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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Therapie für Inflations-Hasen; Staatshaushalte: zu viele schwäbische Hausfrauen; Kritik an Spanien-Rating; Rente mit 70; billige Besenmänner; schon wieder 10 Millionen für Claassen; Variante der Transaktionssteuer; Bertelsmann-Stiftung für Mindestlohn; knallhart gegen Gewalt; Risiko Atommüll; SPD-Mitgliederbefragung; gymnasiale Oberstufe; Gebührenkompass; NRW-FDP wieder im Rennen; peinlich von der ZEIT; Lena-Gratulationsfieber; Wilfried Schmickler – Griechenland. (KR/WL)

  1. Therapie für Inflations-Hasen
  2. Zu viele schwäbische Hausfrauen
  3. Fitch: Herbe Kritik an Spanien-Rating
  4. Die „Griechen“ Amerikas
  5. Rente mit 70
  6. Billige Besenmänner
  7. Claassen erhielt zehn Millionen Euro Antrittsprämie
  8. Studie der RWTH Aachen: Chancen einer Finanztransaktionssteuer mit Komplexitätsprogression
  9. Bertelsmann-Stiftung plädiert für Mindestlohn
  10. Knallhart gegen Gewalt
  11. Risiko Atommüll
  12. Mitgliederbefragung: SPD-Basis stellt Parteispitze miserables Zeugnis aus
  13. Die neu geordnete gymnasiale Oberstufe auf dem Prüfstand der empirischen Bildungsforschung
  14. Gebührenkompass 2010
  15. Staatlich initiierte Studienkredite beherrschen den Markt weitgehend
  16. NRW-FDP wieder im Rennen
  17. Die Theorie vom sanften Krieg
  18. Peinlich von der ZEIT
  19. Politiker im Lena-Gratulations-Fieber
  20. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler – Griechenland

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Therapie für Inflations-Hasen
    Seit der Euro-Rettung redet sich Deutschland in die Hyperinflation. Warum alle Vergleiche mit Weimar hinken, erklärt Robert von Heusinger: Wer heute auf die Zinssätze der liquidesten Staatsanleihen der Welt schaut, wer heute internationalen Ökonomen lauscht, ihre Einschätzungen liest, der weiß: Deflation ist derzeit international das Topthema. Nur eben nicht in Deutschland.“
    Quelle: FR
  2. Zu viele schwäbische Hausfrauen
    1. Europa im Fehler-Loop
      Die Politik reagiert falsch auf die drohenden Staatspleiten. Bis auf Berlusconi. Ausgerechnet in Berlusconis Italien werden nun die reichen Steuersünder verfolgt und als Pfand die ersten Luxusjachten beschlagnahmt. Diese Idee sollte Deutschland abgewandelt sofort übernehmen. Auch hierzulande gehen Milliarden an Steuereinnahmen verloren, weil selbst Millionäre nur selten von den Finanzämtern überprüft werden. Es fehlen etwa 3.000 Betriebsprüfer und 500 Steuerfahnder, obwohl jeder von ihnen rund 700.000 Euro im Jahr eintreiben würde.
      Sehr zu begrüßen wäre auch die Finanztransaktionssteuer, die nun selbst von CDU-Finanzminister Schäuble vertreten wird und die für Deutschland etwa 11,8 Milliarden Euro bringen würde.
      Quelle: TAZ
    2. Interview mit Peter Bofinger: “Höhere Defizite können sich lohnen”
      Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger erklärt im FR-Interview, warum Deutschland alles andere als ein Vorbild für andere Staaten ist – und warum die deutschen Defizite nicht zu hoch, sondern zu niedrig sind.
      Herr Professor Bofinger, Deutschland muss sparen. Denn, so sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Fühlen Sie sich angesprochen?
      Nicht direkt. Wer ist überhaupt mit “wir” gemeint? Die Ökonomen? Die Arbeitnehmer? Die Unternehmen? Der Staat? Die Arbeitslosen?
      Alle zusammen.
      Also die deutsche Wirtschaft insgesamt hat in den vergangenen zehn Jahren keineswegs über ihren Verhältnissen gelebt. Sondern unter ihren Verhältnissen. Und zwar massiv.
      Woran erkennen Sie das?
      Am Leistungsbilanzüberschuss. Das ist der Betrag, der übrig bleibt, wenn man sämtliche Einnahmen eines Landes addiert und davon sämtliche Ausgaben abzieht. Abgesehen von China gab es in den vergangenen Jahren kein Land, das so hohe Leistungsbilanzüberschüsse erzielt hat wie Deutschland – sprich: kein Land, das so viel Geld aus dem Ausland eingenommen und so wenig dort ausgegeben hat. Und wer viel einnimmt und wenig ausgibt, der lebt unter seinen Verhältnissen.
      Aber dennoch hat der deutsche Staat hohe Schulden…
      Sicher, der Staat hat über seinen Verhältnissen gelebt. Deshalb sind seine Schulden gestiegen. Gleichzeitig aber haben die deutschen Unternehmen und Haushalte sehr viel mehr Geld gespart, als der Staat an Schulden gemacht hat. Daher hat Deutschland unter seinen Verhältnissen gelebt. Um das klarzustellen: “Über den Verhältnissen leben” bedeutet, dass eine Volkswirtschaft mehr ausgibt als sie einnimmt. “Unter den Verhältnissen” heißt das Gegenteil. Ob das eine oder andere vorliegt, erkennt man am Leistungsbilanzsaldo: Überschuss oder Defizit? Denn mehr oder weniger ausgeben kann eine nationale Volkswirtschaft als Ganze nur gegenüber dem Ausland. Und da verzeichnet Deutschland derzeit die höchsten Überschüsse.
      Quelle: FR

      Anmerkung KR: Für NDS-Leser nichts Neues. Vielleicht aber als Lesetipp brauchbar, wenn Sie jemanden kennen, der Merkel auf den Leim zu gehen droht.

