Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Die EU als Dystopie
  2. US-Botschafter Grenell schreibt Drohbriefe an deutsche Firmen
  3. Schneehelden im Schneechaos
  4. Nach Jahren der Dementis: Israelischer Stabschef bestätigt Waffenlieferung an syrische Dschihadisten
  5. Ganz Indien streikt, die Presse schweigt
  6. Man accused of shooting down UN chief: ‘Sometimes you have to do things you don’t want to…’
  7. Das fordert Blackrock-Chef Fink in seinem Brief an deutsche Top-Manager
  8. Privatisierung abgesagt: Bund behält Toll Collect
  9. Gesetz der Angst
  10. Obdachlosigkeit: Liebe Politiker, schaut hin!
  11. WählerInnen-Potenzial der Linkspartei: Bei den Grünen wildern
  12. „Die Welt lernt nicht dazu“
  13. Mathias Döpfner liest seiner Branche die Leviten

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die EU als Dystopie
    Die EU hat nicht vermocht, eine gerechte Verteilung des Wohlstandes zu sichern – ganz im Gegenteil. Der Grund dafür liegt darin, dass Gerechtigkeit gar nicht Absicht der neoliberalen Politik ist. Sie »versagt« also nicht, wie Kritiker oft meinen, sondern strebt diese Verhältnisse systematisch an. Löhne, Renten, Mieten, Arbeitsbedingungen – die soziale Sicherung insgesamt hat sich für viele bedrohlich entwickelt; in Teilen der Bevölkerung löst das existenzielle Unsicherheit und Angst aus. Während manche Schule nicht heizen kann und öffentliche Bäder geschlossen werden müssen, zahlen global agierende Konzerne kaum Steuern – ohne dass sie von der Politik behelligt würden.
    Es ist müßig, all die Skandale aufzuzählen, die wir fast täglich verfolgen können (wenn wir die »richtigen« Zeitungen lesen): LuxLeaks, Cum-Ex, Cum-Cum und Cum-Fake, Paradise Papers, Diesel, Glyphosat, Waffen für Massaker … Die Reichen und Mächtigen entwickeln eine Menge krimineller Energie und streben nach totaler Macht. Der Immobilien-Milliardär René Benko kauft nicht nur Luxus-Immobilien und das Kaufhaus Karstadt, sondern auch Anteile von und Einfluss auf Tageszeitungen. Die Politik kommt nicht dagegen an? Wie auch, wenn Gesetze durch massive Lobby beeinflusst oder gar von den Konzernvertretern verfasst werden und die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft wie geschmiert funktioniert.
    Die Menschen spüren die Auswirkungen, wenn Kliniken von Investoren als Spekulationsobjekte behandelt werden: Überlastung des Klinikpersonals, Verschlechterung der Patientenversorgung. Verspricht etwa die EU-Kommission eine Änderung der Politik, die die desolate Lage der Daseinsvorsorge schafft? Sie wird sich hüten: Privatisierung, Deregulierung, Abbau sozialer Sicherung gehören zur DNA der Europäischen Union.
    Quelle: Ossietzky

    dazu: «Die Herrschenden haben Angst – und das ist wundervoll»
    (…) Frankreich ist im Ausnahme­zustand. Seit Wochen halten die Straßenproteste an. Wie erklären Sie sich diese gewaltsame Eruption?
    Didier Eribon: Was da in der französischen Politik aufbricht, hat sich zum Beispiel in Großbritannien mit dem Brexit schon früher manifestiert. Das Ja zum Brexit war eine Revolte gegen das Europa, das heute unter dem Diktat der neoliberalen Agenda geschaffen wird. Es war eine Form des Widerstandes gegen die soziale und wirtschaftliche Gewalt dieser Agenda. Auch der Brexit ist eine Form der Revolte von unten. Die Gelbwesten sind die französische Variante dieser Revolte, also ein Aufstand der Straße, der meistens friedlich, manchmal aber auch gewalttätig ist – wobei man sehen muss, dass die Ausschreitungen häufig durch die extreme Gewalt der Polizei­repression provoziert werden.
    Der Brexit war eine nationalistische Reaktion auf Europa, die von konservativen, teilweise reaktionären Kräften getragen wurde. Muss man die «gilets jaunes» in dieser Ecke verorten?
    Eribon: Die Menschen lehnen Europa ab, weil sie unter Europa leiden. Wenn man darauf reagiert, indem man sagt, das sei nationalistisch, gibt man keine Antwort auf die Probleme, die sich stellen. Die Frage ist, weshalb so viele Bürger das Europa ablehnen, das von unseren Regierungen durch­gesetzt wird. Es spielt letztlich keine Rolle, ob der Widerstand sich an den Urnen oder auf der Straße manifestiert. Die Frage, die alles bestimmt, ist ganz einfach: Ist es akzeptabel, dass die Europäische Union der europäischen Bevölkerung ein solches Maß an sozialer Gewalt, an Verarmung, Verunsicherung und Abbau des Sozial­staates aufzwingt?
    (…) Erst vergleichen Sie die «gilets jaunes» mit dem Brexit, dann ziehen Sie eine Parallele zu Ihren Verwandten, die angefangen haben, für den Front national, den heutigen Rassemblement national, zu stimmen. Noch einmal: Wie reaktionär ist die Bewegung?
    Eribon: Diese Revolte ist in ihrem Kern nicht reaktionär. Befragungen haben ergeben, dass eine Mehrheit der Protestierenden sich selber als eher links oder auch als links­extrem definiert, ein großer Anteil bezeichnet sich als apolitisch, ein drittes Segment ist eher rechts oder auch rechts­extrem. Da kann man schwer von einer reaktionären Revolte sprechen, nur die Medien tun dies ohne Unterlass. Wenn man mit den Leuten direkt redet, sagen sie, dass sie den politischen Parteien miss­trauen – was man ja auch verstehen kann. Es handelt sich um eine Revolte gegen das politische und ökonomische System, so wie es heute funktioniert. Die unteren Schichten wollen nicht weiter so behandelt werden.
    (…) Louis: Es geht bei der kritischen Bericht­erstattung über die gilets jaunes im Grunde nicht um Rassismus oder Homo­phobie. Das zählt letztlich gar nicht. Die Mehrheit der Stimmen, die den öffentlichen Raum beherrschen, äußert sich gar nie zu diesen Themen. Jetzt werden diese lediglich benutzt, um die Protestierenden zum Schweigen zu bringen, unmöglich zu machen, der Lächerlichkeit preiszugeben, mit letzter Konsequenz und einer extremen Verachtung. Was sich hier offenbart, ist Klassen­rassismus.
    Wie kann man denn der ideologischen Substanz der Gelbwesten gerecht werden?
    Louis: Es handelt sich grundsätzlich um eine soziale Bewegung, das heißt, sie stellt Forderungen, die gegen die ökonomische Unsicherheit und die soziale Aus­grenzung gerichtet sind…
    Quelle: Republik

