Der Papst will Atomwaffen abschaffen und dafür nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten

Der Papst will Atomwaffen abschaffen und dafür nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten

Der Papst will Atomwaffen abschaffen und dafür nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten

Rüdiger Göbel
Ein Artikel von Rüdiger Göbel

Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in Nagasaki die Abschaffung von Atomwaffen gefordert und Waffenexporte als „himmelsschreiendes Unrecht“ angeprangert. Auch Heiko Maas ist für atomare Abrüstung, die in Büchel gelagerten US-Bomben will der deutsche Außenminister aber behalten. In den USA sind derweil sieben Friedensaktivisten wegen einer Protestaktion auf einem Nuklearwaffenstützpunkt verurteilt worden. Sie sehen mehrjährigen Haftstrafen entgegen. Von Rüdiger Göbel.

Atomwaffen sind ein „Anschlag auf die Menschheit“, erklärte Papst Franziskus am Sonntag in der japanischen Stadt Nagasaki, ihr Besitz grundsätzlich zu verurteilen. „Eine Welt in Frieden und frei von Atomwaffen ist das Bestreben von Millionen von Männern und Frauen überall auf der Erde.“ Die Metropole war sorgfältig ausgewählt für die wichtige Friedensbotschaft des katholischen Kirchenoberen. Am 9. August 1945 hatte ein US-Flugzeug eine Atombombe über deren Zentrum abgeworfen und mehr als 70.000 Menschen getötet. Eine erste Atombombendetonation drei Tage zuvor in Hiroshima hatte 140.000 Menschenleben gefordert.

„Dieser Ort macht uns tiefer bewusst, welchen Schmerz und Schrecken wir Menschen einander zuzufügen fähig sind“, erklärte Papst Franziskus im Atomic Bomb Hypocenter Park, wo er am zehn Meter hohen Denkmal einen Gedenkkranz niederlegte, den ihm Überlebende des vor 74 Jahren verübten Kriegsverbrechens zuvor überreicht hatten. Die Grundsatzerklärung des Papstes war erstmals am Rande der UN-Generalversammlung im September angekündigt worden (siehe hier) und rückt ab von früheren Erklärungen des Vatikan, die den Besitz von Atomwaffen noch abgesegnet hatten.

„Der Besitz von Atomwaffen und anderer Massenvernichtungswaffen ist nicht die geeignete Antwort auf den Wunsch nach Frieden und Stabilität“, bekräftigte Papst Franziskus in Nagasaki. Frieden könne „nicht auf die Angst vor gegenseitiger Zerstörung aufgebaut werden”. Die Welt lebe in der „abartigen Dichotomie, Stabilität und Frieden auf der Basis einer falschen, von einer Logik der Angst und des Misstrauens gestützten Sicherheit verteidigen und sichern zu wollen. Am Ende vergiftet sie die Beziehungen zwischen den Völkern und verhindert jeden möglichen Dialog.“

Scharf kritisierte das Oberhaupt der Katholiken das globale Wettrüsten. Dieses vergeude “wertvolle Ressourcen, die doch zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung der Völker und des Umweltschutzes verwendet werden könnten“. Und weiter: „In der Welt von heute, wo Millionen von Kindern und Familien unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, ist es ein himmelschreiender Anschlag, wenn für die Herstellung, die Modernisierung, den Erhalt und den Verkauf von Waffen mit immer stärkerer Zerstörungskraft Gelder ausgegeben und damit Vermögen erzielt werden.“

Um das Ideal einer „Welt in Frieden und frei von Atomwaffen“ Wirklichkeit werden zu lassen, sei die Beteiligung aller notwendig, so der Papst: „Einzelne, Religionsgemeinschaften, die Zivilgesellschaft, die Staaten im Besitz von Atomwaffen und atomwaffenfreie Staaten, private und militärische Bereiche sowie die internationalen Organisationen. Unsere Antwort auf die Bedrohung durch Nuklearwaffen muss gemeinsam und konzertiert sein und auf dem mühsamen, aber beständigen Aufbau gegenseitigen Vertrauens beruhen, das die Dynamik des gegenwärtig vorherrschenden Misstrauens durchbricht.“

