Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Venezuela
  2. Gelbwesten
  3. Der doppelte Verrat der Linken
  4. JEFTA
  5. Wir müssen über Steuern reden, alles andere ist Mist!
  6. Der Danske Bank Geldwäsche-Skandal und die Folgen
  7. Vater, Mutter, obdachlos
  8. 3,4 Millionen Menschen haben mehrere Jobs
  9. Über eine Milliarde für Berater
  10. Drahtzieher Burschenschaften
  11. „True North“: So dreht Stephen Dürr seine neue Marineserie in Wilhelmshaven
  12. Diskriminierung von Minderheiten in der EU: Die baltischen Staaten
  13. Vertrauen: “Welt aus dem Gleichgewicht”
  14. „Es ist falsch, am Minimum zu kürzen“
  15. In Russland blüht eine erstaunliche Medienvielfalt
  16. Die SPD ist Verlustversion

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Venezuela
    1. Paternalistische Politik
      In Venezuela ist er noch Oppositionsführer, im Ausland schon Staatschef: Deutschland und weitere europäische Länder haben Juan Guaidó als Übergangspräsident anerkannt. Mit welchem Recht, fragt sich unser Kommentator Sebastian Engelbrecht. Damit werde die Souveränität des Landes missachtet.
      Es ist ein Rückfall in kolonialistische Zeiten. Das Auswärtige Amt in Berlin hat den venezolanischen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó als Interimspräsidenten des Landes anerkannt. Es spricht dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro damit die Legitimität ab. Man reibt sich die Augen: Sind die Zeiten einer paternalistischen Politik Europas gegenüber den Staaten auf der südlichen Halbkugel nicht ein- für allemal vorbei? Schamlos mischt sich der deutsche Außenminister Heiko Maas in die inneren Angelegenheiten Venezuelas ein – und beruft sich dabei auf die Werte der Demokratie, auf das Leid der Venezolaner, die hungern und gesundheitlich schlecht versorgt werden.
      Die Bundesregierung handelt im Einvernehmen mit Spanien, Frankreich und Großbritannien, den großen Kolonialmächten des Kontinents. Zuvor hatten die europäischen Staaten Maduro gar ein Ultimatum gestellt. Da dieser bis gestern keine Präsidentschaftswahl angekündigt hat, erklärten die Europäer, man erkenne nun Guaidó als Übergangspräsidenten an.
      Es fragt sich, mit welchem Recht Deutschland und seine europäischen Partner so handeln. Sie missachten die Souveränität Venezuelas, indem sie in einem internen Machtkampf Partei ergreifen.
      Quelle: Deutschlandfunk
    2. US Hands Off Venezuela
      This article includes talking points, graphics for use in social media, two articles about potential military action against Venezuela, and a sign-on letter initiated by the Center for Economic and Policy Research (CEPR) signed by scholars and experts calling on the US government to support a negotiated, peaceful solution to the crisis in Venezuela. These resources are intended to provide local activists with all the information they need to organize opposition to the Trump Administration policy of illegal regime change in Venezuela.
      US-Sponsored Venezuela Coup Talking Points
      These talking points are presented to provide activists with authoritative information to use in letters-to-the-editor, social media forums, discussions in your communities or communication with elected officials.

      • Was the Venezuela 2018 presidential election open to opposition candidates?
      • Was the Venezuela presidential election of 2018 in accord with international standards?
      • How do Venezuelans themselves feel about the US Sanctions and US military intervention?
      • What effect do the US, Canada, and European Union sanctions have on Venezuela?
      • On what basis did Juan Guaido appoint himself president of Venezuela at a rally on January 23?
      • Does the international community recognize Nicolas Maduro or Juan Guaido as the legitimate president of Venezuela?
      • What is the Lima Group and does it represent the international community?
      • Is the Maduro government opposed to U.N. Secretary General Antonio Guterres’ call for dialogue?
      • Is there opposition in the US Congress to the US backed coup?

      Quelle: Alliance for Global Justice

      Anmerkung JK: Hier sind einige Fragen gestellt, deren neutrale Beantwortung man von Qualitätsmedien eigentlich erwarten dürfte. Nichts davon findet sich in der Berichterstattung der deutschen „Qualitätsmedien“. Man sucht auch vergeblich Beiträge, die die Verbindungen Guaidos in die USA beleuchten, stattdessen wird Guaido als neuer Messias beschrieben, der wie aus dem Nichts auf der politischen Bühne erschienen ist oder Beiträge, die sich mit der zweifellos katastrophalen wirtschaftlichen Lage in Venezuela und deren Ursachen, wie etwa den US-Handelssanktionen, objektiv auseinandersetzen.

      Dazu: What Activists Need To Know About The US-Led Coup
      2. Truth: The economic crisis is caused by outside intervention, internal sabotage and the decline in oil prices.
      There is no doubt the economic situation in Venezuela is dire. The cause is the economic war conducted by the United States, the major decline in oil prices and economic sabotage by the opposition. In essence, the United States and opposition created problems in the Venezuelan economy and now say Maduro must be replaced because of problems they created.
      Oil was discovered in Venezuela in the early part of the 20th Century and has dominated the economy since then. The Dutch Disease, the negative impact of an economy based on one natural resource, causes a sharp inflow of foreign currency, which raises the value of the country’s currency, making the country’s other products less price competitive. It is cheaper to import products rather than create them. This makes it more difficult for segments of the economy like agriculture and manufacturing to develop. …
      Economic sanctions against Venezuela began under President Bush in 2004, escalated under President Obama when he declared Venezuela a national security threat in 2015, and the Trump administration escalated them further with financial sanctions. United States sanctions cost Venezuela some $6 billion since August, according to an October analysis. Measures against the nation’s oil industry have prohibited the Venezuelan majority-owned company, CITGO, from sending profits back to Venezuela, a $1 billion loss to the government yearly. Now, the Bank of England is refusing to return $1.2 billion in gold reserves after US officials, including Secretary of State Michael Pompeo and National Security Adviser John Bolton, lobbied them to cut Venezuela off from its overseas assets. After the coup, the Trump administration escalated further with oil sanctions adding seizing $7 billion in Venezuelan oil assets.
      Quelle: Popular resistance