    Anmerkung Marco Wenzel: Lesenswert.

    und: Akademischer Beobachter ratlos
    (…) Das harsche Urteil hängt damit zusammen, dass Jürgen Habermas und viele andere Abschied nehmen müssen vom Wolkenkuckucksheim eines politisch vereinten Europas…Nichts hat mit der Realität weniger zu tun, als der Wunsch nach einem Europa mit einer Zentralregierung an der Spitze und einem Parlament, das mit Mehrheit entscheidet, was zum Beispiel in Frankreich oder in Deutschland zu geschehen hat. Jetzt kam Habermas zu dem Ergebnis: »Wenn Sie mich nicht als Staatsbürger, sondern als akademischen Beobachter nach meiner Gesamteinschätzung fragen, muss ich gestehen, im Augenblick keine ermutigenden Tendenzen zu erkennen.« (Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2018)
    (…) Emmanuel Macrons bejubelter Vorschlag, die Eurozone mit einem eigenem Haushalt und einem eigenem Finanzminister auszustatten, hatte von vornherein wenig Aussicht auf Erfolg. Er setzt voraus, dass die Beteiligten die Verfügungsgewalt über einen Teil ihrer Steuereinnahmen und damit ihrer nationalen Souveränität preisgeben. Die Grande Nation selbst wäre die Letzte, die sich dazu bereitfände. Was im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung unter dem Stichwort »Aufbruch für Europa« aufgelistet wird, steht unter einem Generalvorbehalt, der da lautet: »Die Rechte der nationalen Parlamente bleiben davon unberührt.«
    Mit Macrons Idee einer »Europäischen Armee zur Verteidigung Europas«, der ja auch andere anhängen, verhält es sich nicht anders…
    (…) Der Brexit mag vielerlei Gründe haben. Den Ausschlag gab der verletzte Nationalstolz der Briten, der sich nicht damit abfinden will, Entscheidungen von nationalem Interesse nur in Absprache mit der EU-Kommission in Brüssel treffen zu können.
    Quelle: Ossietzky

  2. US-Botschafter Grenell schreibt Drohbriefe an deutsche Firmen
    Der Botschafter der USA in Deutschland, Richard Grenell, könnte erneut für diplomatische Spannungen zwischen den USA und Deutschland sorgen: Offenbar hat Grenell an mehrere deutsche Unternehmen, die am Bau der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind, Drohbriefe geschrieben. Darin warnt er nach Angaben der “Bild am Sonntag” vor US-Sanktionen, sollten die Firmen sich weiter an dem Projekt beteiligen. (…)
    Die direkte Einmischung von US-Botschafter Grenell durch die Briefe geht jedoch über diese Drohung hinaus und ist sehr ungewöhnlich. Wie die “Bild am Sonntag” aus dem Schreiben zitiert, sehe Grenell durch den Bau der Pipeline eine steigende Gefahr russischer Interventionen. Durch Nord Stream 2 und ebenso durch die “Turk Stream”-Pipeline würde der bisherige europäische Gasimport über die Ukraine überflüssig, wodurch die Ukraine an sicherheitspolitischer Bedeutung verlöre.
    Grenell kritisiert demnach auch, dass sich die EU in ihrer Energiesicherheit von Russland abhängig mache. “Im Ergebnis untergraben Firmen, die den Bau beider Pipelines unterstützen, aktiv die Sicherheit der Ukraine und Europas.” Der Botschafter droht: “Wir betonen, dass Firmen, die sich im russischen Energieexportsektor engagieren, sich an etwas beteiligen, das ein erhebliches Sanktionsrisiko nach sich ziehen könne.”
    Die Briefe verschickte Grenell nach Recherchen der “Bild am Sonntag” wohl in Abstimmung mit verschiedenen US-Behörden an mehrere deutsche Konzerne. Im Auswärtigen Amt stießen die Briefe demnach auf Unverständnis, Grenells Vorgehen entspreche nicht den diplomatischen Gepflogenheiten. Offiziell hat sich das Ministerium jedoch noch nicht geäußert. Ein Sprecher Grenells sagte der Zeitung, der Brief sei nicht als Drohung aufzufassen, “sondern als klare Botschaft der US-Politik”.
    Quelle: Spiegel Online

    Lesen Sie dazu bitte auch „Danke, Botschafter Grenell!“.

