Deutschlands Chefdiplomaten fehlt jeglicher diplomatische Instinkt

Deutschlands Chefdiplomaten fehlt jeglicher diplomatische Instinkt

Deutschlands Chefdiplomaten fehlt jeglicher diplomatische Instinkt

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Deutsche Außenminister gefielen sich traditionell in der Rolle des Vermittlers, die in Krisenzeiten den so wichtigen Dialog aufrechterhalten und auf friedliche Lösungen hinarbeiten. Nicht so Heiko Maas. Seine Südamerika-Reise der letzten Woche legte einmal mehr den ganzen Dilettantismus der deutschen Außenpolitik offen. Während der von den USA angezettelte und von Deutschland mitgetragene Putsch in Venezuela mangels Rückhalts im Volk in sich zusammenbrach, verpasste Heiko Maas einmal mehr die Gelegenheit, in der Krise zu vermitteln. Stattdessen traf er sich mit den rechtsextremen Staatschefs Brasiliens und Kolumbiens und Vertretern der venezolanischen Opposition und heizte die Lage durch neue Sanktionsdrohungen zusätzlich an. Der Umstand, dass Deutschland zu allem Überfluss zur Zeit auch noch dem UN-Sicherheitsrat vorsteht, macht die Sache auch nicht gerade besser. Von Jens Berger.

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Zwei Besuche, zwei Extreme. Vor etwas mehr als einer Woche besuchte der Linkspartei-Abgeordnete Andrej Hunko Venezuela und traf sich dort sowohl mit dem Oppositionsführer Guaidó als auch mit dem amtierenden Präsidenten Maduro, um seinen kleinen Teil dazu beizutragen, den Dialog aufrecht zu erhalten und auf eine friedliche Lösung der schweren Krise hinzuarbeiten. Große Erwartungen konnte man an diese Form der Pendeldiplomatie freilich nicht knüpfen. Hunko ist Oppositionspolitiker und hat keinen Einfluss auf die „große Politik“.

Ganz anders sieht dies bei seinem Kollegen Heiko Maas aus. Der ist zur Zeit Außenminister und maßt sich unkoordiniert sogar de facto an, die Venezuela-Politik der EU anzuführen. Während Hunko sich mit dem gewählten – durchaus aber auch zu kritisierenden – venezolanischen Präsidenten Maduro traf, erwies Maas dem faschistischen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, die Ehre – als erster hochrangiger Vertreter eines EU-Landes durchbrach er damit pünktlich zum 100. Tag der Präsidentschaft die bis dato bestehende informelle Isolierung des Landes. Man appellierte an die „strategische Partnerschaft“ und kündigte eine „engere Zusammenarbeit“ an.

So ganz geheuer war dem Auswärtigen Amt das prima Klima zwischen dem deutschen Chefdiplomaten und dem weltweit kritisierten Faschisten Bolsonaro dann aber wohl nicht. Auf den offiziellen Seiten des Auswärtigen Amtes unterstreicht man – auch optisch – lieber den Handshake zwischen Maas und seinem brasilianischen Amtskollegen Ernesto Araújo. Der ist ebenfalls rechtsextrem und hält den Klimawandel für eine „marxistische Verschwörung“ – genau der richtige Gesprächspartner also für die Themen Umwelt und Klima, die – welch Wunder – in den Presseberichten des Auswärtigen Amts zum Treffen daher auch kein einziges Mal vorkommen. Dafür stand jedoch das Thema „Wirtschaft“ im Vordergrund. Wer hätte das gedacht? Die deutsche Wirtschaft zählt laut Deutscher Welle schließlich ja auch zu den „Unterstützern Bolsonaros“.

Über das Thema „Venezuela“ tauschte sich Maas dann später in Kolumbien aus. Dort traf er sich zunächst mit dem Präsidenten Duque – der ist zwar auch ein Rechtsaußen, aber kein waschechter Faschist wie Bolsonaro, dafür aber von Washington aktiv in die Umsturzpläne im Nachbarland Venezuela eingebunden. Ihm konnte Heiko Maas dann auch weitere Finanzmittel zusagen. Von besonderem Interesse war auch das Treffen mit venezolanischen Oppositionspolitikern in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota. Dabei unterstrich Maas abermals die alte deutsche Linie, nach der Juan Guaidó der legitime „Übergangspräsident“ sei – eine Formulierung, für die er in der EU übrigens keine Mehrheit findet.

Wenn der amtierende Vorsitzende des UN-Sicherheitsrats an dem Tag, an dem Juan Guaidó mit dem „Marsch auf Caracas“ offen den Putsch in Venezuela ausruft, sich mit Mitgliedern von Guaidós Schattenkabinett in der Hauptstadt eines Nachbarlandes trifft, das aktiv am Putsch beteiligt ist, so ist das eine dramatische Verletzung diplomatischer Standards. Die Völkerrechtlerin Dana Schirwon brachte die Kritik via Twitter auf den Punkt …

Verschärfend kommt hinzu, dass die chaotische vorpreschende „Venezuela-Linie“ des Auswärtigen Amts offen mit der wesentlich bedächtigeren Linie der EU kollidiert und den Ansätzen unserer EU-Partner teils diametral widerspricht, wie Eric Bonse in seinem lesenswerten Artikel „Gründlich daneben“ fachkundig beschreibt. Man muss jedoch auch die Frage stellen, ob der Dilettantismus des Heiko Maas wirklich ein Zeichen geopolitischer Großmannssucht ist oder ob Maas nicht vielmehr auch kläglich dabei scheitert, die Wunschvorstellungen der transatlantischen Achse proaktiv zu erfüllen, ohne sich dabei allzu offensichtlich an die US-Politik zu klammern. Denn eines ist klar – es gibt keinen nennenswerten Konflikt zwischen der amerikanischen und der deutschen Venezuela-Politik. Die Differenzen im Ton könnte man eher als „Guter-Bulle-Böser-Bulle-Spiel“ beschreiben. Damit verbrennt Heiko Maas vollkommen ohne Not den doch vergleichsweise guten Ruf, den sich die deutsche Außenpolitik über Jahrzehnte erarbeitet hat.

Titelbild: Marcos Corrêa / PR