    3. Der lang geplante Regime Change
      Man stelle sich vor, die russische Regierung würde Marie Le Pen als neue Präsidentin Frankreichs anerkennen. Sie war als Präsidentschaftskandidatin Macron klar unterlegen. Doch Putin verweist im vorgestellten Szenario auf die wochenlangen Proteste der Gelbwesten-Bewegung und die Ergebnisse von Umfragen, die demonstrieren, dass Macron massiv Vertrauen in der Bevölkerung verloren hat.
      Darüber hinaus würde Putin die massive Polizeirepression gegen die Demonstranten vorbringen. Er würde erklären, dass der Einsatz gefährlicher Waffen zu schweren Verletzungen von Demonstranten geführt habe. Zudem würden mit Ausnahmegesetzen die Grundrechte in Frankreich eingeschränkt. Daher habe die bisherige französische Regierung jede demokratische Legitimität verloren und werde von Russland nicht mehr anerkannt.
      Eine solche Erklärung der russischen Regierung würde sofort den Natorat auf den Plan rufen. Der Verteidigungsfall würde ausgerufen. Als sich vor einigen Wochen Mitglieder der italienischen Regierung mit den Gelb-Westen in Frankreich solidarisierten, löste das eher Belustigung als Bedrohung aus. Schließlich sind beide Länder im gleichen Bündnissystem und die italienische Regierung hat keine Möglichkeit, einen Regime Change im Nachbarland umzusetzen. Wenn sich aber Russland in die französische Innenpolitik einmischen würde und gar zum Sturz der Regierung aufrufen würde, hätte es weltpolitische Folgen.
      Quelle: Telepolis
    4. Italien blockiert EU-Erklärung zu Venezuela
      Die Europäische Union kann sich nicht auf eine gemeinsame Position zur Staatskrise in Venezuela einigen. Schuld daran ist offenbar die populistische Regierung in Rom.
      Deutschland und sieben andere EU-Staaten erkennen Juan Guaidó mittlerweile als Venezuelas Übergangspräsident an. Doch eine gemeinsame Position der Europäischen Union gibt es in der Sache nicht. Schuld daran ist offenbar Italien. Rom wollte sich schon nicht dem Ultimatum anschließen, das unter anderem die Bundesregierung dem bisherigen venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro gestellt hatte. […]
      Entscheidungen in der Außenpolitik müssen in Brüssel einstimmig gefällt werden. Die EU-Außenminister hatten sich jedoch bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag vergangener Woche in Bukarest nicht auf eine gemeinsame Haltung zu Venezuela einigen können. Widerstand gegen eine Anerkennung Guaidós durch alle 28 Mitgliedstaaten leistete schon damals Italien. Auch Griechenland stellte sich nach Angaben von Diplomaten quer.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Da kann man der italienischen (und der griechischen?) Regierung nur dankbar sein. Schön, dass es in Europa noch „Populisten“ gibt, die den Durchmarsch der Völkerrechtsgegner, Falken und Transatlantiker aufhalten.

  2. Gelbwesten
    1. Gewerkschaften und Gelbwesten rufen zum Streik auf
      Die CGT und Unterstützer der Gilets Jaunes hoffen auf eine “Konvergenz der Kämpfe”. Die größte französische Gewerkschaft CFDT geht auf Abstand
      Die große linke Gewerkschaft in Frankreich, die CGT, hat für den morgigen Dienstag zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Dem Aufruf kommt dieses Mal eine besondere Aufmerksamkeit durch die Rolle der Gilets jaunes (Gelbwesten) zu. Denn von deren Seite hat Eric Drouet zu einem Generalstreik für den morgigen Tag aufgerufen.
      Damit ist das politische Stichwort gegeben, auf Französisch lautet es: “La convergence des luttes”, was man mit Zusammengehen der Kämpfe übersetzen könnte. Für den Generalssekretär der CFDT, Laurent Berger, ist das für den größten Gewerkschaftsbund morgen nicht möglich. Der Aufruf sei unklar, es gebe eine politische Vereinnahmung und Eric Drouet sei kein Umgang.
      “Die Gewerkschaften haben meiner Auffassung nach keinen Grund, sich in die Abgründe von Beziehungen mit dieser Art von Personen zu begeben”, sagte Laurent Berger gegenüber France Info. Laut einem Papier der Internationalen Gewerkschaftsvereinigung vom November 2017 hat der von Berger geführte Gewerkschaftsbund CFDT 860.000 Mitglieder und der von Philippe Martinez geführte Gewerkschaftsbund CGT 676.000 Mitglieder.
      In Zusammenhang mit politischer Vereinnahmung nennt Laurent Berger die “extreme Linke”, womit vermutlich La France Insoumise gemeint ist, unter Führung von Jean-Luc Mélenchon, die den Streikaufruf von Eric Drouet schon seit dem 23. Januar unterstützt. Zu den weiteren Unterstützern gehören Teile der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO), die Kommunistische Partei (PCF), die Neue antikapitalistische Partei (NPA), unter Führung von Olivier Besancenot, die ziemlich neu gegründete Partei Générations.s, die von Benoît Hamon, dem früheren Präsidentschaftskandidaten des sozialdemokratischen PS, gegründet wurde.
      Quelle: Telepolis
    2. Anklage an die französische Politik
      Das Buch “Wer hat meinen Vater umgebracht” des französischen Schriftstellers Édouard Louis wirkt wie ein Manifest der “gilets jaunes”. Am Sonntagabend stellte Louis es in Berlin vor.
      Während Louis in seinen ersten zwei Büchern die Gewalt gegen ihn als schwulen Jugendlichen in der französischen Provinz sowie Gewalt gegen Frauen und People of Colour thematisierte, geht es in seinem aktuellen Buch „Wer hat meinen Vater umgebracht“ vor allem um die Gewalt, die sein Vater – der selbst gegen den Sohn gewalttätig war – erfährt. Dabei ist sein Buch zwischen Erzählung und Traktat eine einzige Anklage der französischen Politik, erklärt Étienne Roeder:
      „Ausschlaggebend, das Buch zu schreiben, war für Louis ein Besuch beim Vater, wo er ihn im Krankenhaus besuchte und dessen geschundenen Körper einfach schockiert wahrnehmen musste. Ihm wurde dann in einem persönlichen und soziologischen Schock klar, dass dieser Körper nicht geschunden war, weil er eine schwere Krankheit hatte, sondern weil er das Resultat der Stellung seines Vaters in der Gesellschaft war.“
      Als die Gelbwesten in Frankreich zu demonstrieren begannen, war Édouard Louis in den USA.
      „Da hat er in den Nachrichten die Leute gesehen, die auf der Straße demonstrieren und auf einmal war es für ihn wieder wie ein Schock, er sagte: Die Leute sahen aus wie bei mir im Dorf“, erzählt Roeder. Für Louis war klar, dass er sich als Intellektueller solidarisieren muss.
      „Édouard Louis sagt, es war sehr wichtig für ihn, Teil dieser Bewegung zu sein. Denn die Leute machten ihrem Leiden Luft, in einer Sprache, die eben noch nicht definiert war und sich mit den Protesten erst herausbilden kann“, sagt Roeder. Louis demonstrierte auch mit und positionierte sich.
      „Louis sagt: Die ganzen Labels, mit denen man diese Bewegung versucht hat zu diskreditieren wie ‚Homophobie‘ und ‚Rassismus‘, das sind Versuche der herrschenden Klasse, die Armen, die sich da auf der Straße versammeln, mundtot zu machen“, erklärt Étienne Roeder.
      Quelle: Deutschlandfunk Kultur
    3. Gelbe Westen und populistische Sprüche
      Die Fahrverbote in Stuttgart sorgen bei vielen Autofahrern für Wut und Ärger. Seit einigen Wochen finden dort deshalb Demonstrationen statt. Doch die Organisatoren der “Gelbwesten”-Proteste kämpfen gegen “AfD-Sprüche” auf der Veranstaltung. …
      Reden darf jeder, der keiner Partei oder politischen Gruppierung angehört. Inhaltliche Vorgaben gibt es dabei wohl keine. Falsch platzierte Messstationen, willkürlich festgelegte Grenzwerte. Alle Redner eint die Forderung: Das Fahrverbot in Stuttgart muss aufgehoben werden. Seit Anfang des Jahres gilt in Stuttgart das erste bundesweit flächendeckende Diesel-Fahrverbot für Euro 4 und ältere Modelle in einer Stadt:
      „Man fühlt sich wie in der Hochzeit der Apartheid in Südafrika, wobei wir hier die Schwarzen sind.“
      Ruft der Mann mittleren Alters in die Menge und etliche Demonstranten applaudieren bei derartigen Sprüchen nicht mehr. Der Veranstalter spricht von rund 2.000 Teilnehmern, die Polizei zählte rund 900.
      Unter ihnen sind Familien mit Kindern, Mitarbeiter der umliegenden Autobauer und Zulieferer, auch Mitglieder der rechten Gruppierung „Zentrum Automobil“ sind auszumachen.
      Ein Mann mit gelber Weste erklärt, er sei Betroffener:
      „Ich fahre ein Dieselauto mit der Euronorm 4. Das Auto ist noch nicht sehr alt, also acht Jahre, ist noch Pfenniggut. Ich habe nicht das Geld für eine Neuanschaffung und ich sehe auch nicht ein, dass das Auto danach nach Rumänien, Tschechien oder Polen, dort, wo er erlaubt ist, weiterfährt. Deswegen bin ich hier heute zum zweiten Mal und ich werde noch öfter hier sein, bis das revidiert wird.“
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung JK: Den sozialen Protest gegen die Folgen des Neoliberalismus in Frankreich mit dem Protest erboster deutscher Dieselfahrer und Spießbürger zu vergleichen ist fast schon unverschämt und soll diesen offenbar desavouieren. Die deutschen „Qualitätsmedien“ liefern dazu sogleich den entsprechenden Deutungsrahmen, wie etwa im heute journal vom 01.02. in dem ohne Skrupel die Bewegung der Gelbwesten in einen „Querfront“bezug gestellt wird. Als Beleg wird angeführt, dass die AfD in lachhafter Weise glaubt allein mit dem tragen gelber Warnwesten könne sie sich die Aura des Widerstandes gegen die herrschenden Verhältnisse aneignen, um dann unmittelbar auf Sahra Wagenknechts Solidarisierung mit den französischen Bürgern zu verweisen.