  3. Fitch: Herbe Kritik an Spanien-Rating
    Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit Spaniens von der Bestnote “AAA” um eine Stufe auf “AA+” herabgestuft. Als Grund nannte Fitch Ratings am Freitagabend unter anderem die drastischen Sparbeschlüsse, mit denen die Regierung in Madrid die hohe Verschuldung drücken will. Dies werde das Wirtschaftswachstum in Spanien mittelfristig bremsen. Der Berliner Wirtschaftsökonom Michael Burda kritisierte die Herabstufung: “Das verschärft die Krise. Und es erschwert das, was Spanien tun muss”, sagte der Ökonom, der an der Berliner Humboldt- Universität Wirtschaftslehre unterrichtet, dem Berliner “Tagesspiegel am Sonntag”. “Das Timing könnte nicht schlechter sein.” Der Ökonom fordert mehr Wettbewerb unter den Ratingagenturen und macht sich für die Gründung staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen stark.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Sparen wir nicht, werden wir herabgestuft, sparen wir, werden wir ebenso herabgestuft. Da kenne sich noch einer aus. Es verbleiben nur noch verschwörungstheoretische Ansätze. Sind die gegen den Euro spekulierenden Hedgefonds so verzweifelt, dass sie auf die großen Ratingagenturen Einfluss nehmen? Der Euro will einfach nicht auf das Kursziel ein Euro gleich ein Dollar sinken. Dass nur US-amerikanische Ratingagenturen existieren, ist auf jeden Fall ein sehr ungesunder Zustand. Höchste Zeit für eine europäische Alternative!

  4. Die „Griechen“ Amerikas
    Die Mehrzahl der US-Bundesstaaten kämpft mit einem chronischen Defizit. Nebraska stellt die Auflösung der Hälfte seiner 93 Bezirke zur Disposition, Georgia beschloss drastische Kürzungen im Kulturbereich und Missouri hat eine Prämie für die besten Sparideen ausgelobt. Mal mit der Brechstange, mal mit fiskalischer Fantasie: In ihrer Not entwickeln die US-Bundesstaaten mehr oder weniger überraschende Spartugenden. Auf Hawaii haben die Sommerferien heuer um zweieinhalb Wochen früher begonnen. Auf dem Festland droht zehntausenden Lehrern die Entlassung. Bisher haben sich US-Bundesstaaten oft mit Winkeladvokatentricks und Buchhalterfinessen über ihr Defizit hinübergeschwindelt. Während Finanzminister Timothy Geithner in Europa für das US-Modell wirbt und an der Wall Street die Angst vor einem Übergreifen der Eurokrise umgeht, rücken die Gouverneure in den USA jetzt überall der Bürokratie zu Leibe, trimmen Sozialleistungen, Gesundheitsprogramme sowie Schuletats und erhöhen die Einkommensteuer. Besonders betroffen sind Kalifornien und Texas. Im Vorjahr hat die Regierung in Sacramento sogar Schuldscheine ausgestellt – eine Erinnerung an die Depression der 1930er-Jahre. Bisher hat Kalifornien, vom britischen „Economist“ als „unregierbar“ tituliert, freilich seinen Kopf stets aus der Schlinge gezogen. Denn trotz aller Unkenrufe erwies sich Kalifornien, immer noch unter den Top Ten der Weltwirtschaft, letztlich als robust. Unter anderem auch deshalb, weil Washington als Retter in der Not eingesprungen ist. 2009 stellte sich der Finanzminister mit einer Finanzspritze von acht Milliarden Dollar ein. Insgesamt spülte der Staat 140 Milliarden Dollar in die maroden Kassen von Alaska bis Florida.
    Quelle: Die Presse.com
  5. Rente mit 70
    1. Empfehlung aus Brüssel: EU-Bürger sollen später in Rente gehen
      Der Entwurf für ein Grünbuch der Kommission empfiehlt die regelmäßige Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Das größte Problem dabei ist Frankreich.
      Die Europäische Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten der EU eine deutliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Das Renteneintrittsalter solle regelmäßig so angehoben werden, dass durchschnittlich nicht mehr als ein Drittel des Erwachsenenlebens im Ruhestand verbracht werde. Ohne ein höheres Rentenalter drohe eine “schmerzhafte Kombination aus geringeren Zahlungen und höheren Beiträgen”, heißt es im Entwurf für ein Grünbuch der Kommission zur Rentenpolitik.
      Mit ihrem Grünbuch, das vor der Sommerpause vorgelegt werden soll, reagiert die Kommission auf die schnellere Alterung der europäischen Gesellschaften. Sie weitet zugleich ihre makroökonomischen Empfehlungen aus. Die Renten machen einen erheblichen Teil der Staatsausgaben aus und spielen daher eine wichtige Rolle bei der nach der Finanzkrise nötigen Haushaltskonsolidierung. Griechenland etwa hat für drei Jahre alle Rentenerhöhungen ausgesetzt
      Quelle: FTD
    2. Und hier eine angemessene Replik:

    3. Rentenvorschlag der EU bedeutet Altersarmut
      Totsparen heißt das Rezept der EU-Kommission für die Rentnerinnen und Rentner in Europa“, kommentiert die stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEN, Sahra Wagenknecht, die Pläne der EU-Kommission, drastische Erhöhungen des Renteneintrittsalters in der EU vorzunehmen. Wagenknecht weiter:
      “Die Pläne der EU-Kommission, das Renteneintrittsalter automatisch so anzuheben, dass nicht mehr als ein Drittel des Erwachsenenlebens im Ruhestand verbracht wird, sind reinster Zynismus. Die EU-Kommission weiß sehr genau, dass das Problem nicht das Renteneintrittsalter ist, sondern der Mangel an Arbeitsplätzen, von dem insbesondere ältere Menschen betroffen sind. Bereits heute wird das offizielle Renteneintrittsalter nur von wenigen Menschen erreicht. Die Pläne der EU-Kommission kommen deshalb einer massiven Rentenkürzung gleich. Profitieren werden einzig die Versicherungskonzerne in Europa, die private Rentenversicherungen anbieten. Private Vorsorge können sich bei Massenarbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und sinkenden Löhnen aber immer weniger Menschen leisten.
      Statt Vorschläge zu erarbeiten, die tiefe Einschnitte in der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten vorsehen, sollte die EU-Kommission europaweite Standards für eine solidarische Finanzierung der Alterssicherung festlegen und sich auf Untergrenzen für die Absicherung von Altersarmut einigen. Was die EU jetzt plant, ist das Gegenteil: ein Verarmungsprogramm für die Rentnerinnen und Rentner in Europa. Wer jedoch die Krise in Europa überwinden will, indem er die Lasten den Schwächsten aufbürdet, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Ablehnung der EU in der Bevölkerung immer weiter steigt.”
      Quelle: Sahra Wagenknecht

