Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Streit um Gemeinnützigkeit
  2. Venezuela
  3. Ödipale Transatlantiker
  4. Deutsche Westafrikapolitik: Brandstifter als Feuerwehr
  5. Riss durch Europa
  6. Deutschland blockiert Steuertransparenz in der EU
  7. Verträge der Bundeswehr verbieten ihr das Reparieren von Waffen …
  8. Superreichensteuer könnte dem Staat 18 Milliarden Euro einbringen
  9. Knapp 50 Milliarden Euro Verlust für Norwegens Mega-Fonds
  10. Bereitet dem Spekulantenglück endlich ein Ende!
  11. Geplante Verdunkelung
  12. Doping made in Germany
  13. So will Google politischen Widerstand brechen
  14. Öffentlich-Rechtliche
  15. Urteil im Wikipedia-Prozess
  16. Das Letzte: Mann wird von Firma gekündigt – und erhält dort Angebot als Leiharbeiter

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Streit um Gemeinnützigkeit
    1. Gemeinnützigkeit aberkannt
      Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Trägerverein des globalisierungskritischen Netzwerks Attac wegen tagespolitischem Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das höchste deutsche Finanzgericht mit Sitz in München kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die von Attac geführten Kampagnen keine gemeinnützige politische Bildungsarbeit sind. (…) Der BFH betonte ausdrücklich, dass es nicht um die politischen Inhalte von Attac gehe, sondern um die Grundsatzfrage, ob “allgemeinpolitische Tätigkeit” mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sein könne. Wie BFH-Präsident Rudolf Mellinghoff und seine Richterkollegen erläuterten, bedeutet das Urteil nicht, dass gemeinnützige Organisationen – etwa Umweltverbände – überhaupt nicht politisch aktiv sein dürfen. Im Vordergrund müsse aber der gemeinnützige Zweck stehen, nicht politische Kampagnen.
      Quelle: SPON

      Anmerkung JK: Da würde man doch gerne wissen welche transatlantischen Einflussorganisationen einen gemeinnützigen Status haben bzw. kann man davon ausgehen, dass die diversen Stiftungen der Superreichen wohl alle gemeinnützigen Charakter haben, schon allein wegen der Steuerersparnis. Was dabei “politische Kampagnen” sind, ist hier klar Frage der politischen Perspektive. Kritik an der neoliberalen Politik ist aus der Sicht der herrschenden Oligarchie sicher immer eine “politische Kampagne”. Die Bertelsmann Stiftung dagegen ist selbstverständlich gemeinnützig. Sie betreibt ja auch keine “politischen Kampagnen”, niemals. Das Vorgehen gegen Kritiker der herrschenden Verhältnisse wird immer aggressiver.

      Anmerkung unseres Lesers U.D.: Das Urteil des Bundesfinanzhofs hat einen schalen Beigeschmack. Hier soll mit dem Entziehen finanzieller Mittel, ein kritische Stimme zum Schweigen gebracht werden. Wenn der Bundesfinanzhof gegenüber Stiftungen (z.B. der Bertelsmann Stiftung) so urteilen würde, hatten wir eine andere politische Landschaft, aber das Gericht tobt sich lieber an kleine Vereinigung aus, indem die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Wer hier eine Linie zu der neoliberal geprägten Politik sieht, dürfte sicher nicht ganz falsch liegen.

    2. Gemeinwohl ist politisch
      Der Bundesfinanzhof stelle in seiner Begründung fest, dass die „Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung […] keinen gemeinnützigen Zweck erfüllt.“ Erkennbar setzt der BFH darin den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als das Finanzgericht in Kassel. Insbesondere die beiden Zwecke Förderung der Bildung und des demokratischen Staatwesens werden durch das Urteil deutlich eingeschränkt.
      Die restriktive Auslegung des BFH macht nach Ansicht von Attac eine Anpassung der gesetzlichen Grundlage – der Abgabenordnung – an die Erfordernisse einer modernen Demokratie dringend notwendig: Eine widerstandsfähige Demokratie brauche eine kritische Bürgerschaft und starke Organisationen, die politische Entscheidungsprozesse aktiv begleiten und sich einmischen. Gemeinnützigkeit dürfe nicht auf apolitische Wohltätigkeit beschränkt werden.
      „Das Gemeinnützigkeitsrecht darf nicht zu einem Instrument verkommen,mit dem zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich selbstlos für eine gerechte Gesellschaft und das Allgemeinwohl einsetzen, klein gehalten werden“, sagt Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann.
      Quelle: Attac
    3. Sven Giegold: Schwarzer Tag für die Demokratie
      “Das Urteil bedeutet für viele gemeinnützige Vereine Unsicherheit und finanzielle Risiken. Ein Verein, der politische Bildungsarbeit macht, kann sich um seinen Status der Gemeinnützigkeit nicht mehr sicher sein. Das Kräfteverhältnis zwischen finanzstarken Wirtschaftsverbänden und kritischer Zivilgesellschaft wird nun weiter auseinander klaffen. Während Firmen ihre Lobbyarbeit von der Steuer absetzen können, werden Teile der Zivilgesellschaft in finanzielle Unsicherheit getrieben. Die internationale Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Zivilgesellschaft kommt nun auch in Deutschland an. Eine kritische Zivilgesellschaft ist existenziell für eine lebendige Demokratie. Wer sich uneigennützig für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie einsetzt, muss als gemeinnützig anerkannt werden. Wenn der Staat nur diejenigen als gemeinnützig einstuft, die vermeintlich neutral sind, wird einer kritischen Zivilgesellschaft der Boden entzogen.“
      Quelle: Sven Giegold
    4. Streit um Gemeinnützigkeit: DUH wirft CDU-Mann Demagogie vor
      CDU-Staatssekretär Steffen Bilger attackiert erneut die Deutsche Umwelthilfe und stellt ihre Gemeinnützigkeit infrage. Die schlägt jetzt mit harschen Worten zurück.
      Nach der Aberkennung der Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks Attac durch den Bundesfinanzhof fühlen sich die Kritiker der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bestärkt. „Das Urteil wird sicherlich eine Rolle bei der weiteren Bewertung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe spielen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (CDU), dem Handelsblatt. „Schließlich gibt es gute Gründe zu hinterfragen, ob das Gebaren der Deutschen Umwelthilfe noch den Anforderungen der Gemeinnützigkeit entspricht.“
      Die Deutsche Umwelthilfe sagt auf Nachfrage, sie sehe durch das Attac-Urteil ihre Gemeinnützigkeit nicht gefährdet, weil Umweltschutz klar als Anerkennungsgrund für Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung verankert sei.
      Zudem weißt die DUH den Vorstoß Bilgers scharf zurück: „Ich glaube, dass Herr Bilger das zur eigenen Profilierung nutzt. Die CDU arbeitet sich an der DUH ab, weil sie in Sachen zu nachhaltigen Mobilität und Verkehrswende nichts zu bieten hat“, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner der taz.
      Quelle: taz
    5. »Das gab es nicht einmal im Kalten Krieg«
      Ebenfalls deutlich wurde der CSU-Bundestagsabgeordnete Stefan Müller. Er schrieb auf Twitter: »Es kann nicht sein, dass kleine militante Splittergruppen die Gesellschaft drangsalieren und dann auch noch ›Gemeinnützigkeit‹ für sich reklamieren.«
      Die »Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung«, ein Zusammenschluss verschiedener NGOs, antwortete auf die Attacken aus der Union. Sie seien »ein Versuch, missliebige Akteure auszuschließen«. Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure solle nicht nach einer »Freund-Feind-Logik« bewertet werden. Der »förderwürdige Beitrag zur Demokratie«, den Vereine und Verbände leisten, wenn sie den politisch Mächtigen »kritisch auf die Finger schauen«, sollte gewürdigt werden, so der Zusammenschluss.
      Auch die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten« (VVN-BdA) sieht sich derzeit Angriffen ausgesetzt. Im Januar flatterten bei verschiedenen Kreisverbänden und dem Landesverband der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen Briefe der zuständigen Finanzämter ins Haus. In den Briefen, die dem »nd« teilweise vorliegen, heißt es, »laut Bayerischem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 wird die VVN-BdA als extremistisch eingestuft«, daraus ergebe sich, dass die »Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung« nicht vorliegen. Die VVN-BdA werde die Gemeinnützigkeit rückwirkend entzogen.
      Quelle: Neues Deutschland

