschaft. Mit anderen Worten, Griechenland hat mehr importiert als exportiert. Die griechische Wirtschaft sowie große Teile des EU-Währungsraumes bilden damit das Gegenstück zum deutschen “Exportweltmeister”, der mit dem durch Harz IV ermöglichten Lohndumping “unter seinen Verhältnissen” gelebt und gewirtschaftet hat. Genau das war aber mit der Währungsunion beabsichtigt, zumindest von denen, die etwas davon verstanden: Den exportorientierten Industrien Zentraleuropas sollten unabhängig vom Wechselkursrisiko die Absatzmärkte gesichert werden; die Möglichkeit, mittels einer Abwertung der eigenen Währung die Importe zu verteuern, die Exporte zu verbilligen und somit die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Industrien zu erhalten, sollte den Ländern mit einer geringeren Arbeitsproduktivität genommen werden. An die Stelle der Währungsflexibilität trat die Lohnflexibilität nach unten. Dieses neoliberale Programm hatte im EU-Währungsraum die Senkung der gesamten Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft zum Ziel. Neben der Reduzierung der direkten Lohnkosten ging und geht es vor allem um eine Senkung des Rentenniveaus sowie der Kosten für die Sozialversicherungen. Dass mit den Maastrichter Konvergenzkriterien tatsächlich eine reale Annäherung der ökonomischen Verhältnisse erreicht werden könne, ist dagegen nur von neoliberalen Ideologen ernsthaft behauptet worden.
    Allerdings ließ sich das neoliberale Programm nicht in dem erhofften Maße realisieren. Das neoliberale Dogma besteht schlicht in dem Glauben, eine Deregulierung des Arbeitsmarktes würde die erhofften Resultate zeitigen. Das war jedoch nicht der Fall, auch wenn die griechischen Gewerkschaften den neoliberalen Kurs ihrer Regierungen weitgehend mitgetragen haben.
    Betrachtet man die Struktur der griechischen Importe, so wird ebenfalls deutlich, dass der private Konsum keinesfalls der entscheidende Faktor für die wirtschaftlichen Ungleichgewichte ist, wie es die Phrase vom “Leben über den Verhältnissen” nahelegen will. Mit dem Hebel der europäischen Strukturfonds sind seit den 1990er Jahren gigantische Infrastrukturprojekte auf den Weg gebracht worden. So wurden die West-Ost-Autobahn von Igoumenitsa zur türkischen Grenze, die Brücke Rio-Antirio, die attische Ringstraße, die Athener Metro, der Großflughafen “Eleftherios Venizelos” sowie die olympischen Spielstätten gebaut. Die Firmenkonsortien, die diese Großprojekte realisiert haben, lesen sich wie ein who’s who der deutschen und französischen Industrie. Die Schmiergeldzahlungen von Siemens an die beiden Regierungsparteien, mit denen im großen Stil die politische Landschaft „gepflegt“ wurde, sind vor diesem Hintergrund zu sehen – in der Presse werden Summen von über 100 Mio. € genannt.
    Hinzu kommt der exorbitante Rüstungshaushalt Griechenlands, der nicht allein dem Konflikt mit der Türkei um den Grenzverlauf in der Ägäis geschuldet ist, sondern auch den Interessen französischer und deutscher Rüstungskonzerne entspricht.
    Die Korruption im politischen und wirtschaftlichen Leben wird daher zurecht als Ursache für die gegenwärtige Krise ausgemacht. Nur wird dabei übersehen, dass der externe Faktor maßgeblich für die Aufrechterhaltung eben dieser Korruption verantwortlich ist.
    Die griechische Bevölkerung hat für diese Politik in den letzten 20 Jahren bereits einen hohen Preis entrichtet: Neben der Deregulierung der Arbeitsmärkte, der Zerstörung der sozialstaatlichen Sicherungen sowie der Senkung von Löhnen und Sozialeinkommen ist die Gesundheitsfürsorge und das Bildungssystem in einem desaströsen Zustand. Allein die privaten Ausgaben für Gesundheit und Bildung, die griechische Familien aufbringen müssen, sprengen alle europäischen Rekorde. Mittlerweile lebt rund ein Fünftel der Griechen unter der Armutsgrenze, eine Zahl, die sich infolge der verschärften Austerity-Politik der Regierung Papandreou weiter erhöhen wird.
    An Griechenland soll ein Exempel statuiert und prototypisch die Verschärfung der neoliberalen Krisenpolitik erprobt werden. Diesem Versuch muß auch in Zentraleuropa mit Nachdruck entgegengetreten werden, soll den europäischen Eliten nicht kampflos das Feld überlassen werden.
    Quelle: Sozialistische Positionen
  6. Trichet fordert gläsernen Derivatemarkt
    Spekulationen mit Derivaten verschärfen nach Ansicht vieler die griechische und andere Krisen. Deshalb spricht sich der EZB-Präsident dafür aus, den Markt transparenter zu machen. Die Branche selbst ist zuversichtlich, bereits ein Schlupfloch entdeckt zu haben. Strikte Regeln in Europa und den USA würden schlicht dazu führen, dass sich der Handel nach Asien verlagert, sagte Keith Noyes, Direktor für die Asien-Pazifik-Region beim Lobbyverband International Swaps and Derivatives Association (ISDA). “Asien ist besser als Europa oder die USA durch die Krise gekommen, daher gibt es nicht denselben politischen Druck für Veränderungen”, sagte Noyes der Nachrichtenagentur Bloomberg. “Wenn es Nachfrage für das Produkt gibt, wird das Produkt sich bewegen, denn es gibt keinen globalen regulatorischen Standard.”
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Dann kann die OECD schon einmal anfangen eine neu schwarze Liste aufzustellen. Die Chinesen werden den Teufel tun und die Zocker aus dem Westen begrüßen. Sie haben es bereits mit ihren eigenen, vielleicht etwas schlichteren, aber nichtsdestoweniger gefährlichen Spekulationen zu tun.

