Wagenknechts Rückzug und die Medien

Wagenknechts Rückzug und die Medien

Wagenknechts Rückzug und die Medien

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der angekündigte Rückzug von Sahra Wagenknecht als Fraktionschefin der Linkspartei und von „Aufstehen“ wird erwartungsgemäß unseriös kommentiert – in der Presse und in der Politik. Von Tobias Riegel.

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Das Medienecho auf Sahra Wagenknechts angekündigten Rückzug als Fraktionschefin der Linkspartei und aus der ersten Reihe der sozialen Sammlungsbewegung „Aufstehen“ kann als erwartungsgemäß unseriös bezeichnet werden. Folgende Punkte stechen hervor: Das öffentliche und unbegründete Anzweifeln der von Wagenknecht angeführten gesundheitlichen Gründe, das frühzeitige Jubeln über ein „Aus“ der Sammlungsbewegung „Aufstehen“, irrige Ansichten über nun „bessere“ Chancen für Rot-Rot-Grün und eine verfrühte Freude über ein Ende des Grabenkampfes in der Linkspartei. Zudem ist festzustellen, dass die besonders fragwürdigen Kommentare von Politikern und nicht von Redakteuren stammen.

„Schäbig“, „egoistisch“, „gescheitert“

Die „taz“ hat sich in gleich mehreren Kommentaren gegen Wagenknecht positioniert. So sei „Aufstehen“ doch „von Anfang an ein Egoprojekt“ gewesen: „Sahra Wagenknecht hat „Aufstehen“ genutzt, solange es Aufmerksamkeit generierte. Jetzt entsorgt sie die Bewegung auf schäbige Weise“, so die Behauptung der „taz“. Die Zeitung scheut sich nicht, die Krankheit Wagenknechts indirekt in Zweifel zu ziehen:

„Dass ihr Rückzug von der Fraktionsspitze mit diesem politischen Scheitern zusammenhängt liegt auf der Hand – auch wenn Wagenknecht selbst persönliche Überlastung und ihre gerade überstandene Krankheit ins Feld führt. Ein schlüssiger Grund, aber auch eine willkommene Brücke.“

Zudem begeht der Kommentar den Fehler, Kontroversen als ein Hindernis für Debatten darzustellen: „Der Rückzug aus der Spitze eröffnet die Chance, jetzt längst fällige Debatten ohne machtpolitisches Taktieren zu führen”. Schließlich gesteht die „taz“ Wagenknecht jene Macht zu, eine Bewegung alleine scheitern zu lassen – im Gegensatz zum in der Zeitung oft vertretenen Standpunkt, Bewegungen hätten von Einzelpersonen unabhängig zu sein: „Mit dem Rückzug von Sahra Wagenknecht aus Aufstehen und vom Fraktionsvorsitz ist ihre Bewegung gescheitert.“

Die – verfrühte – Freude in manchen Medien

Die – verfrühte – Erleichterung über ein Ende von Wagenknechts politischem Einfluss soll hier stellvertretend für zahlreiche große Medien von der „Zeit“ zitiert werden:

„Sie ist weg, und das ist auch gut so. Mit Sahra Wagenknecht verliert die Sammlungsbewegung Aufstehen ihr bekanntestes Gesicht. Das ist kein Verlust: Als linke Integrationsfigur ist sie vollkommen ungeeignet.“

In eine ähnliche Richtung argumentiert die „Welt“ in diesem und in diesem Artikel: Demnach sind nun Lafontaine und Wagenknecht „beide gescheitert“ und die Sammlungsbewegung ein „Rohrkrepierer“. Der „Tagesspiegel“ fürchtet, die nun wieder „freie Radikale“ Wagenknecht habe bald wieder mehr Energie für ihre „politischen Querschüsse“. Das kann man ja nur hoffen.

Politiker noch giftiger als Redakteure

Noch infamer als die großen Medien haben sich aber diverse Politiker geäußert. So schrieb Johannes Kahrs (SPD) auf Twitter: “Wagenknecht bleibt liegen. Will nicht mehr aufstehen. Die Arbeit sollen jetzt andere machen.“ Simon Vaut (SPD) sprach von einer “guten Nachricht”, was angesichts der Krankmeldung Wagenknechts fragwürdig ist. Vaut fügte noch an, Wagenknechts “nationaler Sozialismus“ sei schädlich und Rot-Rot-Grün sei nun ein bisschen wahrscheinlicher geworden.