      Anmerkung JK: Das muss man sehr genau beobachten. Offenbar sollen Kritiker der herrschenden Verhältnisse verstärkt unter Druck gesetzt werden. Zudem muss hier wiederholt die Frage gestellt werden, weshalb der Bertelsmann Stiftung nicht die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Weil sie ganz im Sinne der herrschenden Oligarchie agiert?

  2. Venezuela
    1. Venezuela: “Es ist falsch, von Hilfslieferungen zu reden”
      Im Moment spielt der Streit um Hilfslieferungen in der Berichterstattung die Hauptrolle. Es ist von Hunger die Rede, von fehlenden Medikamenten. Wie ist die Versorgungslage in Venezuela?
      Komplex. Es herrscht kein Hunger. Die Lage ist nicht so schlimm, wie sie oft dargestellt wird. Wer Geld hat, bekommt alles. Die Oberschicht und Menschen, die Zugang zu Devisen haben, können gut leben. Für einen Großteil der Bevölkerung gibt es Lebensmittelpakete, die über staatliche Strukturen verteilt werden. Über 60 Prozent der Bevölkerung werden so versorgt (Nach unabhängigen venezolanischen Zahlen stieg der Anteil von 69,2 Prozent der Haushalte 2017 auf 87,9 Prozent 2018. Anmerkung der Redaktion). Dazu kommt der Unterschied zwischen Stadt und Land. Auf dem Land kann die Eigenproduktion die Versorgung besser sicherstellen als in den Städten. Insgesamt aber erfordert die Organisation des Alltags einiges an Phantasie, weil zum Beispiel Babynahrung, Windeln und bestimmte Lebensmittel nur auf dem Schwarzmarkt oder selten erhältlich sind.
      Viele andere Produkte sind für die arme Bevölkerung ohne Zugang zu Devisen sehr teuer und nicht erschwinglich. Die Menschen verbringen viel Zeit damit, Schlange zu stehen oder Geschäfte zu suchen, wo die benötigten Waren vorhanden sind. Ernsthafte Schwierigkeiten bestehen in der Versorgung mit Medikamenten und medizinischem Gerät. Das Land ist stark von Importen abhängig aufgrund der wirtschaftlichen Struktur, die im wesentlichen Erdölexport bedeutet. Darum kann es sein, dass es manche Produkte wochenlang nicht gibt. Trotzdem ist die Lage weit davon entfernt, für die arme Bevölkerung so problematisch zu sein wie in manchen anderen Ländern Lateinamerikas oder der Karibik, über die jedoch nicht gesprochen wird.
      Viele, auch Kritikerinnen und Kritiker der Regierung, machen vorwiegend die US-Blockade für die schlechte Versorgungslage verantwortlich. Ist das richtig?
      Die Knappheit liegt zum großen Teil an der Blockade. Die spanische Fluglinie Iberia hat erst kürzlich eine Ladung von Diabetes-Medikamenten nicht befördert – mit Hinweis auf die Sanktionen. Dafür kommen Medikamente aus Russland, China, Kuba und von der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation ins Land. Die Regierung kooperiert also durchaus mit internationalen Organisationen und ist bereit Hilfslieferungen anzunehmen.
      Quelle: amerika21
    2. Faktencheck Venezuela
      Was in deutschen Medien über das südamerikanische Land verbreitet wird – und wie es tatsächlich aussieht
      »Kritische Medien haben unter Maduro keine Chance, sie werden geknebelt und unterdrückt.«
      Kaum tritt in Venezuela ein Oppositionspolitiker öffentlich auf, ist er sofort von Dutzenden Mikrofonen umlagert. Es gibt in Venezuela 16 private Fernsehkanäle und mindestens 18 private Radio-Senderketten, die oft mehrere parallele Programme ausstrahlen. Hinzu kommen viele lokale Gemeindesender. Dem stehen drei landesweite Staatssender – VTV, TVes und Vive – gegenüber sowie weitere nur lokal oder über Kabel verbreitete Programme, darunter der internationale Nachrichtensender Telesur. Allerdings hat die Telekommunikationsbehörde Conatel die Verbreitung mehrerer ausländischer Sender in den Kabelnetzen unterbunden. Betroffen davon ist zum Beispiel der kolumbianische Kanal NTN 24, der sich zum Sprachrohr der militanten Regierungsgegner gemacht hat. Problemlos zu empfangen sind nach einer aktuellen Aufstellung von Kabelnetzbetreibern nach wie vor Fox und Voice of America aus den USA; die britische BBC, die Deutsche Welle und andere. Interessanterweise macht aber der private Anbieter »Super Cable« seinen Kunden Sender wie TV Bolivia, Cubavisión, das chinesische CCTV oder das iranische Hispan TV nicht zugänglich, im Gegensatz zum staatlichen Betreiber CANTV.
      Massenhaft verbreitet sind auch in Venezuela Internetseiten und »soziale Netzwerke«. Immer wieder gibt es Zensurvorwürfe. So beklagte das Internetportal Aporrea.org zuletzt, dass es nicht mehr uneingeschränkt erreichbar sei. Allerdings fallen auch staatliche Seiten wie die Homepage der Tageszeitung Correo del Orinoco oder die Angebote von Radio Nacional de Venezuela häufig aus. Ob es sich also um administrative Eingriffe oder technische Probleme handelt, ist unklar.
      Probleme haben in den vergangenen Jahren Zeitungen und Zeitschriften gehabt, denn infolge der Wirtschaftskrise und der vor allem von den USA verhängten Sanktionen ist es für die Verlage immer schwieriger geworden, an das notwendige Papier zu kommen. Deshalb haben Oppositionsblätter wie Tal Cualoder El Nacional ihre gedruckten Ausgaben eingestellt, andere – zum Beispiel El Universal – erscheinen ungehindert weiter. Betroffen davon sind aber nicht nur die Organe der Opposition. Im vergangenen Jahr musste die Zeitung der Kommunistischen Partei Venezuelas, Tribuna Popular, ebenfalls ihre Druckausgabe aufgeben und erscheint seither nur noch digital. Mehrere staatliche Publikationen haben den Umfang ihrer Ausgaben eingeschränkt oder wurden ganz eingestellt.
      Quelle: junge Welt
    3. Venezuela und die Medien-Mär von den nicht ins Land kommenden Hilfslieferungen
      Glaubt man dem vorherrschenden Medien-Narrativ, dann schottet sich Venezuela gegenüber ausländischen Hilfslieferungen ab. Dabei erhält das Land umfangreiche humanitäre Hilfe aus China, Russland und Kuba. Seit Jahren kooperiert Caracas zudem mit internationalen Hilfsorganisationen. …
