Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/TR)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Albrecht Müller im Interview: Wer Meinungen manipuliert und was dagegen hilft
  2. Oscar Lafontaine: Parteinachwuchs – Deppen der Rüstungsindustrie
  3. Wahlen in Polen
  4. „Ich will auch mal frei leben“
  5. Syrien
  6. Die Armut im Kleinen
  7. TINA und Greta: “Unite behind the science, but not behind neoclassical economics!”
  8. Darum vernichten Online-Händler Retouren
  9. Deutsche Bank: Geschenke für Chinas Mächtige
  10. Grunderwerbsteuer? Nicht für Spekulanten
  11. Die Ministerin ist das größte Risiko für die Lebensmittelsicherheit in Deutschland
  12. Wenn plötzlich die Abschiebung droht
  13. Der Westen & Russland – zum Diskurs
  14. Hongkong, China & die Menschenrechte
  15. Jeremy Corbyn: Die alternative Thronrede der Labour-Party
  16. Buchtipp: Gilets Jaunes – Anatomie einer ungewöhnlichen sozialen Bewegung
  17. Der gläserne Zuschauer: Amazons Fire TV trackt seine Nutzer

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wer Meinungen manipuliert und was dagegen hilft – Albrecht Müller mit neuem Buch
    Herr Müller, Sie haben ein neues Buch veröffentlicht: „Glaube wenig – Hinterfrage alles – Denke selbst“. Es soll helfen, Manipulationen zu durchschauen. Was ist neu daran? Sie hatten sich ja bereits in dem Buch „Meinungsmache“ mit dem Thema auseinandergesetzt.
    Albrecht Müller: Es gibt verschiedene Gründe für dieses Buch. Es ist erstens eine Art Zusammenfassung dessen, was ich in den letzten 40 Jahren gedacht habe und, wenn man so will, was ich erforscht habe: Wie wir manipuliert werden, wie wir falsch informiert werden, wie wir auf Basis von ausgedachten Meinungsmachkampagnen in die Irre geleitet werden. Das ist etwas, was ich wirklich seit langer Zeit beobachte. Das aus meiner Sicht bedauerliche Fazit all dieser Beobachtungen ist, dass keine der großen politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte ohne massiven Einfluss jener zustande gekommen ist, die über die Meinungsmacht verfügen. Da hat sich in unserer Gesellschaft etwas verschoben. Es war schon immer so, dass die Eigner von großen Medienkonzernen die Möglichkeit hatten, Menschen zu beeinflussen. Aber so massiv und deutlich wie das heute geschieht, war es bisher nicht.
    Quelle: Sputnik
  2. Oscar Lafontaine: Parteinachwuchs – Deppen der Rüstungsindustrie
    Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zwar mit stehendem Applaus empfangen, aber es herrschte keine „Stadion-Atmosphäre wie bei Merz“. Ihre Rede wurde von vielen Delegierten gelobt, „vor allem das Bekenntnis zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr und zum Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben gefällt dem Parteinachwuchs“, schreibt die „Saarbrücker Zeitung“.
    Welch eine Veränderung. Waren in der Zeit der Entspannungspolitik vor allem die Nachwuchspolitiker der verschiedenen Parteien für Abrüstung und für eine Senkung der Militärausgaben, so ist jetzt die Jugendorganisation der „christlichen“ Parteien CDU/CSU für eine gewaltige Aufrüstung. Sie denken wohl, Aufrüstung sei ein Beitrag zum Umweltschutz – “weapons for future”.
    Und das, obwohl allein die USA im vergangenen Jahr laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri 649 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben hat, mehr als zehnmal soviel wie Russland (61,4 Milliarden). Die 29 NATO-Staaten zusammen haben insgesamt 963 Milliarden Dollar für Kriege und Rüstung bereitgestellt, darunter Frankreich 63,8 Milliarden, und Deutschland 49,5 Milliarden. Es fehlen einem die Worte.
    Eine außenpolitisch unerfahrene Verteidigungsministerin plappert der Trump-Administration kritiklos alles nach und der Parteinachwuchs der CDU/CSU ist politisch so unbedarft und uninformiert, dass er diesen Irrsinn, die deutschen Verteidigungsausgaben um weitere rund 40 Milliarden zu erhöhen, bejubelt.
    Die Rüstungsindustrie in aller Welt lässt die Champagner-Korken knallen und in den Kriegen, in die die Deutschen Waffen liefern, werden jeden Tag Menschen umgebracht.
    Die Deppen der Rüstungsindustrie sterben nicht aus. Es ist zum Verzweifeln. Welcher Zukunft sehen wir entgegen, wenn das der politische Nachwuchs ist?
    Quelle: Oskar Lafontaine via facebook
  3. Wahlsieg der Rechtspopulisten in Polen
    Die rechtspopulistische PiS gewinnt eine zweite Amtszeit an der Regierung – und baut ihre Mehrheit wohl deutlich aus. Ihr Rezept für den Triumph: Nationales und Soziales.
    Der Sieg war so vorhersehbar, dass der Sieger sich kaum zu freuen schien. “Vor uns liegen vier weitere Jahre harte Arbeit”, sagte Jaroslaw Kaczynski: “Wir können noch mehr, aber das setzt voraus, dass wir genau überlegen, was gut gelungen ist, und was schlecht.” Zum zweiten Mal in Folge hat seine Partei “Recht und Gerechtigkeit” (PiS) die Parlamentswahl gewonnen, die meist sehr zuverlässigen Exit Polls sahen die PiS bei fast 44 Prozent der Stimmen, die stärkste Oppositionspartei, die Bürgerkoalition, landet bei um die 27 Prozent. Dann kommt die Linke mit 12, die Bauernpartei mit knapp 10 und die rechtsextreme Konfederacja mit etwa 6 Prozent.
    So in etwa hatten Meinungsforscher das Ergebnis vorhergesehen. Auffällig daran ist allein die rekordhohe Wahlbeteiligung von 61 Prozent, das ist der zweithöchste Wert seit der Wende von 1989. In vielen Ländern ist es so, dass eine hohe Wahlbeteiligung rechtspopulistischen Parteien eher schadet. Aber bei PiS ist das anders, PiS-Wähler sind keine Protestwähler. Zwar tut die PiS so als ob, aber in Wahrheit ist sie noch nie eine Anti-Establishment-Partei gewesen. PiS-Wähler stimmen für ein Programm, einen programmatischen Mix, den Jaroslaw Kaczynski und seine Strategen geschickt zusammengebraut haben.
    Zum einen macht er die typischen nationalistischen Schutzversprechen: Schutz vor Migranten, Schutz vor Schwulen, vor Brüsseler Eliten und ihren Verbündeten in den polnischen Metropolen. Zum anderen hat PiS soziale Wohltaten versprochen: Kindergeld, Zuzahlungen für die Bauern, eine 13. Rente, höhere Mindestlöhne. Ostentativ wendet sich die Partei damit vom neoliberalen Zeitgeist ab, der die Transformation in fast allen europäischen Ländern begleitet hat.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Leser H.K.: Es ist für die Spiegelredaktion offensichtlich nur schwer zu ertragen, dass man mit sozialen Themen Wahlen gewinnen kann. Da helfen auch die ganzen Relativierungen zu Einkommen und Reichtum nichts. Dabei hätte man schon bei den Wahlen in Portugal einiges lernen können. Komisch, dass da keine Querfront aufgebaut wird. Kommt vielleicht noch. Die analytische Verzweiflung ist ja groß genug.

