Fortsetzung der Diskussion um Bodenrecht, Eigentum an Grund und Boden, Bodenspekulation und Bodenwertzuwachssteuer

Ein Artikel von:

Die NachDenkSeiten werden diese Diskussion noch ein bisschen fortführen. Denn wir halten es für wichtig, dass endlich wieder über die Ursachen der großen Probleme und Skandale auf dem Boden- und Wohnungsmarkt gesprochen wird, und dass darüber nachgedacht und diskutiert wird, wie bessere Regelungen aussehen könnten. Die Erfahrungen mit der früher einmal intensiver geführten Diskussion sind zwar desillusionierend. Es hat sich nichts Entscheidendes getan. Aber die Probleme sind so groß, dass der Kessel platzen könnte. Dann müssen gute, durchgeprüfte Vorschläge zur notwendigen Reform vorliegen. Wir setzen die Debatte mit der Wiedergabe von Lesermails, der Klärung von Missverständnissen und einem ausführlicheren Beitrag von Franz Segbers fort. Albrecht Müller.

Die folgenden Lesermails gelten diesem Beitrag: “Die Bodenspekulation brechen, das wäre ein wichtiger Teil der notwendigen Politik für mehr Wohnungen zu einem vernünftigen Mietpreis.

1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

In dieser Frage stimme ich Ihnen sehr wohl zu. Allerdings sollten Sie bedenken, dass eben nicht nur Spekulanten Land besitzen sondern auch Häuslebauer und Wohnungsgenossenschaften/-gesellschaften, die ihrem Auftrag redlich nachkommen.

Wenn diese ihr Eigentum also nicht verkaufen, dann müssen sie trotzdem eine Steuer zahlen, die sie dann selbst bestreiten müssen, entweder aus der eigenen Tasche oder mit den Mieten. Diese Idee steht ja auch Herrn Scholz nahe, mit den gleichen Problemen.

Wie soll ein Rentner, der zwar nicht arm aber eben auch nicht reich ist, diese Steuer bedienen, wenn ihm nichts als die Rente bleibt? Als er jung war, da war es ab vom Schuß und das Haus billig, mit den Jahren wurde sein Bezirk „hipp“ und jetzt muss er sein Haus verkaufen, weil er die Steuer nicht bezahlen kann.

Ich traue der Politik nicht mehr über den Weg, wenn es um „außergewöhnliche“ Wertsteigerungen geht. Denn der Rentner könnte schon „außergewöhnliche“ Wertsteigerungen realisieren, ob er dann aber überhaupt noch ein Haus trotz seiner „außergewöhnlichen“ Wertsteigerungen bekommt und vor allem in der Nähe, kann keiner sagen.

Ihr Vorschlag funktioniert nämlich nur, wenn es keine Wertsteigerungen gibt. Wenn sie aber einsetzen ist es wie eine Lawine.

In GB gab es auch mal ungeheurere Wertsteigerungen von Immobilien. Klar hätten die Leute ihr Haus verkaufen können und hätten ordentlich Geld bekommen, nur ein Haus hätten sie sich davon nicht kaufen können, eben weil die Preise so rasant stiegen.

Mit freundlichen Grüßen
S. Bernstein

Anmerkung Albrecht Müller zur Klärung von Missverständnissen: Mit der Besteuerung unrealisierter Gewinne sollen nicht die Wertsteigerungen eines Einfamilienhauses im Besitz einer Familie erfasst werden. In dem Beschluss der SPD-Steuerreformkommission von 1971, der am Ende meines Beitrages wiedergegeben worden war, ist ausdrücklich von „außergewöhnlichen“ Wertsteigerungen die Rede. Darunter sind insbesondere die Wertsteigerungen von Grundstücken und Wohnungen großer Wohnungsunternehmen und Investmentgesellschaften zu verstehen.

Den erwähnten Beschluss Ihnen hier noch einmal zur Kenntnis:


2. Leserbrief

Ganz am Schluß des Artikels war zu lesen:

[«*] Das Papier von Albrecht Müller und Ulrich Pfeiffer mit dem Vorschlag einer Bodenwertzuwachssteuer auf nicht realisierte Gewinne ist leider verschollen.

Hier eine Fundstelle:

ifst.de/wp-content/uploads/2013/09/141.pdf

Kann mit google mit der Suchanfrage “Müller Pfeiffer Bodenwertzuwachssteuer” gefunden werden. Auf dem Titelplatt sind die Autoren aber nicht genannt. Auf dem ifst-Server scheinen sie nicht mehr zu liegen, scheint aus Google-Cache zu kommen…

Grüße, vielleicht hilfts…HJH

Anmerkung Albrecht Müller: Das ist ein weiterführender Hinweis. Allerdings führt der Link nicht zu dem Papier, das Ulrich Pfeiffer und ich in den sechziger Jahren verfasst hatten. Dieses Papier wird in dem Beitrag des Institutes „Finanzen und Steuern“ (ifst) erwähnt und beschrieben, aber nicht wiedergegeben. Dort wird eine Quelle für zwei Vorträge von Pfeiffer und Müller angegeben, mit denen wir über unseren Vorschlag für die Bodenwertzuwachssteuer berichtet haben.

