Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Das wäre das Ende der deutschen Zurückhaltung
  2. Die NZZ verbreitet diplomatische Fake-News zu Russland
  3. Für eine neue Kultur des Sparens
  4. 15 Jahre nach dem NSU-Nagelbombenanschlag: Noch immer kein Mahnmal für die Opfer
  5. Big Brother Awards 2019: Von faustischen Pakten und Seriensiegern
  6. USA und Nato: Trump ist doch kein Trottel?
  7. Beim Klima hat Merkel jahrelang nichts getan
  8. Das Giftgas im syrischen Duma haben Medien fahrlässig abgehakt
  9. Ostdeutsche Einwohnerzahl so niedrig wie zuletzt 1905
  10. Die „wahre SPD“

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Das wäre das Ende der deutschen Zurückhaltung
    In Berlin überlegt man, ein Kriegsschiff durch die Meerenge zwischen Taiwan und China zu schicken. Für die Regierung wäre das eine außergewöhnliche Revision ihrer Haltung in der Konfliktvermeidung. Unser Gastautor ist skeptisch, dass es so kommt.
    Deutschland erwägt einen Bruch mit der jahrzehntelangen Praxis militärischer Nichtkonfrontation. Hochrangige Beamte in Berlin stellen Überlegungen an, ein Kriegsschiff durch die 180 Kilometer breite Meerenge zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland zu schicken.
    Damit würde sich Deutschland den Vereinigten Staaten und Frankreich anschließen, um die Ansprüche Pekings auf das anzufechten, was der Westen als internationale Wasserstraße betrachtet.
    Wenn die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hier tatsächlich voranschreitet, wäre dies eine außergewöhnliche Revision ihrer bisherigen Haltung der Konfliktvermeidung. Deutschland würde seine Verbündeten offen in einer Strategie unterstützen, die von den Apologeten einer militärischen Passivität des Landes als provokant empfunden werden muss.
    Jüngere Beispiele für die Zurückhaltung Deutschlands sind der Rückzug der Marine aus der Kampfzone während der Intervention des Westens in Libyen 2011, die Vorbehalte gegen Truppeneinsätze in Afghanistan und die Entscheidung, sich nicht direkt an Angriffen auf Truppen des Islamischen Staates in Syrien zu beteiligen – ganz im Gegensatz zu den Nato-Nachbarn Belgien, den Niederlanden, Dänemark und Frankreich.
    Ein deutscher Beamter informierte mich im vergangenen Monat über den Plan zur Taiwanstraße. Letzte Woche bestätigte ein zweiter deutscher Beamter auf meine Bitte hin eine entsprechende Diskussion im Verteidigungsministerium. Eine Entscheidung werde es aber frühestens Ende des Sommers geben. […]
    Warum sollte sich Deutschland engagieren? Einige Personen in Merkels Regierung sehen darin eine doppelte Chance – angesichts der lausigen Beziehungen Berlins zu US-Präsident Donald Trump und der weit verbreiteten Kritik an Deutschland, sich immer wieder „unter dem Bett zu verstecken“.
    Es würde sicherlich nicht schaden, die USA zu einem Zeitpunkt zu unterstützen, da Washington die Drohung mit Zöllen auf deutsche Autos für sechs Monate ausgesetzt hat.
    Die Marinemission wäre auch eine Gelegenheit, Frankreich auf Augenhöhe zu begegnen, das sich gerne als die einzige funktionierende Militärmacht der EU darstellt und das wegen der Ablehnung Merkels der meisten Reformvorschläge von Präsident Emmanuel Macron für die EU zu einem der schärfsten Kritiker Deutschlands geworden ist.