    Anmerkung JK: Für die Spiegel-Redaktion, scheint es wirklich das Schlimmste zu sein, dass sich die PiS vom „vom neoliberalen Zeitgeist “ abgewendet hat. Dass die Menschen in ganz Europa inzwischen von einer Ideologie und Politik, die für die Mehrheit nur eine beständige Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse gebracht hat, die Nase voll haben und eben die Parteien wählen, die hier einen Kurswechsel versprechen, ist für Spiegel-Journalisten offenbar zu hoch und wenn linke Parteien, bis auf Ausnahmen, wie etwa in Portugal, nicht in der Lage sind soziale Themen aufzugreifen, dann werden eben die Parteien gewählt dies dies zumindest versprechen.

  4. Polen und Homophobie: „Ich will auch mal frei leben“
    Die polnische Regierungspartei PiS hetzt gegen Homosexuelle. Julia Maciocha hat jahrelang dagegen gekämpft. Jetzt überlegt sie, ihr Land zu verlassen.
    Ich sehe in der homophoben Rhetorik der letzten Monate vor allem eine Strategie der Regierung, von ihren eigenen Problemen abzulenken. Die PiS verabschiedet neue Sozialprogramme und bringt damit die Wirtschaft in Gefahr, es gibt zum Beispiel ein zusätzliches Kindergeld in Höhe von 500 Złoty, also etwa 120 Euro. Aber niemanden scheint es zu interessieren. Stattdessen hauen viele nur auf uns ein. Wir LGBT sind meiner Ansicht nach im diesjährigen Wahlkampf das, was die Flüchtlinge bei der Wahl 2015 waren: Die Minderheit im Land, der alle Probleme angelastet werden.
    Die ehemaligen Organisatoren der Warschauer Pride-Parade haben uns einmal gefragt, warum wir keine offenen Briefe dagegen schreiben oder anderen Protest als den Pride organisieren. Klar, es ist wichtig zu kämpfen. Aber ganz ehrlich: Wir haben einfach keine Kraft mehr. Wir sind zu wenige Leute, um etwas gegen die Übermacht der PiS und der Kirche auszurichten.
    Ich habe keine Hoffnung mehr. Bei den Parlamentswahlen gibt es mit dem neuen Links-Bündnis Lewica zwar eine Partei, die sich klar zu den Rechten für LGBT bekennt, aber in den aktuellen Prognosen kommt sie nur auf rund zehn bis 15 Prozent. Für mehr als ein paar Parlamentsreden und wirkungslose Anträgen wird es also wohl nicht reichen. Die PiS hingegen wird wohl in ihre zweite Legislatur starten – mit vollkommen unklaren Folgen für uns.
    Wenn die PiS noch einmal die Wahl gewinnt, verlasse ich Polen. Und ich bin nicht der einzige LGBT-Mensch hier, der so denkt. Vergangenes Jahr habe ich Freunde von mir in Freiburg besucht und war erstaunt, wie frei sie leben können. Dort stört es niemanden, dass zwei Frauen zusammen sind und auch noch ein Kind adoptiert haben. Und wenn jemand homophob ist, wird das in Deutschland gesellschaftlich geächtet.
    Es war wichtig für mich, eine Aktivistin in Polen zu sein, aber ich will auch mal frei leben. Wenn ich die Leute nicht überzeugen kann, warum soll ich dann hier bleiben? Die Freiheit ist für mich nur eine Grenze entfernt, dann bin ich in Deutschland.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung unseres Lesers J.O.: Die Dreistigkeit die Einführung eines Kindergeldes für sozial schwache Familien und andere Sozialprogramme in einem Atemzug als a) schlecht für die polnische Wirtschaft und b) ursächlich für Homophobie zu bezeichnen, muss man erst einmal bringen. Da muss man schon ganz tief die neoliberale Ideologie verinnerlicht haben, damit einem so was über die Lippen geht. Dafür spricht auch die Vita der Aktivistin, in der ganz im Sinne neoliberalem Mitläufertums “Karrierestationen” wie eine Teilnahme an von Großkonzernen organisierten PR-Events wie ““I’m a boss” oder “Talents for future” betont werden (http://en.feminoteka.pl/our-team/).

    Ich denke Julia Maciocha hat den Anliegen sexueller Minderheiten in Polen mit ihrem Äußerungen keinen Gefallen getan. Was erwartet Sie? Dass die Mehrheit der Gesellschaft in Polen nun Minderheitenrechte besser unterstützt wenn Sozialstaat und Familien, die Kindergeld beziehen von ihr neoliberal beschimpft werden? So naiv kann man doch nicht sein. Bessere Wahlhelfer als solche Aktivisten kann sich die rechtskonservative PiS wahrlich nicht wünschen!

    Die Äußerungen von Maciocha sind ein praktisches, aber auch ein Paradebeispiel für die fatale Allianz von pseudolinker Identitätspolitik und Neoliberalismus, die Nancy Fraser als “progressiver Neoliberalismus” bezeichnet

    Anmerkung JK: Unser Leser bringt es auf den Punkt. Es sollte endlich mit dem Irrglauben aufgeräumt werden, dass Diversitäts- und Indentitätspolitik links ist. Diese entspringt im Grunde der (neo)liberalen Ideologie, die das, seinen Nutzen egoistisch maximierende Individuum über alles stellt und jede solidarische und kollektive Interessenvertretung verteufelt. Den Menschen, denen ihre Alltagssorgen einfach näher sind als die individuelle Selbstentfaltung der Mitglieder der LGBT-Community, dann sogleich Homophobie vorzuwerfen – von der semantischen Unsinnigkeit dieses Begriffes einmal abgesehen – ist mindestens ungeschickt.