      An demselben Tag, an dem die umstrittene humanitäre Hilfe der USA “über See, Land und Luft” nach Venezuela eindringen sollte, berichtete der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza über ein neuerliches Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres, um sich über die Zusammenarbeit im Bereich der humanitären Hilfe zu verständigen. Man bestätigte die technische Unterstützung der Vereinten Nationen beim Kauf von Lebensmitteln, Medikamenten und Krankenhausausstattungen. Die venezolanische Regierung will die Lieferungen selbst finanzieren. Aufgrund der von den USA verhängten Sanktionen sind die Möglichkeiten äußerst begrenzt, den Bedarf des Landes an Lebensmitteln und Medikamenten auf dem internationalen Markt zu erhalten.
      Quelle: RT deutsch
    4. Verpatzte Inszenierung
      Gewalt an der Grenze Venezuelas sorgt nicht für die gewünschten Bilder
      Großspurig hatte der Putschist Juan Guaidó angekündigt, am vergangenen Samstag „Hilfsgüter“ über die Grenze zu bringen, „komme was da wolle“. Angeblich wollte er damit auch der venezolanischen Armee „eine Möglichkeit bieten, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen und den Weg für freie Wahlen zu öffnen“, wie er der „FAZ“ gegenüber fabulierte.
      Beides ist nicht gelungen. Die großzügigen „Hilfsgüter“ der USA stehen immer noch auf der kolumbianischen Seite der Grenze, die Soldaten auf der venezolanischen. Sie haben sich nicht dazu verführen lassen, ihre Loyalität aufzugeben und sich auf die Seite des Putschisten und seiner ausländischen Verbündeten zu stellen. Guaidó hatte per Twitter geäußert, die venezolanischen Soldaten hätten die Chance „zu definieren, wie sich an euch erinnert werden wird“. Das haben sie getan. Die „Tagesschau“ meldete am Sonntagabend zur besten Sendezeit zwar desertierte Soldaten – ganze zwölf –, aber auch diese zu hoch gegriffenen Zahl wird nicht ganz das sein, was Guaidó und seinen Verbündeten vorgeschwebt hatte.
      Blieb das dritte, eigentliche Hauptziel der Aktionen vom Wochenende: Bilder voller Gewalt zu erzeugen, um ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela zu rechtfertigen. Doch auch die blieben zum größten Teil aus.
      Quelle: unsere zeit
  3. Ödipale Transatlantiker
    Liegt es im Interesse Deutschlands, dass deutsche Autoimporte als Sicherheitsgefahr für die USA eingestuft werden? Dass die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 von Washington dämonisiert und uns stattdessen der Kauf überteuerten amerikanischen Fracking-Gases aufgenötigt wird? Dass die USA den INF-Vertrag mit Russland aufgekündigt haben, der die Stationierung von atomaren Mittelstreckenwaffen an Land verbietet – was zwangsläufig einen atomaren Rüstungswettlauf auch in Europa zur Folge haben wird?
    Hiesige Entscheidungsträger reagieren auf diese und alle anderen Zumutungen der Regierung Trump in erster Linie willfährig, kopflos und bar jeder politischen Strategie. Wäre der Begriff nicht historisch belastet und vergeben, träfe das Wort Appeasement die europäische Haltung gegenüber Washington sehr genau.
    Natürlich wird niemand ernsthaft für einen Konfrontationskurs gegenüber den USA plädieren. Was aber hindert Berlin und Brüssel daran, selbstbewusst eigene Interessen zu vertreten und sich Einmischungen in ihre inneren Angelegenheiten zu verbitten?
    Woher rührt diese geradezu masochistische Lust, freiwillig den militärischen Juniorpartner der USA etwa im Nahen und Mittleren Osten zu spielen, neudeutsch umschrieben als “mehr Verantwortung übernehmen”?
    Eine Antwort liegt in der Selbstwahrnehmung der überaus einflussreichen “transatlantischen” Netzwerke in Politik, Wirtschaft und den Medien.
    Aus deren Sicht sind die USA, die NATO und die EU eine “Wertegemeinschaft”, die weltweit für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einstehe. Sie halten Trump für einen Elefanten im Porzellanladen, für ein singuläres Übel, das es auszusitzen gelte.
    Sie erkennen nicht, dass die USA eine Weltmacht im Niedergang sind, die sich einem Dialog auf Augenhöhe mit Russland und China verweigert und stattdessen auf “Druck” setzt, um verlorenen Einfluss wettzumachen, ganz unabhängig von Trump. Gerade deutsche “Transatlantiker” leiden erkennbar unter einem ödipal anmutenden “Übervaterverlust” – sie können nicht länger einfach nur Regieanweisungen aus Washington befolgen, im Namen einer höheren Moral, sondern müssen lernen, selbst zu denken und zu handeln. Das schmerzt, vor allem bei fehlendem Rückgrat
    Quelle: Michael Lüders im Freitag
  4. Deutsche Westafrikapolitik: Brandstifter als Feuerwehr
    Es folgte 2017 der besonders von Frankreich und der Bundesrepublik geförderte Aufbau einer gemeinsamen 5.000-Mann-Eingreiftruppe. Dafür flossen nach offiziellen Angaben bislang etwa 28 Millionen Euro aus der deutschen Staatskasse. Zugesagt seien aber nach Angaben des Generalsekretärs dieser G5-Eingreiftruppe, des ehemaligen Außenministers Nigers, Maman Sidikou, 200 Millionen Euro. Am 22. Februar sagte er bei einem Aufenthalt in Berlin der Deutschen Welle, der Verwendungsschwerpunkt liege »weniger auf Infrastruktur« als »auf Resilienz, Verteidigung und Sicherheit«. Sidikou erklärte zudem, Deutschland sei »wichtigster Partner für den Aufbau der Militärakademie des G5-Bündnisses mit Sitz in Nouakchott«, der Hauptstadt Mauretaniens. Die fünf beteiligten Staaten, die zu den ärmsten Afrikas zählen, hätten »zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt«. Das seien für das eine Land 17 Prozent seines Budgets, für eine anderes 20 und für ein drittes »vielleicht sogar 30 Prozent«: »Das ist sehr viel – vor allem, wenn man bedenkt, dass dieses Geld sonst in Bildung oder Gesundheit fließen könnte!«