Das Institut „Finanzen und Steuern“ gehört übrigens eher in die konservative Ecke. Die Sachlichkeit des Textes und sein Bemühen um Reformen zeigt allerdings, wie sachorientierte Diskussion einmal war und wie sehr wir inzwischen zurückgeschritten sind.


3. Leserbrief

Guten Abend, Herr Müller,

guter Vorschlag zu einer lange überfälligen politischen Debatte und Entscheidung. Man könnte ihn ergänzen um das, was es in einigen Regionen der Schweiz gibt. Dort gibt es kein privates Eigentum an Boden, da dieser historisch als Allmende der Allgemeinheit gehört. Wenn jemand bauen will, bekommt er eine langfristige Erbpacht, aber kein Eigentum am Boden. Um das zu erreichen, müßte eine Übergangsphase her, in der die Gesellschaft sukzessive Boden in ihr Eigentum überführt. Ein anderes gutes Beispiel gegen Bodenspekulation stammt aus Zeiten des Austromarxismus. Davon profitiert bis heute Wien, weil es bevorzugt öffentlich bauen läßt (in offenem Affront gegen den Privatisierungwahn der EU) und so etwa 1/3 der städtischen Wohnungen besitzt – mit der Folge der niedrigsten Mieten im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen.

Ich grüße Sie
Hans Günter Grewer 


4. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Müller,

sollte Land überhaupt im Privatbesitz sein. Besser wäre, es gäbe nur Pachtland, wo die Pächter stets Pacht an den Staat zu zahlen hätte. Dann wären alle Bürger Gewinner und daran beteiligt.

Mit freundlichem Gruß
Claus Meyer


5. Leserbrief und Text von Franz Segbers bei epd

Lieber Herr Müller,

gerade habe ich Ihren Beitrag zur Bodenspekulation gelesen. Das ist genau der entscheidende Punkt. Doch an die Eigentumsfrage will niemand ran, auch wenn nicht nur die SPD wie Sie schreiben, sondern andere Parteien (CSU!) und auch die Kirchen bereits weiter waren!  

Ich habe in der letzten Woche einen Kurzkommentar in epd-sozial geschrieben, der in die gleiche Kerbe haut. Ich füge ihn an. Falls Sie mögen, können Sie ihn gern auf den Nachdenkseiten veröffentlichen. … (Was hiermit geschieht, A. M.)

Mit besten Grüßen
Professor Dr. Franz Segbers

sozial-Politik Ihr wöchentlicher Branchendienst  Ausgabe 15/2019 – 12.04.201
Wohnungsnot
Mit harter Steuerpolitik gegen Bodenspekulation

Der Hauptgrund für überteuerte Mieten ist der drastische Anstieg der Bodenpreise. Eine kluge Besteuerung von Grundbesitz könnte hier entgegenwirken. Es ist fast 50 Jahre her, dass die Kirchen zu dieser Frage in einem ökumenischen Memorandum Stellung bezogen haben. Franz Segbers erinnert daran.

Frankfurt a.M. (epd). Vor nicht einmal zehn Jahren galt die Wohnungsfrage gelöst. Doch diese Zeiten sind vorbei: In Großstädten fehlen für fast zwei Millionen Haushalte bezahlbare Wohnungen. Diese Entwicklung birgt Sprengstoff und hat mittlerweile auch die gesellschaftliche und die politische Debatte erreicht. Während sich die politische Debatte auf die im Bundestag beschlossene, ziemlich zahnlose Mietpreisbremse oder das Baukindergeld konzentriert, hat sich die gesellschaftliche Debatte mit der Einleitung eines Bürgerentscheids zur Enteignung wie in Berlin radikalisiert. “Teurer Unfug” – titelt die “Süddeutsche Zeitung” und meint, dass nur Investoren und mehr Bauen die Wohnungsnot lösen könnten. Enteignung schaffe keine einzige zusätzliche Wohnung.

Horrende Entwicklung der Bodenpreise

Der Hauptgrund für die Explosion der Mieten und Immobilienpreise liegt in der horrenden Entwicklung der Bodenpreise. Seit 1993 sind die Bodenpreise um 194 Prozent gestiegen, während die Preisindex im gleichen Zeitraum bei 39 Prozent liegt. Doch die Bodenfrage erregt öffentlich zu Unrecht kaum Aufsehen. Dabei entscheidet sie, ob Mieten in den Städten weiterhin steigen, das alltägliche Leben aus den Stadtzentren verschwindet, ob bezahlbare Wohnungen für die Breite der Gesellschaft oder nur Luxusimmobilien für die Wenigen entstehen. Der Umgang mit Grund und Boden bestimmt, ob Kommunen anonyme Reihenhaussiedlungen, geldbringende Gewerbe-Immobilien oder eine lebenswerte Stadt für alle gestalten.