  5. Syrien:
    1. Kurden schließen einen Pakt mit Baschar al-Assad
      Die syrischen Kurden rufen Baschar al-Assad zu Hilfe. Es bedeutet das Ende ihrer Selbstverwaltung. Außer Assad profitieren davon vor allem Russland, Iran und der “Islamische Staat”. Die Türkei könnte das Nachsehen haben.
      Das syrische Regime zeigte am Sonntagabend vermeintliche Freudenfeiern in der nordsyrischen Grenzstadt Kamischli. Ein paar Dutzend Männer, einige davon mit Maschinengewehren, jubelten vor den Kameras des Staatsfernsehens. Überwiegend waren die Straßen von Kamischli jedoch auf einmal gespenstisch leer, berichtete auch die Reporterin des SPIEGEL von vor Ort. Viele Menschen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Sie warteten angstvoll ab, was die jüngste rasante Wende des Kriegs in Syrien für sie zu bedeuten hat.
      In Nordsyrien geht es Schlag auf Schlag: Nur sieben Tage, nachdem US-Präsident Donald Trump der syrischen Kurdenmiliz YPG den amerikanischen Rückhalt entzogen hat und fünf Tage nach Beginn der türkischen Offensive östlich des Euphrats implodiert die syrisch-kurdische Selbstverwaltung. Mit einem dermaßen schnellen Zusammenbruch hatte kaum jemand gerechnet. Zuletzt stand knapp ein Drittel Syriens unter der Kontrolle dieser Selbstverwaltung, die aus zivilen und militärischen Strukturen bestand. Nun ist sie in sich zusammengefallen und auf ihren Kern zurückgeworfen: der YPG, dem syrischen Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der Wettlauf darum, wer Nordostsyrien an sich reißt, ist in vollem Gang. Inmitten der Kämpfe gelang es auch bereits zahlreichen
      Die YPG hatte sich angesichts der türkischen Übermacht für das für sie kleinere Übel entschieden: In einer offiziellen Stellungnahme hat die syrisch-kurdische Selbstverwaltung das Regime von Baschar al-Assad gebeten, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Sie versichert, dass sie niemals vorgehabt habe, sich von Damaskus loszusagen.
      Noch haben die Truppen des Diktators von Damaskus die Grenzstädte nicht wieder unter Kontrolle, auch wenn die Jubelbilder im Staatsfernsehen anderes vorgaukeln wollen. Doch die syrische Armee rückt bereits vor in Richtung der türkischen Grenze.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JK: Die Kommentatoren in den deutschen „Qualitätsmedien“ haben angesichts des nun endgültigen Scheiterns des Regime Changes in Syrien hier natürlich Schaum vor dem Mund . Ganz vorne wieder mit dabei das ‚heute journal‘, das sich überhaupt nicht mehr einkriegt.

    2. Türkischer Feldzug könnte Nato-Bündnisfall auslösen
      In Nordsyrien drohen Kämpfe zwischen türkischen und syrischen Truppen. Luxemburgs Außenminister Asselborn warnt: Wird die Türkei als Nato-Mitglied angegriffen, könnte es zum Bündnisfall kommen.
      Die Meldungen verdichten sich, dass Soldaten des Assad-Regimes auf dem Weg zu Grenzstädten im Norden des Landes sind. Dort droht ein militärischer Konflikt mit türkischen Truppen. Sie sind im Norden einmarschiert, um die dort herrschende Kurdenmiliz YPG zu vertreiben. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verfolgt diese Entwicklung mit großer Sorge.
      Er warnt vor der Möglichkeit, dass der türkische Einmarsch in Nordsyrien die Nato-Staaten in den Krieg hineinzieht. “Für mich ist das ziemlich außerirdisch, was dort geschieht”, sagte Asselborn dem Bayerischen Rundfunk. Er verwies auf Vereinbarungen der syrischen Kurden mit der Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JK: Das ist eine interessante Überlegung. Was würde geschehen, wenn es zu Kämpfen zwischen türkischen und syrischen Truppen käme? Möchte man über diese Schiene den Regime Change in Syrien doch noch zum Erfolg führen?

    3. Türkische Offensive in Syrien: Hoffen auf Putin
      Die EU hat die Türkei gemahnt, auch die Nato fordert Zurückhaltung in Syrien. Doch die Türkei lässt sich nicht beirren und startet die Offensive gegen kurdische Milizen im Nordosten des Landes, Und während die ersten Luftangriffe erfolgen, stellt sich die Frage: Wer wäre in der Lage, eine weitere Eskalation zu verhindern?
      Aus Sicht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist ein Einmarsch in Nordsyrien nicht nur logisch, sondern notwendig, sieht er doch in der dort agierenden kurdischen YPG ein Terrornetzwerk, das es zu stoppen gilt. Zugleich hofft er, einen Großteil der Syrer, die in türkischen Lagern ausharren, wieder aussiedeln zu können. Gelingt der Streich, könnte er gleich mehrere Gewinne verbuchen. Doch Erdogan spielt ein gefährliches Spiel, die Lage kann leicht eskalieren. (…)
      Und nun? Blicken alle nach Russland, mächtiger Verbündeter des Assad-Regimes in diesem komplizierten Stellvertreterkrieg. Erdogan liebt den russischen Präsidenten nicht gerade, respektiert ihn aber als starken Staatslenker. Bleibt Putin besonnen und versucht, im Hintergrund mäßigend einzuwirken, könnte er eine Eskalation verhindern.
      Den Menschen in Syrien wäre es zu wünschen, denn sie sind die Leidtragenden der Ränkespiele.
      Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

