Hinweise des Tages (2)

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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Staatshaushalte: Zu viele Schwaben; Die Exportmaschine läuft; Ein Hauch von Feudalismus; Europa und die Mafien; Köhler, Die dunkle Seite des iPads. (KR)

  1. Staatshaushalte: Zu viele Schwaben
  2. Defizitabbau und Regulierung: USA attackieren deutschen Sparkurs
  3. Kommentar von Robert von Hesuinger zur Bankenkrise: Zurück auf Los
  4. Die Exportmaschine läuft
  5. Ein Hauch von Feudalismus
  6. Kerosinsteuer: Krabben lieber in Deutschland pulen
  7. Bildungssparen: Uni Lübeck vor dem Aus
  8. Lidl fordert gesetzlichen Mindestlohn im Handel
  9. Große Einkommensunterschiede: Ärzte bestreiten Geldsegen
  10. Mephistopheles Köhler
  11. Europa ist nicht vorbereitet
  12. Die dunkle Seite des iPads

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Staatshaushalte: Zu viele Schwaben
    Auf die Schuldenwelle folgt die Sparwelle. Von London bis Rom, von Lissabon bis Berlin setzen Europas Regierungen den Rotstift an. Es mag innenpolitische und verfassungsrechtliche Gründe geben, auch hierzulande zu sparen. Doch wenn die Kanzlerin das hiesige Konsolidierungspaket als Beitrag zur Sicherung der Stabilität des Euro verkauft, dann liegt sie damit daneben. Genau das Gegenteil ist richtig. Aus europäischer Perspektive müsste sich die Bundesregierung mit der Konsolidierung Zeit lassen. In Deutschland ist bei der Binnennachfrage noch Luft nach oben. Wenn die anderen mehr sparen, müssen wir mehr ausgeben. Sonst herrscht in Europa Stillstand – beziehungsweise die Deflation.
    Quelle: ZEIT

    Siehe auch:

    Sparen ist eine schlechte Idee
    Quelle: ZEIT-Blog Herdentrieb

  2. Defizitabbau und Regulierung: USA attackieren deutschen Sparkurs
    Scharfe Töne von US-Finanzminister Geithner: Statt zu sparen und den Finanzmarkt zu regulieren, solle Wolfgang Schäuble lieber für Konsum sorgen – und sich China zum Vorbild nehmen. Nach dem forschen Auftritt Geithners ist klar: Deutschland und die USA kommen mit unterschiedlichen Positionen zum Finanzgipfel der G20-Staaten Ende Juni in Kanada. Die Differenzen über den Defizitabbau konnten Geithner und Schäuble ebenso wenig ausräumen wie den Streit über die richtige Regulierung. In der Sache habe es keine Annäherung gegeben, hieß es nach dem Treffen in deutschen Regierungskreisen. Damit sinkt die Hoffnung, dass der G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs substanzielle Fortschritte bringt.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich kann nicht genug vor der zu erwartenden Sparorgie von Schwarz/Gelb gewarnt werden, dennoch ist man doch etwas erschrocken über die ökonomische Unbedarftheit des amerikanischen Finanzministers. Was soll dieser Vergleich mit China. China ist doch ein weiteres gutes Beispiel dafür, daß das Wachstum und die Exporterfolge nicht in der Weise bei der Masse der Bevölkerung ankommen, wie es möglich wäre. Von 1978 bis 2005 lag Chinas durchschnittliche Konsumquote bei 58,5 Prozent und damit niedriger als die globale Konsumquote von 76 Prozent in diesem Zeitraum. 2008 sank die Konsumquote der priv. Haushalte auf ca. 35%. China ist ein Produktionsriese, aber ein Konsumzwerg. Wenn jetzt von diesem Niveau aus stärkere Wachstumsraten des privaten Konsums in China zu registrieren sind, ist der Hinweis auf das chinesische Beispiel lächerlich. Da könnte Geithner auch fordern, wir sollten uns an der chinesischen Lohnentwicklung orientieren. Immerhin verzeichnete die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem “Globalen Lohnreport 2008/2009” zwischen 2001 und 2007 in China ein jährliches Lohnplus von knapp 13 Prozent. Stellt sich die Frage, ob wir auch mit dem derzeitigen Niveau leben könnten, ob wir auch mit einem Jahreseinkommen von etwa 2150 Euro in der Mitte und. dem Westen des Landes bzw. 5350 Euro in den Küstenprovinzen zufrieden wären. – Es kann nicht oft genug davor gewarnt werden, Wachstumsraten zum Ausgangspunkt einer Analyse zu machen, ohne das Ausgangsniveau zu kennen.