    Gemessen an den Resultaten bewirkt diese Art von »Entwicklungshilfe« offensichtlich das Gegenteil von dem, was mit ihr angeblich beabsichtigt ist. Deutschland, das sich gern als politische Feuerwehr in der Region darstellt, gehört mit zu den Brandstiftern. Dafür steht jede Menge Geld zur Verfügung.
    Quelle: junge Welt
  5. Riss durch Europa
    Es sind atemraubende Zahlen, die die Freiburger Volkswirte um Lüder Gerken, Matthias Kullas und Alessandro Gasparotti vom CEP vorgelegt haben. Demnach geht finanziell gesehen ein tiefer Riss durch Europa – wegen des Euro. 1999 hat die Gemeinschaftswährung die D-Mark als Buchgeld abgelöst, später auch als Bargeld. Bis 2017 habe dies den Wohlstand in der Bundesrepublik pro Einwohner um 23 000 Euro steigen lassen (siehe Grafik). Sonst seien nur die auch exportstarken Niederlande klarer Profiteur des Euro. In Frankreich, der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft, habe der Euro den Wohlstand dagegen um 3,6 Billionen Euro vermindert; in der Nummer drei Italien gar um 4,3 Billionen Euro. CEP-Chef Lüder Gerken sagt: “Wenn man sich die großen Wohlstandsverluste in vielen Euroländern anschaut, so ist der Euro sicher keine große Erfolgsgeschichte.”
    Quelle: Badische Zeitung
  6. Deutschland blockiert Steuertransparenz in der EU
    Am 24. Januar traf sich in Brüssel die Gruppe Gesellschaftsrecht. Die Abgesandten aus den EU-Staaten sollten darüber entscheiden, wie es nun weitergeht mit einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, der zu mehr Transparenz in der Steuerpolitik führen soll. Die Gruppe wollte darüber bereits im vergangenen Juni befinden, doch damals legte Deutschland einen sogenannten Prüfvorbehalt ein. Seitdem lagen die Gespräche de facto auf Eis. Wie es aussieht, wird das auch so bleiben, denn bei der Sitzung im Januar war Berlin wieder nicht in der Lage, eine klare Position zu beziehen. In einer der Süddeutschen Zeitung vorliegenden diplomatischen Korrespondenz schrieb der Brüsseler Vertreter an das Auswärtige Amt: “Deutschland legte zum gesamten Text umfassenden Prüfvorbehalt ein.”
    Konkret geht es um die Frage, welche Haltung die Mitgliedsstaaten zum Vorhaben der EU-Kommission haben, das sogenannte Country-by-Country-Reporting öffentlich zu machen. Mit dieser länderspezifischen Berichterstattung sind Unternehmen verpflichtet, den Behörden Daten zum Umsatz, Gewinn und zu Steuerzahlungen aufgeschlüsselt nach Staaten vorzulegen. Das soll den Finanzämtern ermöglichen, Firmen dort zu besteuern, wo der Gewinn erwirtschaftet wird. Im Grundsatz unterstützt die Bundesregierung die Berichterstattungspflicht. Berlin lehnt aber den Vorschlag der EU-Kommission ab, dass Steuerinformationen öffentlich zugänglich gemacht werden.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  7. Verträge der Bundeswehr verbieten ihr das Reparieren von Waffen …
    … und teilweise sogar das Zuschauen dabei
    Einer Antwort des deutschen Bundesverteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zufolge hat sich die Bundeswehr auf Selbstreparaturverzichtserklärungen eingelassen, die inzwischen über ein Drittel ihrer insgesamt 53 Hauptwaffensysteme betreffen. Unter den 20 Waffensystemen, die die Soldaten und Bundeswehrangestellten nicht mehr selbst reparieren dürfen, sind neben dem umstrittenen Eurofighter und der Fregatte F125 auch Hubschrauber und Panzer.
    Bei 13 dieser Waffensysteme konnten die Hersteller sogar durchsetzen, dass Bundeswehr-Mechaniker bei der Reparatur nicht einmal zuschauen dürfen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass sie Kenntnisse erwerben, mit denen sie Fehler später einmal selbst beheben können. Dass so etwas bemerkenswert schnell und kostengünstig gehen kann, wissen manche Verbraucher nach der Reparatur neuerer Waschmaschinen: Startet die Waschmaschine nicht mehr regulär, reicht oft ein kompletter Neustart mittels einer Kombination der Einstellungen in einer bestimmten Reihenfolge, den ein Verbraucher auch selbst vornehmen könnte, wenn diese richtige Reihenfolge in der Betriebsanleitung enthalten wäre. (…)
    Der Linksfraktions-Wehrexperte Matthias Höhn verglich die Situation bei der Bundeswehr nicht mit einer Waschmaschine, sondern mit einem Automobil, bei dem man “den Reifen nicht selber wechseln, nicht entscheiden, wer ihn wechselt und beim Wechsel auch nicht zusehen” dürfe. Ob die Reparaturverbote tatsächlich so weitgehend sind, ist unklar. (…)
    Trotzdem gelang es anderen Armeen möglicherweise, vorteilhaftere Verträge abzuschließen: Israel beispielsweise konnte seine F-16-Kampfflugzeuge selbst mit so moderner Elektronik nachrüsten, dass der Hersteller Lockheed Martin Konkurrenz für seine eigenen Produkte befürchtete und einen Verkauf solcher Gebrauchtmaschinen an Kroatien im Januar verhinderte (vgl. Gebrauchtkampfflugzeughandel zwischen Kroatien und Israel geplatzt). (…)
    Viel Steuergeld verschwendete das deutsche Verteidigungsministerium auch für Eurofighter-Flugstunden, bei denen man 900 bezahlte, die nicht genutzt wurden. Im März 2018 waren von insgesamt 128 Eurofightern der deutschen Bundeswehr ganze vier einsatzfähig. In Österreich ist man mit dem vom Reparaturverbot mit betroffenen Kampfflugzeug so unzufrieden, dass der Verteidigungsminister 2017 entschied, die Eurofighter ab 2020 nach und nach auszumustern und andere Kampfflugzeuge zu kaufen, die kostengünstiger, besser ausgerüstet, weniger mängelbehaftet und “Tag und Nacht einsatzbereit” sein sollen. Bis 2049 erwartet die Alpenrepublik durch diesen Umstieg Einsparungen zwischen 100 Millionen und zwei Milliarden Euro (vgl. Österreichischer Verteidigungsminister zeigt Airbus an).
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung Christian Reimann: Offensichtlich ist das Bundesverteidigungsministerium stets für eine Überraschung zu haben. Ist das nun Privatkonzern-orientierte Politik oder ist schlicht Dummheit am Werk?