  3. Schneehelden im Schneechaos
    Die Inszenierung der Bundeswehr und die Unterhöhlung des zivilen Katastrophenschutzes
    Am Sonntag, 13. Januar 2019 besuchte die Oberbefehlshaberin von der Leyen die Gebirgsjägertruppe bei ihrem Schnee-Einsatz in Südbayern. Ein vorläufiger Höhepunkt in der propagandistischen Darstellung der Aktivitäten der Bundeswehr in der Alpenregion. Während Focus Online bereits zwei Tage zuvor vom „Mini-Panzer der Schnee-Helden“ berichtet hatte – alle technischen Details des Kriegsgeräts inklusive – war sich die Lokalzeitung Berchtesgardener Anzeiger nicht zu schade, die Pressemitteilung der Bundeswehr zum Besuch der Ministerin vor ihrer Haustür eins zu eins wiederzugeben. Neben der miserablen journalistischen Arbeit und der Verherrlichung der Armee durch die jeweiligen Medien handelt es sich dabei allerdings auch um einen Effekt der massiven Pressearbeit der Bundeswehr, die ihren Einsatz zur medialen Charmeoffensive zu nutzen weiß. Während die Verantwortlichen in einigen Gemeinden in Österreich, wie z.B. in Lech am Arlberg noch am Wochenende feststellen, dass es sich trotz Lawinenabgängen mit Todesfolge um keine ungewöhnliche Lage handele, herrschte in den deutschen Medien bereits Katastrophenstimmung.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.
  4. Nach Jahren der Dementis: Israelischer Stabschef bestätigt Waffenlieferung an syrische Dschihadisten
    Der Name ist Programm: Gadi Eisenkot, der scheidende Stabschef der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), hat in einem Abschiedsinterview mit der Sunday Times erstmals offen zugegeben, dass Israel proaktiv auf Seiten der syrischen Rebellen in den syrischen Konflikt verwickelt war. Tel Aviv hatte dies zuvor immer vehement bestritten.
    Der General, der sich Ende des Monats vom aktiven Militärdienst zurückzieht, gestand offiziell ein, dass Israel “Rebellen mit leichten Waffen zum Zwecke der Selbstverteidigung” versorgt.
    Seit Jahren kursierten Gerüchte über enge militärische Beziehungen zwischen den bewaffneten Militanten und der israelischen Regierung.
    Die Fach-Zeitschrift Foreign Policy berichtete im September 2018, dass Israel Waffen und Geld an mindestens 12 Rebellengruppen in Südsyrien geliefert hat. Die Vereinbarung mit den oft dschihadistisch geprägten Milizen beinhaltete laut Darstellung von israelischen Beamten auch die Zahlung von monatliche Zulagen in Höhe von 75 US-Dollar pro Kämpfer, zusätzlich zu den Geldern, die ihre Anführer erhielten, um weitere Waffen auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen. Im Gegenzug wurde von den Rebellen erwartet, dass sie die Vertreter der Hisbollah und des Irans daran hindern, auf den von Israel besetzten Teil der Golanhöhen vorzurücken.
    Quelle: RT Deutsch
  5. Ganz Indien streikt, die Presse schweigt
    Extremer Billiglohn, brutale Arbeitsbedingungen, Elend und Kinderarbeit: Wer wissen will, wo ein Großteil unserer Kleidung und zahlreiches technisches Spielzeug produziert wird, blicke zum Beispiel nach Indien. Millionen von Menschen schuften dort wie Sklaven für den Wohlstand unserer westlichen Lebenswelt. Über die Armut in dem bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg von Europa kolonialisierten und bis heute wirtschaftlich ausgeplünderten Staat mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern wird oft berichtet. Nicht erwünscht sind dagegen Informationen über den Widerstand der indischen Bevölkerung gegen die Herrschenden. Vergangene Woche ereignete sich in Indien der vielleicht größte Streik der Geschichte. Doch niemand außer ein paar kleinen linken Blättern berichtete darüber.
    Nach Angaben der Dachverbände der größten indischen Gewerkschaften, darunter kommunistische und reformistische sowie Frauenverbände, legten am vergangenen Dienstag und Mittwoch rund 200 Millionen Arbeiter zugleich ihre Arbeit nieder. Stillgestanden habe die Bahn und das Transportwesen, ein Großteil der Produktion, sogar Banken und staatliche Behörden, wie zuerst das Neue Deutschland (ND) berichtete.
    200 Millionen – das ist mehr als ein Siebtel der Gesamtbevölkerung des einwohnermäßig zweitgrößten Staats der Welt. Die Streikenden haben massiven Repressionen getrotzt. Damit hatte die indische Regierung gedroht. Im südindischen BundesstaatTamil Nadu etwa kündigte sie gravierende Lohnkürzungen für Festangestellte an. Teilzeitbeschäftigten und Tagelöhnern drohte sie mit dem Verlust ihres Jobs.
    Demnach richtete sich der Streik vor allem gegen die Änderung eines Gewerkschaftsgesetzes zugunsten der Industriellen, Aktionäre und Firmenbesitzer. Es erschwere Proteste und Organisation von Arbeitern massiv. Laut Tapan Sen von der Kommunistischen Gewerkschaft Indiens sorge das Gesetz „für sklavenähnliche Bedingungen“. Die indische Regierung begründete die Novelle ähnlich, wie einst der deutsche Altbundeskanzler Gerhard Schröder bei der Einführung der schikanösen Hartz-Gesetze: Man müsse das Wirtschaftswachstum beschleunigen.
    200 Millionen, das sind 2,6 Prozent der heutigen Weltbevölkerung – so viele muss man erst einmal mobilisieren. Indischen Gewerkschaften ist das gelungen. Ein Weltereignis? Denkste. Denn während allzu häufig einzelne Gewalttaten durch die überregionale Presse gehen, herrschte absolute Funkstille über den Generalstreik…
    Quelle: Ken FM
  6. Man accused of shooting down UN chief: ‘Sometimes you have to do things you don’t want to…’
    Exclusive research reveals that a British-trained Belgian mercenary admitted the killing of Dag Hammarskjöld in 1961
    RAF veteran ‘admitted 1961 killing of UN secretary general’
    Jan van Risseghem was only a teenager when his mother ordered him to flee Nazi-occupied Belgium for her native England with his brother Maurice. After hiding in a convent, and an epic journey across the war-torn continent, they reached safety in Portugal, then took a ship north.
    Once in England, the pair signed up with the Belgian resistance, and with the help of an uncle enrolled for flight training with the RAF, a decision that shaped not just their war, but the rest of their lives.
    Half a century later, flying skills he learned in Britain would also make the younger van Risseghem internationally notorious, when he was publicly linked to the plane crash that killed Swedish diplomat Dag Hammarskjöld, the UN secretary general, in 1961.
    Quelle: The Guardian