    4. Protest der Gelbwesten im Zwielicht
      Die Bewegung der Gelbwesten muss sich entscheiden: Sie kann sich an ihrer immensen Wirkung berauschen und weiter für Chaos sorgen. Oder sie kann wirklich etwas für die Benachteiligten in Frankreich erreichen. Ein Warnruf. …
      Aber wenn die Gelbwesten zulassen, dass leidenschaftlicher Hass über echte Brüderlichkeit obsiegt und wenn sie Zerstörung den Reformen vorziehen, werden sie im Leben der einfachen und schutzbedürftigen Menschen lediglich Chaos anrichten, statt Verbesserungen zu erreichen. Sie werden in die dunkelste Seite der politischen Nacht abgleiten und im Mülleimer der Geschichte landen, wo sie auf die anderen Gelben des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts treffen werden, die „Gelben Sozialisten“ des protofaschistischen Syndikalisten Pierre Biétry.
      Quelle: Gegenblende

      Anmerkung JK: Tobias Riegel hatte in seinem Beitrag „Die Sprachlosigkeit der Intellektuellen zum Sozialen“ auf obenstehende Text des französischen Intellektuellen Bernard-Henri Lévy hingewiesen. Der Beitrag Lévys stammt bereits aus dem Dezember vergangenen Jahres ist aber dennoch interessant, da die Ereignisse in Frankreich hier aus der Perspektive eines bürgerlichen Intellektuellen betrachtet werden, dem es letztendlich um den Erhalt der bestehenden Ordnung geht.

      Weshalb sollten die Gelbwesten, wie es Lévy verlangt, nach ein paar Zugeständnissen in einen Dialog mit den Agenten der herrschenden Oligarchie (Macron, der Regierung) eintreten nachdem die Bevölkerungsschichten, welche die Gelbwesten vornehmlich repräsentieren, seit über 20 Jahren eine beständige Verschlechterung ihrer Lebensumstände durch die Durchsetzung der neoliberalen Agenda – die unter Macron noch einmal verschärft wurde – erleben mussten? Von einem der führenden französischen Intellektuellen hätte man mehr erwartet, als dass er den üblichen Deutungsrahmen der herrschenden Oligarchie verwendet, der sozialen Protest gegen die herrschenden Verhältnisse als “rechts” (braune Westen) zu desavouieren versucht. Ebenso mies der Versuch die Gelbwesten für die eskalierende Gewalt allein in die Haftung zu nehmen, ohne nach den gesellschaftlichen Ursachen der zunehmenden Wut zu fragen. Ein amerikanisches Filmsternchen verfügt hier offenbar über mehr Analysefähigkeit, als der noble Herr Lévy: “Aber was ist diese Gewalt all dieser Menschen und was sind brennende Luxusautos im Vergleich mit der strukturellen Gewalt der französischen – und globalen – Eliten?“ (Pamela Anderson). Weiter typisch für einen bürgerlichen Intellektuellen, dass er linken Widerstand gegen den Neoliberalismus, in Person eines Jean-Luc Mélenchon und François Ruffin, in einem Atemzug mit Marine Le Pen nennt. Endgültig entlarvt sich Lévy, wenn er eine weitere Ode auf den Elitenzögling Macron singt und seine durch die französische Oligarchie finanzierte Hilfstruppe, “En Marche”, den Gelbwesten als Vorbild andient. Lévy scheut sogar vor der Bodenlosigkeit nicht zurück den Gelbwesten faschistische Tendenzen zu unterstellen, wenn sie nicht im Sinne der herrschenden Oligarchie in einen Dialog eben mit jenen eintreten, die sich seit Jahr und Tag auf ihre Kosten unverschämt bereichern. Wenn aber hinsichtlich des Volksaufstandes der Gelbwesten das Totschlagargument des Nazivergleiches verwendet wird, dann zeigt das wie nervös die französische Oligarchie wirklich ist und es bereitet den Boden für massive Repression gegen die aufständischen Bürger, denn um Nazis zu bekämpfen ist fast jedes Mittel erlaubt. Es ist nur zu hoffen, dass der DGB mit der Publikation des Textes von Lévy nicht etwa andeutet, dass er sich dessen Position zu den Gelbwesten zu eigen macht und ebenso jeden Widerstand gegen den Neoliberalismus als “rechts” ansieht.