  8. Superreichensteuer könnte dem Staat 18 Milliarden Euro einbringen
    In den USA hat die linke Demokratin Elisabeth Warren gerade einen Vorschlag für eine solche Superreichensteuer gemacht, die den Umfragen zufolge sogar eine Mehrheit der republikanischen Wähler gut findet. Zahlen sollen sie nur Haushalte mit mehr als 50 Millionen Dollar Vermögen. Das betrifft weniger als 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bereits im ersten Jahr würde die Steuer 212 Milliarden Dollar in die Staatskasse spülen, verspricht die Bewerberin für die Präsidentschaftskandidatur. Wie würde eine solche Warren-Steuer in Deutschland wirken? Das hat Stefan Bach ausgerechnet, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dazu hat Bach vorliegende Daten aus dem Jahr 2014 herangezogen. Das Ergebnis: Der deutsche Staat hätte demnach 17,7 Milliarden Euro einnehmen können – mehr als die 15 Milliarden Euro, die der umstrittene Solidaritätszuschlag in jenem Jahr einbrachte. Bezahlt hätten das die reichsten 8100 Haushalte, also die obersten 0,02 Prozent.
    Quelle: SPON
  9. Knapp 50 Milliarden Euro Verlust für Norwegens Mega-Fonds
    Der norwegische Pensionsfonds, einer der größten Staatsfonds der Welt, hat angesichts turbulenter Aktienmärkte im vergangenen Jahr Einbußen verkraften müssen. Der Wert des auch als Ölfonds bekannten Finanzbestands fiel 2018 um 6,1 Prozent, wie Norwegens Zentralbank am Mittwoch bekanntgab. Das entsprach einem Verlust von 485 Milliarden norwegischen Kronen (knapp 50 Milliarden Euro). Der Wert des Fonds lag zum Jahresende bei umgerechnet 850 Milliarden Euro. 2017 hatte er noch eine zweistellige Rekordrendite erzielt.
    Quelle: manager magazin