      Dazu: Modell Syrien – hoffen auf Putin?
      „Sie werden zustimmen“, so Putin zuversichtlich, „dass es noch vor einigen Jahren schwierig war, sich eine solch komplizierte diplomatischen Ausrichtung mit Beteiligung sehr unterschiedlicher Staaten mit sehr unterschiedlichen Emotionen zueinander vorzustellen. Aber jetzt ist das eine vollendete Tatsache und wir haben es geschafft.“ Jetzt sei die Zeit der großen Militäreinsätze vorbei. Jetzt gehe es um politische Lösungen. Dafür habe Russland sich für die Bildung eines Verfassungskonventes eingesetzt, der jetzt seine Arbeit aufgenommen habe.
      „Wir glauben“, betonte Putin schließlich, „dass die syrische Regelung ein Modell für die Lösung regionaler Krisen sein kann, bei denen in den allermeisten Fällen diplomatische Mechanismen zum Einsatz kommen werden.“
      Und jetzt? Nach der türkischen Offensive?
      Man möchte Putin tatsächlich zustimmen. Hat er sich doch als globaler Krisenmanager in den letzten Jahren tatsächlich so profiliert, dass heute keine internationale Entscheidung an ihm, an Russland vorbeikommt, auch wenn von seinen westlichen ‚Partnern‘ im selben Atemzug gegen ihn als angeblicher „Diktator“, „Aggressor“ u. ä. agitiert wird.
      Die Frage aber ist dennoch: Kann Putin, kann Russland das „Modell Syrien“ halten, nachdem die USA das Bündnis mit den Kurden verlassen und der Türkei damit den Weg für ihre Invasion in die Selbstverwaltungsgebiete der Kurden im Norden Syriens freigemacht haben? Und wenn, dann zu welchem Preis? (…)
      Putin, Russland als Schutzmacht Syriens, kann und wird nach Lage der Dinge für diese neue Konstellation eintreten und sie machtpolitisch garantieren, indem es der Einverleibung der selbstverwalteten Gebiete in den syrischen Staat zustimmt. Angesichts der Grundpositionen Putins, für den „Terrorismus“ und „Separatismus“ gleichermaßen unter das Verdikt der „Regellosigkeit“ fallen, welche die regionale und tendenziell globale Stabilität bedrohen, spricht so leider alles dafür, dass die „Hoffnung auf Putin“, der man nur allzu gern zustimmen möchte, auf ‚Rojava‘ als Bauernopfer im Namen der Erhaltung der Stabilität zusammenschnurrt.
      Die Kurden und alle diejenigen nicht kurdischen Kräfte, die mit der kurdischen Bevölkerung zusammen mitten im Bürgerkriegschaos, im Zentrum terroristischer Brutalität, und einem um sie herum tobenden Stellvertreterkrieg der globalen Mächte, den Ansatz zu einer selbstverwalteten, emanzipatorischen, zudem noch wesentlich von Frauen getragenen Gesellschaft gewagt haben, werden sich unter den Schutz dieser von Russland garantierten Stabilität, das heißt, des heute herrschenden Credos vom einheitlichen Nationalstaat begeben müssen – um nicht erneut Opfer des Terrorismus zu werden, sei es von unten oder von oben. Darin liegt eine Chance für sie, denn Stabilität ist besser als Krieg. Das eigentliche Modell aber, auf dem ihre Hoffnung und die all derer liegt, die den Zukunftskeim dieses Experimentes erkannt haben, ist nicht diese Stabilität, sondern deren Überwindung.
      Quelle: Kai Ehlers

  6. Die Armut im Kleinen
    Den sogenannten Wirtschaftsnobelpreis bekommen in diesem Jahr drei ArmutsforscherInnen. Ihre Methoden haben leider Grenzen.
    Der sogenannte Nobelpreis für Ökonomie ist berühmt-berüchtigt. Er ist kein „echter“ Nobelpreis, sondern wurde 1969 von der schwedischen Reichsbank erfunden, um neoliberale Theorien aufzuwerten. Nicht immer, aber oft wurde haarsträubender Unsinn prämiert.
    Der sogenannte Nobelpreis für Ökonomie ist berühmt-berüchtigt. Er ist kein „echter“ Nobelpreis, sondern wurde 1969 von der schwedischen Reichsbank erfunden, um neoliberale Theorien aufzuwerten. Nicht immer, aber oft wurde haarsträubender Unsinn prämiert.
    In diesem Jahr gehen die Nobelpreise in Ordnung – wenn man akzeptiert, dass sowieso nur Mainstream-Ökonomen eine Chance haben, die von den richtigen US-Universitäten stammen und die richtigen Doktorväter hatten. Der Nobelpreis für Wirtschaft ist ein Zitationskartell.
    Ausgezeichnet wurden diesmal die Französin Esther Duflo, ihr indischer Ehemann Abhijit Banerjee sowie der Amerikaner Michael Kremer. Duflo und Banerjee lehren am MIT, Kremer in Harvard. Alle drei PreisträgerInnen arbeiten am gleichen Projekt: In armen Ländern des globalen Südens führen sie aufwendige Experimente mit Versuchspersonen durch, um zu ermitteln, wie sich Entwicklungshilfe optimieren lässt.
    So konnten die drei ÖkonomInnen zeigen, dass Mikrokredite wenig bringen oder dass die Impfrate indischer Kinder steigt, wenn man ihren Eltern ein Kilo Linsen verspricht. Allerdings klingen viele Erkenntnisse banal, die nun den Nobelpreis begründen sollen. Unter anderem wurden Duflo und Banerjee prämiert, weil sie in einem Projekt in Indien herausgefunden hätten, dass „Schüler umso schlechter lernen, je weniger ihr Vorwissen zu den Anforderungen des Lehrers passt“. Übersetzt: Es bringt nichts, Kinder zu überfordern. Die meisten Pädagogen dürften das längst wissen.
    Quelle: Ulrike Herrmann in der taz

    Anmerkung JK: Ulrike Herrmann weißt zu recht darauf hin, dass der sogenannte „Wirtschaftsnobelpreis“ in der Vergangenheit oft genug zur Durchsetzung der neoliberalen Ideologie benutzt wurde. Ökonomen die Kritik am neoliberalen Mainstream üben wird man also auch in Zukunft unter den Preisträgern nicht finden.

