Geheimdienst verhöhnt die (angebliche) demokratische Willensbildung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Telepolis hat gestern berichtet, der Britische Geheimdienst GCHQ suche per Stellenanzeige im Guardian Mitarbeiter, die “Gegner” online “frustrieren”. Diese Meldung ist abgesehen von der Unterstellung, die Russen würden im Netz Krieg gegen den Westen führen, interessant: Da wird nämlich unverhohlen zugegeben, dass dieser Geheimdienst die Willensbildung des Volkes zu beeinflussen versucht. Der „demokratische“ Wettbewerb wird gestört. So wird zum Beispiel jede Partei, die für den Abbau der Konfrontation zwischen West und Ost und für friedliche Zusammenarbeit eintritt, mit diesen Machenschaften bekämpft. Von Chancengleichheit der politischen Kräfte keine Spur. Albrecht Müller.

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Außerdem muss es ja nicht bei dieser Thematik bleiben. Die Mitarbeiter des Geheimdienstes können zum Beispiel unabhängig oder verbunden mit der Absicht, die „Gegner zu frustrieren“, Reklame für neoliberale Anliegen wie Privatisierung, Entstaatlichung und Deregulierung machen. Oder sie könnten Versuche, im Netz für ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit und eine bessere Verteilung von Einkommen und Vermögen zu werben, als „gegnerische“ Propaganda betrachten und bekämpfen. Wer will das kontrollieren?

Mir ist klar, dass Geheimdienste wie auch andere politische und wirtschaftliche Kräfte schon immer versucht haben, Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen. Das hat zum Beispiel der BND des Herrn Gehlen schon in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts versucht. Aber dass jetzt offen mit Anzeigen Mitarbeiter für dieses antidemokratische Geschäft gesucht werden, ist schon bemerkenswert.

Bemerkenswert ist auch noch, dass die Anzeige im Guardian keine Proteste in der britischen Öffentlichkeit ausgelöst hat. Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Anteil kritischer Mitbürgerinnen und Mitbürger schon ordentlich geschrumpft ist. Der gelungene Aufbau eines neuen Feindbildes hilft offensichtlich dabei, kritische Geister zurückzudrängen, zu frustrieren und stillzuhalten. Auf diese gefährliche Entwicklung, auf diesen Verlust an kritischer Potenz sind wir auf den NachDenkSeiten und bei öffentlichen Äußerungen schon des Öfteren eingegangen. So zum Beispiel hier “Über den Verlust des kritischen Denkens und warum wir es wieder brauchen. Vortrag von Albrecht Müller in Heidelberg.” und hier „Aber der Putin! Die übliche Leier, so auch am Sonntag wieder bei Anne Will.“