    dazu: Staatsfonds verkauft Hälfte der VW-Beteiligung
    Der Staatsfonds, der im Durchschnitt 1,4 Prozent der globalen Aktien hält, wird von vielen Börsenexperten immer wieder als Musterbeispiel für den erfolgreichen Vermögensaufbau mit Aktien herangezogen. Der norwegische Staat darf jedes Jahr aber dafür nur maximal drei Prozent des Wertes in den Haushalt des Fonds überführen. Dieses Geld kommt vor allem aus den Einnahmen aus der norwegischen Öl- und Gasförderung. Verwaltet wird er von der Notenbank des Landes, im Auftrag des Finanzministeriums.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Kapitalgedeckte Altersvorsorge erwirtschaftet auch schon mal satte Verluste und ist nicht sicher – wer hätte das ahnen können? Eigentlich jeder, weil es in der Natur von Finanzanlagen liegt. Kapitaldeckung funktioniert halt nur begrenzt und im volkswirtschaftlichen Maßstab nicht gut.

    Ergänzende Anmerkung André Tautenhahn: Dass es deutliche Verluste auch mit einem Staatsfonds geben kann, der immer als Musterbeispiel für eine künftige Altersvorsorge genannt wird, scheint jedenfalls hierzulande noch nicht angekommen zu sein. So sind Teile der Großen Koalition und daneben besonders die Grünen weiterhin schwer begeistert vom norwegischen Modell.

    dazu auch: Grüne fordern Bürgerfonds zur Altersvorsorge
    Aktien und Immobilien sind vielen als Altersvorsorge zu teuer oder unsicher. Deshalb sollte der Staat dort für seine Bürger investieren lassen, schlagen die Grünen vor. […]
    Vorbild dafür ist der norwegische Staatsfonds. “Damit unterstützen wir den ökologischen Umbau der Wirtschaft und den Ausstieg aus fossilen Energien”, schreiben Habeck und Giegold. Der Fonds soll seine Investitionen breit streuen, um das Risiko zu reduzieren, dass der Wert der Anlage sinkt. So könnten auch Menschen mit wenig Geld “ohne großes Risiko” von Anlagen mit hoher Rendite profitieren.
    Quelle: Zeit Online