  7. TINA und Greta: “Unite behind the science, but not behind neoclassical economics!“
    Offener Brief an Nikolaus Piper (Süddeutsche Zeitung) von Tobias Kröll (Scientists for Future, Tübingen)
    Sehr geehrter Herr Piper,
    Viele wirtschaftliche Zusammenhänge werden tatsächlich – vor allem von Ökonomen der modernen, bzw. neoklassischen ökonomischen Theorie – unnötig mittels mathematischer Formeln verkompliziert, so dass Laien hochachtungsvoll vor den scheinbar alternativlosen „wissenschaftlichen Fakten“ verstummen. Ein herausragendes Beispiel ist die Glorifizierung und Rechtfertigung bedingungslosen globalen Freihandels mittels des weltfremden Ricardo-Theorems, dessen Variablen genau so gewählt wurden, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt. Das Ricardo-Theorem ist eine der wichtigsten Säulen einer Wirtschaftspolitik, die von Gegner*innen mit dem politischen Schlagwort TINA-Prinzip charakterisiert wird. Laut Wikipedia wird damit »ein Standpunkt bezeichnet, der geltend macht, dass es zu einer auf den Markt, insbesondere auf die Wettbewerbsfähigkeit, ausgerichteten Politik keine Alternative gebe. TINA ist dabei eine Abkürzung, basierend auf den Anfangsbuchstaben der englischen Aussage „there is no alternative“, „Es gibt keine Alternative“. ….
    Da der Kapitalismus („seit der industriellen Revolution“) offensichtlich eine wesentliche Ursache des Klimawandels ist –wie sich aus Ihrem Buch schließen lässt – finde ich es durchaus überlegenswert, ein anderes Wirtschaftssystem anzustreben, wie es auch Greta Thunberg fordert und dazu Grundwerte nennt: z.B. Kooperation statt Konkurrenz, faires Teilen der Ressourcen, Konzentration auf Gerechtigkeit und eine Abkehr von dem im Kapitalismus üblichen Lebensstil, wie Sie es in obigem Zitat bezüglich der ernst zu nehmenden „unbequemen Nachrichten“ geschrieben haben. Thunberg weiter: »Wir müssen anfangen, innerhalb der Grenzen des Planeten zu leben, uns auf Gerechtigkeit zu konzentrieren und zum Wohle aller lebenden Spezies ein paar Schritte zurück machen. Wir müssen die Biosphäre schützen. Die Luft, Die Meere, Die Wälder. Den Boden«. Die FFF-Parolen zeigten, wie sehr der antikapitalistische Zeitgeist die junge Generation erfasst habe, schreiben Sie. Zu Ihrer Information: das mit dem brennenden Kapitalismus ist ein Wortspiel hinsichtlich der angestrebten Förderung von Braunkohle im Hambacher Forst und nicht wörtlich zu nehmen. Die notwendige Änderung des Lebensstils „sehr vieler Menschen“, die Sie erwähnen, lässt sich meines Erachtens nur durch eine radikale Abkehr vom bisherigen Wirtschaftssystem und seiner zugrundeliegenden wirtschaftsliberalen „Wissenschaft“ umsetzen. Greta Thunbergs Forderung „Unite behind the science“ (vereint hinter der Wissenschaft) benötigt deshalb die Ergänzung „aber nicht hinter der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft“! Auch Greta Thunberg forderte in Ihrer Brüsseler Rede dieses Jahr eine neue Denkweise in den Wirtschaftswissenschaften (»We need new economics«).
    Quelle: Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
  8. Darum vernichten Online-Händler Retouren
    Wie kann es sein, dass so viele Waren einfach im Müll landen? Im Frühjahr hatte der “Retourentacho” von Wissenschaftlern der Uni Bamberg eine Diskussion ausgelöst. Eine weitere Studie der Uni zeigt nun, aus welchen Gründen Retouren vernichtet werden.
    Gerade die Vernichtung neuwertiger Waren ruft viel Unverständnis hervor: Warum kann ein Produkt nicht weiterverkauft werden, wenn es doch eigentlich völlig in Ordnung ist? Eine Studie der “Forschungsgruppe Retourenmanagement” der Universität Bamberg hatte eine Debatte zum nachhaltigen Umgang mit Versandretouren ausgelöst. Denn vier Prozent der zurückgesandten Ware wird entsorgt, das entspricht etwa 20 Millionen Artikeln pro Jahr. Im Fokus dabei: große Online-Händler wie Amazon oder Otto. Umweltverbände hatten Kritik geübt und Bundesumweltministerin Schulze hatte angekündigt, eine”Obhutspflicht” einführen, welche die Händler in Sachen Nachhaltigkeit in die Pflicht nehmen soll. Umgesetzt wurde diese Regelung bislang nicht.
    Nun haben die Forscher der Uni Bamberg nochmal zu den Ursachen der Vernichtung von Retouren nachgebohrt. Vorneweg: In der Gesamtbetrachtung ist die Vernichtung von Retouren die Ausnahme, nicht die Regel. Aber manchmal kommen Händler um die Vernichtung von Waren nicht herum. Bei etwas mehr als der Hälfte der Retouren (53 %) ist eine Wiederaufbereitung technisch nicht möglich, das sind etwa 10 Millionen Artikel. Das kann auch daran liegen, dass etwa Kleidung kaputt oder ein Elektronikprodukt defekt ist. Dennoch: Es findet Ressourcenverschwendung statt, die nicht stattfinden müsste. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. ….
    Dazu kommen für die Händler weitere Gründe, v.a. aus Wirtschaftlichkeit, die etwaigen Nachhaltigkeitsbestrebungen im Weg stehen: zu geringer Warenwert oder fehlende Lagerkapazitäten.
    Etwa eine Million Artikel werden aber von Händlern unnötigerweise vernichtet – weil sie es müssen: Einige Marken- und Patentinhaber geben dies den Händlern vor. “Da sich diese Artikel meist in einem sehr guten Zustand befinden, handelt es sich hierbei um eine offensichtliche Ressourcenverschwendung“, sagt Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement.
    Quelle: Bayerischer Rundfunk

    Anmerkung JK: Die Problematik liegt aber doch im ausufernden Onlinehandel selbst begründet, der den Konsum und die Ressourcenverschwendung immer weiter anheizt, wenn heute alles sofort per Mausklick bestellt und auch einfach kostenlos wieder zurückgeschickt werden kann.