      Anmerkung WL: Nach Mitteilung von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union, ist die Arbeitslosigkeit in der Eurozone im Januar 2010 auf 9,9% gestiegen. Im Januar 2009 hatte sie noch 8,5% betragen. In der EU 27 lag die Arbeitslosenquote im Januar 2010 bei 9,5%, im Januar 2009 betrug sie nur 8,0%.
      Eurostat schätzt, dass im Januar 2010 in der EU 27 insgesamt 22.979 Millionen Männer und Frauen arbeitslos waren, davon 15.683 Millionen in der Eurozone.
      Die EU-Kommission sollte sich um die Arbeitslosigkeit kümmern. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bewirkt eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Wer bei hoher Arbeitslosigkeit die Verlängerung der Lebensarbeitszeit fordert, der zielt automatisch auf eine Senkung der Renteneinkommen. Denn alle, die arbeitslos sind, beziehen weniger Rente bzw. wenn sie vor dem Renteneintrittsalter in Rente gehen müssen, dann müssen sie Rentenabschläge hinnehmen.

    4. Dazu auch noch:

    5. Wirtschaftsforschungsinstitut: Rente mit 70 wird bittere Wahrheit
      Arbeiten bis 70 – und zwar nicht erst 2060, sondern schon so früh wie möglich: Diesen Vorschlag der EU-Kommission unterstützt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
      Quelle: FR

      Anmerkung Orlando Pascheit: Weiter so! Warum nicht alle sozialen Grausamkeiten des sparenden Europa zunächst über Brüssel laufen lassen. Man kann dann den “Schwarzen Peter” locker der EU-Kommission zuschieben.

  6. Hartz IV und Bürgergeld: Billige Besenmänner
    Müll sammeln, Wege kehren, Rasen mähen: In einem neuen Programm für “Bürgerarbeit” will die Bundesregierung öffentlich geförderte Jobs für Arbeitslose schaffen – und 230 Millionen Euro investieren.
    Für den Noch-Ministerpräsidenten von Hessen, Roland Koch, ist die Sache eine Herzensangelegenheit: “Wir müssen”, sagt der CDU-Politiker, “jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung.” Die Praxis sieht derzeit noch anders aus. Lediglich gut 300.000 Arbeitslose säubern Wege, reinigen Grünanlagen oder jobben als Übungsleiter in Sportvereinen – und übernehmen so zusätzliche Arbeiten, die im öffentlichen Interesse liegen sollen. Die große Mehrheit der Hartz-IV- Empfänger muss – oder, wie es Koch sagen würde, darf – nichts tun. Das wird die Bundesregierung vom Jahr 2011 an ändern, zumindest ein bisschen.
    Ihr neues Zauberwort heißt “Bürgerarbeit”. Dahinter verbirgt sich ein neuer Versuch, öffentlich geförderte Jobs zu schaffen. Auch dabei geht es um gemeinnützige Stellen für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chancen haben. Der “Bürgerarbeiter” soll Sozialabgaben bezahlen, mit Ausnahme des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. Der Verdienst für die maximal drei Jahre dauernde Tätigkeit beläuft sich monatlich auf 900 Euro brutto, bei 30 Wochenstunden. Der Arbeitgeber, also etwa eine Kommune, eine Kirche oder eine karitative Einrichtung, erhält 180 Euro als Ausgleich für geleistete Sozialbeiträge. Das Geld dafür kommt vom Steuerzahler.
    Auch der Europäische Sozialfonds zahlt nach internen Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, sollen für die Bürgerarbeit jährlich 230 Millionen Euro aus dem Topf für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen fließen. Weitere 200 Millionen Euro kommen vom Europäischen Sozialfonds.
    Quelle: SZ

    Anmerkung KR: Offenbar hat die Krise aus Sicht der Bundesregierung noch zu wenige reguläre Stellen vernichtet.

  7. Claassen erhielt zehn Millionen Euro Antrittsprämie
    Lukrativer Kurzzeit-Job: Nach SPIEGEL-Informationen erhielt Claassen eine sogenannte Antrittsprämie von knapp zehn Millionen Euro brutto. Nach 74 Tagen jedoch verließ er das Unternehmen und strebt nun an, diese Antrittsprämie trotz seines abrupten Abgangs behalten zu können.
    In seinem Fünfjahresvertrag ließ sich Claassen ein monatliches Fixgehalt von 100.000 Euro sowie 40 Tage Jahresurlaub festschreiben. Laut diesem Vertrag durfte er im Umfang von bis zu 25 Prozent Nebentätigkeiten ausüben und im Rahmen dieser Nebentätigkeiten weiterhin entgeltlich für Finanzinvestoren tätig sein.
    Selbst eine pauschale Erstattung für einen Chauffeur und einen Bodyguard ist festgeschrieben. Schließlich ließ sich Claassen zusichern, dass er seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender nicht überwiegend am Geschäftssitz in Erlangen ausüben musste. Er hatte einen Anspruch auf ein “Residence-Office” mit Sekretärin an seinem Wohnort in Norddeutschland. Entsprechend selten war er in seiner kurzen Amtszeit persönlich in Erlangen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Nein, wir sollten uns nicht über die Gier von Managern erregen, sondern über ein System, das so etwas für normal hält und nicht etwa solche obszönen Prämien schlicht wegbesteuert.
    Nur nebenbei: Claassen hat in einer außergerichtlichen Einigung von seinem früheren Arbeitgeber, der Energie Baden-Württemberg (EnBW) bei seinem nicht ganz freiwilligen Ausscheiden 2009 schon 2,5 Millionen Euro Abfindung erhalten.

