Das Stadion muss brennen

Wolf Wetzel
Ein Artikel von Wolf Wetzel

Tatort: Eintracht Frankfurt. Wolf Wetzel über einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz, veranlasst vom hessischen Innenminister, der sich offenbar durch ein Plakat im Stadion geschmäht sah.

Vorspiel

Der Vereinspräsident des Bundesligavereins Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, hatte vor dem Europa-League-Spiel gegen Schachtar Donezk im Interview mit der Streamingplattform DAZN am 20. Februar 2019 gesagt:

„Das Stadion muss brennen. Und wenn ich sage, dass das Stadion brennt, dann brennt das morgen. Und zwar so, dass ihr kaputtgeht, weil ihr so viel Licht habt. Und deswegen wird das Spiel vielleicht ein bisschen neblig für euch.“

Mitarbeiter des Vereins reagierten prompt und schrieben unter das kurze Video auf Twitter:

„Aber nicht zu ernst nehmen: Mit ‚brennen‘ ist keine Pyro gemeint, Freunde. Sondern die geniale Stimmung auf den Rängen.“

Mit viel Polizei wurden vor dem Spiel Räumlichkeiten im Stadion, also die Nordwestkurve, die Toiletten dahinter und Räume, in denen man verbotene Gegenstände vermutete, durchsucht. Als spontane Reaktion auf den laufenden Polizeieinsatz fertigten Fans ein Banner, auf dem zu lesen war: „Beuth, der Ficker fickt zurück“. „Dieses Transparent hatte die Polizei, auch unter Schlagstockeinsatz, entfernen lassen.“ (FR vom 21.2.2019) Außerdem wurden zahlreiche Personenkontrollen durchgeführt. Gefunden wurde nichts. Der christdemokratische Innenminister Peter Beuth rechtfertigte diesen Polizeieinsatz als geboten, notwendig, verhältnismäßig und friedenssichernd – also eine todernste Angelegenheit.

Der Polizeipräsident Gerhard Bereswill sekundierte, verteidigte alles und führte einen geradezu unheimlichen Notstand an: Man habe in diesem Fall keinen Ermessensspielraum gehabt. Nach FR-Informationen wurden mindestens zwei Fans schwer verletzt, einer erlitt einen Lendenwirbelbruch.

Spiel

Das Europa-League-Spiel Eintracht Frankfurt gegen Schachtar Donezk ging übrigens 4:1 aus. Man kann diese aberwitzige Polizeiaktion mit mangelndem Sprachvermögen und sehr dürftigen Deutsch-Kenntnissen erklären und mit einem verpflichtenden Grundkurs in Bildersprache verknüpfen. Aber entscheidender ist wohl, dass ein hessischer Innenminister so etwas machen kann, ohne gefeuert zu werden. Um im Bild zu bleiben: Dieser Innenminister hat nicht alle Tassen im Schrank.

Nachspiel

Nachdem dieser Bericht die Weltöffentlichkeit erreicht hatte, also auch den hessischen Innenminister, der gerade mit ganz engen Amigos zusammen Skat spielte, war dieser sehr erbost, quasi außer sich. Teilnehmer dieses illustren Stammtisches ließen durchsickern, dass die Kacke am Dampfen war:

„Woher weiß dieser hergelaufene Journalist, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hätte? Das ist eindeutig Täterwissen,“ brüllte er in die schwer angesoffene Runde, so ein Insider, der nicht namentlich genannt werden will. Messerscharf plädierte er weiter: „Ganz offensichtlich ist dieser (das war nicht ganz deutlich zu verstehen) Journalist in meine Villa eingebrochen, um so etwas behaupten zu können.“

Der Innenminister, so der Insider weiter, sei daraufhin in die Küche gewankt, die er normalerweise nie betritt. Man hörte Schranktüren auf- und zuschlagen. „Es fehlen aber gar keine Tassen“, hörte man ihn rufen. „Das ist doch egal, Chef,“ soll einer aus der Runde erwidert haben. „Den schnappen wir uns. Dafür haben wir doch unsere Kavallerie.“ „Wir werden sie jagen”. Wer diesen Vorschlag in die Runde warf, ließ sich beim besten Willen nicht mehr eruieren.