  9. Deutsche Bank: Geschenke für Chinas Mächtige
    Um in China erfolgreich zu sein, setzte die Deutschen Bank offenbar jahrelang auf ein fragwürdiges System aus Geschenken, Gefälligkeiten und Geldzahlungen. Das zeigen interne Unterlagen, die WDR, SZ und “New York Times” auswerten konnten.
    Die vertraulichen Dokumente füllen viele Seiten: Anwaltsgutachten, E-Mails, Niederschriften von Interviews. Die Deutsche Bank gab sie selbst in Auftrag, um mögliche Korruption in den eigenen Reihen aufzudecken, zu einem Zeitpunkt, als die amerikanische Börsenaufsicht wegen des Chinageschäfts schon ermittelte.
    Es geht in den Unterlagen oftmals um die Frage, ob sich die größte deutsche Bank mit korrupten Praktiken zwischen 2002 und 2014 in China Aufträge gesichert hat. Das Ergebnis der Untersuchung, die WDR, “Süddeutscher Zeitung” und “New York Times” vorliegt, zeichnet das Bild eines zumindest höchst zweifelhaften Geschäftsgebarens der Deutschen Bank auf dem chinesischen Markt.
    Ein wesentlicher Teil der Untersuchung befasst sich mit dem damaligen Chairman der Deutschen Bank China, Lee Zhang, der intern “Mister China” genannt wurde. Er war offenbar intern bekannt dafür, dass er mit Geschenken an einflussreiche Landsleute nicht sparte: Eine lange Liste von Geschenken an Manager von staatseigenen Betrieben oder auch hochrangigen Chinesen aus dem politischen Betrieb des Landes wurde intern erstellt, als die Bank begann, das Verhalten von Lee Zhang aufzuarbeiten. …
    Quelle: Tagesschau
  10. Grunderwerbsteuer? Nicht für Spekulanten
    Mit sogenannten Share Deals vermeiden Immobilienspekulanten jedes Jahr Hunderte Millionen Euro Steuern. Die Regierung will das Schlupfloch nun zwar schließen – doch findige Anwälte haben längst ein neues entdeckt.
    Wirtschaftskanzleien wie die deutschen Dependancen der US-Sozietät McDermott Will & Emery leben auch davon, dass sie ihren Klienten Investitionsmodelle maßschneidern, die auskömmliche Renditen sichern und Steuerzahlungen vermeiden. Bei Immobiliengeschäften ist das derzeit noch legal möglich, indem das zum Verkauf stehende Grundstück oder Gebäude einfach in einen Firmenmantel gesteckt wird, und anschließend nicht die Immobilien, sondern die Gesellschaftsanteile den Besitzer wechseln.
    Share Deals werden solche Geschäfte genannt, und die sind unter bestimmten Bedingungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Clever konstruiert lassen sich so bei Transaktionen mit einem Volumen von mehreren Hundert Millionen leicht zweistellige Millionenbeträge sparen.
    Das geht den Finanzministern der Länder schon seit Längerem gegen den Strich, doch der Bund zierte sich über Jahre, das Steuerschlupfloch zu schließen. Erst Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat jetzt einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Share Deals deutlich erschweren soll.
    Doch womöglich wird das Gesetz seine Wirkung verfehlen. Denn Berater, wie die von der Kanzlei McDermott, arbeiten längst an Alternativen, solche Gesetzesverschärfungen ganz legal auszuhebeln. “Viele Kanzleien haben sich bereits auf die Situation eingestellt und ihre Mandanten entsprechend vorsorglich beraten”, sagte ein McDermott-Advokat bereits im Mai der Wirtschaftanwalts-Plattform Juve.
    Und das ideale Modell hat die Branche auch schon gefunden. Es nennt sich Unit-Deal. Dabei wird die zu verkaufende Immobilie in einen Fonds gesteckt, der von einem Treuhänder verwaltet wird.
    Und dieses Konstrukt wird wohl auch nach der Gesetzesänderung steuerbefreit bleiben. Zu diesem Schluss kommt ein bisher unveröffentlichtes Gutachten des juristischen Dienstes des Bundestags, das dem SPIEGEL vorliegt. “Diese Gesetzesänderung ist jedoch nicht geeignet, etwaige Steuervermeidungen durch Unit Deals zu verhindern”, heißt es in der Stellungnahme der Parlamentsjuristen. Knackpunkt ist laut Bundestagsgutachten die Treuhand-Konstruktion im Fondsmodell. Dadurch wäre auch jede “entgeltpflichtige Übertragung von Anteilen” steuerbefreit.
    “Es ist ungerecht, dass die junge Familie Grunderwerbsteuer beim Hauskauf zahlen muss, während große Immobilienkonzerne sich darum drücken können”, sagt Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Hinzu komme, “dass sich der schnelle Weiterverkauf von Immobilien nur mit Steuerfreiheit lohnt”. Damit, so die Grünen-Politikerin, seien Steuerschlupflöcher wie über die Unit-Deals “der Brandbeschleuniger für die Spekulation mit Immobilien und den überhitzten Wohnungsmarkt”.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Ähnlich dem Cum-Ex Steuerbetrug weiß die Politik offenbar schon des längeren von der Problematik, rührte aber bis jetzt keinen Finger, d.h. Steuerbetrug und Steuervermeidung werden in Deutschland politisch gedeckt.

  11. Die Ministerin ist das größte Risiko für die Lebensmittelsicherheit in Deutschland
    Zu den Äußerungen von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner zum Thema Lebensmittelskandale/Lebensmittelkontrollen in der Bild-Zeitung vom 12.10. erklärt Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch:
    “Indem Frau Klöckner allein an die Bundesländer appelliert, unternimmt sie einen ebenso plumpen wie billigen Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Doch es ist wie im echten Leben: Wenn die Ministerin mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, sind drei Finger auf sie selbst gerichtet. Es gibt nur deshalb immer wieder neue Skandale, weil die immer gleichen, längst bekannten Schwachstellen und Gesetzeslücken im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht nicht beseitigt werden. Frau Klöckner hat in ihrer gesamten Amtszeit darüber kein Wort verloren und hat keinerlei Initiative ergriffen. Mit dieser Haltung ist die Ministerin das größte Risiko für die Lebensmittelsicherheit in Deutschland.
    Fakt ist: Erst im Mai hat Klöckners Ministerium einen Entwurf für eine neue Verwaltungsvorschrift vorgelegt, durch die den Lebensmittelkontrollbehörden weniger Betriebskontrollen als bisher vorgeschrieben wären – eine eklatante Schwächung der Kontrollen. Denn jeder weiß, dass von der Zahl der vorgegebenen Kontrollen auch der Personalschlüssel abhängt. Frau Klöckners Pläne, wenn sie nicht endlich vom Tisch genommen werden, würden also nicht für mehr, sondern für weniger Kontrolleure sorgen. Es ist daher wohlfeil, wenn die Ministerin bei den Ländern jetzt ausreichend Personal und ausreichende Kontrollen anmahnt.
    Fakt ist: Was im Listerien-Fall um die Firma Wilke bei der Information der Öffentlichkeit schiefging, geht zum größten Teil auf Lücken in den Bundesgesetzen zurück. Behörden könnten schon längst per Bundesgesetz dazu verpflichtet werden, alle bekannten Namen von betroffenen Produkten, Marken und Verkaufsstellen unverzüglich öffentlich zu machen – sie sind es bisher nicht. Die Handelsunternehmen und andere Essensabgabestellen könnten schon längst dazu verpflichtet sein, ihre Kunden über Rückrufe von Lebensmittelherstellern zu informieren, wenn sie deren Produkte verkauft haben – sie sind es bisher nicht. Die Lücken sind seit Jahren bekannt, Frau Klöckner hat nichts dazu getan, sie schließen.
    Fakt ist: Die konsequente Veröffentlichung aller amtlichen Kontrollergebnisse sorgt in anderen Ländern nachweislich zu besserer Hygiene in den Lebensmittelbetrieben – dauerhafte Hygienesünder werden so auf Spur gebracht und Skandale verhindert. Entgegen dem Versprechen für mehr Transparenz im Koalitionsvertrag hat das Klöckner-Ministerium den Ländern jedoch bei der jüngsten Verbraucherschutzministerkonferenz erklärt, in dieser Legislaturperiode keine Gesetzesinitiative vorlegen zu wollen.
    Quelle: scharf-links
  12. Wenn plötzlich die Abschiebung droht
    An die Integrations-Kanzlerin hat die Integrations-Unternehmerin inzwischen geschrieben. Auf eine Antwort wartet sie bis heute vergebens. Falls die Politik ihr aus dem laufenden Betrieb einen ihrer Flüchtlinge abschiebt, koste das ihre Firma „247.000 Euro“, berichtet die Vaude-Chefin. Anderen Unternehmern gehe es genauso.
    Deshalb haben sie sich zusammengetan: 170 Unternehmen in Bayern und Baden-Württemberg, die nun ein Bleiberecht für „ihre“ Geflüchteten fordern. Logistik-Dienstleister, Autohändler, Bierbrauer. Alle gemeinsam stehen für einen Jahresumsatz von mehr als 50 Milliarden Euro und beschäftigen mehr als 550.000 Mitarbeiter, davon 2500 Flüchtlinge. …
    Von den 44.000 Geflüchteten, die gerade eine Ausbildung in Deutschland absolvieren, tut dies jeder zweite im Handwerk. In den mittelständischen Unternehmen herrscht Arbeitskräftemangel, der nicht immer ein Mangel an Fachkräften ist. Oft genug fehlen auch Menschen, die Lust haben, einfachere Tätigkeiten zu übernehmen.
    Inzwischen klagen die Handwerkskammern, wie auch Familienunternehmen wie Vaude, über mangelnde Rechtssicherheit und verlangen für die, in die sie nicht nur Mitmenschlichkeit investiert haben, sondern meistens auch viel Geld, eine langfristige Bleibe-Perspektive.
    Antje von Dewitz erzählt, jedes zehnte Unternehmen erwäge inzwischen, aufgrund des Arbeitskräftemangels seine Produktion ins Ausland zu verlagern, den Umgang mit ihrem Humankapital, wenn man dieses Wort an dieser Stelle mit Blick auf Geflüchtete einmal verwenden darf, empfinden sie als fahrlässig. Die Politik, unter Druck gesetzt von der AfD, habe, so von Dewitz, kein Verständnis für die Bedürfnisse von Unternehmen mehr.
    Quelle: Focus