    Anmerkung Albrecht Müller: Ein ausgesprochen interessanter Bericht. Es geht um den Tod des UN Generalsekretärs im Jahre 1961 – ein Auftragsmord, wie vermutlich auch in anderen Fällen, zum Beispiel Olof Palme. Mord ist offensichtlich Teil imperialer Politik, gerade auch des Westens. – Marco Wenzel hat den Artikel übersetzt. Danke vielmals.

  7. Das fordert Blackrock-Chef Fink in seinem Brief an deutsche Top-Manager
    Ein mahnender Brief vom mächtigsten Mann der Finanzmärkte: Larry Fink fordert von mehreren Unternehmen, drängende soziale und wirtschaftliche Fragen anzugehen.
    Deutschlands Top-Manager haben in dieser Woche Post vom mächtigsten Mann der Finanzmärkte erhalten. In einem dreiseitigen Brief, der dem Handelsblatt vorliegt, fordert Blackrock-Chef Larry Fink langfristiges Wachstum und Profitabilität. „Das globale Umfeld wird immer fragiler und macht Unternehmen und Regierungen anfälliger für kurzfristiges Handeln“, schreibt er.
    Was Fink sagt, hat Gewicht. Hinter Blackrock stehen Anlagegelder über rund sechs Billionen Dollar. Mehr hat keine andere Fondsgesellschaft derzeit zu bieten.
    Der Gigant aus New York ist an allen großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland beteiligt und oftmals der größte Aktionär. Beim Immobilienkonzern Vonovia etwa hält Blackrock 8,25 Prozent der Aktien, beim Finanzdienstleister Wirecard sind es 6,72 Prozent, beim Agrar- und Chemiekonzern Bayer 7,44 Prozent und bei der Deutschen Bank hält der Vermögensverwalter 5,32 Prozent.
    Der bekennende Demokrat Fink warnt in seinem Brief davor, dass die Gesellschaft verunsichert ist durch „fundamentale ökonomische Umwälzungen und durch die Unfähigkeit der Regierungen, dafür effektive Lösungen zu finden“. Deshalb müssten Unternehmen drängende soziale und wirtschaftliche Fragen angehen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung André Tautenhahn: Die marktkonforme Demokratie benötigt nun auch die Demokratie nicht mehr. Die Regierungen seien unfähig, der Markt und die Unternehmen sollen direkt übernehmen, meint der „bekennende Demokrat“ Fink.

  8. Privatisierung abgesagt: Bund behält Toll Collect
    Der Bund wird den Lkw-Mautbetreiber Toll Collect entgegen früherer Pläne nicht wieder privatisieren. Es würde einfach weniger Geld auf der Strecke bleiben.
    Der Bund wird künftig die Maut für schwere Lkw auf Autobahnen und Bundesstraßen selbst eintreiben. Der Mautbetreiber Toll Collect werde daher auf Dauer im Staatsbesitz bleiben, teilte Verkehrsminister Andreas Scheuer am Dienstag in Berlin mit. Die Entscheidung überrascht – ursprünglich war geplant, den Auftrag zum Eintreiben der Maut wieder auszuschreiben. Eine neue Berechnung habe jedoch gezeigt, dass der Betrieb in Eigenregie für den Bund günstiger sei, sagte Scheuer.
    Der Bund erwartet in den nächsten Jahren jeweils rund 7,2 Milliarden Euro an Einnahmen aus der Straßengebühr für die Lastwagen. Nach den Vorstellungen des Bundesverkehrsministers sollToll Collect künftig auch bei der Kontrolle der geplanten Pkw-Maut eine Rolle spielen. So könne eine zusätzliche Kamera an den Kontrollbrücken auch Autos erfassen.
    Der bisherige Vertrag mit dem Mautbetreiber Toll Collect war am 31. August ausgelaufen…
    Instrument für Verkehrswende?
    Die Maut könnte für die Bundesregierung auf längere Sicht noch eine größere Bedeutung bekommen, etwa wenn es um die sogenannte klimafreundliche Verkehrswende geht. Über das Gebührensystem auf Autobahnen und Bundesstraßen können etwa Elektro-Autos gefördert oder der Lkw-Verkehr stärker mit Umwelt-Abgaben belastet werden. Die Bundesregierung will in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz beschließen. Der Verkehrssektor steht hier besonders im Blick, da er seit 1990 den Ausstoß des Treibhausgases CO2 nicht reduzieren konnte.
    Quelle: SPON