  3. Der doppelte Verrat der Linken
    In den 90ern verkündete Francis Fukuyama noch den Sieg der liberalen Demokratie. Heute sind Rückschritte nicht zu übersehen. Schuld sei der Verrat der Linken am Klassen-Gedanken und am Universalismus der Würde, sagt der Philosoph.
    Francis Fukuyama wurde weltberühmt, als er in den frühen 1990er Jahren den Sieg der liberalen Demokratie verkündete. Er unterstellte, es gäbe keinen „weiteren Fortschritt in der Entwicklung grundlegender Prinzipien und Institutionen“ mehr.
    Doch mittlerweile hat sich die Sache verkehrt: Es gibt massive Rückschritte. Die Anzahl liberaler Demokratien sinkt; in vielen Staaten wächst die populistische Rechte. Zugleich ist die Ein-Parteien-Diktatur China wirtschaftlich sehr erfolgreich. Deshalb wurde es zum Allgemeinplatz, dass sich Fukuyama geirrt hat.
    Ohne seinen Irrtum explizit zu machen, untersucht Fukuyama in „Identität“ nun die Krise der Demokratie, deren wichtigste akute Ursache er in einer verfehlten Identitätspolitik sieht. …
    Für die neue Malaise macht Fukuyama vor allem die Linken verantwortlich. Er zeiht sie eines doppelten Verrats – am Klassen-Gedanken und am Universalismus der Würde: „Statt Solidarität mit breiten Bevölkerungsschichten wie der Arbeiterschaft oder wirtschaftlich Ausgebeuteten herzustellen, konzentriert sie sich auf immer kleinere Gruppen.“ …
    Laut Fukuyama liegt das größte Problem der kleinteiligen linken Identitätspolitik darin, dass sie eine massive Gegenreaktion ausgelöst hat – erkennbar etwa an der politischen Korrektheit, deren Ablehnung zu einer „wichtigen Mobilitätsquelle“ für die Rechten geworden sei. So kritisierten Trump-Anhänger, dass schwarze, homosexuelle oder lateinamerikanische Gruppen ihre Identität betonen dürfen, das Adjektiv „weiß“ dagegen zur positiven Selbstidentifizierung unstatthaft sei. Die Folge: Es werde aus Unmut umso trotziger herausgestellt. Linke Identitätspolitik wird gleichsam rechts kopiert.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Auch für den sozialen Protest der Gelbwesten in Frankreich ist ein wesentliches Antriebsmoment das Gefühle von einer urbanen, kosmopolitsch und globalistisch orientierten, sich liberal gebenden Elite verachtet und nicht ernstgenommen zu werden.

  4. JEFTA
    1. Kanzlerin Merkel in Japan : Engere Zusammenarbeit, mehr Freihandel
      Kurz nach Inkrafttreten des EU-Japan-Freihandelsabkommen ist Kanzlerin Merkel nach Tokio gereist. Dort vereinbarte sie mit Japans Ministerpräsident Abe, sich noch mehr für den Freihandel einzusetzen.
      Bundeskanzlerin Angela Merkel und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe haben bei ihrem Treffen angekündigt, das gemeinsame Engagement für internationalen Freihandel und Multilateralismus auszubauen.
      Japan trete mit Deutschland für eine “regelbasierte Ordnung” ein, man arbeite eng in dieser Frage zusammen, sagte Merkel. Beide Seiten lobten das am Freitag in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan als wegweisend.
      Merkel sagte, das Abkommen sei “in dieser Zeit eine wichtige Mitteilung an die Welt. Wir schätzen das sehr und wollen das auch mit Leben erfüllen”. Sie wolle die deutsch-japanischen Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen verstärken. Dabei fange man nicht bei Null an, sondern könne schon auf das Engagement von 450 deutschen Firmen in Japan aufbauen. “Das kann noch mehr werden”, betonte die Kanzlerin. Und auch Japan sei eingeladen, sich in Deutschland zu engagieren. …
      Quelle: Tagesschau

      Anmerkung JK: Das ist es, wenn Merkel „offene Grenzen“ meint.