  8. Studie der RWTH Aachen: Chancen einer Finanztransaktionssteuer mit Komplexitätsprogression
    Wir schlagen … vor, über Modifikationen einer Finanztransaktionssteuer nachzudenken, die zwar vielleicht nicht einfacher umzusetzen sein mag, dafür sich aber aus der rein fiskalisch geprägten Sichtweise entfernt. Es dreht sich nicht darum, wie die gesundheitlich angeschlagene Kuh heute am besten gemolken werden kann, sondern die Kuh nachhaltig so gesund zu machen, dass man sich an den Melkerträgen noch lange erfreuen kann. In der vorliegenden Kurzstudie ist es deshalb unser Anliegen, in der Konzeption der Finanztransaktionssteuer allokationspolitische Überlegungen mit zu berücksichtigen. Mit anderen Worten sollte eine Einführung der Finanztransaktionssteuer nicht nur zu Steuermehreinnahmen führen, sondern gleichzeitig auch das weltweite Finanzsystem stabilisieren. Wie dies durch Einführung einer Komplexitätsprogression innerhalb der Finanztransaktionssteuer möglich ist und welche fiskalischen Konsequenzen sich in einer solchen Konzeption ergeben, wird hier dargestellt.
    Quelle: RWTH Aachen [PDF – 246 KB]
  9. Bertelsmann-Stiftung plädiert für Mindestlohn
    Der Chef der Bertelsmann-Stiftung, Gunter Thielen, ist für die Einführung eines Mindestlohnes. Die Höhe sollte eine Kommission festlegen. Die Zurückhaltung bei Tarifabschlüssen habe dazu geführt, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffne. Der Kuchen müsse jetzt gerechter verteilt werden.
    Thielen: Aus Sicht der Bertelsmann Stiftung ist die Einführung eines moderaten, gesetzlichen und bundesweit einheitlichen Mindestlohnes geboten. Zwar sollte sich der Lohn der Arbeit generell an ihrer Produktivität bemessen. Aber er ist kein Preis wie jeder andere. Es muss gewährleistet sein, dass eine alleinstehende Person durch eine Vollzeitstelle ihren Lebensunterhalt bestreiten kann.
    Quelle: Die Welt Online

    Anmerkung KR: Die Bertelsmann-Stiftung macht Vorschläge, wie der volkswirtschaftliche Schaden begrenzt werden kann, den die SPD mit der Agenda 2010 angerichtet hat – und zu der sie von der Bertelsmann-Stiftung angestiftet worden war.

    Ergänzende Anmerkung R.S.: Man müsste allerdings kritisch hinterfragen, was mit den Personen ist, die noch eine Familie zu ernähren haben und nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten müssen.

  10. Knallhart gegen Gewalt
    Es war eine gediegene Atmosphäre, in der die Innenminister von Bund und Ländern tagten. Das Hotel Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee hatten sie sich für den Donnerstag ausgesucht, den großen Festsaal des Hamburger Rathauses für den Abschluss ihrer Konferenz am Freitag. In den Mittelpunkt rückten die Innenminister ihre Forderung nach einer “offenen Ächtung linker Gewalt durch alle Teile der Gesellschaft”. Die Zahl rechtsextremer Straftaten sei gleichbleibend hoch geblieben, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). “Besonders besorgt uns der Anstieg der Kriminalität von Linksextremisten.” Besonders scharf gab sich bei dem Thema Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU), designierter Nachfolger von Roland Koch als Ministerpräsident. Es gelte seit vielen Jahren als “Pflichtprogramm”, sich gegen Rechtsextremismus auszusprechen, sagte er. Darüber sei “die Massivität der Gewalt von links” aus dem Blick geraten.
    Gleichzeitig einigten sich die Innenminister auf ein schärferes Vorgehen bei Gewalt gegen Polizisten. Laut einer aktuellen Studie hat die Gewalt gegen Polizisten in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Dabei spielen allerdings Angriffe bei Demos eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu alltäglichen Angriffen auf Streifenbeamte, etwa durch Betrunkene. Zuvor war Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Innenministern aber schon entgegenkommen. So soll nach einem überarbeiteten Gesetzentwurf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte mit einer Höchststrafe von drei Jahren Haft statt wie bisher mit zwei Jahren bestraft werden können. Allerdings holte die Justizministerin gleichzeitig zu einem Rundumschlag gegen die Hardliner in der Union aus. Sie kritisierte in einem Interview die “überhitzte Debatte”, die von dem Problem ablenke, “dass die Unions-Landesinnenminister Polizeipersonal einsparen und auf symbolische Gesten setzen”. Tatsächlich sind Polizisten schon jetzt kein Freiwild. Für schwere Körperverletzung drohen auch heute schon bis zu zu 10 Jahre Haft. Ein “Zweiklassenstrafrecht”, das Polizisten höher bewerte als Bankangestellte oder Bauarbeiter, lehnt Leutheusser-Schnarrenberger vehement ab.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Volker Bouffier, ganz Roland Koch, zeigt Kante. Der Feind steht links, demnächst folgt dann die Rede von den Sympathisanten linker Gewalt. Da sollte sich Herr Bouffier einmal die weit über hundert Morde von Rechtsextremisten seit 1990 zu Gemüte führen, bevor er vom “Pflichtprogramm” redet, sich gegen Rechtsextremismus auszusprechen. Das ist ja das Problem der Rechten in Deutschland, sie sprechen sich gegen den Rechtsextremismus aus, tun aber wenig.

  11. Risiko Atommüll – Röttgen will Sicherheitsstandards senken
    Bundesumweltminister Röttgen will die Sicherheitsstandards am geplanten atomaren Endlager Gorleben senken. Geplant ist, auf eine Rückholbarkeit des Strahlenmülls zu verzichten. Das Risiko: Es könnte im Salzstock zu chemischen Reaktionen bis hin zu Explosionen kommen.
    In den Niederlanden haben deshalb bis heute keine Probebohrungen im Salz stattgefunden – Dänemark und Frankreich haben sich ebenfalls vom Salz abgewendet. Selbst die Regierung der USA, einst Verfechter vom Salz, sieht nun bei der Endlagerung für hochradioaktiven Müll Schwierigkeiten.
    Quelle: Kontraste/RBB

    Anmerkung KR: Internet-TV-Empfehlung.
    Befürworter der Atomkraft haben über Gorleben meist eine klare Meinung: Die Tauglichkeit als Endlager sei längst erwiesen; einigen Politikern sei es jedoch gelungen, aus ideologischen Gründen die endgültige Entscheidung bis heute zu verzögern.
    Um endlich ein Endlager in Deutschland präsentieren zu können, wurden die Gefahren der Radiolyse (der Zersetzung von Steinsalz zu metallischem Natrium und Chlorgas unter der Einwirkung von Radioaktivität) bei den Untersuchungen potentieller Standorte bagatellisiert und ausgeblendet – und leider auch von den deutschen Medien bisher weitgehend verschwiegen. Dieser Beitrag ist eine lobenswerte Ausnahme.