    Anmerkung Jens Berger: Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Man fragt sich nur, warum diese richtigen Erkenntnisse sich erst jetzt durchgesetzt haben und ob die Bundesregierung mit dieser Begründung nicht auch andere privatisierte Dienstleistungen zurück in den Staat eingliedern müsste.

  9. Gesetz der Angst
    14 Jahre nach der Einführung von Hartz IV überprüft das Bundesverfassungsgericht seit dem vergangenen Dienstag, ob die Sanktionen, und das heißt weitere Leistungskürzungen, die Ämter gegenüber Beziehern der Grundsicherung verhängen können, verfassungswidrig sind. Christoph Butterwege unterzieht das Hartz-IV-Regime, das die Bundesrepublik verändert hat, einer grundsätzlichen Kritik. Seinen Beitrag, den wir hier mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag in gekürzter Fassung veröffentlichen, ist entnommen der Festschrift mit dem Titel »Mythos Soziale Marktwirtschaft« zu Ehren des Wirtschaftswissenschaftlers Heinz-Josef Bontrup, der in der nächsten Woche seine Lehrtätigkeit beenden wird. Der Band erscheint in den kommenden Tagen im Kölner Papy-Rossa-Verlag. (jW)
    Quelle: Christoph Butterwegge in junge Welt

    dazu: Sanktionen in Hartz IV nicht mit der Verfassung vereinbar
    Tacheles e.V. hat in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe zu Beginn des Jahres eine Online-Befragung zu den Sanktionen im Sozialgesetzbuch II („Hartz IV“) durchgeführt. Die Beteiligung hat die Erwartungen bei weitem übertroffen. Mehr als 21.000 Menschen haben von ihren Erfahrungen mit Sanktionen im SGB II berichtet und ihre Einschätzungen mitgeteilt
    Teilgennomen haben nicht nur LeistungsbezieherInnen, sondern auch viele Menschen aus dem sozialen Bereich, die mit LeistungsbezieherInnen arbeiten und sie unterstützen, Auch Rechtsanwälte und viele MitarbeiterInnen von Jobcentern haben sich geäußert. Tacheles e.V. wird die Auswertung am kommenden Dienstag in der mündlichen Verhandlung einbringen und dann online zur Verfügung stellen.
    Thomé ergänzt: „Unsere Befragung hat ergeben, dass über 80 Prozent aller Antwortenden Sanktionen als nicht für ein Mittel halten, das geeignet ist, eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Sanktionen haben verheerende Auswirkungen auf die Lebenssituation der davon betroffenen Leistungsberechtigten. Nicht selten führen sie unmittelbar in Wohnungslosigkeit, Energieverlust und eine Schuldenspirale. Auch die JobcentermitarbeiterInnen sind der Auffassung, dass Arbeitsuchende in erster Linie mehr Unterstützung und bessere Beratung brauchen, um unabhängig von Unterstützung zu werden.“
    Neben den Befragungsergebnissen, die statistisch ausgewertet werden können, hat Tacheles fast 7.000 Mitteilungen von Betroffenen erhalten: „Diese werden wir am 15. Januar 2019 dem Verfassungsgericht komplett übergeben. Meist wird nur über die Hartz IV-Bezieher*innen geredet. Wir wollen sie mit der Veröffentlichung der Rückmeldungen selbst beim Gericht zu Wort kommen lassen.“ , so Thomé weiter.
    Tacheles e.V. ist der Auffassung, dass die Sanktionen im SGB II nicht mit der Verfassung vereinbar sind, weil sie denen, die sie treffen, die grundlegende Anerkennung als Menschen versagen. Diese grundlegende Anerkennung steht im Kern des Menschenwürdegrundsatzes aus Art. 1 Abs. 1 GG. Tacheles appelliert daher an das Bundesverfassungsgericht, die Sanktionen im SGB II für verfassungswidrig zu erklären.
    Quelle: Tacheles e.V.

