Leserbriefe zur Privatisierung der Berliner S-Bahn

Ein Artikel von:

Der Artikel “Privatisierung: Rot-Rot-Grün greift die S-Bahn an – und den eigenen Ruf gleich mit” hat Leser zu Briefen veranlasst, von denen wir einige hier wiedergeben. Da zu Recht angemerkt wurde, dass in dem Beitrag die Position der Berliner LINKEN nicht angemessen dargestellt wurde, soll hier nochmals auf die Argumentation der Linkspartei verwiesen werden. Zusammengestellt von Redaktion.

Vorbemerkung von Tobias Riegel: Es wurde von Lesern zu Recht angemerkt, dass die Positionen der Berliner LINKEN in dem Text “Privatisierung: Rot-Rot-Grün greift die S-Bahn an – und den eigenen Ruf gleich mit” zu kurz gekommen sind – darum soll hier nochmals darauf verwiesen werden. So bietet der Berliner Landesverband der Linkspartei unter diesem Link eine Liste mit häufig gestellten Fragen zu dem Vorgang der potenziellen S-Bahn-Privatisierung an. Dort argumentiert die LINKE, teils nachvollziehbar, mit den zahlreichen juristischen Sachzwängen. Allerdings wird auch diese „Verteidigung“ der Linkspartei mittlerweile detailliert kritisiert, etwa von der Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“ unter diesem Link. Die Leser mögen sich aus den Schilderungen der beiden Positionen ein eigenes Bild machen. Man kann einerseits feststellen: Die Landesregierung befindet sich in einem Korsett aus einschränkenden Gesetzen. Ob das andererseits rechtfertigt, dass die rot-rot-grüne Koalition Berlins diese (nach dieser Lesart „erzwungene“) Politik so offensiv umsetzt, ist eine wichtige Frage.


1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,
sehr geehrte Damen und Herren,

bürgerfeindlich und rufschädigend ist leider der derzeitige Zustand der S-Bahn. Berlin und seine Fahrgäste sind seit Jahren in Geiselhaft der S-Bahn Berlin GmbH und der DB. Die Zuschüsse werden als Gewinn an den Mutterkonzern abgeführt. Folge marode Schienen, marode Signale und ständige Zugausfälle. Manche Stadtviertel werden Tagelang nicht bedient. Gut, in den letzten Jahren wird wieder investiert. Dies führt zu Streckensperrungen mit unzureichendem SEV. Die Strecke zum Flughafen Schönefeld wurde in diesem Jahr pünktlich zum Sommerferienbeginn dicht gemacht. Wer in Berlin auf die S-Bahn angewiesen ist, ist angeschmiert und muss täglich (!) damit rechnen verspätet anzukommen, wenn überhaupt. Mit viel Solidarität im Kampf gegen die (eigentlich schon längst geschehene) Privatisierung ist hier nicht zu rechnen. Ganz Berlin hasst die S-Bahn. Schlimmer kann es kaum werden.

Mit freundlichen Grüßen

NiCa


2. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion der Nachdenkseiten,

ich begrüße eure aufklärerische Tätigkeit und verfolge diese auch regelmäßig.

Jedoch kritisiert Tobias Riegel in seinem Artikel “Privatisierung: Rot-Rot-Grün greift die S-Bahn an – und den eigenen Ruf gleich mit” zu undifferenziert den Hergang dieser politischen Entscheidung und greift alle Akteure gleichermaßen polemisch an:

“Einmal mehr erscheinen „linke“ Parteien als Erfüllungsgehilfen neoliberalen Irrsinns.”

“Die rot-rot-grüne Landesregierung Berlins plant, die S-Bahn der Stadt zu privatisieren. Das ist ein bürgerfeindlicher und selbstzerstörerischer Akt.”

“Dabei müssten doch zumindest SPD und LINKE eine ganz andere Botschaft verbreiten: Zum einen, dass es keine positiven Beispiele für Privatisierungen gibt,…”

Selbstverständlich bin ich als Mitglied der Linken gegen Privatisierungen, nur unterlässt es Tobias Riegel in seinem Beitrag , die Anstengungen der Linken im Senat die Folgen dieser Privatisierung bestmöglich abzuschwächen zu erwähnen und schert die Rot-Rot-Grüne Koalition über einen Kamm.

Lediglich im letzten Absatz wird auf einen Link hingewiesen, der zur Erklärung der Linkspartei zu diesem Vorgang führt.

Hier sollte Tobias Riegel im Sinne einer objektiven Berichterstattung nachbessern.


Mit freundlichen Grüßen, Jürgen Bauer


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel, sehr geehrte Redaktion,
 
da sie schon den letzten Satz “Die LINKE nimmt Stellung zu dem Vorgang.” angefügt haben, können Sie auch auf eine kritische Kommentierung dazu verlinken.
 