    Anmerkung JK: Eigentlich geht es dem Unternehmerlager nur darum, dass die industrielle Reservearmee groß genug bleibt, damit der deutsche Niedriglohnsektoren auch der beste bleibt, “ … den es in Europa gibt.“ Umso schöner, wenn man dies hinter einer humanitären Fassade verstecken kann, aber nicht ohne doch zu drohen: Entweder der Zustrom billiger Arbeitskräfte bleibt erhalten oder man verlagert die Arbeitsplätze gleich in Billiglohnländer. Gegenvorschlag: Wie wäre es darauf zu verzichten, auch noch den letzten Cent Profit herauszuquetschen und statt dessen zu beginnen, auch den in „einfacheren Tätigkeiten“ arbeitenden Menschen anständige Löhne zu zahlen? Was ja den Unternehmen auch wiederum helfen würde, denn dann könnten sich die Arbeitnehmer vielleicht auch die Produkte kaufen, die sie herstellen.

  13. Der Westen & Russland – zum Diskurs
    In der aktuellen Ausgabe der vom Londoner Institut für strategische Studien herausgegebenen Zeitschrift Survival findet sich ein Beitrag mit dem Titel „Decisive Response: A New Nuclear Strategy for NATO“ („Entschlossene Reaktion: Eine neue Nuklearstrategie für die NATO“). Darin erinnern Hans Binnendijk, früher unter anderem leitender Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat der USA, und David Gompert, ein ehemaliger stellvertretender US-Außenminister, daran, warum die NATO im Kalten Krieg militärisch auf taktische Kernwaffen angewiesen war – wegen der konventionellen Stärke, ja Überlegenheit der Sowjets in Zentraleuropa, wegen deren „Fähigkeit […] zu einer gewaltigen mechanisierten Offensive gegen die NATO“. Daher drohte diese mit dem Ersteinsatz taktischer Kernwaffen, „wenn konventionelle Verteidigung versagen würde“, um dann so lange zu eskalieren, „bis die Sowjets ihre Aggression beendeten“. Das war die NATO-Nuklearstrategie der so genannten Flexible Response.
    Inzwischen hat sich das militärische Kräfteverhältnis grundlegend gewandelt, was auch den Autoren nicht verborgen geblieben ist: Sehr zutreffend konstatieren sie, dass Russlands „schwache Wirtschaft bewirkt hat, dass es militärisch weit hinter die NATO zurückgefallen ist“. Russlands Verteidigungsausgaben betragen „ein Zehntel der NATO-Ausgaben […]. Mehr noch, Russland kann bei digitaler Technologie, die derzeit der Hauptfaktor zur Erhöhung der militärischen Stärke ist, nicht mit dem Westen mithalten.“ Überdies seien „die USA Russland überlegen bei der Abwehr ballistischer Raketen, weltweiter Spionage, Überwachung und Aufklärung, im Hinblick auf schnelle konventionelle globale Schläge und Anti-Satelliten-Kapazitäten“.
    Wer nun im Umkehrschluss allerdings meinte, damit dürfte sich die Abhängigkeit der NATO von taktischen Kernwaffen für den Fall eines militärischen Konfliktes mit Russland drastisch verringert haben, der wird – und das ist das eigentliche Anliegen des Beitrages – umgehend eines Besseren belehrt. Denn nun ist es gerade die ausgemachte militärische Schwäche Russlands, derentwegen die NATO (nach Anzahl und Einsatzmöglichkeiten) genügend taktische Kernwaffen in und für Europa vorhalten muss. Wegen seiner Schwäche nämlich könnte Russland versucht sein, bei einem Griff nach dem Baltikum die Drohung mit atomarem Ersteinsatz als Mittel zu benutzen, um die NATO von ernsthafter Gegenwehr abzuhalten. Mit anderen Worten, hier denen von Binnendijk und Gomper. „Warum braucht die NATO noch Kernwaffen? […] schlicht und ergreifend, um Russland vom nuklearen Ersteinsatz abzuschrecken.“
    Zynisch zuspitzt: Ob stark oder schwach, völlig egal – solange die Russen einfach nur existieren, muss die NATO sie nuklear in Schach halten.
    Quelle: Das Blättchen
  14. Hongkong, China & die Menschenrechte
    Dieses Statement des Anwalts und Chinaexperten Rolf Geffken rechnet ab mit dem durch westliche Medien verbreiteten Vorurteilen in Bezug auf die Volksrepublik China und Hongkong. Menschenrechte werden seit Jahrzehnten in Hongkong verletzt aber es sind vor allem die sozialen Grundrechte, die die Tycoons Hongkong seit der britischen Kolonialherrschaft verletzen. Vom Stopp des Auslieferungsgesetzes hingegen profitieren vor allem die aus der Volksrepublik China geflohenen Wirtschaftskriminellen.
    Das “Theater” um den “Protagonisten” Joshua Wong wurde nach Erstellung des Videos noch getoppt durch die Kampagne der BILD-Zeitung, die an einem Tag vermeldete, “Chinas Schergen” hätten ihm die Ausreise zum Fest der BILD in Berlin verweigert, um dann am anderen Tag zu vermelden, er nehme an dem Fest bereits teil.
    Quelle: weltnetzTV via youtube
  15. Jeremy Corbyn: Die alternative Thronrede der Labour-Party
    Erneuerung und Transformation Britanniens
    Am Montag erleben wir eine Farce. Johnsons konservative Regierung legt mit Pomp und Gloria dem Parlament eine Agenda vor, die sie nicht umzusetzen gedenkt und die sie auch nicht umsetzen kann. Denn diese Regierung wird keine Gesetze im Parlament durchbringen.
    Zur parlamentarischen Mehrheit fehlen ihr 45 Stimmen. Sie hat bisher alle Abstimmungen im Unterhaus verloren. Und sie strebt Neuwahlen an, durch die die Sitzungsperiode, die jetzt von der Königin eröffnet wird, umgehend wieder beendet wird. Eine Thronrede direkt vor einer Parlamentswahl zu veranlassen, ist ein zynischer Trick.
    Johnson instrumentalisiert die Königin als Sprachrohr für das Wahlprogramm der Konservativen Partei. Es ist noch nicht lange her, als Johnson so tat, als wolle er keine Wahl. Jetzt tut er so, als wäre es die Labour Party, die keine Neuwahlen will. Das erfordert eine direkte Antwort: Premierminister, Sie haben das Vertrauen in ihre Gesetzestreue verspielt. Wir können Ihnen nicht trauen, dass Sie die Zeit eines Wahlkampfes nicht dazu nutzen, um unser Land mit einem Brexit ohne Vertrag über die Klinge springen zu lassen, was unsere Wirtschaft zerstören, Arbeitsplätze und Industrien vernichten, einen Mangel an Medikamenten und Lebensmitteln verursachen und den Frieden in Nordirland gefährden wird.
    Es ist ganz einfach: Setzen Sie das Gesetz um, nehmen Sie den No-Deal-Brexit vom Tisch und lassen Sie uns dann die vorgezogenen Wahlen durchführen. Wir sind dazu bereit und sehen dem gern entgegen. Dass wir bisher noch nicht zugestimmt haben, hat einen einzigen Grund: Sie sind für uns nicht glaubwürdig.
    Quelle: Sozialismus.deAktuell
  16. Buchtipp: Gilets Jaunes – Anatomie einer ungewöhnlichen sozialen Bewegung
    Die französischen Gelbwesten sind anders als die herkömmlichen sozialen Bewegungen. Sie kamen überraschend für alle anderen politischen Kräfte, einschließlich der französischen Linken. Auch ihre Aktionsformen und internen Strukturen unterscheiden sich in vielerlei von klassischen Protestbewegungen. Insgesamt sind sie Ausdruck der sozialen und politischen Krise des neoliberalen Kapitalismus. Dementsprechend wird die Bewegung auch massiv bekämpft, u.a. durch polizeiliche Repression und durch Diffamierung seitens staatstragender Politiker und Medien. Doch die Mehrheit der Bevölkerung sympathisiert trotz alldem mit ihren Zielen. Der Band vereinigt Beiträge deutscher und französischer Autorinnen und Autoren. Analysiert werden die soziale Zusammensetzung der Bewegung, ihr politisches Selbstverständnis, ihre Programmatik und ihre Aktionsformen. Die Reaktionen der Regierung und der anderen Akteure werden ebenso beleuchtet wie der Vorwurf, von rechts unterwandert oder gar antisemitisch zu sein. Schließlich werden die strategischen Probleme der Bewegung und ihre Chancen thematisiert.
    Quelle: Papy Rosa Verlag