  12. Mitgliederbefragung: SPD-Basis stellt Parteispitze miserables Zeugnis aus
    In der Hartz-IV-Reform und der Rente mit 67 sieht die SPD-Basis nach SPIEGEL-Informationen die Hauptgründe für die katastrophale Niederlage bei der Wahl. Bei einer Befragung aller Ortsvereine wurden neben dem “Verhältnis zur Linken” außerdem häufig “fehlende Glaubwürdigkeit der SPD”, “Profil- und Farblosigkeit” sowie “Entfremdung der Partei von Mitgliedern und Bevölkerung” als Ursachen für den Absturz auf 23 Prozent im vergangenen September genannt.
    Auf die Frage, was im Wahlkampf besonders positiv gewesen sei, verzeichneten die Auswerter als häufigste Antwort “nichts”, Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier wurde nur “gelegentlich” genannt. Als besonders negativ wurden die “fehlende Mobilisierung” und der “Zustand der Bundes-SPD” empfunden.
    Für die Zukunft wünschen sich die Genossen vor allem Mitgliederbefragungen: 54 Prozent der Ortsvereine meinen, dieses Instrument solle “auf jeden Fall” eingesetzt werden, 37 Prozent entschieden sich bei dieser Frage für “eher ja”. Auch Mitgliederentscheide werden gewünscht, lediglich ein Fünftel ist skeptisch oder lehnt sie ab.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Das hätte die Parteiführung auch ohne Befragung wissen können, wenn sie sich an der Basis der SPD umgehört hätte.

    Dazu auch:

    SPD – Volkspartei a. D.
    Die SPD im Jahr 2010: Eine überalterte Partei, die in der Arbeitswelt nicht mehr fest verwurzelt ist und deren schrumpfende Basis den Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Gruppen mehr und mehr verliert. So lautet, kurz gefasst, das Ergebnis einer bundesweiten Befragung der SPD-Ortsvereine, die der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel am Sonntag in Berlin vorstellte. Gelassen reagierte Gabriel auf das harte Urteil der Ortsvereine über die Reformpolitik der SPD während ihrer elf Regierungsjahre. Die Kritik an den Arbeitsmarkt- und Rentenreformen bezeichnete er als „notwendige Form der innerparteilichen Auseinandersetzung“. Der damalige SPD-Spitzenkandidat und heutige Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier kommt in der Befragung ebenfalls nicht gut weg. Positiver Einfluss auf den Wahlkampf wurde ihm von der Ortsvereinen nur gelegentlich zugestanden. Dass sein Ruf an der Basis dauerhaft gelitten haben könnte, darauf deutete am Sonntag die Reaktion der SPD-Unterbezirksvorsitzenden hin. Als Gabriel in seiner Rede Steinmeiers Arbeit als Oppositionsführer im Bundestag lobte, rührte die Hälfte der Anwesenden keine Hand zum Applaus.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Bei der Umsetzung von Hartz IV und Rente 67, überhaupt der Agendapolitik, war „innerparteilichen Auseinandersetzung“ überhaupt nicht gefragt. Es herrschte die schneidige Bastapolitik von Schröder und seinem Faktotum Müntefering.

  13. Die neu geordnete gymnasiale Oberstufe auf dem Prüfstand der empirischen Bildungsforschung
    Nahezu geräuschlos vollzieht sich derzeit in vielen Bundesländern die Reform der gymnasialen Oberstufe. Im Zentrum steht die Abkehr vom Kurssystem hin zur Wiedereinführung stärker kanonförmiger Oberstufenmodelle, die die Unterscheidung von Grund- und Leistungskursen weitgehend aufheben, die Zahl der Prüfungsfächer im Abitur heraufsetzen und Wahlfreiheiten für die Oberstufenschülerinnen und –schüler beschneiden. Ermöglicht wurden diese Veränderungen durch die Husumer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zur gymnasialen Oberstufe vom 22. Oktober 1999. Aber führen diese einschneidenden Veränderungen tatsächlich zur der gewünschten Stärkung und Vereinheitlichung der Kompetenzen der Abiturienten in den traditionellen Kernbereichen des Gymnasiums – Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen – sowie einer stärkeren Betonung der Naturwissenschaften? Und sind die Abiturienten jetzt besser oder schlechter auf ihre späteren Studienfächer an den Universitäten vorbereitet?
    Die bisher vorliegen Befunde zeigen ein differenziertes Bild: Bei den Mathematikleistungen Baden-Württembergischer Abiturienten war ein moderater Anstieg bei gleichzeitiger Homogenisierung zu verzeichnen. Dagegen ließen sich die erhofften Steigerungen bei den Englischleistungen nicht nachweisen, obwohl es zu einer Abnahme von Leistungsunterschieden kam. Auch bei der naturwissenschaftlichen Grundbildung fand sich kein positiver Effekt auf die Leistung.
    Eine Bewertung, inwieweit die gemessene Steigerung der Mathematikleistung auch von praktischer Bedeutung ist, ist derzeit nur begrenzt möglich“, erläutert Prof. Ulrich Trautwein von der Universität Tübingen.
    Um beurteilen zu können, ob die Abiturientinnen und Abiturienten nach der Reform besser vorbereitet an die Hochschulen kommen, sind weitere empirische Untersuchungen unbedingt erforderlich.“ Trautwein weist darüber hinaus darauf hin, dass auch mögliche unerwünschte Auswirkungen, zum Beispiel auf die Fachleistungen in Gesellschaftswissenschaften und im künstlerisch-musischen Bereich, untersucht werden sollten.
    Quelle: idw

    Anmerkung WL: Das Grund- und Leistungskurssystem hat m.E. dazu geführt, dass das Abitur seine Bedeutung als “allgemeine“ Hochschulreife verloren hat. Wer etwa nur den Grundkurs in Mathematik auf dem Gymnasium belegt hatte, bekam massive Probleme etwa bei einem Ingenieurstudium oder bei allen Fächern, die stark mathematisch ausgerichtet sind (das gilt inzwischen an vielen Hochschulen sogar für die ökonomischen Fächer). Die Hochschulen orientierten ihre Anforderungen an den Leistungskursabsolventen und bescheinigten vielen Grundkurslern “mangelnde Studierfähigkeit“. Das ist einer der Hauptgründe für die Studienabbrüche in solchen Fächern. Das Herausprüfen hat sich inzwischen geradezu als “innerer numerus clausus“ entwickelt.