  10. Bereitet dem Spekulantenglück endlich ein Ende!
    Im Vergleich zum Ausland gelten deutsche Immobilien noch als günstig. Resultat: Immer mehr Investoren tummeln sich auf dem Markt. Leidtragende dieser Entwicklung sind die Mieter. Schluss damit, fordert der Journalist und Buchautor Klaus Englert.
    Auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist derzeit ein Verdrängungswettbewerb unter Immobilienkonzernen zu beobachten. Etliche dieser Konzerne profitieren davon, dass im Ausland deutsche Immobilien geradezu als „Schnäppchen“ gelten. Wer diese Marktlücke entdeckt, kann sich schnell eine goldene Nase verdienen. Für Maklerbüros, die sich auf Besserverdienende eingestellt haben, hat ein goldenes Zeitalter begonnen.
    Tatsächlich drängt es viele amerikanische, britische und südkoreanische Investoren auf den hiesigen Immobilienmarkt. Mittlerweile hat sich ein mächtiger Konkurrent hinzugedrängt, der die schon jetzt irrsinnig angeschwollenen Wohnungs- und Immobilienpreise noch weiter in spekulative Höhen treibt: Es sind chinesische Agenturen, die in Deutschland für ihre neureichen Landsleute einspringen, denen eine Wohnung im Ausland – wie es unter Eingeweihten heißt – als Statussymbol gilt.
    Um den Luxusmarkt in Berlin und Frankfurt für die eigene Klientel aufzubauen und den Kunden millionenteure Apartments anzubieten, hat sich in Frankfurt das erste chinesische Immobilienmaklerbüro in Deutschland mit dem Staatsfonds China Investment Corporation zusammengetan. Der verfügt allein in Deutschland über 16.000 Mietwohnungen.
    Gerade Berlin wird zusehends zum heiß umkämpften Schlachtfeld im Kampf um die begehrtesten Immobilien. Beim Verkauf ganzer Marktsegmente haben die Chinesen bereits die mächtigen Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen, Vonovia und LEG Immobilien ausgestochen. Den Immobilienkonzernen geht es angesichts der Konkurrenz um einen beständigen Ausbau ihrer Marktanteile.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur

    Anmerkung JK: Eigentlich wäre es endlich an der Zeit der Spekulation mit einem der basalen Grundbedürfnisse der Menschen einen Riegel vorzuschieben.

  11. Geplante Verdunkelung
    Überraschend ist nur, dass es so schnell herauskam: Weit mehr als ein Jahr lang stand die Frage im Raum, warum der Terrorverdächtige Bilel Ben Ammar wenige Wochen nach dem Lkw-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt trotz laufender Ermittlungen abgeschoben worden war. Den Verdacht, der sich jetzt bestätigt hat, klar auszusprechen, konnte noch vorgestern herablassend mit »Verschwörungstheorie! Setzen! Sechs« beantwortet werden.
    Jetzt ist es keine Theorie mehr: Bilel Ben Ammar hat für einen Geheimdienst gearbeitet – wie das Magazin Focus unter Berufung auf ihm vorliegende Dokumente berichtet, für den marokkanischen. Dieser selbst konnte seinen Agenten nicht ohne die Hilfe entsprechend motivierter deutscher Behörden mittels Abschiebung verschwinden lassen.
    Nach AfD-Logik mag es naheliegend sein, einen Mann, gegen den im Zusammenhang mit einem Zwölffachmord ermittelt wird, einfach schnell außer Landes zu schaffen: Abschiebung als Patentlösung. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Für die Verfassungsschutz-Zeugen, die sich in den Untersuchungsausschüssen von Bund und Ländern an nichts erinnern wollen, war es bequem.
    Den Verletzten und den Angehörigen der Todesopfer wurde damit vorerst die Möglichkeit genommen, an einem Prozess teilzunehmen, in dem sie als Nebenkläger Beweisanträge stellen und ihre Interessen vertreten können. Der Öffentlichkeit sollte die Chance genommen werden, mehr darüber zu erfahren, warum in diesem Fall die Bevölkerung nicht geschützt worden war, was einige Ermittler sicherlich ernsthaft versucht haben. Die Enthüllung über Bilel Ben Ammar wirft ein neues Licht auf ihr vermeintliches Versagen.
    Zur Erinnerung: Ben Ammar war derjenige, den das Berliner Landeskriminalamt (LKA) zuerst als islamistischen »Gefährder« im Blick hatte und durch den es auf den später als Attentäter identifizierten Tunesier Anis Amri gestoßen war. Nach bisherigen Ermittlungen war es Amri, der am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Breitscheidplatz gesteuert hatte. Dadurch waren elf Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden, nachdem bereits der polnische Lkw-Fahrer erschossen worden war. Von wem, das muss jetzt ausdrücklich mit einem Fragezeichen versehen werden. Denn dass Amri ganz alleine gehandelt hat, glauben weder der damalige Leiter des für Islamismus zuständigen Dezernats im Berliner LKA, der vergangene Woche vor dem Ausschuss aussagte, noch dessen Behördenchef Christian Steiof, der dort am letzten Donnerstag in den Zeugenstand trat.
    Quelle: junge Welt

    dazu: Seehofer liefert keine Antworten auf zentrale Fragen im Fall Ben Ammar
    Bundesinnenminister Horst Seehofer liefert keine Antworten auf zentrale Fragen im Fall des Terrorhelfers Ben Ammar, kritisiert Martina Renner, Obfrau der Fraktion im 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz. Das Bundesinnenministerium verfolge weiterhin eine Blockadestrategie. Renner fordert die ungeschwärzte Herausgabe aller Unterlagen, die das Bundesinnenministerium und seine Behörden bislang unter Verschluss halten. Der Untersuchungsausschuss will Ben Ammar als Zeugen im Ausschuss befragen und dabei auch herausfinden, inwiefern Ben Ammar mit in- oder ausländischen Geheimdiensten kooperiert hat.
    “Der uns vom Innenministerium vorgelegte Bericht enthält keine Antworten auf zentrale Fragen”, sagt Renner. Geklärt werden müsse: “Wo befindet sich Ben Ammar? Warum wurde er abgeschoben, bevor alle relevanten Asservate ausgewertet wurden? Und welche Kontakte hatte er möglicherweise zu ausländischen Nachrichtendiensten?” Das Bundesinnenministerium verfolge weiter eine Blockadehaltung gegenüber dem Untersuchungsausschuss. Daher bleibe Ben Ammar weiterhin eine der zentralen Figuren bei der Beantwortung der Frage nach den hinter Amri stehenden dschihadistischen Netzwerken.
    “In den Jahren 2015 und 2016 trat er mehrfach im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen der Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten in Erscheinung”, argumentiert Renner und stellt klar: “Zudem hatte er durchgehend enge Kontakte zu Amri und dessen unmittelbarem Umfeld und besitzt daher eine sehr hohe Relevanz für die im Untersuchungsauftrag aufgeworfenen Fragen nach möglichen Hintermännern und Mittätern des Anschlags.”
    Die Frage, ob und in welchem Ausmaß Ben Ammar auch auf dem Radar deutscher und ausländischer Geheimdienste gestanden hat, müsse jetzt oberste Priorität haben, betont Renner. Sie könne nur geklärt werden, wenn dem Ausschuss vollumfänglicher Zugang zu allen im Innenministerium vorliegenden Akten gewährt werde. Das beinhalte sowohl die Entschwärzung von schon gelieferten Akten, als auch die Zulieferung der noch ausstehenden Aktenbestandteile aus der Personenakte des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