    Quelle: WELT

    Anmerkung Jens Berger: Um sich bei den USA lieb Kind zu machen und gleichzeitig Frankreich die „neue deutsche Macht“ zu demonstrieren, will die Bundesregierung sich also an militärischen Operationen der USA in der Taiwan-Straße beteiligen, die gegen China gerichtet sind? Ein Ungeheuerlichkeit. Was sagt eigentlich die SPD dazu? Und warum taucht diese Meldung, die zuerst in Politico erschienen ist, „nur“ im Gastkommentarbereich der WELT auf? Finden Tagesschau.de, Heute.de, SPIEGEL.de und Co. diese Entwicklung etwa nicht berichtenswert?

  2. Die NZZ verbreitet diplomatische Fake-News zu Russland
    Der frühere Europarat-Botschafter Paul Widmer schreibt gegen das Stimmrecht Russlands im Europarat – mit falschen Fakten. Der ehemalige Schweizer Botschafter beim Europarat in Strassburg zwischen 2007 und 2011, Paul Widmer, macht sich in der NZZ vom 6. Juni in seinem Gastkommentar «Europas Gewissen wankt» Sorgen um die Glaubwürdigkeit des Europarates. Denn es sei zu befürchten, dass dessen Parlamentarische Versammlung in Kürze Russland das Stimmrecht wieder zuerkennen werde. Die Aussenminister der 46 übrigen Mitgliedstaaten des Europarates haben dies auf ihrem Mai-Treffen in Helsinki vorgeschlagen, nachdem der Europarat Russland nach der Annexion der Krim das Stimmrecht entzogen hatte. Seit längerem zahlt Russland deshalb auch keine Beiträge mehr an den Europarat. Widmer fordert nun: «Einen Staat, der seinen Beitragsverpflichtungen zwei Jahre lang nicht nachkommt, muss der Europarat gemäss Satzung ausschliessen».
    Diese Darstellung ist falsch, denn eine solche Bestimmung findet sich nicht in dessen Satzung.
    Quelle: Infosperber

    Anmerkung Albrecht Müller: lesenswert.

  3. Für eine neue Kultur des Sparens
    Die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung war der Versuch, die deutsche Volkswirtschaft in einem schärfer werdenden globalen Wettbewerb zukunftsfähig und zugleich die Sozialversicherungen demografiefest zu machen. Von diesem Anspruch ist in den letzten Jahren immer weniger übrig geblieben. Stattdessen befinden sich Union und SPD in einem sozialen Überbietungswettbewerb, der durch Populisten am linken und rechten Rand noch zusätzlich befeuert wird. Das Missverhältnis zwischen Sozialleistungen und Zukunftsinvestitionen wird immer größer: gerade einmal drei Milliarden Euro für die Forschung zur künstlichen Intelligenz bis zum Jahr 2025 und jährlich fast 100 Milliarden Euro Bundeszuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung – viel krasser kann eine Regierung ihre Prioritäten kaum noch zum Ausdruck bringen. (…)
    Ich bin, anders als früher, heute auch der Auffassung, dass der Gesetzgeber eine Verpflichtung zur privaten, kapitalmarktorientierten Vorsorge für das Alter ernsthaft prüfen sollte, in welcher Form auch immer. (…)
    Ich kenne den Einwand: Dann sollen also Arbeitnehmer ihr hart verdientes Geld auf dem Kapitalmarkt verzocken und von den Kapitalisten gleich noch ein zweites Mal ausgebeutet werden! Nur bitte, warum sehen das in so vielen Ländern der Welt, nicht nur im Ursprungsland des Kapitalismus, den USA, sondern auch in vielen Ländern Europas so viele Menschen so grundsätzlich anders? Warum ist fast überall die Aktienquote in Europa höher als bei uns? Und warum ist gerade in diesen Ländern die Kapitalismuskritik so viel leiser als hierzulande?
    Die bessere Beteiligung der Beschäftigten am Erfolg der Unternehmen ist nur einer von mehreren Bausteinen. Aber Deutschland steht vor gewaltigen demografischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die wir nur mit einer Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft als dritten Weg zwischen purem Kapitalismus und Sozialismus meistern können. Unser Leitbild für das 21. Jahrhundert sollte das “magische Viereck” einer aktiven Bürgergesellschaft sein, die das große soziale Kapital unserer Gesellschaft aktiviert.