  14. Gebührenkompass 2010: Zufriedenheit mit Studiengebühren steigt minimal – Zahl der Gegner konstant – Schulnote “ausreichend“
    Im Schnitt geben Deutschlands Studierende ihren Universitäten in Sachen Gebühren-Zufriedenheit nur die Schulnote 4. Zu diesem Ergebnis kommt die bundesweite Studie „Gebührenkompass“ der Universität Hohenheim mit mehr als5.200 Einzelinterviews an allen 48 Universitäten mit Studiengebühren. Insgesamt hat sich die Gesamtzufriedenheit in den vergangenen zwei Jahren um eine halbe Schulnote leicht verbessert. Allerdings entspricht die Zahl der Gebührengegner mit rund zwei Dritteln in etwa dem Niveau der Vorjahre.
    Trotz etwas besserer Werte bei der Zufriedenheit wollen rund zwei Drittel der Universitätsstudierenden Studiengebühren selbst mehrere Jahre nach ihrer Einführung nicht akzeptieren. „Seit der Erstellung des Gebührenkompass 2007 haben sich die Akzeptanzwerte nur geringfügig verändert“, sagt Co-Projektleiter Daniel Schwarz. „Der Anteil der Gebührengegner liegt in diesem Jahr noch immer bei 63%.“
    Einen Grund für die schlechten Noten sehen die Marktforscher darin, dass die Universitätsstudierenden nicht daran glauben, dass sich die Lehrbedingungen durch Studiengebühren verbessern. „Nur 31,7% der Befragten geben an, dass es auf Grund von Studiengebühren bislang zu einer Verbesserung der Lehre gekommen sei“, sagt Prof. Dr. Voeth.
    Quelle: idw
  15. Staatlich initiierte Studienkredite beherrschen den Markt weitgehend
    In Deutschland existiert ein breites Angebot an Studienkrediten, Studienfonds und Studienbeitragsdarlehen. Diese stellen eine Ergänzung zu herkömmlichen Finanzierungsformen (Jobben, Unterstützung durch die Eltern, Stipendien, BAföG) dar. Manche Angebote, etwa der „FlexiStudienkredit“ der Dresdner Bank sowie kleinere regionale Angebote, sind allerdings bereits wieder vom Markt verschwunden. Die Studienkredite mit der größten Nachfrage sind durchgehend staatlich oder staatlich initiiert: So waren 2009 über 17.000 Neuabschlüsse des KfW-Studienkredits zu verzeichnen und über 14.000 neue Verträge bezogen auf den „Bildungskredit“ des Bundesverwaltungsamtes; das „Studienbeitragsdarlehen“ der NRW.Bank wurde über 11.000 Mal neu in Anspruch genommen. CHE-Projektleiter Ulrich Müller: „An die Nutzungszahlen der staatlichen Angebote kommt keine private Institution heran. Erstaunlicherweise nutzt aber auch keine Bank die attraktiven Marktlücken, die staatliche Studienkredite offen lassen, etwa mit einem profilierten Angebot für weiterbildende und berufsbegleitende Studiengänge.“
    Quelle 1: idw
    Quelle 2: CHE-Studienkredit-Test 2010 [PDF – 608 KB]

    Anmerkung WL: Das Bertelsmannsche CHE, der „Sturmtrupp“ für die Einführung der Studiengebühren, macht nun Propaganda für die Studienkredite. Bei knapp zwei Millionen Studierenden machen schon die Zahlen deutlich, dass Studienkredite für die überwiegende Zahl kein sonderlich attraktives Angebot darstellen. Es bleibt die Barriere, verschuldet ins (unsichere) Berufsleben eintreten zu müssen.
    Darüber hinaus wird aus der Studie deutlich, dass ohne staatliche Förderung nur wenig liefe. Für private Banken sind Studienkredite offenbar kein „Geschäft“.

  16. NRW-FDP wieder im Rennen
    Für FDP-Chef Westerwelle ist es in Ordnung, wenn seine Parteikollegen in Nordrhein-Westfalen doch noch den Weg zu Sozialdemokraten und Grünen finden, um über eine Regierungsbeteiligung in Düsseldorf zu verhandeln. Für den Stimmungsumschwung hat er auch eine Erklärung: “Welche Koalition wir in Nordrhein-Westfalen am Ende sehen werden, bleibt abzuwarten”, sagte der FDP-Vorsitzende und Vizekanzler Guido Westerwelle der “Welt am Sonntag”. Die FDP-Führung des Landesverbandes werde nun “verantwortungsbewusst und richtig entscheiden”, sagte er.
    Quelle: n-tv

    Anmerkung WL: Koalitionen mit Grünen oder SPD kommen für uns nicht in Frage, so hieß es noch im Wahlaufruf der FDP. Wenn sich die FDP jetzt anders entscheidet, ist das „verantwortungsbewusst“. Bei der SPD und vor allem bei Andrea Ypsilanti in Hessen löste ein solcher Schwenk eine „Wortbruch“-Kampagne aus. Der Unterschied zwischen staatspolitischer Verantwortung und Wortbruch liegt eben darin, ob man nach rechts oder nach links umfällt.