    und: Hartz & Heil & Harbarth Eine Gratwanderung
    (…) Einerseits haben die Verfassungrichter nämlich am 9. Februar 2010 selbst festgestellt, dass die Hartz-Leistungen so bemessen sein müssen, dass damit das „verfassungsrechtliche Existenzminimum“ gewährt wird.
    (…) Da haben sich die Verfassungrichter vor neun Jahren ein ziemlich dickes Ei ins Nest gelegt, das nun auszubrüten schwierig wird.
    Denn, andererseits, ist es nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtes, der Regierung in den Rücken zu fallen, die, vorgetragen vom zuständigen Minister, die Auffassung vertritt, Abstriche vom Existenzminimum seien von Sanktionierten hinzunehmen, weil wir sonst wer weiß wo hinkämen. In einen Zustand nämlich, welcher den Staat gegenüber jedem Arbeitsunwilligen zum bedingungslosen Zahlen verpflichten würde, was von einigen Kommentatoren bereits dahin ausgelegt wurde, dass ein Spruch des Verfassungsgerichtes, mit dem Sanktionen als verfassungswidrig erkannt würden, automatisch das bedingungslose Grundeinkommen nach sich ziehen würde.
    Bleiben wir zunächst einmal bei der Regierungsargumentation. Es ist vollkommen richtig, dass Sanktionen das einzige Druckmittel sind, das der Staat gegenüber Hartz-IV-Beziehern in der Hand hat. Unklar bleibt allerdings, inwieweit der Staat überhaupt das Recht hat, auf Hilfebedürftige Druck auszuüben.
    Die klassische Karriere der „Länger-als-erlaubt-Arbeitslosen“ beginnt doch damit, dass der bisherige Arbeitgeber die Kündigung ausspricht. Schuldhaftes Verhalten des künftigen Leistungsbeziehers kann ausgeschlossen werden.
    Diese klassische Karriere setzt sich fort in einer Art „Reise nach Jerusalem“ bei der im Dezember 2018 nur 781.000 Stühle für 2.210.000 offiziell registrierte Arbeitslose bereitgestellt wurden. Wenn man allerdings statt dieser 2,2 Millionen die fast doppelt so hohe und für die Beurteilung des Arbeitsmarktes sehr viel zutreffendere Zahl von 4, 005 Millionen erwerbsfähigen, arbeitssuchenden Leistungsempfängern ansetzt, wird erst wirklich erkennbar, wie es um das Verhältnis von Glückslosen zu Nieten in dieser Lotterie aussieht.
    Um es ganz deutlich zu sagen: Per Ende Dezember 2018 hatten mindestens 3,2 Millionen Arbeitssuchende nicht die geringste Chance auf einen Job.
    Wenn der Arbeitsminister nun glaubt, der Sozialstaat müsse ein Mittel haben, die zumutbare Mitwirkung verbindlich einzufordern, dann stellt sich doch erst einmal die Frage: Mitarbeit wobei?
    Allen vier Millionen Arbeitssuchenden ein Bewerbungstrainung angedeihen zu lassen, verbessert zwar theoretisch die Chancen aller, praktisch ändert sich dadurch aber das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden nicht.
    Alle vier Millionen Arbeitssuchenden zu verpflichten, monatlich mindestens 30 Bewerbungen zu schreiben und zu versenden, das ergibt 1,44 Milliarden Bewerbungen im Jahr, von denen weniger als ein Prozent überhaupt gelesen werden….
    Quelle: antides

    Anmerkung Marco Wenzel: Ein sehr guter Beitrag. Die Jobcenter sollen etwas vermitteln, was sie gar nicht haben: Arbeit.

  10. Obdachlosigkeit: Liebe Politiker, schaut hin!
    Sie liegen in Kälte und Regen unter Brücken, in Bahnhöfen, auf Parkbänken: Obdachlose, die ganz unten angekommen sind. Die Schriftstellerin Eva Sichelschmidt kann es nicht fassen, dass so wenig für diese Menschen getan wird – in einem so reichen Land.
    Irgendwann hatte der Leiter der Berliner Bahnhofsmission am Zoo, Dieter Puhl, die Nase gestrichen voll. Immer mehr Menschen starben in ihren Schlafsäcken, ohne auch nur ein einziges Hilfsangebot bekommen zu haben, starben unter der Überführung, an den Mauern der S-Bahn-Brücke, keine hundert Meter von seinem Büro entfernt oder auch schon mal direkt vor der Eingangstür. Denn geht es einem Obdachlosen richtig dreckig, schaut keiner mehr hin und auch die Sanitäter in ihren Rettungswagen sind nur schwer zu motivieren, wenn es sich um Alkoholabhängige und Drogensüchtige handelt.
    Die Menschen sind an ihrem Schicksal selber schuld, lautet das gängige Vorurteil. Sie könnten schließlich auch arbeiten, so wie alle anderen.
    Mit Unterstützung der Deutschen Bahn, der Berliner Verkehrsbetriebe, eines privaten Spenders und der Spendengelder der Bahnhofsmission gelang es Puhl, vier Arbeitsstellen für die sogenannten mobilen Einzelfallhelfer zu schaffen.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    dazu: Obdachlosigkeit durch Zwangsräumung: Schneller Absturz
    Die Obdachlosigkeit in Berlin steigt. Das liegt auch an mehr Zwangsräumungen, die für Eigentümer attraktiver geworden sind. Sogar vom Senat finanzierte Hilfsprojekte für Obdachlose haben es schwer, Wohnraum zu finden.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