    Quelle: Friedrich Merz in Zeit Online

    Anmerkung Christian Reimann: Dieser gelernte Jurist hat von Ökonomie absolut keine Ahnung. Das belegt der Text recht eindeutig. Der Spruch “Ein Einser-Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand” könnte hier seine Berechtigung haben. Wieso Herr Merz die USA als “Ursprungsland des Kapitalismus” bezeichnet, bleibt sein Geheimnis. Die hiesige soziale Marktwirtschaft (Rheinischer Kapitalismus) hat eine große Koalition aus SPD, Grüne, FDP und Unionsparteien zerstört oder zumindest massiv beschädigt. Und nun möchte dieser angebliche Vordenker der CDU, “dass der Gesetzgeber eine Verpflichtung zur privaten, kapitalmarktorientierten Vorsorge für das Alter ernsthaft prüfen sollte, in welcher Form auch immer.” Wikipedia hat wohl recht – dort ist zu lesen:

    “Friedrich Merz (…) ist ein deutscher Rechtsanwalt, Lobbyist und Politiker der CDU.”

    Anmerkung André Tautenhahn: Es gibt ja eine viel bessere Möglichkeit, die Arbeitnehmer am Erfolg der Unternehmen zu beteiligen und damit gleichzeitig etwas für die Altersvorsorge zu tun. Die Löhne erhöhen.

  4. 15 Jahre nach dem NSU-Nagelbombenanschlag: Noch immer kein Mahnmal für die Opfer
    Am 9. Juni 2004 explodierte in der Kölner Keupstraße eine Nagelbombe. Dabei wurden 22 Menschen verletzt, vier davon schwer. Erst 2011 wurde bekannt, dass der Anschlag auf das Konto des NSU geht. Der Jahrestag ist von Missstimmung überschattet. Denn bis heute hat die Stadt Köln keine Form des Gedenkens gefunden, die dem Leid der Opfer gerecht würde. Nur einmal machte sich kurz die Hoffnung auf ein gemeinsames Gedenken breit, so Peter Bach von der Geschichtswerkstatt Mülheim: „Es war vielleicht 2014 so ein Gefühl aufgekommen: Die Stadtgesellschaft hat verstanden, wir gehen jetzt einen gemeinsamen Weg und dieses Gefühl war sehr stark.“ Damals, ein Jahr nach Beginn des NSU-Prozesses, hielt die Stadt eine große Gedenkveranstaltung unter dem Namen „Birlikte“ – „Zusammenstehen“ ab. Unter lauter medialer Begleitmusik wurden zahlreiche Stars aufgefahren, der Kölner Oberbürgermeister gab den Zeremonienmeister und sogar der Bundespräsident war zugegen. Ein Strohfeuer des Gedenkens, denn das Zusammenstehen währte nicht lange.