    2. Die unkontrollierbare Deregulierung durch JEFTA wird uns enorm schaden!
      JEFTA ist ein „Ermächtigungsabkommen“ für Konzerne, das den Einfluss von uns WählerInnen weiter aushöhlt und unsere Demokratie gravierend beschädigt! JEFTA enthält zahllose Rechtsbrüche in vielen wichtigen Bereichen (Grundgesetz, EU-Recht, Völkerrecht), deshalb ist es verfassungswidrig und völkerrechtswidrig. Mit JEFTA will man die strikte Marktliberalisierung (Neoliberalismus), durchsetzen. Deshalb werden sehr viele wichtige Problemfelder unserer Zeit in unserer Klageschrift zu JEFTA genannt.
      Unsere Klage gegen JEFTA vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigt zahlreiche Bereiche des Gemeinwohls, die Rechte und Interessen der BürgerInnen wie das Recht auf Arbeitsschutz, auf Naturschutz, auf Umweltschutz, auf Klimaschutz, auf soziale Absicherung, auf Mindestlohn, auf gerechten Lohn, auf Teilhabe am gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum, auf bezahlbaren Wohnraum, auf Gesundheitsvorsorge, auf Bildung, auf Kultur, auf Rechtsschutz, auf ein unabhängig arbeitendes Parlament, auf die Einbettung in einem sozialen Rechtsstaat und auf den Fortbestand der sozialen Marktwirtschaft etc. Diese fundamentalen Interessen der BürgerInnen werden alle durch JEFTA (wie auch von anderen sogenannten Freihandelsabkommen) als „Handelshemmnisse“ bewertet. Eine Reduzierung oder Beseitigung dieser Art von angeblichen „Handelshemmnissen“ durch JEFTA schafft im Ergebnis die Beseitigung von Grundrechten der BürgerInnen.
      Mit JEFTA und der anderen Freihandelsabkommen der neuen Generation soll mit der Brechstange die neoliberale Agenda durchgesetzt werden. Das erreicht man, indem die Nationalstaaten, also die nationalen Parlamente, in vieler Hinsicht entmachtet werden. Diese Entmachtung der Parlamente mit Hilfe von JEFTA wird durch die Bildung von in dem Vertrag vorgesehenen Ausschüssen bewirkt. Diese Ausschüsse können ohne jede parlamentarische Mitwirkung und Kontrolle Beschlüsse fassen, die dann von den Staaten vollzogen werden müssen. Die Macht der Ausschüsse geht so weit, dass sie sogar den Vertrag ohne den Einfluss von Parlamenten verändern können. Die in JEFTA vereinbarte Macht der Ausschüsse bewirkt, dass die Regeln in unserer Gesellschaft nicht mehr wie im Grundgesetz vorgesehen, von Parlamenten demokratisch bestimmt, sondern von Kapitalinteressen dominiert werden. Dadurch wird das demokratische Gemeinwesen mit seiner Rechtsordnung außer Kraft gesetzt und selbst die Gemeinden sind nicht mehr in der Lage, ihre demokratischen und sozialen Aufgaben frei zu erfüllen.
      Quelle: Change.org
    3. Wasserversorgung unter Privatisierungsdruck?
      Die EU und Japan wollen ein Freihandelsabkommen unterzeichnen. Wolfgang Deinlein von den Stadtwerken Karlsruhe kritisiert im Dlf, dass das Abkommen die kommunale Handlungsfreiheit bei der Wasserversorgung einschränke. Außerdem sei ein Artikel im Abkommen weggefallen, der regele, dass Wasser keine Ware sei.
      Quelle: Deutschlandfunk
  5. Wir müssen über Steuern reden, alles andere ist Mist!
    Rutger Bregman hat mit seiner Rede am Weltwirtschaftsforum in Davos provoziert – und das Internet erobert. Er rechnet mit Millionären ab, die ihre Abgaben nicht zahlen und macht klar, dass Barmherzigkeit allein die soziale Schieflage der Welt nicht korrigieren wird.
    Rutger Bregman ist ein niederländische Historiker und war bis dato unbekannt. Bis er am Weltwirtschaftsforum in Davos im Jänner 2019 mit seiner Rede für Schlagzeilen gesorgt hat. In Davos in der Schweiz kommen jährlich die reichsten und einflussreichsten Menschen der Welt zusammen und diskutieren, wie man die Welt verbessern könnte.
    Bregman war zum ersten Mal geladen. Auf dem Podium hat er seine Chance genutzt – und die Reichen und Mächtigen vor Ort aufgefordert, endlich ihre Steuern zu bezahlen. Auf Twitter und Facebook ist das Video seiner Rede viral gegangen. Menschen feiern ihn für seine Direktheit. Wir haben Bregmans Rede übersetzt.
    „Das ist mein erstes Mal in Davos. Und ich finde es ziemlich verblüffend, um ehrlich zu sein. Ich meine, 1.500 Privatjets sind hierher geflogen, um zu hören, wie Sir David Attenborough darüber redet, wie wir den Planeten zerstören. Und ich höre, wie die Leute reden: über Teilhabe und Gerechtigkeit und Gleichheit und Transparenz. Aber fast niemand redet über das wirkliche Problem: Steuervermeidung und Reiche, die nicht ihren fairen Beitrag leisten. Ich meine, es fühlt sich an als wäre ich auf einer Feuerwehr-Konferenz und niemand darf über Wasser sprechen, nicht wahr? Es gab nur ein Panel im Medienzentrum, in dem es um Steuervermeidung ging. Ich war einer von 15 Teilnehmern. Hier muss sich was ändern.
    Vor zehn Jahren stellte das Weltwirtschaftsforum die Frage: Was muss die Wirtschaft tun, um einen sozioökonomischen Backlash verhindern? Die Antwort ist sehr einfach: Hören Sie auf, nur über Barmherzigkeit zu reden und beginnen Sie stattdessen über Steuern zu sprechen. Über Steuern, Steuern und nochmals Steuern!
    Vor zwei Tagen war hier ein Milliardär, wie hieß er? Michael Dell. Und der hat eine Frage gestellt: „Nennen Sie mir ein Land, in dem ein Spitzensteuersatz von 70 Prozent tatsächlich funktioniert hat?“ Wissen Sie, ich bin Historiker. Eine Antwort ist: Die Vereinigten Staaten. Dort hat es funktioniert. In den 50er Jahren unter dem republikanischen Präsidenten Eisenhower. Einem Kriegsveteran. In den USA lag der Spitzensteuersatz für Leute wie Michael Dell bei 91 Prozent. Und wissen Sie, die Top-Erbschaftssteuer für Leute wie Dell hat mehr als 70 Prozent betragen.
    Das ist alles keine Raketen-Wissenschaft. Ich meine, klar, wir können sehr lange über Barmherzigkeit sprechen. Wir können Bono noch einmal einladen. Aber kommen Sie schon, wir müssen über Steuern reden. Darum geht‘s. Steuern, Steuern, Steuern! Alles andere ist Mist.“
    Quelle: Kontrast
  6. Der Danske Bank Geldwäsche-Skandal und die Folgen
    Bis Ende 2015 war die Deutsche Bank Korrespondenzbank für die estnische Abteilung der dänischen Danske Bank und wickelte einen Großteil von über 200 Milliarden Euro aus dubiosen Quellen ab. 2016 endete diese Bankbeziehung. Dafür interessieren sich jetzt EU-Parlament und US-Behörden.
    Ende November an der Taunusanlage in Frankfurt: Körbeweise tragen 170 Ermittler der Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamts Dokumente aus der Deutschen Bank. Deren Verdacht formulierte Nadja Niesen, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt damals so:
    „Wir haben die Verdachtsmomente, dass die Gelder, die dann hinterher auf Konten der Deutschen Bank geflossen sind, aus Straftaten, insbesondere aus Auslands-Steuerstraftaten stammen.“
    Es ging um Erkenntnisse, die die Staatsanwaltschaft aus der Auswertung der sogenannten „Panama Papers“ gewonnen hatten. Das ist ein Komplex, der das Europäische Parlament heute Abend interessieren dürfte. Den Fragen von dessen Sonderausschuss gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung muss sich dann der Geldwäsche-Beauftragte des Instituts, Stefan Wilken, stellen. Auch die Rolle der Bank im Zusammenhang mit dem Geldwäscheskandal der „Danske Bank“ dürfte die Ausschussmitglieder interessieren. Bis Ende 2015 war die Deutsche Bank als Korrespondenzbank für die estnische Abteilung der dänischen Bank tätig und wickelte einen Großteil von mehr als 200 Milliarden Euro an Geldern aus dubiosen Quellen ab.
    Quelle: Deutschlandfunk
  7. Vater, Mutter, obdachlos
    Ein Hinterhaus in Berlin-Kreuzberg. Hier liegt Berlins erste Notunterkunft für Familien, eine der wenigen Einrichtungen dieser Art in Deutschland. 2016 hat man begonnen, Familien aufzunehmen, erst mit zwölf Plätzen. Inzwischen sind es 30. Aber selbst wenn es hundert wären, hätten sie kein Problem, sie zu belegen, sagt die Leiterin des Heims, Viola Schröder. Denn an diesem Ort zeigt sich die Wohnungslosigkeit in Deutschland so, wie sie inzwischen ist. Als Problem, das immer öfter Menschen betrifft, die man eigentlich für geschützt hielt, alleinerziehende Mütter, kleine Kinder. Aber auch Eltern, die Arbeit haben, sich jedoch keine Wohnung mehr leisten können. Die Mitte der Gesellschaft.
    Berlin, Hauptstadt der Obdachlosen. Wie viele Menschen betroffen sind, kann man nicht genau sagen, der Berliner Senat fängt erst dieses Jahr an, Statistiken zu erstellen. Schätzungen zufolge leben einige Tausend auf der Straße, dazu kommen die 36 900 Menschen, die bis Ende 2017 langfristig in Gemeinschaftsunterkünften für Wohnungslose untergebracht waren, davon etwa 6400 Flüchtlinge. Und jeden Tag werden es mehr. Mangels erzählt von Frauen, die mit ihren Kindern über Jahre bei Verwandten untergekrochen sind, bis es nicht mehr ging, und von Familien, die nach zwei nicht gezahlten Mieten auf der Straße saßen, es braucht nicht viel, um an der Endstation zu landen.
    Quelle: SZ
  8. 3,4 Millionen Menschen haben mehrere Jobs
    Die Zahl der Mehrfachbeschäftigten ist in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich gestiegen. Rund 3,4 Millionen Menschen in Deutschland üben aktuell mehr als einen Job aus, das sind 150.000 mehr als noch Mitte 2017. Das geht aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