  3. Kommentar von Robert von Hesuinger zur Bankenkrise: Zurück auf Los
    Dem Chef der Staatsbank KfW sei Dank. Ulrich Schröder traut sich Unpopuläres auszusprechen: Den Banken geht es schon wieder schlecht. Die Eurokrise hat den Prozess der Normalisierung unterbrochen. Die Banken sind ungefähr wieder dort gelandet, wo sie vor einem Jahr standen. Das Misstrauen ist zurück, die Risikoprämien steigen wieder kräftig. Seit vier Wochen hat es keine deutsche Bank mehr geschafft, sich am Kapitalmarkt über die Ausgabe von normalen Anleihen Geld zu besorgen. Warum? Weil die Sorge, dass die Banken heftige Abschreibungen auf Anleihen von südeuropäischen Staaten vornehmen müssen, die anderen Banken und Anleger vor der Kreditgewährung zurückschrecken lässt. Dieser Stress im Finanzsystem wird die Realwirtschaft mit einer kleinen Zeitverzögerung treffen. – Der Rettungsschirm für Euroland hat nur Schlimmeres verhindert. Heute muss sich Deutschland mit seinen Partnern auf einen glaubwürdigen Plan für die Währungsunion 2.0 einigen.
    Quelle: FR
  4. Die Exportmaschine läuft
    Deutschlands Handelsüberschuss steigt – auch auf Kosten der Euro-Krisenstaaten. Dabei bräuchten gerade diese Länder dringend Mehrerlöse, um der Schuldenfalle zu entrinnen. Nach einer Studie der Deutschen Bank werden dort die Schulden bis 2013 auf 150 Prozent des BIP steigen, selbst wenn Hellas die Sparauflagen der EU buchstabengetreu befolgt. Die hohen Schulden allein sind jedoch nicht das Problem, schließlich liegen sie in Japan sogar bei fast 200 Prozent der Wirtschaftsleistung. Doch sind die Gläubiger Tokios fast nur Japaner. Das Problem von Staaten wie Griechenland oder Portugal dagegen ist: Die Gläubiger, die die Zinsen kassieren, sitzen zumeist im Ausland. Die hohen Schulden führen daher zu einem gigantischen Geldabfluss jedes Jahr. Einen Zins von fünf Prozent angenommen, müsse Griechenland einen Betrag ins Ausland transferieren, der sechs Prozent seiner Wirtschaftsleistung entspreche, hat die Deutsche Bank errechnet. Geld
    fließt also permanent ab. Gleichzeitig kommt aus dem Handel keines hinzu. Im Gegenteil, im Außenhandel beträgt Griechenlands Defizit weitere sieben Prozent der Wirtschaftsleistung.
    Quelle: FR
    Quelle: Destatis
  5. Ein Hauch von Feudalismus
    Damit der Bund nicht pleite geht, verkauft er schon mal Äcker, Wälder und Gewässer. Vor allem im Osten. »Die Linke« sieht deshalb ein neues »Junkertum« heraufziehen.
    Quelle: Jungle World
  6. Kerosinsteuer: Krabben lieber in Deutschland pulen
    Zu viele teure und unnötige Transportwege: Bundespräsident Horst Köhler pocht auf Steuern für Flugbenzin und mehr Wettbewerb im Verkehr.
    Quelle: SZ

    Anmerkung KR: Ausnahmsweise einmal etwas von Köhler, dem man zustimmen kann und das ihm nicht versehentlich passiert ist. Es wird aber wohl weder Beachtung finden und noch irgendeine Wirkung zeigen.

