Das geplante Desaster der Deutschen Bahn – Beraterverträge für Ex-Politiker und Gewerkschafter

Das geplante Desaster der Deutschen Bahn – Beraterverträge für Ex-Politiker und Gewerkschafter

Das geplante Desaster der Deutschen Bahn – Beraterverträge für Ex-Politiker und Gewerkschafter

Albrecht Müller
Ein Artikel von: Albrecht Müller

Das Desaster der Deutschen Bahn ist kein Versehen. Es gibt Täter. Sie sitzen in der Bundesregierung, im Bundestag und seit Jahren im Tower der Deutschen Bahn. Arno Luik, langjähriger Stern-Autor und profilierter Bahn-Kenner, zeigt in seinem Buch „Schaden in der Oberleitung“ das komplette Desaster detailliert auf. Er nennt Ross und Reiter, er nennt die Täter. Albrecht Müller.

Bei der Lektüre dieses Buches wird so richtig klar, wie Politiker und Wirtschaftsführer mit unserem gemeinsamen Vermögen umgehen. Die Deutsche Bahn war unser gemeinsames Vermögen. Sie ist nicht zuallererst von Beamten, sondern von Politikern und den von ihnen berufenen Spitzenmanagern der Deutschen Bahn AG ruiniert worden. Ich habe als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt immer wieder miterlebt, wie vergleichsweise sorgfältig damals die Aufsicht über die Deutsche Bahn gehandhabt worden ist. So etwas wie der Missbrauch dieser Einrichtung im öffentlichen Eigentum, wie wir das dann unter der größenwahnsinnigen Leitung von Hartmut Mehdorn erlebt haben, hätte es bei der viel beschimpften Beamten-Bahn nicht gegeben. Dies nur nebenbei.

Autor Luik beschreibt die Hintergründe des heutigen Desasters. Über 10 Milliarden jährlich pumpen wir Steuerzahler in die Deutsche Bahn AG – dafür ist sie dann in 140 Ländern der Welt im Big Business tätig. Aber hierzulande ist die Bahn eine echte Zumutung: Die Züge fahren immer unpünktlicher, oft fahren sie gar nicht und manchmal sind sie ein Risiko für unser Leben.

Hier ein Auszug aus dem Buch von Arno Luik:

Wer herrscht hier eigentlich über wen, wer kontrolliert wen? Die Bahn AG die Politik? Oder die Politik die Bahn AG? Kontrolliert der Kontrollierte die Kontrolleure?

»Die Bahnpolitik wird de facto nicht im Verkehrsministerium gemacht, sondern im Bahn-Tower«, klagte einmal der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Dieser Konzern hat ein nahezu unwiderstehliches Verführungspotenzial: lukrative Jobs, attraktive Aufsichtsratsposten, gut dotierte Beraterverträge. So wie Brüssel früher ein gut dotiertes Endlager für abservierte oder wenig erfolgreiche Politiker war, ist die Bahn seit Mehdorn eine wunderbare und ganz spezielle Versorgungseinrichtung, die man gerne aufsucht. Und so sicher(te)n nun Ex-Politiker, Landes- und Bundesminister, Oberbürgermeister und Staatsbeamte, Gewerkschafter, gut zwei Dutzend Lobbyisten, ihren Einfluss ab, sie arbeiten an allen Fronten für den Konzern, sind politische Bahnbrecher.

Ein paar Namen: Georg Brunnhuber, CDU, lange Mitglied im Verkehrsausschuss, gleichzeitig Aufsichtsrat der DB AG. Ständiger Strippenzieher für S21, Agitator für die Privatisierung der Bahn. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag dankte ihm Grube: Er wurde politischer Berater des Bahnchefs. Bis vor Kurzem agierte er für das Großprojekt S21.

Otto Wiesheu: Lange Zeit bayerischer Verkehrsminister, kam noch während seiner Amtszeit in den Bahnvorstand: War das der Dank dafür, dass er die 3,6 Milliarden teure Neubaustrecke Nürnberg – Ingolstadt mit durchgesetzt hat? Dass er die Alternativorschläge, die um ein Drittel bis zur Hälfte billiger waren, ignoriert hat? Der Dank dafür, dass er einen für die Bahn lukrativen Regionalverkehrsvertrag eingefädelt hat?

Monetär hat sich Wiesheus Bahneinsatz zumindest für ihn gelohnt: Als Mehdorn wegen seines Spitzelskandals gehen musste, musste auch Wiesheu gehen. Mehdorn erhielt eine Abfindung in Höhe von 4,8 Millionen Euro. Wiesheu, sein getreuer Hiwi, die Hälfte.

Da wäre noch Norbert Hansen, Boss der größten Bahngewerkschaft Transnet. Im Mai 2005 wechselte der Gewerkschafter plötzlich die Fronten und ging, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, als Arbeitsdirektor in den Bahnvorstand.

War das der Dank der Bahnspitze dafür, dass Hansen sich vorher so vehement gegen die offizielle Linie der Gewerkschaften in Sachen Bahnprivatisierung gestellt hatte? Weshalb er sich in den Jahren zuvor in seiner Gewerkschaft, in seiner SPD so heftig für den Börsengang der Bahn eingesetzt hatte? Es ist wohl das erste Mal in der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, dass sich ein Arbeiterführer so schnell, so wahrhaft schamlos für seine Hilfsdienste hat einkaufen lassen.

Da wäre zum Beispiel der schon erwähnte Ronald Pofalla, der wohl wichtigste Lobbyist der Bahn. Anfang 2014 zog der Ex-Kanzleramtschef in sein Büro im 15. Stock der DB-Zentrale am Potsdamer Platz, nun prangte auf seiner Visitenkarte eine beeindruckende Jobbeschreibung: »Generalbevollmächtigter für politische und internationale Beziehungen«.

War diese Beförderung an die Bahnspitze für den Bahn-Azubi Pofalla der Dank dafür, dass er seine politische Macht als Kanzleramtschef in einem für die Bahn wichtigen Moment eingesetzt, sie womöglich missbraucht hat? Nämlich um S21 zu retten? Das war 2013, das Stuttgarter Projekt stand auf der Kippe, eine gewaltige Kostenexplosion verärgerte einige Aufsichtsräte. Er bearbeitete die widerborstigen Aufsichtsräte damals, wohl im Auftrag der Kanzlerin, brachte sie auf Linie – und so winkten sie brav eine ungeheuerliche, fast 50-prozentige Kostensteigerung von S21 durch, von 4,5 auf 6,8 Milliarden Euro.

Gut möglich, dass es mit Ronald Pofalla noch weiter nach oben geht, gut möglich, dass er bald Bahnchef wird.

In einem ungewöhnlichen Anfall von Kampfjournalismus zeigte die Wirtschaftswoche 2014 in einer Grafik, was dieser Ex-Politiker, der »aus einfachen Verhältnissen« stammt, plötzlich verdiente: 1,2 Millionen Euro, so viel wie die Jahreslöhne von 36 Lokführern oder 39 Zugbegleitern oder 40 Stellwerkern.

Ist er so viel Geld wert?

Arno Luik: „Schaden in der Oberleitung. Das geplante Desaster der Deutschen Bahn“, 296 Seiten, 20 Euro, Westend Verlag, 2.9.2019

Für interessierte hier auch noch der Link auf die Buchvorstellung in Stuttgart, aufgezeichnet von Michael Köster.

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