    Anmerkung JK: Dieser Sammelband versammelt Beiträge französischer Aktivisten und Sozialwissenschaftler zu den Gelbwesten und hilft, das in den deutschen “Qualitätsmedien” verzerrt und abwertend wiedergebene Bild der sozialen Proteste in Frankreich zu korrigieren. Gerade auch Teilen der Linken und Grünen, die den Widerstand gegen die neoliberale Agenda Macrons leichtfertig als rechts und nationalistisch abqualifizierten, sei die Lektüre besonders empfohlen. Andere Leserinnen und Leser finden interessante Hintergrundinformationen zu den Gelbwesten-Protesten vor allem aus französischer Sicht.

  17. Der gläserne Zuschauer: Amazons Fire TV trackt seine Nutzer
    Forscher der Universität Princeton haben herausgefunden, dass die Streamingboxen von Amazon und Roku die Erstellung umfangreicher Nutzerprofile erlauben und teils sensible Daten an Drittfirmen senden.
    Was Nutzer wann schauen, ist für viele Firmen dank der Offenherzigkeit der Systeme von Amazon und Roku, dem Hersteller des Streaming-Sticks von Sky, nahezu transparent. Das zeigt eine Untersuchung der Universität Princeton, bei der deren Forscher über 2.000 Streaming-Kanäle der beiden Anbieter untersucht haben und deren Titel vielsagend „Watching you watch“ lautet. Die Studie steht als PDF in englischer Sprache an dieser Stelle bereit.
    So konnte bei 89 Prozent der Kanäle des Amazon Fire TV, sowie bei 69 Prozent der Kanäle auf Roku eine Kommunikation mit bekannten Trackern, vor allem von Google und Facebook, nachgewiesen werden. Zusätzlich kommuniziert das Fire TV umfangreich mit Amazons eigener Werbeplattform.
    Damit ist es den Empfängern der so bereitgestellten Daten sehr einfach möglich, detaillierte Profile zu den Sehgewohnheiten einzelner Nutzer zu erstellen und so das Werbe-Targeting passgenau zu betreiben. Bis zu 60 Tracker wurden dabei durch manche Kanäle angesprochen.
    Unter der den übermittelten Informationen fanden die Forscher teils nicht nur den Standort der Boxen, sondern auch die Gerätenummer und MAC-Adresse, sowie die Titel der Videos und etwa vorhandene WLAN-Kennungen. Dabei erfolgte die Übermittlung teils unverschlüsselt über das HTTP-Protokoll.
    Auch das Abschalten der personalisierten Werbung, die sowohl Amazon wie auch Roku erlauben, änderte am Verhalten der Streamingboxen nicht viel. Sämtliche Informationen, die für die Identifizierung der Geräte nötig sind, werden dennoch übertragen. Allein die Werbung als solche wird nicht länger personalisiert.
    Quelle: t3n

    Anmerkung JK: Jetzt soll aber bitte niemand überrascht sein.

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