Franziskus beklagte die derzeitige „Erosion des Multilateralismus“ und forderte neue Anstrengungen für Abrüstung: „Ich bitte die politischen Verantwortungsträger, nicht zu vergessen, dass Nuklearwaffen uns nicht vor den Bedrohungen für die nationale und internationale Sicherheit in unserer Zeit schützen.“ Konkret erinnerte der Papst an seinen Amtsvorgänger Paul VI., der schon im Jahr 1964 vorgeschlagen hatte, „den notleidenden Völkern durch einen Weltfonds zu helfen, der zum Teil aus den Ausgaben für Rüstungszwecke gespeist wird“ – Tatsächlich haben allein die USA für die Modernisierung und Aufstockung ihres Atomwaffenarsenals in den kommenden Jahren 1000 Milliarden US-Dollar eingeplant. Auf 1000 Milliarden US-Dollar belaufen sich mittlerweile die Ausgaben der NATO-Mitglieder für Militär und Aufrüstung. Jahr für Jahr.

Der päpstliche Appell zur atomaren Abrüstung kommt nur vier Wochen, nachdem ein Gericht in Brunswick im US-Bundesstaat Georgia sieben Aktivisten der katholischen Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ für schuldig befunden hatte, weil sie an einer Protestaktion gegen Atomwaffen der US-Kriegsmarine teilgenommen haben (siehe hier). Eine zwölfköpfige Jury hatte nach nur vier Verhandlungstagen alle Angeklagten in allen Anklagepunkten für schuldig befunden: „Verschwörung“, „Zerstörung“ von Eigentum an der Kings-Bay-Marinebasis und „Verwüstung von Staatseigentum“ sowie das geringere Vergehen „unbefugtes Betreten“ eines Militärgeländes. Die Hintergründe ihrer Protestaktion am 4. April 2018, dem 50. Jahrestag der Ermordung von Martin Luther King, die existentielle Bedrohung durch Atomwaffen wie die in der Kings-Bay-Marinebasis gelagerten Trident-Interkontinentalraketen, durften vor Gericht nicht vorgetragen werden. Das Strafmaß soll in vier bis acht Wochen verkündet werden. Den „Kings Bay Plowshares Seven“ (#KBP7) – Clare Grady (60), Patrick O‘Neill (60) und Carmen Trotta (56), Pater Steve Kelly (70), Mark Colville (57), Martha Hennessy (62) und Elizabeth McAlister, die vor einer Woche ihren 80. Geburtstag feierte – drohen jeweils bis zu 25 Jahre Gefängnis.

Den Papstappell von Nagasaki nach globalen Anstrengungen für die Abschaffung von Atomwaffen vorwegnehmend, erklärte Martha Hennessy nach dem Schuldspruch: „Die Waffen sind noch immer da. Wir müssen es weiter versuchen. Wir haben keine andere Wahl.“

Doppelmoral aus dem Discountladen“, wie es die LINKE-Politikerin Sevim Dagdelen nennt, hat dagegen Bundesaußenminister Heiko Maas am vergangenen Freitag geliefert. Bei seinem Besuch in Hiroshima warb der deutsche Chefdiplomat für eine atomwaffenfreie Welt – um im gleichen Atemzug zu bekunden, dass er die in Deutschland gelagerten US-Atombomben behalten will. Maas geht damit auf Distanz zu seinem Amtsvorgänger Guido Westerwelle, der sich für den Abzug der im rheinland-pfälzischen Büchel gelagerten Massenmordwaffen engagiert hatte, wie auch zu Martin Schulz, der als SPD-Kanzlerkandidat im Bundestagswahlkampf 2017 den Abzug der US-Atombomben gefordert hatte.

Die Abrüstungslogik von Heiko Maas geht so: „Es nützt nichts, wenn Atomwaffen von einem Land in das andere verschoben werden. Wenn sie verschwinden sollen, dann sollen sie überall verschwinden. Wir brauchen, was die atomare Abrüstung angeht, vor allen Dingen Vereinbarungen auf breiter Basis, nicht nur in einzelnen Ländern.“

Eine solche Orientierung auf den Sankt Nimmerleinstag weist Sevim Dagdelen, abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zurück: „Statt mit gutem Beispiel bei der Abrüstung voranzugehen, unterstützt die Bundesregierung mit ihrem folgenlosen Gerede den atomaren Aufrüstungswahnsinn der USA, die eine Billion Dollar für die Modernisierung ihrer Massenvernichtungswaffen ausgeben. Nur wer selbst bereit ist, auf Atomwaffen zu verzichten, kann von anderen verlangen, dass sie dies auch tun. DIE LINKE fordert den Beitritt Deutschlands zum UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen und den Abzug der in Deutschland gelagerten Nuklearwaffen.“

Titelbild: AM113/shutterstock.com

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