  7. Bildungssparen: Uni Lübeck vor dem Aus
    Die schwarz-gelbe Landesregierung streicht das Lübecker Medizinstudium – und killt damit wohl die ganze Uni. Aus Finanznot will Schleswig-Holstein die teure Ärzte-Ausbildung zerschlagen und die Uni-Kliniken alsbald an Investoren verkaufen. Jetzt geht in Lübeck die Angst um.
    […]
    Die schwarz-gelbe Regierungskoalition unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat ein strukturelles Defizit in Höhe von 1,25 Milliarden Euro ausgemacht. Schuld daran ist vor allem das Debakel um die HSH-Nordbank – die Bank im Besitz der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg hatte sich in der Finanzkrise verzockt, die Länder mussten mit
    Milliarden an Steuergeld einspringen. Dafür soll nun auch die Medizin an der Uni Lübeck bluten. Von 2011 an sollen jährlich um 125 Millionen Euro des Defizits abgebaut werden, sagte Carstensen – und ein großes Stück Fleisch will der Ministerpräsident jetzt aus der medizinischen Hochschulbildung herausschneiden.
    Quelle: SPIEGEL
  8. Lidl fordert gesetzlichen Mindestlohn im Handel
    Die Billig-Supermarktkette Lidl fordert die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns im Handel. Mindestlöhne im Handel seien „wichtig und richtig“, sagte Klaus Gehrig, Chef der Unternehmensgruppe Schwarz, zu der Lidl gehört, der „Lebensmittelzeitung“.
    Die Chancen beurteilte er jedoch skeptisch: Es gebe eine große Zahl von Unternehmen. Auch die Gewerkschaft tue sich schwer, die Festlegung auf Mindeststandards durchzusetzen. Er halte deshalb eine gesetzlich Regelung für nötig, sagte der Chef der Schwarz-Gruppe.
    Es gebe Wettbewerber in der Branche, deren „ganzes System auf Niedrigstlöhnen“ aufgebaut sei und die 50 Prozent ihrer Belegschaft oder mehr geringfügig beschäftigten – zu Stundenlöhnen von fünf oder sechs Euro. „Ich halte das für nicht akzeptabel“, sagte Gehrig der Zeitung. Der Handel brauche eine Lohnuntergrenze, um die Wettbewerbsgleichheit in der Branche zu sichern, sagte Gehrig. Hintergrund sei, dass die Flächentarifverträge nicht mehr allgemein verbindlich seien.
    Quelle: WELT
  9. Große Einkommensunterschiede: Ärzte bestreiten Geldsegen
    Die Ärzteverbände sind empört. “Was die Krankenkassen da machen, ist nicht in Ordnung”, erregt sich der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl. “Ich habe überhaupt keine Ahnung, wie die auf diese Zahlen kommen”, so Stahl gestern.
    Allerdings sind die nun vom Spitzenverband genannten Zahlen plausibel. Denn sie setzen auf Erhebungen des Statistischen Bundesamtes auf, das zuletzt im Jahr 2007 die Honorare per repräsentativer Befragung ermittelt hatte. Damals betrug der Reingewinn je Praxisinhaber im Schnitt 142000 Euro. Spitzenreiter waren die Radiologen mit 264000 Euro, am Ende standen die Allgemeinmediziner mit durchschnittlich 116000 Euro.
    Quelle: FR
  10. Mephistopheles Köhler
    Natürlich, es geht bei allen diesen Militäreinsätzen primär um die direkten und indirekten Interessen der deutschen Wirtschaft und ganz profan um Macht. (…) Kriege werden nie aus altruistischen Gründen geführt, es geht nicht um Brunnen, Schulen oder gar Frauenrechte. Bestenfalls spielen utilitaristische Motive eine Rolle und die Brunnen, Schulen und Frauenrechte fallen als positive Kollateralschäden bei der eigenen Nutzenmaximierung ab. Die Kriege des Westens werden nicht wegen der Freiheit der Menschen, sondern wegen der Freiheit der Märkte geführt.
    (…)
    Köhler hat mit seiner Aussage wahrscheinlich mehr für die Anti-Kriegs-Bewegung getan, als es tausende Leitartikel in linksalternativen Medien je tun könnten. Kein Wunder, dass die bellizistischen Kommentatoren der Qualitätsmedien nun vor Wut schäumen. Ein wunderbares Beispiel für den „Mephisto-Effekt“ – unser ehemalige Sparkassendirektor ist in diesem Fall ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft.
    Quelle: Spiegelfechter

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der treffenden Analyse Jens Bergers ist in einem Punkt zu widersprechen. Jens Berger schreibt: “Freie Märkte, von denen der Westen maßgeblich profitiert, können jedoch nur in einem politischen System entstehen, das pluralistisch und repräsentativ demokratisch ist. Hinter den Truppen des britischen Empires kamen die Händler. … Ja, wir führen Krieg am Hindukusch, um die zentral- und südasiatischen Märkte und die Handelswege für Brennstoffe unter demokratischer, also marktliberaler, Kontrolle zu halten.” Das Beispiel des unter der Pinochet-Dikatur und den “Chicago-Boys” (Milton Friedman) leidenden Chile ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die aufzeigen, daß Diktatur und “Marktliberalität” durchaus Hand in Hand gehen können.

  11. Europa ist nicht vorbereitet
    Was haben die Morde von Duisburg verändert? Und was macht die Mafiabekämpfung in Italien? Fragen an den Oberstaatsanwalt. Der bekannte Mafia-Ermittler Nicola Gratteri im Gespräch über träge Politiker und wendige Mafiosi.
    Quelle: TAZ
  12. Die dunkle Seite des iPads
    Die Firma produziert in China für den Apple-Konzern. Eine Reihe von Selbsttötungen in der chinesischen Belegschaft zeigt die Arbeitsbedingungen in den Fabriken der Elektronikindustrie.
    Quelle: TAZ

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