    Quelle: Deutschlandfunk
  5. Big Brother Awards 2019: Von faustischen Pakten und Seriensiegern
    Im letzten Jahr hatte das schwarz-grün regierte Bundesland Hessen einen Big Brother Award für den Hessentrojaner kassiert, in diesem Jahr “siegte” es mit Hessendata in der Kategorie “Behörden und Verwaltung”. Die von der Firma Palantir gelieferte und adaptierte Software unterstützt eine vorausschauende Polizeiarbeit durch die Zusammenführung höchst unterschiedlicher Datenquellen. Vom Land Hessen für einen symbolischen Cent gekauft, erzeugt sie neben Hinweisen auf terroristische Tätergruppen vor allem Schulungskosten, gilt aber als großer Hoffnungsträger der künftigen Polizei-IT-Landschaft. Die Suche nach Gefährdern ist juristisch umstritten. (…)
    In der neuen Kategorie “Biotechnik” haben die Big Brother Awards einen Datenkraken geehrt, der sich auf die Familienzusammenführung spezialisiert hat. Im Dezember 2018 warnte der Datenschutzexperte Thilo Weichert vor den unzureichenden Datenschutzbestimmungen von Ancestry. Das auf Familienstammbäume spezialisierte Unternehmen bietet neben der Suche in Passagierlisten oder Kirchenbüchern gegen Aufpreis eine Gendatenanalyse an, damit die biogeografische Herkunft (PDF-Datei) einer Person ermittelt werden kann. (…) Neben der Firma Ancestry, die aus der Ahnenforschung herkommend in die Gen-Analyse eingestiegen ist, gibt es noch Firmen wie 23andme oder deCODEme, die sich ausschließlich mit Gentests beschäftigen, aber ebenfalls unklare Datenschutzbestimmungen aufweisen. Bekannt ist, dass 23andme seine Gendaten auch an pharmazeutische Unternehmen verkauft, die neue Medikamente entwickeln. Im Fall von Ancestry kommt nach Meinung der Big Brother-Jury erschwerend hinzu, dass die Firma keine, auch keine humangenetische, Beratung anbietet, wie sie nach dem deutschen Gendiagnostikgesetz vorgeschrieben ist. “Die deutschen Datenschutz- und Aufklärungspflichten werden aber von Ancestry aus Profitinteresse bewusst ignoriert. Wir sehen hier einen Trend: Nach der Ausbeutung von Internetdaten wird die Ausbeutung von Gendaten das nächste ganz große Ding”, heißt es in der Preisbegründung.
    Quelle: heise online
  6. USA und Nato: Trump ist doch kein Trottel?
    In der Nato häufen die Deutschen Exportüberschüsse an und kassieren Dollar. Kritik daran gab es schon von JFK – Trump ist also in bester Gesellschaft.
    US-Präsident Donald Trump war bei seinem Staatsbesuch in Großbritannien schwer beschäftigt. Er musste die scheidende Premierministerin Theresa May demütigen, sich in die Tory-Nachfolge einmischen und Demonstranten ignorieren. Doch Trump wäre nichtTrump, wenn er nicht ein paar Sekunden Zeit gefunden hätte, um sich einemseiner Lieblingsthemen zu widmen: der Nato.
    Bei einer Pressekonferenz in London klagte Trump einmal mehr, dass die Lasten im Bündnis nicht fair verteilt seien: „Alle Mitglieder müssen ihre Verpflichtungen erfüllen. Doch einige Länder würden sich entziehen. Trump nannte zwar keine Namen, aber es war klar, wen er meinte: die Bundesrepublik.
    In Deutschland hält man Trump gerne für einen Trottel. Diese Verachtung ist meist angemessen, aber ausgerechnet beim Thema Nato ist Trump in bester Gesellschaft. Auch seine Vorgänger Eisenhower, Kennedy und Johnson waren geradezu besessen von der bundesdeutschen Eigenwilligkeit, ständig Exportüberschüsse anzuhäufen, (…) die Verteidigung der westlichen Welt aber lieber den USA zu überlassen.
    Dieser Konflikt währte von 1960 bis 1976 und ging unter dem Titel „Truppendollar in die Geschichte ein. Heute ist diese Episode weitgehend vergessen, aber sie war für die Bundesrepublik sehr kostspielig. Die Truppendollar-Affäre kann als Lehrstück dienen, warum Exportüberschüsse kein Segen sind und Deutschland schaden.
    (…) Akribisch hatte man in Washington nämlich nachgerechnet, wie viele Dollar pro Jahr in der Bundesrepublik hängen blieben, weil die US-Kasernen westdeutsche Zivilangestellte beschäftigten und sich die GIs in den umliegenden Bars vergnügten. Ergebnis: 1956 hatte die Bundesrepublik dank der US-Army 316 Millionen Dollar zusätzlich eingenommen, 1959 waren es schon 686 Millionen.