Dabei war Deutschland schon einmal klüger. Im Gegensatz zu den 1970er Jahren gibt es heute noch nicht einmal eine öffentliche Debatte zur Bodenfrage. Die SPD forderte 1973, das Bodeneigentum zwischen einem Verfügungs- und einem Nutzungsrecht aufzuspalten, mit dem Deutschen Städtetag trat sie die Einführung eines Bau- und Modernisierungsgebots und eine Bodenwertzuwachssteuer ein. Auch die CSU folgte ihr darin. Und die FDP forderte damals die Besteuerung baureifer Grundstücke und die Besteuerung des jährlichen Wertzuwachses.

Wie breit die Debatte geführt wurde, zeigt sich auch darin, dass sich die Kirchen im selben Jahr mit einem ökumenischen Memorandum zur “Sozialen Ordnung des Baubodenrechts” in die Debatte einschalteten. Sie kritisierten die bestehende Rechtsordnung, “weil kaum eine wertschaffende Geldanlage und kaum eine technische oder wirtschaftliche Leistung bei uns so hoch und sicher belohnt wird” wie der Wertzuwachs bei Grund und Boden durch Spekulation.

Leistungsloses Einkommen am Wohnungsmarkt

Gegen leistungsloses Einkommen am Wohnungsmarkt forderten die Kirchen ein Baugebot und eine Art Negativzinsen auf ungenutzten Grundbesitz. In der Tatsache, dass der Boden kein beliebig vermehrbares Gut ist, sei der Grund für die Preissteigerung zu sehen. Die Kirchen wollten, dass ungenutzter Bodenbesitz zu einer heißen Ware wird, um ihn der Spekulation zu entziehen. Der leistungslose Gewinn dürfe durch das Steuerrecht nicht auch noch begünstigt werden. Der Bodenpreis muss sozialverträglich sein. Der Boden habe der Gemeinschaft in besonderem Maße zu dienen. Eigentum habe keinen Wert an sich, sondern muss gemeinwohldienlich genutzt werden. Deshalb könnten auch Enteignung des Eigentums nach Artikel 14 und 15 Grundgesetz nicht ausgeschlossen werden, wobei der Preis nicht in jedem Fall dem Marktwert entsprechen müsse.

Der Gesetzgeber hat also, schlossen die Kirchen, einen großen Spielraum für eine Raumordnung und Bodenplanung, “die ein menschenwürdiges Dasein für jedermann zum Zielen haben” müsse. Schlussendlich warnten die Kirchen 1973 vor einer Entwicklung, deren Früchte sich heute hochdramatisch zeigen: “Ein weiteres Treibenlassen muss zu Verhältnissen führen, die radikalere Maßnahmen rechtfertigen würden.” Zu diesen radikaleren Maßnahmen zählten u.a. auch Enteignungen.

“Gebot sozial gerechter Nutzung”

Dass Grund und Boden keine beliebige Ware sind, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz hatte bereits 1967 das Bundesverfassungsgericht entschieden und deshalb gefordert, eine Rechtsordnung zu schaffen, die sicherstellt, dass das “Gebot sozial gerechter Nutzung” Richtschnur für Gesetzgeber aber auch für den Eigentümer sein kann. Dabei sei das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Das Individualinteresse habe keinen Vorrang gegenüber den Interessen der Gemeinschaft.

Unter einer sozialethischen Perspektive gilt, dass Eigentum sozial gebunden ist. Bodeneigentum ist sogar mehr als bei jedem anderen Eigentum sozial gebunden, denn es ist unvermehrbar und dient gleichzeitig als Grundlage des individuellen und gesellschaftlichen Lebens. Preissteigerungen beim Boden sind dagegen Gewinne, die dem Bodeneigentümer ohne irgendeine Leistung zufallen und allein aus der gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Entwicklung einer Region resultieren. Da der Staat die Pflicht hat, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, gilt nur ein Maßstab: Ist die Rechtsordnung in der Lage, wirksam dazu beizutragen, dass alle Menschen und besonders die ärmeren sozialen Schichten nachhaltigen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum erhalten? Die Instrumente im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wie Verschärfung der Mietpreisbremse, Baukindergeld und mehr Mittel für den Sozialen Wohnungsbau sind offensichtlich nicht in der Lage, die Bodenspekulation und den Anstieg der Bodenpreise als maßgeblichen Treiber der Mietenexplosion zurückzudrängen. Der Koalitionsvertrag nennt ihn nicht einmal.

Grund und Boden in öffentliche Hand zu belassen oder zu übernehmen, Erbbaurecht, Bodenwertsteuern, Vergabe der Grundstücke nach der Maßgabe, ob sie dem Gemeinwohl dienen, sowie die Besteuerung von Grund und Boden sind die entscheidenden Instrumente, welche die Triebfeder der Preisexplosion am Wohnungs- und Immobilienmarkt angehen. Deshalb geben sie die zentrale Antwort auf die Lösung der sozialen Frage der Wohnungsnot.

Franz Segbers ist emeritierter Professor für Sozialethik an der Universität Marburg.