Danke für diesen Artikel. Der Hinweis auf die Äußerungen der LINKEn ist auch wichtig. Doch bei mir als Berliner Wähler dieser Partei bleibt der Eindruck zurück, dass diese Partei selbst in der Regierung nichts gegen Privatisierungen machen kann oder will. Wenn niemand unterhalb der Bundesebene etwas gegen die Privatisierungen tun kann, dann hat sie die Wähler vor der Wahl belogen (“Die Stadt gehört dir” usw.) und sollte gefälligst viel stärker gegen die Beschränkungen kämpfen. Die Kommentare von GiB deuten darauf hin, dass die LINKE in Berlin eher beschränkt fähig oder willig ist.
 
Ganz klar: Wohnen, Bildung, Verkehr. Krankenhäuser, Wasser, Gas, Strom… gehören in öffentliche Hand und unter öffentliches Recht. Das ist eine notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung für soziale Gerechtigkeit.Ich befürchte, bei den nächsten Land- und Bundestagswahlen brauche ich eine bessere Wahlalternative für soziale Gerechtigkeit…
 
Mit freundlichen Grüßen

P.S.: Etwaige Veröffentlichung bitte ohne Namensnennung.


4. Leserbrief

Lieber Tobias Riegel, liebes Nachdenkseiten-Team 17.12.2019 vielen Dank für o.g. Artikel, welchem ich nur zustimmen kann.

Was mich jedoch erstaunt, ist das nicht erwähnt wird, dass die DB 1994 von der Politik auf die Privatisierungsschiene gesetzt wurde mit der Maßgabe (sinngemäß soweit ich weiß) „Wir werden Euch an Euren Taten messen“, womit meines Erachtens das Profit erwirtschaften gemeint war/ist. Schon diese sogenannte „Bahnreform“ 1994 hatte meines Wissens die Zersplitterung in ca. 7 Unternehmensteile unter dem heutigen Dach der DB (AG) zur Folge – was sich meines Erachtens tagtäglich zu Ungunsten der Bahnnutzer auswirkt, insbesondere auch durch den dadurch enorm gestiegenen bürokratischen Mehraufwand und Kompetenzgerangel.

Wenn nun also die DB (AG) – und damit auch die S-Bahnen – seit 1994 bereits unter Privatisierungsgesichtspunkten betrieben werden (sichtbar z.B. an Personal-, Gleis- oder Weichenabbau, Millionengehälter für sog. Führungskräfte, Kapazitätsrückbau S21, Unpünktlichkeit als Normalität etabliert, Verwahrlosung, Verkauf und Schließung von Bahnhöfen, etc.), weshalb wird dann trotzdem von einer Privatisierung der S-Bahn Berlin gesprochen (S-Bahnen in Deutschland gehören m.E. seit 1994 zur zerstückelten und privatisierten DB (AG))? Das ganze Bahnchaos – nicht nur in Berlin – kommt bzw. kam doch erst durch diese Zerstückelung und Privatisierung 1994 zustande. Das dabei eine ebenso wie Konzerne, durch und durch kapitalorientierte Regierung der einzigste Aktionär ist, macht die Sache keinen Deut besser.

Soll die Bevölkerung, mit der m.E. irreführenden Annahme, dass die S-Bahn noch nicht schon lange unter Profit- und damit auch Privatisierungslogik betrieben wird, wieder einmal (wie heutzutage oft üblich) Sand in die Augen gestreut werden?

Herzliche Grüße
Andreas Rommel


5. Leserbrief

Liebes Team,
 
gerade habe ich meine Gedanken zu Albrechts Müllers “Systemwandel” an sie abgeschickt und genau ähnliches thematisiert, da lese ich den Bericht von Thomas Riegel!! Vielen Dank dafür.
 
Dass diese Parteien sich durchweg profilieren wollen um der “lieben” Frau Kanzlerin und der CDU/CSU zu gefallen oder  aber – und noch perverser – zeigen wollen, dass sie besser privatisieren können, als die anderen, geht in diesem Wahnsinn unter. Dieses neoliberale Gift wirkt so hinterhältig in den Köpfen dieser Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, dass sie wahrscheinlich nicht mal merken, was sie damit anrichten!
 
“Zerstören, zerschlagen, wieder aufbauen” war und ist das Mantra der “Staatsbildungskriege” der militärischen Gruppen in Bundestag und Bundesländern,  Welt-Wirtschaftsverbänden und den Gruppen um Bertelsmann herum!
 
Bei allem Ärger: Es ist auch gut so. Denn jetzt können wir fassungslos zuschauen, wie die linke Regierung in Berlin tickt, wie sie denkt und handelt: Ganz im Sinne des Neo-Feudalismus auch Neo-Liberalismus genannt, wobei Neo-Feudalismus den Kern besser trifft. Sie spielen den Feudalherren in die Hände und verraten die Bevölkerung, von der sie mit tiefem Vertrauen gewählt wurden, dass sie eine bessere, menschlichere, fairere Politik machen würden. Damit wird es nun nichts! Und das ist gut zu wissen.
 
Beste Grüße
Karola Schramm


6. Leserbrief

sehr geschätzte Nachdenkseiten-Macher,

hier ein paar Gedanken zum letzen Satz im Artikel von Tobias Riegel: Anmerkung: Der letzte Satz wurde ergänzt.