    Diese westdeutschen „Truppendollar wollten Eisenhower und Kennedy wieder nach Hause holen. Trump erscheint daher geradezu als Reinkarnation Kennedys: Derzeit sind zwar nur noch 35.000 US-Soldaten in Deutschland stationiert, aber auch Trump droht gern damit, das amerikanische Militär zu verlegen, falls die Bundesrepublik nicht bald zahlt.
    Quelle: Ulrike Herrmann auf taz.de
  7. Beim Klima hat Merkel jahrelang nichts getan
    Kanzlerin Merkel (CDU) ist Physikerin. Sie weiß, was die „Kipp-Punkte“ im Weltklima sind – gefährliche Phänomene, die das System plötzlich ins Rutschen bringen. Zum Beispiel, wenn die Permafrostböden in Sibirien, Nordkanada und Alaska großflächig auftauen. Wenn der Amazonas-Regenwald austrocknet. Oder wenn der Eispanzer von Grönland abschmilzt. Wird eine Schwelle überschritten, ist die Entwicklung nicht mehr zu stoppen. Dann droht ein sich selbst verstärkender Klimawandel, der die bisherigen Veränderungen in den Schatten stellt – mit fatalen Folgen. (…)
    In dieser Woche hat Merkel, die „Klimakanzlerin a. D.“, die Mitglieder der Bundestagsfraktion von CDU und CSU an dieser Erkenntnis teilhaben lassen. Speziell den Permafrost-Kipppunkt sprach sie auf deren Sitzung an, wie Teilnehmer berichteten. Also die Gefahr, dass beim Auftauen gigantische Mengen des Treibhausgases Methan frei werden, was die Erderwärmung stark beschleunigen würde. Man muss wissen: Allein im oberen Teil der dauergefrorenen Böden steckt mit 1500 Milliarden Tonnen fast doppelt so viel Kohlenstoff, wie es derzeit in der gesamten Atmosphäre gibt. Man ahnt, welches Treibhauspotenzial darin steckt.
    Eine Zeitbombe. Und eine, die in nicht mehr allzu ferner Zeit zünden könnte, wie Merkel betonte. Mit dieser Mahnung stimmte die Kanzlerin die Unionisten auf größere Anstrengungen beim Klimaschutz ein. Zwar nicht mehr vor der Sommerpause, man müsse noch das Gutachten zur CO2-Steuerreform abwarten, das die Regierung in Auftrag gegeben hat. Aber dann dürfe es von der Regierung „kein Pillepalle mehr“ geben, mit vielleicht ein paar Cent mehr Steuern auf Benzin und Diesel, sondern Beschlüsse, die zu „disruptiven“ Veränderungen führten. Schließlich sei seit Jahren beim Klimaschutz seit 2012 nichts mehr passiert.
    Man reibt sich die Augen. Kippunkt, Pillepalle, disruptiv? Man kann nur hoffen, dass die notorische Abwartekanzlerin da intern für eine große Rede an die Nation geprobt hat, in der sie uns Bürgern in verständlichen Worten endlich mal die tatsächliche Dramatik der Klimafrage erklärt. Und am besten auch, warum sie alle die vielen Jahre so regiert hat, als finde der Klimawandel auf dem Mars statt, nicht auf der Erde. Und warum es streikende Schüler, ein Internet-Video und eine vergeigte Europawahl braucht, bis ihr ein Licht aufgeht.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  8. Das Giftgas im syrischen Duma haben Medien fahrlässig abgehakt
    Am 15. oder 16. Mai 2019 veröffentlichte ein Whistleblower einen bisher geheim gehaltenen Bericht («OPCW sensitive – Do not circulate»), den Ian Hederson am 27. Februar 2019 OPCW-intern in eine Vernehmlassung schickte. Der Bericht kam zum Schluss, dass «Beobachtungen vor Ort mit nachfolgenden Analysen nahelegen, dass es wahrscheinlicher ist, dass die beiden Bomben von Hand platziert wurden und nicht von einem Flugzeug abgeworfen wurden.»