  12. Doping made in Germany
    Diverse Studien, die Aussagen von Brancheninsidern und Kronzeugen sowie nicht zuletzt der gesunde Menschenverstand legen nahe: Doping ist im System des modernen Spitzensports angelegt. Aber die Sportvertreter, allen voran die deutschen, erzählen weiter die Geschichte vom dopenden Athleten als charakterschwachem Einzeltäter. Sie müssten es besser wissen, gerade die Deutschen.
    Jene Langläufer, die am Mittwoch in Seefeld verhaftet wurden, waren zwar Österreicher und Osteuropäer, aber die mutmaßlichen Köpfe eines “weltweit agierenden Dopingnetzwerks”, wie das österreichische BKA die Hauptverdächtigen nennt, agieren von Deutschland aus. Der mutmaßliche Drahtzieher, der Erfurter Sportmediziner Mark Schmidt, ist sogar ein alter Bekannter. Schon als Arzt des Radteams Gerolsteiner war er einst mit Dopingvorwürfen konfrontiert. Die Sache verlief im Sande. Jetzt wird ihm “gewerbsmäßiger Sportbetrug” vorgeworfen.
    Quelle: Süddeutsche
  13. So will Google politischen Widerstand brechen
    Der Internetkonzern Google Börsen-Chart zeigen will politischen Widerstand gegen sein Geschäftsmodell brechen – und wirft dafür seine Lobby-Anstrengungen um. Der Konzern plant, sich “zunehmend auf Regierungsmitglieder [zu] konzentrieren, die für die Geschäfte von Google und die Regulierung der nächsten Technologiegenerationen entscheidend sind”, schreibt Public-Policy-Chef Karan Bhatia in einer Mail an seine Mitarbeiter. Das berichtet das US-Medium “Axios”, dem die Nachricht vorliegt.
    Bhatia, ehemaliger Beamter der Bush-Regierung, schreibt weiter, es würden “größere Forderungen als je zuvor” an den Suchmaschinenkonzern gerichtet. Unter anderem liege das an dem “erhöhten öffentlichen Fokus auf Tech”. Die Abteilung habe er von “Public Policy” in “Government Affairs and Public Policy” umbenannt, um den neuen Fokus widerzuspiegeln.
    Ein zentrales Team soll laut “Axios” ausgebaut werden, um die großen Streitfragen im Kartellrecht und zum Schutz der Privatsphäre anzugehen. Andere Einheiten sollen sich länder- und produktbezogene Probleme vornehmen. Mehr Ressourcen würden auch auf Schwellenländer abgestellt, so ein Insider zu dem Medium. Auf Nachfrage von manager-magazin.de kommentierte Google den Bericht bisher nicht. (…)
    Auch Facebook, das ein Jahr voller Skandale hinter sich brachte, erhöhte seine Lobbying-Ausgaben im selben Zeitraum von 11,5 Millionen auf 13 Millionen US-Dollar. Zuletzt gab es für das soziale Netzwerk viel Gegenwind aus Großbritannien. CEO Mark Zuckerberg (34) hatte das Parlament dort verärgert, als er Anreise und Aussage beim Cambridge-Analytica-Skandal verweigerte. In einem Bericht nannte das Digitalkomitee des britischen Parlaments Facebook vor wenigen Tagen einen “digitalen Gangster”, woraufhin Zuckerberg dem zuständigen Minister Jeremy Wright nun laut “BBC” 30 Minuten seiner Zeit schenkt.
    Gemeinsam mit Amazon (14,2 Millionen US-Dollar), Microsoft (9,5 Millionen) und Apple (6,6 Millionen) belaufen sich die Lobbying-Ausgaben der großen Tech-Konzerne laut der Nachrichtenagentur “Bloomberg” auf 64,3 Millionen US-Dollar im Jahr 2018. Unter Aktivisten wachsen die Bedenken, dass die Millionen die Interessen der Verbraucher wegspülen könnten. “Die große Sorge ist, dass die Lobby-Arbeit zu einer Debatte führen wird, die sich auf die falschen Fragen konzentriert”, sagte Neema Singh Guliani, leitende Rechtsberaterin der Nichtregierungsorganisation ACLU, kürzlich zur US-Zeitung “Washington Post”. “Die zentrale Frage sollte sein: ‘Was ist gut für den Verbraucher?’”
    Quelle: manager magazin
  14. Öffentlich-Rechtliche
    1. Gute Dokus erst nach Mitternacht
      Nachts, wenn keiner zuschaut, laufen die anspruchsvollen Dokumentarfilme. Diese Annahme hat der Bundesverband der Dokumentarfilmer, AG Dok, nun in einer Studie genauer untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen: Sie stimmt. Viel bedenklicher aber ist: Die meisten Dokumentationen, die die Öffentlich-Rechtlichen ausstrahlen, gehören zu vorformatierten Sendereihen – etwa „37 Grad“, „Hautnah“ oder Zooserien wie „Elefant, Tiger & Co.“, die die künstlerische und journalistische Freiheit stark einschränkten. Der Journalist Fritz Wolf hat die AG Dok-Studie verfasst und sagt, die Formate seien eng mit der Quote verknüpft – so würden etwa eine genau festgelegte Erzählweise und eine bestimmte Technik des Einstiegs in ein Thema gefordert, von der sich die Programmgestalter stabile Zuschauerzahlen erwarteten.
      Quelle: Deutschlandfunk
    2. ARD regelt mehr als Sprache
      Die dicksten Lügen haben die größten Quoten
      Von BILD bis „Junge Welt“: Das 120.000-Euro-Gutachten der ARD zum „Framing“ wird zwischen Hochstapelei und Manipulations- Handbuch eingeordnet. Und – selten genug – beide haben Recht. Und beide greifen zu kurz: Das „Framing Manual“ ist ein ideologisches Manifest der ARD, das alle vorhandenen gesetzlichen Regularien und Grundlagen der ARD durch Ignorieren außer Kraft setzt und die Machtergreifung einer hauseigenen, hausgemachten Glaubensgemeinschaft predigt. So organisiert man Gefolgschaft. Erst nach innen, bei den aktiven Trägern der Ideologie, den Redakteuren, dann bei den Zuschauern, die letztes Ziel der Ideologisierung sind. Fraglos ist Elisabeth Wehling, die Autorin des Manuals, keine simple Propaganda-Röhre. Aber ihre ARD-Glaubenspredigt hat alle Züge der klassischen, sektiererischen Formierung einer Kampfgemeinschaft. Was zu beweisen ist. (…)
      Die ARD-Generalsekretärin – ein mächtiger Titel für eine wirkungsmächtige Funktionärin – Dr. Susanne Pfab, stellt sich mit einer „Klarstellung“ hinter dasTraktat der Wehling. Das sei zwar eine „Arbeitsunterlage“, hätte aber einen „missverständlichen Titel“. Und mache nur „unter anderem darauf aufmerksam, dass es sinnvoll sei, über sprachliche Formulierungen auch die dahinterstehenden Werte offenzulegen“. Eine glatte Lüge. Aber die dicksten Lügen haben die größten Quoten und um die Wahrheit komplett zu versenken, wird noch dieser Beton drübergegossen: Bei dem „Workshop-Angebot für Mitarbeitende geht es darum, für den verantwortungsvollen Umgang mit Sprache zu sensibilisieren“. Die Wahrheit: hinter einem schwülstigen Vorhang scheinwissenschaftlicher Sprache enthüllt sich der ARD-Manipulationsapparat in all seiner hässlichen Gestalt.
      Quelle: Rationalgalerie
    3. Die Tagesschau hat immer recht
      Sie kann keinen Irrtum eingestehen, denn sie reflektiert unser staatliches Selbstbild vom Guten, Wahren, Schönen – in all seiner Unaufrichtigkeit
      Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
      Jetzt ist es passiert: Die „Giftgas“-Gräuelmärchen der Tagesschau aus den syrischen Orten Duma und Sarakib sind als fauler Zauber aufgeflogen. Ein unmittelbar an dem Fake beteiligter BBC-Producer hat sie als Inszenierung der „Weißhelme“ beschrieben. Trotzdem denkt die ARD-aktuell-Redaktion nicht daran, sich zu der beschämenden journalistischen Pleite zu bekennen und für den Propagandadreck von damals zu entschuldigen. Sie wird auch insoweit ihrer systemtragenden Rolle gerecht. Anstöße zur Nachdenklichkeit müssen unterbleiben. Schließlich braucht sogar eine so selbstherrliche Regierung wie die unsere ein Mindestmaß an Einvernehmen mit ihrem Wahlvolk – für den Krieg in fremden Ländern.
      Wenn die Propagandablase doch einmal platzt, ist das zwar peinlich, aber Gniffkes Qualitätsjournalisten sitzen es aus. Zugeben, dass das Publikum systematisch hinters Licht geführt wurde? Nicht in dieser Welt. Da seien Dr. Gniffke und die deutsche Staatsräson vor. Das ist die Tagesschau-Identität: Regierungströte. Staatsrundfunk.
      Quelle: Ständige Publikumskonferenz
  15. Urteil im Wikipedia-Prozess
    Urteil in einem der bedeutendsten modernen Medienprozesse.
    Rechercheure der Wiener Gruppe42 berichteten 2018 über einen der einflussreichsten manipulativ agierenden Wikipedia-Autoren und nannten dabei erstmals seinen echten Namen, wogegen der Autor eine einstweilige Verfügung mit Strafandrohung von bis zu €250.000 erwirkte.
    Das Landgericht Hamburg entschied nun in einem wegweisenden Urteil, dass die Namensnennung aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses rechtmäßig war.
    Beim fraglichen Wikipedia-Autor mit dem Decknamen »Feliks« handelt es sich um einen ehemaligen Funktionär des transatlantischen Flügels der deutschen Linkspartei sowie um ein Auslandsmitglied der israelischen Armee mit Spezialabzeichen der US-Armee und weiterer Streitkräfte.
    Der Autor editierte und manipulierte insgesamt mehrere tausend Wikipedia-Artikel und denunzierte dabei zahlreiche Personen, darunter insbesondere Politiker, Publizisten und Forscher, die sich kritisch zu transatlantischen oder israelischen Positionen geäußert hatten.
    Der selbstgewählte Deckname »Feliks« bezieht sich auf den Gründer und ersten Direktor des sowjetischen Geheimdienstes Tscheka/GPU, Feliks Dserschinski, unter dessen Leitung mehrere zehntausend politische Gegner exekutiert wurden.
    Das Hamburger Urteil dürfte einen Präzedenzfall darstellen und erhebliche Signalwirkung haben. Derzeit laufen mehrere von Betroffenen angestrengte Strafverfahren gegen »Feliks« und weitere denunziativ oder manipulativ agierende Wikipedia-Autoren.
    Quelle: Swiss Propaganda Research
  16. Das Letzte: Mann wird von Firma gekündigt – und erhält dort Angebot als Leiharbeiter
    Einem Mann, dem von seiner Firma zum Jahresende gekündigt wurde, ist von der Agentur für Arbeit die gleiche Stelle als Leiharbeiter angeboten worden. Das berichtet der 46-Jährige in der „Passauer Neuen Presse“. Elf Jahre hat Daniel Linke nach eigenen Angaben für den deutschen Automobilzulieferer Webasto im bayerischen Hengersberg als Maschinen- und Anlagenführer gearbeitet. Ende August sei ihm „betriebsbedingt“ zum Ende des Jahres 2018 gekündigt worden, berichtet er. Im Januar habe er dann einen Vorschlag der Agentur für Arbeit erhalten. Der 46-Jährige sollte wieder als Maschinen- und Anlagenführer arbeiten, wieder in Hengersberg, doch als Leiharbeiter und für ein deutlich geringeres Gehalt. Linke spricht von „70 Prozent seines bisherigen Lohns“. (…) Einfach ablehnen kann Daniel Linke das Arbeitsangebot als Leiharbeiter übrigens nicht. Eine Sprecherin der Agentur für Arbeit wies darauf hin, dass Arbeitslose, die Leistungen beziehen, bereit sein müssen, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Wer sich weigert, riskiere eine Sperrzeit.
    Quelle: Welt

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