Doch besonders giftig waren einige Töne aus der Linkspartei. So sagte die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert:

„Ich nehme das verwundert zur Kenntnis und hoffe, dass sich jetzt nicht die Menschen, die tatsächlich Hoffnung in das Projekt gesetzt haben, von der Politik abwenden“, sagte sie dem Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND). „Man darf nicht mit Menschen und ihren Erwartungen spielen.“

Der linke Bundestagsabgeordnete und ehemalige Schatzmeister der Partei, Thomas Nord, sagte dem RND: „Die Art und Weise, wie sich Wagenknecht von Aufstehen verabschiedet, zeigt, wie wenig Respekt sie vor Leuten hat, die ihr nicht mehr nützlich erscheinen. Wenn sie weiter ihr eigenes Süppchen kocht, dann werde ich sie auch weiter kritisieren. Das hat nichts mit Nachkarten zu tun. Die Partei muss sich selbst ernst nehmen.“ Und Anke Domscheit-Berg schrieb: “Man kann Bewegungen nicht von oben anordnen und nicht undemokratisch führen.” Dass die Bewegung „scheitern“ werde, sei von Anfang an klar gewesen.

LINKE: Moralische Tribunale, Mobbing, Grabenkampf

Auf den aus diesen Sätzen sprechenden Grabenkampf in der Linkspartei gehen wiederum einige Medienbeiträge ein. So erinnert Tim Herden beim MDR an die Attacken gegen Wagenknecht beim letzten Parteitag:

Noch heute erschüttert mich im Rückblick das Tribunal gegen Sahra Wagenknecht auf dem Leipziger Parteitag im vergangenen Jahr. Wagenknecht wurde von Funktionären der Partei für ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik öffentlich an den Pranger gestellt. Neben der Pflicht des Journalisten zu berichten war auch das Gefühl des Fremdschämens, wie eine Partei mit ihrer Spitzengenossin umgeht und eine Parteispitze dies zulässt. Wir reden von der Linkspartei, deren Mitglieder sich für die ‚Guten‘ halten.

Von einer Schlammschlacht in der Linkspartei gegen Wagenknecht spricht auch ein Insider, den der „Münchner Merkur“ zitiert: „Für eine linke Partei war der Umgang mit Sahra Wagenknecht ein unwürdiges Schauspiel“. Und nochmals an die unwürdige Episode vom Parteitag erinnert Andreas Wehr:

Das Präsidium des Parteitags hatte unter Billigung der Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger die eigene Fraktionsvorsitzende in entwürdigender Weise den wütenden Angriffen ihr feindlich gesonnener Delegierter ausgeliefert – ein in der bundesdeutschen Parteiengeschichte einmaliger Vorgang. Diese Attacke und das nachfolgende, nicht enden wollende Mobbing konnten bleiben nicht ohne Einfluss auf ihre Gesundheit.

Aufruf zum Mobbing gegen Wagenknecht

Diese Berichte über internes Mobbing und den angekündigten Rückzug lassen wiederum an ein Zitat des LINKE-Chefs Bernd Riexinger von 2017 denken, an das Jens Berger gerade erinnert hat: “Sahra ist leider nicht aufzuhalten als Fraktionsvorsitzende. Man kann sie nicht einfach abschießen. Sahra muss gegangen werden und daran arbeiten wir. Wenn wir sie immer wieder abwatschen und sie merkt, sie kommt mit ihren Positionen nicht durch, wird sie sicher von alleine gehen.”

Welche Personen in der Linkspartei dieser Aufforderung angeblich/mutmaßlich Folge geleistet haben, das listet ein Insider in der „Bild“-Zeitung auf:

„Die Stimmung in der Fraktion ist unerträglich. Der Mobbing-Terror gegen Wagenknecht und Dagdelen geht auf keine Kuhhaut. In der Fraktion ziehen Bernd Riexinger, Katja Kipping, Caren Lay, Anke Domscheit-Berg, Sabine Leidig, Cornelia Möhring und Martina Renner permanent über sie her.“

Solidaritäts-Bekundungen schaffen es selten in die Medien

Doch es gibt auch viel Unterstützung für Sahra Wagenknecht – nur schaffen es diese Bekundungen der Solidarität für die Politikerin erfahrungsgemäß eher selten in die großen Medien. Darum soll hier mit einem Zitat aus einer Facebook-Nachricht des LINKEN-Politikers Fabio De Masi geschlossen werden:

Es lässt sich keine gerechtere Gesellschaft bauen, wenn man von innen verhärtet und sich unverzichtbar fühlt. Nur wer wie Sahra die eigenen Grenzen erkennt – und was im Leben wirklich zählt – ist wirklich frei.

Man erkennt an Tagen wie diesen auch sehr schnell, wer über Charakter verfügt. Es ist die Ironie der Geschichte, dass der Fraktionschef der „Ellenbogen FDP“ – Christian Lindner – Sahra gute Besserung wünscht und zumindest hier sozialer unterwegs ist als einige Genossinnen und Genossen, bei denen jetzt die Sektkorken knallen. Aber darüber kann man auch milde lächeln, wenn man das mit dem Spiegel beherzigt.

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