  17. Die Theorie vom sanften Krieg
    In Algerien erkannten die Franzosen: Waffen allein gewinnen diesen Krieg nicht. Sie fingen an, Schulen und Straßen zu bauen. 1962 mussten sie trotzdem kapitulieren. Ihr Konzept wurde weitergereicht – bis ins heutige Afghanistan. Kann das gut gehen?
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Algerien, Vietnam, Afghanistan, wie oft werden wir noch die Unfähigkeit der Politiker beobachten müssen, einzugestehen, dass “niemand zu dem verpflichtet ist, was sein Vermögen übersteigt” (ultra posse nemo obligatur)? Dies schrieb bereits im 2.Jahrhundert n. Chr. der römischer Politiker, Jurist und Berater Hadrians Publius Iuventius Celsus. Bei aller Bündnistreue zu den USA: Diese kann nicht das entscheidende Kriterium für den Verbleib in Afghanistan sein. Zumal die USA trotz mancher Rhetorik schon längst die Unmöglichkeit des ursprünglichen Afghanistanprojekts eingesehen haben und versuchen, ohne größeren Gesichtsverlust den Großteil ihrer Truppen bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen abzuziehen. Dieser Rückzug auf Raten hat die USA seit Obamas Amtsantritt 430 gefallene Soldaten gekostet. Jede deutsche Regierung verpflichtet sich, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Zurzeit wird am Hindukusch keine Sicherheit geschaffen (am wenigsten für Deutschland), sondern es werden Soldatenleben aufs Spiel gesetzt und Ressourcen verschwendet, die in der jetzigen Krise einer besseren Verwendung zugeführt werden müssten. Der als Supersparminister herausgestellte zu Guttenberg könnte einen wesentlicheren Sparbeitrag leisten, wenn er dazu beitragen würde, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. Ansonsten wird, wie in dem obigen Artikel zu Algerien beschrieben, diese Situation eintreten: “Wenn man sich wie an jedem 19. März zum alljährlichen Totengedenken zu Ehren der in Algerien Gefallenen versammele, sagt Raymond, dann betrauere er auch seine verlorenen Ideale, seine in den Sand gesetzte Lebenszeit, sein vergebliches Engagement „im Krieg gegen den internationalen Terrorismus“. Denn genau das sei doch ihr Kampf gewesen, hätten ihnen Politiker und Vorgesetzte damals erklärt.”
    Die komplementäre Formulierung zu obigem Zitat lautet: “Jeder ist verpflichtet zu leisten was er kann”. In vielen Konflikten schaut die Welt nur zu, weil sie kaum helfen kann, zumindest nicht mit militärischen Mitteln. Natürlich hat sie auch weggeschaut, wo sie mit relativ geringem Einsatz hätte helfen können, z. B in Ruanda. In Afghanistan verbleibt der westlichen Allianz nur ein Gebot, der Rückzug, um ein Desaster wie in Algerien und wie in Vietnam zu vermeiden.

  18. “Es ist mir fast peinlich”
    Zwei linke Professoren streiten sich lautstark über Griechenland – und wissen, was passieren muss.
    Einerseits ist es unterhaltsam, wenn mal zwei Vertreter der drögen Ökonomenzunft so richtig aufeinander eindreschen. Andererseits ist es merkwürdig, wenn die Streithähne sich weitgehend einig sind. Der Schlagabtausch, den sich seit ein paar Wochen die linken Volkswirte Heiner Flassbeck (der Chefökonom der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung in Genf) und Rudolf Hickel (der frühere Chef des arbeitnehmernahen Instituts für Arbeit und Wirtschaft in Bremen) liefern, ist jedenfalls ein bisschen absurd. Es geht um Griechenland. Es geht um den Euro.
    Und der Streit – ja, worum geht der Streit? Flassbeck ist zuversichtlich, dass Europa »das Problem auf rationale Weise lösen« kann. Sprich: Wenn die Löhne anderswo in Europa wieder schneller steigen, lassen sich die Ungleichgewichte in der Euro-Zone ausbügeln. Dann geht es Griechenland wieder besser, und die griechischen Schulden werden beglichen. Hickel dagegen findet, dass das so schnell nicht geht. Griechenland müsse umschulden. Und wenn es so weit sei, solle man nicht vergessen, griechische Großgläubiger mit zur Kasse zu bitten.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung WL: Peinlich ist, dass die ach so seriöse „ZEIT“ nicht die Souveränität besitzt, auf die Quelle dieses „Schlagabtauschs“ hinzuweisen. Ist es Angst vor der Konkurrenz, ist es nur unseriöser Umgang mit dem Urheberrecht oder ist es einfach nur Kleingeistigkeit, dass so große Verlage zu feige sind, auf die NachDenkSeiten als Quelle zu verweisen?

  19. Tom Strohschneider: Muss das sein? Politiker im Lena-Gratulations-Fieber
    Unter Politikern ist ein bizarrer Wettstreit um die klebrigste Lena-Gratulation ausgebrochen – und sogar die Linke macht mit. Parteichefin Gesine Lötzsch, offenbar angesteckt von ähnlichen Geschmacksüberschreitungen der Konkurrenz, behauptete gar, die Hannoveraner Sängerdarstellerin habe „uns einen bezaubernden Abend geschenkt“ und drückt jetzt die Daumen für „eine tolle Karriere“ in der für tolle Karrieren weithin bekannten Unterhaltungsindustrie. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth zeigte sich ganz aus dem Häuschen und dichtete die nationale Gesangskonkurrenz kurzerhand zum Lebensgefühl einer Generation um, „die alte Grenzen überwindet und zusammenfindet“. Auch Angela Merkel stieg in den leicht beschwipsten Glückwunschreigen ein, ihr folgten der evangelische Superstar Margot Käßmann und weitere. Zwei CDU-Platzhirsche fühlten sich sogar zu Revierkämpfen aufgefordert: Während Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff die nächste Ausgabe der Qualitätsveranstaltung „ESC“ nach Hannover holen will, behauptet Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust, der nächste Grand Prix gehöre nach Hamburg. Guido Westerwelle hat Lena Meyer-Landrut inzwischen sogar ins diplomatische Corps aufgenommen: „Ob gewollt oder nicht, Sie sind eine Botschafterin für unser Land.” Puh. So wird das aber nichts mit dem Kampf gegen Politikmüdigkeit. Germany, 0 points.
    Quelle: der freitag

    Anmerkung WL: Wenn man den (Medien-)Rummel (neudeutsch: Hype) über eine Sängerin, bei der man schon froh ist, dass sie den Ton trifft und ihr dabei nicht die Luft ausgeht, betrachtet und hinzunimmt, dass Dieter Bohlens „Deutschland sucht den Superstar“ die höchsten Einschaltquoten erzielt, dann wirft das ein Schlaglicht auf das kulturelle Niveau in diesem Lande. Dann wird auch klar, wie es kommt, dass sich die Deutschen von der Politik so an der Nase herumführen lassen: „Wir sind Lena“ (Bild am Sonntag).
    Das junge Mädchen kann übrigens dafür am wenigsten. Was mit ihr veranstaltet wird, ist Missbrauch anderer Art.