Genau an dieser Stelle hätte der Artikel eigentlich beginnen müssen, denn erst hier zeigt sich, was sich hinter der Problematik eigentlich steckt – die Verpflichtung nach EU-Recht zur Ausschreibung des S-Bahn-Betriebes!

An dieser Stelle hätte ein interessanter Hintergrundbericht über die neoliberalen, faktisch unveränderlichen Grundlagen des EU-Rechtes kommen können, ein EU-Grundlagenrecht, dass nicht reformierbar ist, weil dazu ein einstimmiger Beschluss der EU-Länder erforderlich wäre – und es wird sich immer mindestens ein Land finden, dass eine Reform der neoliberalen Grundlagen blockieren wird.

Der Bericht der Jungen Welt ist mir zu alarmistisch, aber eine gewisse Wachsamkeit ist in Sachen Privatisierung ja auch angebracht – denn wie es Herr Junker mal formulierte:

“Wir versuchen mal etwas, wenn der Protest zu große wird, ziehen wir unser Vorhaben zurück, formulieren es um und versuchen es ein paar Jahre später erneut.”

Die Nachdenkseiten sind für mich das Beste, was ich im Internet finden konnte, aber auf dem EU-Auge sind die Nachdenkseiten doch ein wenig blind. Die EU wird von den Nachdenkseiten immer noch als das große Friedensprojekt betrachtet, auch wenn EU-Länder sich an diversen Kriegen in der Welt beteiligen – ohne von der EU zumindest etwas gebremst zu werden. Tatsächlich ist die EU wahrscheinlich das “erfolgreichste” Projekt des Neoliberalismus auf diesem Planeten, mit einer “Ewigkeitsgarantie” der in den EU-Verträgen festgeschriebenen neoliberalen Grundsätze. Wer von einer Reformierbarkeit dieser EU träumt, der träumt.

Hier eine Stellungnahme von Sahra Wagenknecht zur Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer linken Politik innerhalb der EU:

“Hätte Corbyn Johnsons Plänen einen entschlossenen Left Brexit entgegensetzen können, also das Vorhaben, ein Ende der neoliberalen EU-Verträge für einen sozialen Umbau der britischen Gesellschaft zu nutzen, wäre ein anderes Ergebnis durchaus möglich gewesen. Traurige Ironie dieses Wahlkampfes: Labours großes Sozialstaatsprogramm ist innerhalb der heutigen EU überhaupt nicht umsetzbar.

Man muss bedenken: Selbst das Geld, das die Bundesregierung im Rahmen des Klimapakts für einen Ausbau des Bahnnetzes zur Verfügung stellen will, scheitert voraussichtlich an den EU-Beihilferegeln. Eine Ausweitung öffentlichen Eigentums an Schlüsselbereichen der Daseinsvorsorge, Vorrang für Gemeinwohl statt Rendite, all das ist mit den Vorgaben der EU-Verträge schlicht unvereinbar.”

aktionsmail.team-sahra.de/issues/wahl-in-grossbritannien-und-mitmachen-bei-einer-petition-214918

Soviel erst einmal zu dem, was das eigentliche Problem hinter den von einer grünen Berliner Politikerin geäußerten Absichten zur S-Bahn ist, das eigentliche Problem ist die neoliberale EU! Deswegen wäre es nur zu begrüßen, wenn diese EU zerfallen würde – um auf ihren Trümmern eine neue, soziale EU aufzubauen.

Freundliche Grüße
Holger Kaschuge


7. Leserbrief

Sehr geehrte Herren, Müller, Berger & Riegel,

nachdem ich den Text von Tobias Riegel gelesen hatte und meine Empörung groß war, schickte ich eine E-Mail an die Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Ramona Pop (Grüne) mit Kopien an den Reg. Bürgermeister Michael Müller SPD und Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, LINKE.

Dabei wies ich auch auf den Entzug der Gemeinnützigkeit des Berliner Finanzamtes für Change org e.V. hin, wo Marianne Grimmenstein Petitionen gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums veranlasste und immer noch veranlasst., dass es also einen Gleichschritt in dieser Richtung gibt. Das war vor ein paar Minuten. Jetzt las ich noch einmal die letzte Team-Sahra Mitteilung (15.12.) durch und lese dort: “Traurige Ironie dieses Wahlkampfes: Labours großes Sozialstaatsprogramm ist innerhalb der heutigen EU überhaupt nicht umsetzbar.Man muss bedenken: Selbst das Geld, das die Bundesregierung im Rahmen des Klimapakts für einen Ausbau des Bahnnetzes zur Verfügung stellen will, scheitert voraussichtlich an den EU-Beihilferegeln. Eine Ausweitung öffentlichen Eigentums an Schlüsselbereichen der Daseinsvorsorge, Vorrang für Gemeinwohl statt Rendite, all das ist mit den Vorgaben der EU-Verträge schlicht unvereinbar…”

Es ist also nicht nur die “Schwarze Null”, die solches befördert, sondern in 1. Linie die EU-Verträge, die in Richtung Privatisierung weisen und umgekehrt die Ausweitung öffentlichen Eigentums unvereinbar mit den Vorgaben der EU-Verträge sind.

Mit freundlichen Grüßen
Theresa Bruckmann


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