Ein weiterer Skatbruder ergriff lauthals das Wort. Aus wohlinformierten Kreisen soll es sich dabei um Andreas Temme gehandelt haben, eine Eiche von Mann, der viel fürs Wohl des Landes und des Vaters getan hatte. Seitdem er beim Mord an dem Internetcafé-Besitzer Halit Yozgat in Kassel 2006 dabei war, hat er einen Stein im Brett. Erst beim damaligen Innenminister Volker Bouffier und nun bei Peter Beuth.

„Jawohl“, schoss es aus dem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter und V-Mann-Führer heraus, „das reicht dicke für eine Hausdurchsuchung wegen …“ Alle noch halbwegs am Tisch sitzenden Skatfreunde schauten ihn erwartungsvoll an. „Wegen des Verdachts des schweren Land-, also Hausfriedensbruches, des Diebstahls, also irgendwas mit OK.“ Der Innenminister kam aus der Küche zurück, nickte in die Runde, ging zur Kommode und griff zum Handy. Noch in derselben Nacht durchsuchten schwer bewaffnete Polizisten die zahlreichen Anwesen des Journalisten und beschlagnahmten dabei auch Tassen.

Nachschlag

Nachdem die Nachricht von diesem Polizeieinsatz in den Fußball-Fan-Gemeinden die Runde machte, entschloss man sich zu mehreren Solidaritätsbekundungen. Beim Spiel in Hannover grüßten Eintracht-Frankfurt-Anhänger den bei dem Polizeieinsatz verletzten Fan:

„Gute Besserung Manu!“

Auf Transparenten der Fans von VfL Bochum, Union Berlin und Dynamo Dresden wurde Beuth beleidigt, die Anhänger des FC Bayern schrieben „Beuth: Zurücktreten!“ (FR vom 26.2.2019)

Und dass Fans auch mehr als Fußball im Kopf haben, durchaus Kontexte weit über die Mittellinie hinaus herstellen und dabei wortwitzig sein können, bewiesen die Fans des SV Babelsberg. Dort entrollten sie ein Banner mit dem Satz:

„Kümmere dich mal um deine Nazibullen, du Windbeuthel“

Wolf Wetzel

Der Autor ist mit den Ultras weder verwandt, verschwägert, noch auf andere Weise mit ihnen verbunden

Sprach-Führer:

„Wir werden sie jagen …“ (AfD-Politiker Alexander Gauland, 2017)

„Wir werden sie alle jagen.“ (FC-Bayern-Trainer Kovac, 2018)

Kavallerie“: Ex-Finanzminister Peer Steinbrück drohte 2009 bei der Aufrechterhaltung des Schweizer Bankgeheimnisses mit der siebten „Kavallerie in Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann“. Sie müsse aber nicht unbedingt ausreiten: “Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.” Mit Indianer waren in diesem Fall die Schweizer gemeint.

Stein im Brett“: Auf die Frage, warum Andreas Temme lügen, sich situationsbedingt erinnern, also auch nicht erinnern darf, warum er von allen Vorgesetzten gedeckt und in Schutz genommen wird, heute eine ruhige Kugel im hessischen Innenministerium schiebt, antwortete der damalige Leiter der Kasseler Außenstelle des Verfassungsschutzes, Frank-Ulrich Fehling im NSU-Ausschuss in Wiesbaden: „Dies sei die Anweisung aus der Wiesbadener Zentrale des Landesamts für Verfassungsschutz gewesen. Dort habe Temme, der als sehr guter Mitarbeiter galt, “einen Stein im Brett” gehabt.“ (op-online.de vom 21.12.2015)

Quellen:

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