    Ergänzende Anmerkung unseres Lesers J.D.: Eigentlich sollte man ja den ganzen Lena-Taumel, in den die Mainstream-Medien – vor allem nach dem Sieg von Frau Meyer-Landrut – gefallen sind, ignorieren. Es wird sich schließlich die Berichterstattung irgendwann in den nächsten Tagen und Wochen wohl hoffentlich wieder auf dringlichere Probleme konzentrieren. Es steht zwar noch die Fußball-Weltmeisterschaft an, aber hoffen wird man ja noch dürfen. Am Eurovision Song Contest kam man in den letzten Tagen ja einfach nicht vorbei – gefühlter Spitzenreiter neben der BILD-Zeitung war dabei SpiegelOnline. Andere Mainstream-Medien hielten sich im Vorfeld jedoch einigermaßen zurück, was sich allerdings nach dem Sieg von „unserer“ Lena leider änderte.
    Im Glücks-Taumel nach 28-jähriger Abstinenz auf dem Thron der „Euro-Musik“ versteigt sich selbst die Financial Times Deutschland zu seltsamen hymnischen Höhen. So kommentiert der Leiter des Politik-Ressort, Andreas Theyssen, dass Frau Meyer-Landrut es geschafft habe, Europa in einem schwierigen politischen Umfeld für etwas deutsches zu begeistern. Und fordert gleich die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die junge Dame. Bei allem Respekt vor der Musikerin Lena Meyer-Landrut und ihrem schnellen Aufstieg dank einer geschickten Marketing-Kampagne: Herr Theyssen, diese Forderung schießt nicht nur etwas an der Bedeutung der Leistung von Frau Meyer-Landrut vorbei. Obwohl, unmöglich ist in diesem Lande nichts.
    Aber Herr Theyssen ist noch nicht fertig. Elegant fegt er auch noch die Vorwürfe unserer europäischen Nachbarn vom Tapet, das wir zu wenig Geld ausgeben und zu viel exportieren, und das überhaupt alle Kritik an Deutschland nur Deutschen-Bashing sei. Aber diese Kritik kommt ja schließlich nur aus Politiker-Kreisen, musikalisch ist Europa doch schon längst zusammengewachsen. Das sieht man am Eurovision Song Contest, meint Herr Theyssen. Der emotionalisiert und die EU nicht. Nun, dann sollte das Europäische Parlament seine Sitzungen mal schnell anders gestalten und diese mit Gesang und Tanz aufpeppen. Herr Theyssen, wenn ich mein Fieberthermometer gefunden habe, komme ich mal bei Ihnen vorbei.
    Aber auch die FAZ ist sich nicht zu blöd, den Slogan auszugeben: „Wir sind Grand Prix“ Jaja, Lena. Du bist Deutschland und wir sind Lena. Du bist stark und singst alle Probleme weg, während wir uns wohlig vor dem Fernseher in den Sessel kuscheln und dir zuhören. Aber was soll man auch anderes erwarten von den Medien, wenn da eine ist, die ihre Aufgabe für Deutschland gemacht hat. Eine, die so vorbildlich auf ihren persönlichen Kanzler, pardon, Mentor hört. Hingabe und Gehorsam, das sind deutsche Tugenden, an denen sich das Feuilleton nun wärmt.
    So kann es auch nicht verwundern, wenn sich auch die Frankfurter Rundschau mit lenanischem Deutsch darüber freut, dass „die nationale Aufgabe gewuppt [ist] und das Unternehmen Lena gelungen [ist]…“. Wir können also aufatmen. Die Ich-AG Lena, das Einzelunternehmen Meyer-Landrut, hat zusammen mit ihrem Manager Stefan Raab sich selbst zum Export-Schlager gemacht. Da schlagen die Herzen unserer Wirtschaftsverständigen natürlich höher. Und auch unser Nationalstolz wird genährt, wenn Frau Meyer-Landrut zu den versammelten Journalisten sagt, dass sie auf Deutsch antworten werde, da ja Deutschland gewonnen habe. Natürlich haben wir dafür Verständnis, Frau Meyer-Landrut ist schließlich nicht Herr Westerwelle. Sie ist die junge Stimme aus der Mitte der deutschen Gesellschaft. Wie schaffen es Journalisten nur immer, sämtliche Klischees in einen Artikel zu pressen?
    Wir wollen aber nicht die Süddeutsche vergessen, die stolz darüber berichtet, dass die Tagesschau eine Sondersendung über die Rückkehr von Frau Meyer-Landrut ins Programm genommen hat. Die Heldin ist zurück und die Politiker eilen an ihre Seite oder schicken Glückwünsche, um sich im Erfolg der jungen Frau zu sonnen. Natürlich wird auch wieder das Wort “Sommermärchen“ gebraucht, und die SZ trifft auch irgendwie die Wahrheit vor allem über die Medien, wenn sie schreibt „[…] und das wollen die Deutschen genießen wie auch die Medien, die Lena gesucht und gefunden hatten.“ Geht man den Artikel in der SZ weiter durch, findet sich das Protokoll von der Profanisierung der Medienlandschaft: Alles ist Pop. Selbst die unwichtigste Bemerkung von Frau Meyer-Landrut wird immer und immer wieder durchgekaut, als handele es sich um die revolutionäre Aussage eines wichtigen Politikers, der die Reformierung der Finanzmärkte ankündigt.
    Ohne Frau Meyer-Landrut nahe treten zu wollen, so ist sie doch nur eine Musikerin. Ihr schneller Aufstieg und ihr Erfolg beim Eurovision Song Contest ist sicher bewundernswert. Niemand kann es also den Medien verübeln, wenn sie darüber berichten. Jedoch ist die Art und Weise durchaus zu kritisieren. Was in diese junge Frau und ihren Aufstieg hinein interpretiert wird, ist teilweise geradezu grotesk und bei genauerer Betrachtung auch beleidigend. Gerade wenn man einen Menschen als Unternehmen darstellt, ist dies eine bedenkliche Formulierung, die sehr viel über das Menschenbild des Schreibers solcher Kommentare aussagt, jedoch sehr wenig über den beschriebenen Menschen. Wie in einigen Medien die künstlerische Leistung von Frau Meyer-Landrut politisiert wird, ist schon geschmacklos. Hier wird eine junge Frau benutzt, um Meinungsmache zu betreiben, um neoliberale Ideen zwischen den Zeilen zu transportieren: Alles ist Markt.

  20. Zu guter Letzt: Wilfried Schmickler – Griechenland
    Quelle: YouTube

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