    • Die häufigste Kombination: eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens einem Minijob. So machen es rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland.
    • In knapp 330.000 Fällen wurden dagegen mindestens zwei sozialversicherungspflichtige Jobs kombiniert.
    • Rund 270.000 Menschen haben mindestens zwei Minijobs.

    Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte der dpa: “Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht mehr aus.”
    Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der BA, wies darauf hin, dass Nebenjobber im Schnitt in ihrem Hauptjob deutlich weniger verdienten als Menschen ohne Nebenjob. IAB-Forschungsbereichsleiter Enzo Weber: “Das deutet darauf hin, dass relativ viele Nebenjobber auf das zusätzliche Geld angewiesen sind.”
    Quelle: Spiegel

  9. Über eine Milliarde für Berater
    Die Ausgaben der Bundesregierung für Berater („Beratungs- und Unterstützungsleistungen“) haben sich seit 2014 vervierfacht. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Matthias Höhn und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hervor.
    2014 lagen die Ausgaben bei 63 Millionen Euro, im Jahr 2017 bei 248 Millionen Euro. Für 2018 konnten noch nicht alle Ministerien Angaben machen. Insgesamt haben die Regierungen unter Kanzlerin Merkel seit 2006 über 1,2 Milliarden Euro an Berater überwiesen – wenngleich die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Sie sollten als absolute Mindestangaben betrachtet werden, denn das Finanzministerium schreibt in seiner Antwort, dass die Angaben „keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben“.
    Matthias Höhn, Sprecher für Sicherheitspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag:
    “Besonders bemerkenswert sind die Zahlen, die vom Verteidigungsministerium gemeldet wurden. Leidglich 34 Millionen Euro will das Wehrressort seit 2006 für Berater ausgegeben haben. Im Dezember wurde in einer Antwort auf eine Schriftliche Frage von Matthias Höhn noch mitgeteilt, dass derzeit Beraterverträge in Höhe von 207 Millionen Euro unter der Verantwortung des Verteidigungsministeriums abgeschlossen seien. Vor dem Untersuchungsausschuss wird Frau von der Leyen Gelegenheit haben, ihre Angaben zu vervollständigen.
    Auch interessant: Zwischen 2009 und 2013 war Frau von der Leyen Arbeitsministerin. Dort sind ebenfalls die Beraterausgaben extrem angestiegen. Davor und danach waren sie deutlich niedriger. Wo Frau von der Leyen die Tür öffnet, kommt die Berater-Armee gleich mit. Es muss Schluss sein mit diesem teuren und undemokratischen Beratereinfluss.”
    Quelle: DIE LINKE
  10. Drahtzieher Burschenschaften
    Blutige Fechteinlagen, ausufernde Trinkgelage, markige Männersprüche prägen das Bild vom Burschenschafter. Äußere Erkennungszeichen: Altmodische Mützchen, bunte Bänder über dem Jackett und nach Möglichkeit eine fette Narbe auf der Wange. Die Mitglieder einer Studentenverbindung gelten als rechtskonservative Akademikerelite, die sich gegenseitig protegiert und geheime Seilschaften bildet. Ihnen wird unterstellt, systematisch die Schaltstellen von Wirtschaft und Politik zu besetzen, um einen autoritären Nationalstaat zu etablieren. Tatsächlich landen sie mit ihren rassistischen und extremistischen Standpunkten immer wieder in den Schlagzeilen.
    Welche Ziele verfolgen diese elitären Männerbünde wirklich? Wie passen sie mit ihren eingefahrenen Traditionen und nationalstaatlichen Idealen eigentlich noch in die Zeit von Globalisierung und Digitalisierung? Wir haben uns diese verborgene Welt der Studentenverbindungen mit ihren seltsamen Ritualen, ihrer schillernden Geschichte, den verwegenen Verschwörungstheorien genauer angeschaut, haben seltene Einblicke gefunden in die für den Normalbürger meist fremde und verborgene Welt von Burschenschaften, Landsmannschaften, Corps und Turnerschaften. Wir haben hinter die Kulissen geschaut und Einlass bekommen in ihre oft herrschaftlichen Häuser, in die geschmückten Fest- und Kneipsäle und die verborgene Paukböden.
    Schaut man genauer hin, erweist sich das von Männern dominierte Verbindungswesen als plötzlich recht vielfältig, offen und wandelbar. Es gibt Frauenkorporationen, gemischte Verbindungen sowie musisch geprägte Gemeinschaften. Auch die Aufnahmekriterien sind teils weniger rigoros und liberaler als vermutet. Einlass finden durchaus schon mal Bürger anderer Nationalitäten und Hautfarbe, vereinzelt auch Homosexuelle. Kein Wunder. Viele Korporationen stehen auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie, des Pluralismus, wenngleich sie sich durchaus als akademische, rechtskonservative Elite versteht. Prominente Mitglieder von Studentenverbindungen wie Thomas Gottschalk, Armin Laschet, Joseph Ratzinger, Markus Söder sind Beispiele für ein umfangreiches Karrierenetzwerk.
    Quelle: Phoenix