    Henderson arbeitete immer wieder als Experte für die OPCW und soll ein «Challenge Inspection»-Team geleitet haben. Die Erkenntnisse der OPCW aus Duma standen ihm zur Verfügung. Warum die OPCW seine offensichtlich dissente Beurteilung in ihrem Bericht von 1. März 2019 nicht einmal erwähnte, bleibt unbeantwortet. Über dieses geleakte Originaldokument haben grosse Medien in der Schweiz und in Deutschland bis heute nicht informiert. […]
    Es mutet seltsam an, dass das Mandat der OPCW erlaubt zu sagen, dass die beiden Bombenzylinder wahrscheinlich aus der Luft kamen [also woher denn sonst als von einem Helikopter oder Flugzeug], nicht aber, dass sie von Hand hingelegt worden sein könnten. Russland hatte eingewandt, dass man aus dem OPCW-Bericht schliessen könne, dass die Bomben aus einer Höhe von weniger als 200 Meter aufs Dach abgeworfen worden seien: «Doch Helikopter der syrischen Armee fliegen aus Sicherheitsgründen nie tiefer als 2000 Meter über Boden, damit sie von leichten Waffen nicht abgeschossen werden könnten.»
    Auf dieses Argument ging die OPCW nicht ein, weil sie keine Beurteilung der Verantwortlichkeiten macht. Brian Whitaker, der früher für die britische Zeitung Guardian und heute auf einer eigenen Webseite Al-Bab.com über die Politik im Nahen und Mittleren Osten schreibt, kritisiert, dass die OPCW die Details nicht öffentlich diskutieren wolle. Zahlreiche konkrete Fragen, die er unterbreitet hatte, habe die Organisation nicht beantwortet, sondern nur die oben zitierten allgemeinen Aussagen gemacht. […]
    Welchen Stellenwert der geleakte OPCW-Bericht von Ian Henderson hat, ist ohne Offenlegung aller von der OPCW gesammelten Daten schwierig zu beurteilen. Dass aber grosse Medien diesen bisher geheim gehaltenen Bericht einfach verschweigen, lässt nicht auf eine unvoreingenommene Information schliessen.
    Quelle: Infosperber
  9. Ostdeutsche Einwohnerzahl so niedrig wie zuletzt 1905
    Die Bevölkerungszahl in Westdeutschland hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als verdoppelt. Und im Osten? Dort wohnen etwa so viele Menschen wie damals.
    In Ostdeutschland leben einer Studie zufolge fast so wenige Menschen wie seit 1905 nicht mehr. Gleichzeitig zählt das Gebiet der alten Bundesrepublik so viele Einwohner wie niemals zuvor in der Geschichte. Das geht aus einer wirtschaftshistorischen Studie der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts hervor.
    Im Jahr 1905 lebten laut der Studie im heutigen Westdeutschland etwa 32,6 Millionen Menschen. Das Gebiet, das später zur DDR wurde, umfasste 13,6 Millionen Einwohner. Seitdem hat sich die Zahl im heutigen Westdeutschland mehr als verdoppelt – auf 68,7 Millionen. In Ostdeutschland hingegen hat sich die Zahl im Vergleich zu 1905 fast gar nicht verändert: Heute leben hier 13,9 Millionen Menschen. Das sagte Studienautor Felix Rösel dem SPIEGEL.
    “Die Einwohnerzahlen beider Landesteile driften trotz Wiedervereinigung nahezu ungebremst auseinander”, schreibt Rösel in der Studie. “Die anhaltende Wucht der deutschen Teilung wird bis heute in der Öffentlichkeit völlig unterschätzt. Dieser Aspekt wird häufig übersehen und bedarf besonderer politischer Berücksichtigung.”