  11. WählerInnen-Potenzial der Linkspartei: Bei den Grünen wildern
    Neu-WählerInnen kann die Linke vor allem bei den Grünen erschließen, zeigt eine interne Analyse. Auch strategische Überlegungen weisen nach grün.
    In der Linken schauen sie zurzeit neidisch bis frustriert auf die Grünen. Während die weiterhin Höhenflüge erleben und in Umfragen zurzeit zweitstärkste Kraft vor SPD und AfD sind, verharrt die Linkspartei bei unter 10 Prozent.
    „Wie stellen wir uns für das Wahljahr 2019 auf“, war daher eine der zentralen Fragen, die sich die 69 Bundestagsabgeordneten der Linken Anfang Januar auf ihrer Klausurtagung stellten. Stoff und Anregung zum Nachdenken erhofften sie sich gleich zu Anfang von Torsten Schneider-Haase, der den Bereich Politikforschung beim Umfrageinstitut Emnid leitet. Und Schneider-Haases Analyse hatte es in sich.
    Laut seiner Präsentation, die der taz vorliegt, kann die Linkspartei nämlich vor allem bei den Grünen neue WählerInnen erschließen. Demnach könnten sich 22 Prozent aller Wahlberechtigten derzeit vorstellen, die Linke zu wählen. Aber drei Viertel dieser potenziellen WählerInnen entscheide sich anders, jeder Dritte davon kreuze eher die Grünen an. Kaum Potential für die Linkspartei sieht Emnid dagegen bei AfD-AnhängerInnen: Von den potentiellen WählerInnen tendiert nur ein Prozent zur dorthin.
    Strategisch übersetzt heißt das für die Linkspartei: Sie müsste viel stärker bei den Grünen wildern und könnte ihre Bemühungen um AfD-WählerInnen im Gegenzug fast einstellen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers U.B.: Ich vermute, dass in der Linkspartei jetzt eine Kampagne zur „Grünifizierung“ der Partei losgeht. Argumentative Grundlage ist eine Umfrage bzw. eine Stellungnahme von Torsten Schneider-Haase von Emnid. Mir fiel dazu ein, dass Herr Müller mal sagte, dass Umfragen durch die Auftraggeber so formuliert werden können, dass das gewünschte Ergebnis dabei herauskommt. Dies ist wie gesagt lediglich eine Vermutung von mir. Diese Umfrage passt aber gut zur Politik des Kipping-Flügels der Linkspartei.

    Indirekt dazu: Warum wählen Arbeiter die AfD?
    Es hat keine fünf Jahre gedauert, bis aus der anfänglichen „Professorenpartei“ AfD, entstanden aus einer von „Honoratioren“ getragenen Bewegung gegen den Euro bzw. den „Euro-Rettungsschirm“, eine Formation mit politischer Prägekraft geworden ist. Die Partei dürfte mittlerweile die Sozialdemokraten als zweitstärkste politische Kraft in der BRD abgelöst haben. Es wäre jedoch zuviel der Ehre, der AfD zu attestieren, ihr Aufstieg habe das politische Koordinatensystem der BRD durcheinandergewirbelt. Denn tatsächlich sind durch ihren Erfolg nur existierende Tendenzen sichtbarer geworden: Der Rechtspopulismus hat vorhandener Fremdenfeindlichkeit und einem nationalistischen „Grundrauschen“ einen konkreten Ort gegeben. Die Deutschlandfahnen in den kleinbürgerlichen Vorstadtsiedlungen und auf den Balkonen der Sozialwohnungen sind schon lange vor dem Aufstieg der AfD unübersehbar gewesen. Zementierung der Spaltung Aus ihrer gemeinsamen Niederlage haben die etablierten Parteien offensichtlich nichts gelernt. Es ist Bestandteil der „Erfolgsbilanz“ der AfD, daß sich fast alle politischen Kräfte der BRD deren chauvinistischer Position in der Flüchtlingsfrage angenähert haben. Die Hoffnung, den politischen Konkurrenten auf diese Weise zurückdrängen zu können, hat sich nicht erfüllt. Am allerwenigsten sind die Sozialdemokraten in der Lage zu vermitteln, weshalb man sie wählen sollte. Aus beinahe jeder Äußerung des SPD-Personals wird deutlich, daß nichts, aber auch gar nichts aus dem dramatischen Absturz gelernt wurde. Versprochen wird zwar, die „Übertreibungen“ der Hartz-IV-Zumutungen zu „korrigieren“, aber zu mehr als zu „Schönheitsreparaturen“ scheint niemand bereit zu sein. Typisch ist die aktuelle Forderung der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles, die Sanktionen (Leistungskürzungen bei „Fehlverhalten“) für jüngere Hilfebedürftige abzuschaffen. Grundsätzlich wird damit allerdings weiterhin die Praxis akzeptiert, die Hilfssätze unter das Existenzminimum zu drücken – wovon jährlich fast eine Million Bedürftige betroffen sind. Nicht einmal ansatzweise existiert ein Bewußtsein davon, wie sehr sich die Partei mit den Angriffen auf die Sozialsysteme und die Lebensinteressen der Lohnabhängigen diskreditiert hat. Geradezu zynisch mutet an, daß ein „Neuanfang“ ausgerechnet mit Andrea Nahles gelingen soll, die sich bedenkenlos als Propagandarednerin der Schröderschen „Agenda-Politik“ betätigt und im demagogischen Jargon verkündet hatte: „Wir wollen die Leistungsbereitschaft der Menschen nicht durch karitative Transferlogiken einschläfern.“1 Die Umsetzung dieses Programms hieß Einschüchterung durch Verunsicherung. Es gibt also Gründe, warum den Sozialdemokraten die Stammwähler davongelaufen sind und etliche von ihnen inzwischen der AfD ihre Stimme geben. Man wird jedoch genauer hinsehen müssen, aus welchen gesellschaftlichen Schichten die AfD-Wähler kommen.
    Quelle: Rotfuchs (Beilage)

    Anmerkung unseres Lesers Peter Naumann: Hervorragende sehr interessante und tiefgründige sowie detaillierte Analyse, die aufgrund ihrer Aktualität des Problems sehr empfehlenswert zum Lesen ist. In diesem Beitrag werden jene notwendigen Fragen behandelt, die sich für den heutigen Kampf gegen die Rechte stellen. Dieser umfassende Artikel ist ein effektives theoretisches Bollwerk gegen den immer stärker werdenden Rechtsradikalismus.