    Anmerkung JK: Eine Gefahr, die vor der teilweisen hysterischen Auseinandersetzung mit der AfD faktisch keinerlei Beachtung findet.

  11. „True North“: So dreht Stephen Dürr seine neue Marineserie in Wilhelmshaven
    Mit Serien kennt er sich aus. Stephen Dürr (44) spielte mehr als 15 Jahre lang Hauptrollen in „Alles was zählt“, „In aller Freundschaft“ und „Unter Uns“. Nun produziert der Hamburger Schauspieler zum ersten Mal einen eigenen Mehrteiler.
    Der hingegen hat so gar nichts mit Seifenoper oder Krankenhausgeschichten zu tun: „True North“ lautet der Arbeitstitel der Actionserie und spielt im Umfeld der deutschen Marine. … Es geht um das Leben der Besatzung einer Fregatte, die in eine Bedrohungslage gerät. Bis Mai steht das Team unter anderem in Wilhelmshaven, Hamburg, Eckernförde und in Norwegen vor der Kamera. …
    Er selbst spielt die Rolle des Sealingspiloten Jan Marten, der mit einem Helikopter auf U-Boot-Jagd geht. Dürr: „So eine Rolle hätte mir nie jemand angeboten, deshalb habe ich sie mir einfach selbst geschrieben“. Nun probt eine bislang 20-köpfige Crew seit zwei Wochen in Wilhelmshaven. Dürr: „Wir machen kurz vor Drehstart noch Schießübungen, Kampftraining und hinterfragen auch so Sachen, über die man sich vorher keine Gedanken macht: Wie läuft eigentlich ein Soldat?
    Die Kollegen der Marine sind immer mit an Bord, da während des normalen Betriebs gedreht wird. Marinesprecher Johannes Dumrese: „Wir sind unglaublich stolz und unterstützen, wo wir nur können. Wir wollen, dass die Arbeit auf einer Fregatte möglichst authentisch rüberkommt, und sind daher während des Drehs beratend dabei. Als wir den Trailer vor einiger Zeit mal unseren Soldaten gezeigt haben, waren alle elektrisiert.“
    Quelle: Kieler Nachrichten

    Anmerkung unseres Leers H.S.: Großartig, dass die Marine so völlig uneigennützig hilft. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

    Anmerkung JK: Wurde so etwas früher nicht geistige Wehrertüchtigung genannt?