  7. ZDF/WISO zur Transaktionsaktionssteuer
    Quelle: ZDF
  8. Finanzskandal: Ex-Stapi von Zürich zieht Notbremse
    Die Glattbrugger Firma ist in den Skandal um ein hochriskantes Finanzgeschäft der Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) involviert. Blatz und Senf, Experten für komplexe Leasinggeschäfte, hatten das Finanzgeschäft zwischen der KWL und der UBS vermittelt. Heute drohen der Stadt Leipzig aus diesem Deal Verluste von bis zu 290 Millionen Euro. Ein KWL-Verantwortlicher sitzt seit Ende Februar in Untersuchungshaft.
    Blatz und Senf kassierten für ihre Dienste ein Honorar von über 20 Millionen Euro. Laut Informationen aus Deutschland sollen Blatz und Senf sich vor ihrer Verhaftung in den USA aufgehalten haben, um Millionen aus dem KWL-Geschäft verschwinden zu lassen.
    Quelle: Tages Anzeiger

    Anmerkung WL: Wie immer bei solchen Geschäften sollte man zuerst fragen, wer verdient daran?

  9. Volker Bahl: Der Streik und die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften” aus eigener Kraft”
    Wir haben gesehen, dass es schwierig sein wird, die Gewerkschaften in eine angemessenere und einigermaßen “ausgewogene” Durchsetzungsposition zu bringen, aber wenn man die Gewerkschaften nicht als bloße Bittsteller auf dem Teppich der Politik betrachten will, gibt es nur: Die Notwendigkeit des politischen Streiks, um die institutionelle Balance in Europa wiederherstellen zu können – bleibt die einzige Schlussfolgerung – allein um gewerkschaftliche Chancengleichheit in Europa herzustellen.
    Quelle: LabourNet
  10. “Eine Million Menschen sitzen auf der Straße, weil wir nicht pünktlich Feierabend machen”
    Interview mit Jörn Boewe über Ausmaß, Weisen und Folgen von unbezahlter Mehrarbeit in der Bundesrepublik Deutschland.
    In der Debatte über den Arbeitsmarkt werden die Dimensionen und Auswirkungen unbezahlter Mehrarbeit kaum diskutiert, obgleich diese einen relevanten volkswirtschaftlichen Faktor zugunsten der Arbeitgeber darstellt. Telepolis sprach mit Jörn Boewe, der sich in dem Buch „ArbeitsUnrecht“ mit einem Beitrag dem Thema widmete.
    Quelle: Telepolis
  11. Nochmals: Zeitarbeit
    Für den Wissenschaftsbereich schickte uns unser Leser P.G. folgende Anmerkung:

    Zum Thema befristete Arbeitsverträge denken ja viele Leute an irgendwelche Geringqualifizierten (zumindest habe ich manchmal diesen Eindruck). Aber es gibt zu den von Ihnen zitierten Gesetz noch eine abweichende Regelung für Wissenschaftler zu denen ich selbst zähle. Wenn man die Regelungen in der sonstigen Arbeitswelt kritisiert, dann besteht hier doch umso mehr Anlass dazu.
    Eine Befristung für Leute mit Uni-Abschluss aber ohne Promotion ist für sechs Jahre möglich. Nach der Promotion für weitere sechs Jahre, wobei die nicht verbrauchte Zeit vor der Promotion hier angerechnet werden darf. Mediziner haben sogar die Möglichkeit neun Jahre zu befristen.
    Diese Frist kann sogar unbegrenzt (!!) verlängert werden, wenn man sein eigenes Geld aus Drittmitteln eingeworben hat. Ist das nicht gnädig, dass man an einem Forschungsinstitut arbeiten darf, wenn man sein eigenes Geld mitbringt?
    Derzeitig gehen die Universitäten für die Zeit vor der Promotion auch eher zu einem Stipendienmodell über, um die Sozialbeiträge zu sparen.
    Dann muss man als Wissenschaftler nur noch irgendwo das Geld für die Krankenkasse auftreiben. Dadurch hat man dann nach der Promotion zwölf Jahre Zeit für befristete Arbeitsverträge, wobei man hier meistens von Halbjahres-Verträgen zu Halbjahres-Verträgen springt. Und natürlich gibt es keine bezahlten Überstunden o.ä. und wenn man Privat-Dozent ist und gerade keinen Vertrag hat, dann muss man trotzdem kostenlos lehren, damit man seinen Status nicht verliert (hatten Sie ja auch schon drüber berichtet). Dem steht dann das Paradies in Form von verbeamteten Professoren oder akademischen Räten (ist selten geworden) gegenüber.
    Ich finde eine Diskussion über die Befristung der Arbeitsverträge sehr sinnvoll, aber man sollte die Wissenschaftler da nicht rausnehmen. Hier ist ein Bereich mit Regelungen, wo andere Arbeitgeber in der freien Wirtschaft nur träumen können (und es wahrscheinlich auch tun).

  12. Dubiose Nebengeschäfte: Ärzte als Pillenhändler
    Der Arzt soll heilen und nicht verkaufen – so sagt es die Berufsordnung. Dabei geht es nicht zuletzt um Vertrauen. Denn kein Patient soll befürchten müssen, seine Diagnose bekomme er nur, damit der Arzt ihm anschließend die dazu passenden Pillen verkaufen kann. Derartige Geschäfte sind den Medizinern deshalb gesetzlich untersagt. Doch immer mehr findige Ärzte umgehen dieses Gebot. Sie deklarieren etwa einen Raum ihrer Praxis als “Praxisparalleles Institut” – ein eigenes Gewerbe, meist geführt auf den Namen des Ehepartners oder einer Arzthelferin. Hier können sie dann in einem Graubereich des Gesetzes Geschäfte machen. Besonders häufig werden Vitaminpräparate verkauft. Mittelchen also, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, die durch die Empfehlung des Arztes aber gewissermaßen “veredelt” werden können.
    Quelle 1: ARD Panorama (Text)
    Quelle 2: ARD Panorama (Video)
  13. Klinikdirektor Ganser “Der Zusatznutzen für Patienten ist oft null”
    Deutschland ist das einzige große Land, in dem die Hersteller Preise für patentgeschützte Arzneimittel frei festsetzen können. Sie orientieren sich ausschließlich an der hohen Kaufkraft der Menschen hierzulande.
    Natürlich müssen wirklich neue und innovative Medikamente auch einen gewissen Preis haben, der das Risiko, mit einer Entwicklung zu scheitern, genauso abdeckt wie die hohen Kosten, die durch die Sicherheitsvorgaben der Behörden für Tests am Menschen entstehen. Doch das rechtfertigt nicht jeden Traumpreis. Und es gibt jede Menge Scheininnovationen.
    Wenn ein Medikament gegen einen zuvor unbehandelbaren Tumor auf den Markt kommt, folgt meist noch eine Serie ähnlicher Substanzen. Deren Hersteller waren nicht ganz so schnell, wollen aber einen weiteren Preisaufschlag. Der Zusatznutzen für den Patienten ist oft null. Bei nur leicht veränderten Nachfolgeprodukten nach einem Patentablauf ist das ähnlich. Gerade dann fließen riesige Summen ins Marketing.
    Quelle: Wirtschaftswoche
  14. Pflege ist kein Halbtagsjob
    Kristina Schröder plant ein Gesetz, das die Teilzeitpflege von Angehörigen ermöglichen soll. Taugt das Modell? Marlies Rüster ist berufstätig. Zudem betreut sie ihre demente Mutter, die im Heim lebt. Das Schröder-Modell würde ihr nicht helfen.
    Quelle: taz
  15. Abgeschoben ins Private
    Dass Kristina Schröder Familien bei der Pflege von Angehörigen stärker unterstützen will, ist richtig. Denn unsere Gesellschaft altert rapide und braucht deshalb mehr Generationensolidarität. Die Frage, wer Menschen im Alter pflegt, wird dabei immer wichtiger. Doch das Modell der Familienministerin, über das sie zurzeit mit Pflege- und Wirtschaftsverbänden debattiert, ist zu kurz gedacht. Es geht am Alltag vieler Familien vorbei und verkennt die gesellschaftliche Realität. Kristina Schröder schlägt vor, Arbeitnehmer sollten für zwei Jahre ihre Arbeitszeit reduzieren dürfen, um Verwandte zu pflegen. Doch Angehörige, die Verwandte pflegen, kümmern sich im Schnitt acht Jahre lang um sie. Die Ministerin will die Pflege zu Hause erleichtern – aber viele ältere Menschen können aufgrund bestimmter Krankheiten gar nicht zu Hause betreut werden, selbst wenn ihre Familien das vielleicht wollten. Die meisten pflegenden Angehörigen sind außerdem über 50, sie leisten physisch und psychisch Schwerstarbeit. Häufig werden sie danach selbst zum Pflegefall.
    Kristina Schröder möchte ein gesellschaftliches Problem durch mehr privaten Einsatz lösen. Besser aber wäre es, Heime und ambulante Pflegestationen, ja den gesamten Pflegebereich auszubauen und finanziell besser auszustatten. Alten- und Pflegeheime brauchen mehr Personal, das angemessen bezahlt wird und genügend Zeit zur Erholung bekommt.
    Quelle: taz
  16. Kostenexplosion: Wenn der Staat baut
    Die Hamburger “Elbphilharmonie”, der Leipziger “City-Tunnel”, die Bremer “Havenwelten” – teure Bauprojekte des Staates, die während des Baus immer teurer werden. Auch “Stuttgart 21” ist solch ein Mammutunternehmen. 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren im Februar geladen, um den Baustart zu feiern. In der ersten Reihe: der damals noch amtierende CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger, der das “Jahrhundertprojekt” immer unterstützt hatte.
    Quelle 1: ARD Panorama (Text)
    Quelle 2: ARD Panorama (Video)