  12. „Die Welt lernt nicht dazu“
    Herr Lafontaine, werden Sie dem Grab von Rosa Luxemburg zum 100.Todestag am Dienstag in Berlin einen Besuch abstatten?
    LAFONTAINE Ja. Ich folge damit einer Tradition, die schon bei der Beerdigung von Rosa Luxemburg begonnen hat, als über 100 000 Berliner ihrem Sarg folgten. (…)
    Wenn Sie in der heutigen Zeit die Gelegenheit hätten, mit Rosa Luxemburg zu sprechen: Welches Kompliment würden Sie ihr machen?
    LAFONTAINE Dass sie sich mit Leidenschaft für ihre Ziele eingesetzt hat. Gerade wenn es um die Erhaltung des Friedens ging, hat sie unsere Wirtschaftsordnung ähnlich kritisch beurteilt wie heute Papst Franziskus, der sagt: Diese Wirtschaft tötet. Und wenn man die Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte im Vorderen Orient oder Afrika sieht, dann ist die Analyse von Rosa Luxemburg nach wie vor aktuell. (…)
    Was verbindet Sie persönlich heute mit Rosa Luxemburg?
    LAFONTAINE Ihr Eintreten für eine Politik des Friedens. Rosa Luxemburg hatte nach dem Ersten Weltkrieg vergeblich gefordert, die Rüstungsindustrie zu verstaatlichen, um zu verhindern, dass die Rüstungsindustrie die Politik zu Kriegen drängt. Vor dem militärisch-industriellen Komplex hat aus denselben Gründen ja auch später der amerikanische Präsident Eisenhower gewarnt. Die Welt lernt aber nicht dazu. Wie Trump rüstet auch die Regierung Merkel weiter auf und liefert Waffen in Kriegsgebiete. (…)
    Was, denken Sie, würde Rosa Luxemburg heute zum Zustand der SPD sagen?
    LAFONTAINE Sie trat leidenschaftlich für die Rechte der Arbeitnehmer und all derer ein, die um ihren Lebensunterhalt kämpfen mussten. Sie wäre sicherlich eine der schärfsten Kritikerinnen des auch von der SPD durch die Agenda 2010 zu verantwortenden Sozialabbaus.
    Die von Ihnen und Ihrer Frau Sahra Wagenknecht gegründete Sammlungsbewegung „Aufstehen“ kritisiert die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und wendet sich – anders als die meisten in Ihrer Partei – gegen offene Grenzen. Gerade auch vor dem Hintergrund des deutschen Arbeitsmarkts. Steht das nicht im krassen Gegensatz zu Rosa Luxemburgs Idee vom Sozialismus, der sich auch dem Internationalismus verschrieben hatte?
    LAFONTAINE Wir sind durchaus für offene Grenzen, aber wir finden, dass die Grenzen nicht nur nach einer, sondern nach zwei Seiten offen sein sollten. Statt die Milliarden lediglich für die Menschen auszugeben, die zu uns kommen, wollen wir auch, dass ein Teil dieser Milliarden ausgegeben wird, um den Millionen Menschen in den Lagern und Hungergebieten zu helfen, die zu schwach oder zu arm sind, um nach Deutschland zu kommen. Und statt den armen Ländern Fachkräfte abzuwerben, sollten wir Spezialisten in diese Länder schicken, um ihnen zu helfen. Mein Leitbild ist Albert Schweizer, der nach Afrika ging, um dort die Kranken zu versorgen. Heute werden Ärzte und Krankenschwestern aus Afrika angeworben, um hier zu arbeiten, als gäbe es dort keine Kranken.
    Quelle: Saarbrücker Zeitung
  13. Mathias Döpfner liest seiner Branche die Leviten
    Als Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger geht Springer-Chef Mathias Döpfner mit seinen Kollegen hart ins Gericht. … Nicht die Digitalisierung sei das Problem von Zeitungen und Zeitschriften, sondern eine sich seit Jahren hinziehende intellektuelle und inhaltliche Krise des Journalismus. Springer-Vorstandschef Döpfner äußerte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (siehe unten) Zweifel am Auftritt von Journalisten auf Twitter und Facebook. Er empfehle größte Zurückhaltung, wenn nicht gar totale Enthaltsamkeit.
    Die Branche müsse mit einer “Lebenslüge” aufräumen, sagte Döpfner. “Dass die vielbeschworene Zeitungskrise durch technologischen Wandel verursacht ist. Das stimmt nicht, das ist ein Alibi.” Vielerorts habe sich Selbstzufriedenheit und Überheblichkeit breitgemacht.
    Quelle: W&V

    Anmerkung Jens Berger: Das ist ja wirklich Realsatire. Der Chef des Springer-Verlags, also der direkte Vorgesetzte von BILD-Chef Julian Reichelt., beschwert sich über eine „intellektuelle Krise“ des Journalismus? Und die dpa, die das Interview führt, spult brav wie eine Schülerzeitung ihren Fragenkatalog ab, ohne kritisch nachzuhaken. Ja, der Journalismus steckt ganz offensichtlich in einer tiefen Krise.

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