  12. Diskriminierung von Minderheiten in der EU: Die baltischen Staaten
    Die baltischen Staaten rücken immer weiter nach rechts. Umzüge von SS-Veteranen und rigorose Sprachgesetze bezeugen die dunkle Entwicklung im östlichsten Winkel der EU, die bei der offenen Diskriminierung von Minderheiten in den baltischen Ländern plötzlich wegschaut.
    Googles App-Store und sein Pendant bei Apple sind seit Ende Januar um eine App reicher. Die neue App heißt “Valodas Draugs”. Das ist litauisch. Es bedeutet so viel wie “Sprachfreund”. Die App ist nur regional verfügbar, genauer gesagt ausschließlich in Litauen. Was sich dem Namen nach anhört wie eine Anwendung zum Fremdsprachenlernen ist in Wahrheit eine Denunzier-App. Sie dient dazu, Verstöße gegen das litauische Sprachgesetz zu melden.
    Der Kommandand der lettischen Grenzwachen, Renate Pozela (Rechts) und Innenminister Eimutis Misiunas (Zweiter von Rechts) installieren den ersten Pfosten nahe dem Sudargas Grenzübergang mit Russland in Ramoniskiai, Lettland, 5. Juni 2017.
    Mehr lesen:Eiserner Vorhang à la EU: Baltische Staaten errichten Stacheldrahtzäune an Grenze zu Russland
    Litauen wie auch die beiden anderen baltischen Staaten haben gravierende ökonomische und gesellschaftliche Probleme. Mit der Unabhängig nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die zu Sowjetzeiten errichtete Industrie zurückgebaut. Die Region ist heute wieder, wie die Jahrhunderte zuvor, agrarisch geprägt. Die baltischen Staaten verfügen über keine tragfähige Wirtschaft.
    Da die baltischen Staaten nicht über ein tragfähiges ökonomisches Modell verfügen, sich insbesondere Litauen völlig dem Neoliberalismus verschrieb, sind die Folgen für die Bevölkerung entsprechend. Bedingt durch die Perspektivlosigkeit im eigenen Land wandern junge Menschen ab und suchen in anderen EU-Ländern Arbeit. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1990 ist die Bevölkerungszahl in Litauen um ein Sechstel zurückgegangen. In den anderen beiden baltischen Ländern sieht es ähnlich aus.
    Quelle: Gert Ewen Ungar auf RT Deutsch
  13. Vertrauen: “Welt aus dem Gleichgewicht”
    Nach einer Umfrage in 26 Ländern über das Vertrauen in Institutionen scheint die Kluft zwischen einer Elite aus akademischen Gutverdienern und dem Rest der Bevölkerung zu wachsen
    Nach einer Befragung in 26 Ländern, die Ende 2018 durchgeführt wurde, ist das “Vertrauen” in NGOs, Unternehmen, Regierungen und Medien zwar gegenüber 2017 ein wenig von 47 auf 49 Prozent in der breiten Masse gestiegen. Am wenigsten im Übrigen das in Regierungen und Medien. Vertrauen wird aber erst ab durchschnittlichen 60 Prozent attestiert. Gefragt wird dabei nur, wie viel Vertrauen jemand auf einer 9-Punkte-Skala in Institutionen hat, nicht, was dies näher bedeutet. Das Vertrauen in die Institutionen ist in einer gesellschaftlichen Elite, genannt “informierte Öffentlichkeit”, auf einem Höchststand von 65 Prozent – gefragt wird seit 2012. Die Kluft beträgt 16 Prozentpunkte und dürfte teilweise die Kluft zwischen “denen da oben und denen da unten” widerspiegeln.
    Der Edelman Trust Barometer will das Vertrauen messen. Wichtig scheint zu sein, die “informierte Öffentlichkeit” von der übrigen allgemeinen Bevölkerung abzuheben. Die “informierte Öffentlichkeit” muss 16 Prozent der Gesamtbevölkerung über 18 Jahre ausmachen. Junge und Alte gehören da offenbar nicht hin, nur wer zwischen 25 und 64 Jahre alt ist, also vermutlich arbeitet. Zudem ist Voraussetzung eine Hochschulausbildung und ein Haushaltseinkommen, das im obersten Viertel liegt. Dazu gehört auch, wer den vorherigen Kategoeiren genügt und von sich behauptet, er nutze in starkem Umfang Nachrichtenmedien und ebschäftige sich mit Politik und Wirtschaftsnachrichten.
    Quelle: Telepolis
  14. „Es ist falsch, am Minimum zu kürzen“
    Die Sanktionen bei Hartz IV sollten abgeschafft und das Arbeitslosengeld I auf vier Jahre verlängert werden. Das fordert NRWs SPD-Chef Sebastian Hartmann.
    taz: Herr Hartmann, war die Einführung von Hartz IV falsch?
    Sebastian Hartmann: Es war gut, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzulegen und den Frühverrentungswahn in Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit zu stoppen. Hartz IV ist aber zu einem Symbol für Abstiegsängste geworden. Unabhängig davon, wie lange man gearbeitet und eingezahlt hat, man war nach kurzer Zeit im Arbeitslosengeld II. Klares Wort aus der Sicht von heute: Es war ein Fehler. Die SPD wäre damals gut beraten gewesen, den Kompromiss mit Union und FDP im Bundesrat abzulehnen. Denn der hat unnötige Verschärfungen gebracht.
    Manche Sozialdemokraten sagen: 2003, als die Arbeitslosigkeit hoch war, war Hartz IV nötig, jetzt bei Arbeitskräftemangel ist es schädlich.
    Ich glaube, der Vergleich taugt nicht. Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Versagen, sondern ein gesellschaftliches und oft strukturelles Problem, das nicht nur mit „Fördern und fordern“ beantwortet werden kann.
    „Fördern und fordern“ gehört auch den Müllhaufen?
    Natürlich gibt es eine Eigenverantwortung der Einzelnen. Aber man kann nicht verlangen, was nicht erfüllbar ist. In Münster gibt es vier Prozent Arbeitslose, in Gelsenkirchen über elf. Das liegt nicht daran, dass die Leute in Gelsenkirchen nicht arbeiten wollen. Es macht keinen Sinn, Druck auszuüben, wenn durch regionale Unterschiede Arbeit und Arbeitsplätze ungleich verteilt sind.
    Sollen Sanktionen, wie Kürzungen beim ALG II, für Hartz-IV-Empfänger wegfallen?
    Das ALG II ist das Existenzminimum. Es ist falsch, da zu kürzen.
    Arbeitsminister Hubertus Heil sieht das anders. Er will Sanktionen für Jüngere entschärfen, aber prinzipiell an den Sanktionen festhalten. Prteichefin Andrea Nahles sagt: „Die SPD steht nicht für bezahltes Nichtstun.“ Was ist denn die SPD-Position?
    Ich kann Ihnen meine Position darlegen: Es gibt eine Mitwirkungspflicht von Arbeitslosen. Aber das Existenzminimum darf nicht kürzbar sein.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Als Chef der NRW-SPD ist Hartmann ja nicht irgendwer. Kann man wirklich glauben, daß die SPD von Hartz IV ernsthaft weg will, oder ist es das übliche pseudolinke Geschwätz kurz vor Wahlen (diesmal u. a. Europawahl und drei Landtagswahlen im Osten)? Leider wird wieder mal die Propaganda vom “Arbeitskräftemangel” hochgehalten (bei über 4 Millionen Arbeitslosen!), aber immerhin, das Interview geht in die richtige Richtung. Oder wieder Seifenblase?

  15. In Russland blüht eine erstaunliche Medienvielfalt
    Auch in Putins Staat gibt es unabhängige Portale, die der Propaganda eigene Recherchen entgegensetzen.
    Im letzten Herbst führten russische Medien den Militärgeheimdienst GRU vor. Allen voran waren es Journalisten der Rechercheplattformen «Bellingcat» und «The Insider» sowie des Internetmagazins «Fontanka». Sie gingen den Spuren nach, die britische Ermittler im Fall des vergifteten ehemaligen Doppelagenten Sergei Skripal und dessen Tochter gelegt hatten. Ausgangspunkt war ein bizarres Interview mit den mutmasslichen Agenten Ruslan Boschirow und Alexander Petrow, das der Fernsehsender «Russia Today» ausgestrahlt hatte. Im Lauf der Recherchen kamen die wahre Identität und die Biografie der beiden Agenten ans Tageslicht. Als niederländische Behörden weitere russische Spione enttarnten, nahmen die russischen Journalisten auch diese Fährte auf. Die Agenten hatten die Spuren ihrer Tätigkeit nur nachlässig verwischt.
    Damals wurde auch im Westen einer breiteren Öffentlichkeit bewusst: «The Insider» und «Fontanka» sind russische Internetmedien, die ganz gut überleben, obwohl die freie Meinungsäusserung in Russland unter grossem Druck steht. Und sie sind nicht die einzigen. Es gibt auch in Russland eine Medienvielfalt. Nur geht das oft vergessen, weil die grossen, staatlichen oder staatsnahen Nachrichtenagenturen und Fernsehanstalten den Markt bestimmen und die Wahrnehmung dominieren.
    Quelle: NZZ
  16. Die SPD ist Verlustversion
    “Die Anstalt” feiert gerade ihren 5. Geburtstag, aus diesem Anlass ist gerade ein Buch erschienen. Ein Auszug aus dem Interview mit Max Uthoff und Claus von Wagner
    Es gibt ja einen Konflikt innerhalb der Partei DIE LINKE, wieso man bei den Menschen, die ganz gravierende Alltagsprobleme haben, weil sie alleinerziehend sind, weil sie wenig Einkommen haben, weil sie schon lange arbeitslos sind, warum man die anscheinend nicht mehr oder immer weniger erreicht. Wieso ist das so? Wieso hat diese Partei, die sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, genau diese Sozialpolitik in den Vordergrund zu stellen, so wenig Erfolg? Was macht sie falsch? […]
    Quelle: Telepolis

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