    Quelle: Spiegel Online
  10. Die „wahre SPD“
    1. Initiative „Die wahre SPD“ will Linksruck verhindern
      Die Diskussion über eine Verstaatlichung von Firmen und Rot-Rot-Grün ruft besorgte Genossen auf den Plan. Sie wollen „verhindern, dass auf dem nächsten Bundesparteitag nur über Linksaußen gestürmt wird“. „Uns eint der Wille zu verhindern, dass auf dem nächsten Bundesparteitag nur über Linksaußen gestürmt wird“, sagt der frühere nordrhein-westfälische Verkehrs- und Bauminister Michael Groschek im Gespräch mit FAZ.NET. Groschek hat die Initiative vergangene Woche mit ins Leben gerufen. Er gehört dem SPD-Bundesvorstand an und war bis vor einem Jahr Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD. Nach Angaben Groscheks haben sich spontan unter anderem mehrere Bürgermeister, Geschäftsführer, ehemalige Wirtschaftsminister und Bundestagsabgeordnete der Initiative angeschlossen. (…) Im September will die Initiative eine Konferenz veranstalten, auf der Anregungen für den Bundesparteitag formuliert werden.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung Christian Reiman: Es war zu erwarten, dass sich gegen einen vermeintlich anstehenden “Linkskurs” der SPD Widerstand organisieren wird. Was Herr Groschek gegenüber “FAZ.NET” äußert, ist charakterisiert durch einen Mangel an Analyse und Geschichtsvergessenheit.

      Herr Groschek fordert, die SPD dürfe ökonomische Kompetenz nicht vernachlässigen. Hält er etwa z.B. die Privatisierungen im Rentensystem und die Benachteiligungen durch die “Hartz IV”-Gesetze für angemessen und anständig? Sind die Schaffung des größten Niedriglohnsektors innerhalb der EU und die Einführung eines löchrigen und viel zu niedrigen Mindeslohns gerecht? Das sind nicht die “Erfolge” von Konservativen und Neoliberalen (diese haben lediglich mitgewirkt), sondern das ist die Folge neoliberaler Politik der rot-grünen Schröder/Fischer-Regierung. Haben Leute wie Herr Groschek das vergessen oder halten sie die Bevölkerung schlicht für dumm?

    2. Das “wahre” SPD-Problem
      Als Sprecher der “Wahren SPD” stellte sich Michael Groschek zur Verfügung. Der 62-jährige ist Mitglied des Parteivorstandes der SPD, inzwischen ehemaliger Bauminister des Landes Nordrhein-Westfalen, von 2017 bis 2018 SPD-Landesvorsitzender. In der Eigenschaft als Landesvorsitzender sorgte er tatkräftig dafür, dass die Delegierten aus NRW – immerhin der größte Landesverband – beim Bundesparteitag in Bonn für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union stimmten.
      Nun aber warnte er also vor einem Linksruck und davor, sich mit Enteignungen von Konzernen und Wohneigentum auseinander zu setzen. Die SPD, so Groschek, müsse eine Partei der linken Mitte sein. (…) Kürzlich wurde Michael Groschek nun zum Vorsitzenden des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen gewählt. Der Verband hat seinen Sitz nahe des Berliner Regierungsviertels, seine Mitarbeiter beraten gern Bundes- und Kommunalpolitik in Sachen Immobilienwirtschaft. Doch für wen macht Groschek da eigentlich Politik? […]
      Groschek war vor seinem Eintritt in die Berufspolitik als Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens tätig. Das politische Mandat inne gehabt zu haben, dürfte sich bei der Wahl zum Verbandspräsidenten sicher nicht negativ ausgewirkt haben. Wieder einmal entsteht der Eindruck, dass sich manche Politiker linker Parteien sehr gut mit den herrschenden Verhältnissen zu arrangieren wissen.
      Quelle: Krisentheorie

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