    Direkt dazu:

    „Mein Rat – lächeln und fröhlich sein“
    das vollständige Interview mit dem ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger zu den Baukosten von “Stuttgart21”.
    Quelle: ARD Panorama

    Anmerkung MB: Und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir. „Lächle und sei froh. Es könnte schlimmer kommen.“ Ich lächelte und war froh. Und es kam schlimmer. (Autor unbekannt, hängt in jedem dritten Büro …)

  17. Bahn fährt auf Arriva ab
    Die Expansion der Deutschen Bahn im Ausland stößt auf Widerstand. In Koalitionskreisen heißt es zum geplanten Einstieg des Staatskonzerns beim britischen Konkurrenten Arriva: “Das ist keine gute Idee – die Bahn sollte erst mal ihre eigenen Probleme beseitigen.”
    Die Bahn bestätigte in einer Pflichtmitteilung für die Londoner Börse das Interesse an Arriva. Man prüfe ein Barangebot, es sei aber ungewiss, ob man es vorlege. Der Konzern hat für die Übernahmepläne bereits die Investmentbank Lazard eingeschaltet. Arriva ist an der Börse derzeit rund 1,4 Milliarden Pfund (knapp 1,6 Milliarden Euro) wert. Die Aktien sind breitgestreut. Für ein erfolgreiches Übernahmeangebot müsste die Bahn laut Experten inklusive Aufschlag rund zwei Milliarden Euro hinblättern.
    Quelle: FR
  18. Vatikan mauschelt Priester frei
    Die Rolle des Vatikan beim Vertuschen von Missbrauchsfällen wird gerade heftig debattiert – nun führt der Fall eines österreichischen Priesters, der zahlreiche Jungen missbraucht haben soll, direkt nach Rom: Obwohl ein Kirchengericht den Pfarrer aus der Steiermark für schuldig befand, würgte der Vatikan den Prozess einfach ab.
    Quelle: FR
  19. Rohe Leber, nackte Männer
    Das Leitbild “Bürger in Uniform” verliert an Bedeutung und die brutalen informellen Aufnahmerituale verschärfen sich. Das ist kein Zufall. An die Stelle des Leitbilds vom Bürger in Uniform scheint mehr und mehr die Identifizierung mit einem archaischen Kriegerideal zu treten, zu dessen Grundausstattung die genannten “ewig gültigen” Soldatentugenden gehören. Angesichts der zunehmenden Auslandseinsätze und insbesondere der jüngsten Entwicklung des Kriegs in Afghanistan unter deutscher Beteiligung verwundert diese Renaissance des alten kriegerischen Männlichkeitsideals kaum.
    Quelle: taz
  20. Rüttgers soll sich von Bundes-CDU abgrenzen
    Während die Koalition in Berlin am Sonntag im Kanzleramt die Weichen für den NRW-Wahlkampf stellen will, ist die CDU in Düsseldorf schon weiter. Laut einem geheimen Strategiepapier soll Ministerpräsident Jürgen Rüttgers offenbar deutlich auf Distanz zur Mutterpartei gehen, um “positiver und sozialer” wahrgenommen zu werden.
    Quelle: Stern

    Anmerkung unseres Lesers GK: Das in der Öffentlichkeit von der CDU und zahlreichen Medien gepflegte Bild vom selbsternannten “Arbeiterführer” Rüttgers hat in den vergangenen Wochen u.a. im Zuge der “Rent a Rüttgers”-Korruption einige empfindliche Schmutzflecken abbekommen. Mit der Realität von Rüttgers´Politik hatte dieses konstruierte Image ohnehin nichts zu tun. Rüttgers und die CDU hoffen nun, dieses ramponierte Bild durch einige “soziale” und “positive” Sprüche wieder aufzupolieren.

  21. Neue Militärstrategie der USA für Afrika
    Aufbau von Sicherheitskräften in instabilen Ländern in Kooperation mit Europa lautet die Devise. Schwerpunktgebiete: Somalia, Kongo, Sahelzone. Söldnerfirmen wie Ex-Blackwater kommen zum Einsatz
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Was ist dieser Strategie so neu? Wie in Afghanistan sollen die jeweiligen Regierungstruppen unter amerikanischer und europäischer Hilfe besser ausgebildet werden. Wieder einmal erfolgt eine absolute Konzentration auf das Militärische. Die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Problemlagen werden ignoriert. Und selbst das Ziel einer Ausbildung von Soldaten wird wie in Afghanistan durch die konkrete Situation vor Ort konterkariert. Es ist doch geradezu absurd, wenn zunächst einmal einer Regierung die Zusage abgerungen werden muss, “dass anders als bei früheren ausländischen Militärausbildungsmissionen …  die Soldaten bezahlt und nach Ende der Ausbildung nicht einfach in die Präsidialgarde gesteckt werden.” – Natürlich geht es den USA letztlich um ihren “War on Terror “, um die Begrenzung von Rückzugsräumen der afrikanischen Al Kaida. Aber auch hier werden die USA, werden wir scheitern, wenn wir die Situation nur militärisch lösen wollen. Und selbst auf der sicherheitspolitischen Ebene ist die Lage sehr unübersichtlich geworden. In diesem “Krieg” agieren Piraten, Warlords, Banden, Kriminelle und Terroristen. Und wer sind wir, Helfer, Berater, Polizisten, Soldaten, Söldner?

  22. Die Geschäfte des Michael Mronz
    Westerwelle-Freund Mronz macht als Veranstalter Karriere. Doch eine Sause für zwei schwarz-gelbe Landesregierungen geriet zum Fiasko.
    Quelle: SZ
  23. Der strahlende Herr Westerwelle
    Die Aufregung um die Entourage des Außenministers geht am Kernproblem vorbei – nämlich der Praxis der politischen Förderung fragwürdiger Exporte. Im Fall von Westerwelles Lateinamerika-Reise stand zweifellos der Wirtschaftspartner Brasilien im Fokus. Westerwelle hat in Rio deutsche Unterstützung beim Ausbau der Kernenergie angeboten. „Aus ökologischen wie ökonomischen Gründen“, sagte der Außenminister Anfang der Woche, werde man „auch den Export von nuklearen Energietechnologien vorantreiben“. Dazu könnte gegebenenfalls auch gehören, deutete der FDP-Politiker an, solche Ausfuhren staatlich mit Hermes-Bürgschaften abzusichern. Genau das hatte der deutsch-französische Konzern Areva/Siemens kürzlich bei der Bundesregierung beantragt. Es geht um den Weiterbau des brasilianischen Meilers Angra 3 – ein äußerst umstrittenes Vorhaben. Nicht nur, weil sich Brasilien weigert, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Sondern auch, weil es in dem Land keine unabhängige Atomaufsicht gibt.
    Quelle: der Freitag
  24. Zu guter Letzt: Westerwelle auf Reisen – wie es wirklich war

    Westerwelle auf Reisen

    Quelle: Frankfurter Rundschau

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