Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

Heute zu folgenden Themen: Berliner Kriegsdebatte; Isaf-Schutztruppe wird auf 122.000 Soldaten vergrößert; Schloss Bellevue: Immobilie des Monats; Deutschland Spitzenstandort; Arbeitsmarkt im Mai; Schlecker: Der Druck wirkt; Chancen der Gewerkschaften; Einzelhandelsumsatz gesunken; Investoren oder Zocker; die hässliche Deutsche; Pauschale als Selbstzweck; Kinderstudie; Übergangsregierung; Südafrikas neue Ausbeuter; Raab verstümmelt die ARD; Schramm zu Köhler-Rücktritt. (KR/WL)

  1. Die Berliner Kriegsdebatte
  2. Isaf-Schutztruppe wird auf 122.000 Soldaten vergrößert
  3. Schloss Bellevue: Immobilie des Monats
  4. Manager-Umfrage: Deutschland steigt zum weltweiten Spitzenstandort auf
  5. Arbeitsmarkt im Mai
  6. Schlecker: Der Druck wirkt
  7. Das unverschämteste Jobangebot des Monats
  8. Die große Krise und die Chancen der Gewerkschaften
  9. Einzelhandelsumsatz im April 2010 real um 3,1% gesunken
  10. Berlin knickt bei Spekulation ein
  11. Bewertet die Ratingagenturen
  12. Heiner Flassbeck: Investoren oder Zocker
  13. Merkels Krisenpolitik: Der hässliche Deutsche
  14. Pauschale als Selbstzweck
  15. Also doch: Weniger Geld für Eltern und Bildung
  16. Hoffnungslos und ohne Selbstbewusstsein
  17. Anstieg der Gewalttaten gegen Polizisten: Gewaltige Unterschiede
  18. Albrecht von Lucke: Die Übergangsregierung
  19. Nochmals: BP: Deepwater Horizon
  20. Südafrikas neue Ausbeuter
  21. Die Fake-TV-News-Industrie
  22. Selbstverstümmelung der ARD
  23. Zu guter Letzt: Kabarettist Georg Schramm über den Rücktritt des Bundespräsidenten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die Berliner Kriegsdebatte
    Nach dem Verlust seines Rückhaltes in maßgeblichen Teilen des Berliner Establishments hat Bundespräsident Horst Köhler am gestrigen Montag seinen Rücktritt erklärt. “Kamerad Köhler: Bitte wegtreten!” hatte eine der einflussreichsten deutschen Zeitungen bereits vor Tagen im Kommandoton getitelt. Der Präsident habe bei seinem Afghanistan-Besuch “dies und das” über den Krieg am Hindukusch “dahergefloskelt”, kritisierte das Blatt Köhlers als mangelhaft empfundene Unterstützung für die Bundeswehr. Während es in Berlin offiziell heißt, Köhlers entscheidender Fehler sei es gewesen, Wirtschaftsinteressen als Kriegsgrund zu nennen, findet sich ebendiese Aussage in zentralen handlungsleitenden Dokumenten der Bundesrepublik.
    Tatsächlich ist die Berliner Kriegsdebatte schon längst fortgeschritten und nennt geostrategische Vorteile in der Rivalität gegenüber China ebenso als Motiv für Militäreinsätze wie die Stärkung staatlicher Kooperation innerhalb der EU. Die Berliner Publizistik kündigt neuen Imperialismus und eine Wiederkehr des Kolonialismus an, fragt, ob “gescheiterte, verlorene oder schlichtweg lebensunfähige Staaten nicht mit einem Dasein als Protektorat besser bedient” seien, und denkt ausdrücklich über künftige “Energiekriege” nach. Das weltpolitische Ausgreifen Berlins geht in Teilen der Regierungsapparate mit einer deutlichen Verschiebung nach rechts einher. So hat sich der ranghöchste Militärberater der Kanzlerin schon vor Jahren als ein Anhänger Carl Schmitts zu erkennen gegeben. Schmitt wird von Kritikern als geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus eingestuft.
    Quelle: german-foreign-policy

    Zum Thema weitere Anmerkungen unserer Leser:

    Anmerkung R.Z.: Was mich im Zusammenhang mit Köhlers Äußerungen und deren Kommentierung durch die Medien und Politiker von Anfang an irritiert hat, ist, dass so getan wird, als hätte er etwas unerhörtes angesprochen. Das Gegenteil ist der Fall, und das wissen zumindest diejenigen Güne und SPD-Politiker, die am heftigsten reagiert haben, und die Journalisten haben mal wieder bewiesen, wie begrenzt ihr Horizont ist. Denn Köhler hat nichts anderes gesagt als das, was spätestens seit Änderung der Nato-Doktrin um die Jahrtausendwende Praxis ist und Eingang in den EU-Vertrag gefunden hat: Militärische Einsätze der Nato und deren europäische Streitkräfte zur Sicherung der benötigten Ressourcen weltweit und natürlich ohne UNO-Mandat. Siehe zur Erinnerung [PDF – 356 KB].

    Und unser Leser T.F. macht uns auf Folgendes aufmerksam:

    Auszug aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien der BRD von 1992:

    “8. (…) Dabei lässt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten: (…)
    (3) Bündnisbindung an die Nuklear- und Seemächte in der Nordatlantischen Allianz, da sich Deutschland als Nichtnuklearmacht und kontinentale Mittelmacht mit weltweiten Interessen nicht allein behaupten kann (..)
    (8) Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung (…)
    (10) Einflussnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft, unseren militärischen Beitrag und vor allem unsere Glaubwürdigkeit als stabile, handlungsfähige Demokratie. (…)”

    Dazu passt:

  2. Isaf-Schutztruppe wird auf 122.000 Soldaten vergrößert
    Der Umfang der internationalen Schutztruppe in Afghanistan (Isaf) soll im Verlauf des Jahres 2010 von derzeit 103.000 auf 122.000 Soldaten vergrößert werden. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/1729) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/1377) mit. Für den Isaf-Einsatz seien im Budget der Nato für das laufende Jahr 346,1 Millionen Euro eingeplant. Über die darüber hinaus von den Truppenstellernationen veranschlagten nationalen Ausgaben liegen der Regierung laut eigener Auskunft keine Angaben vor.
    Nach Angaben der Bundesregierung hat sich die Zahl bewaffneter Angriffe ”regierungsfeindlicher Kräfte“ in Afghanistan in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Ihre Zahl sei von 560 im Jahr 2006, über 3.641 im Jahr 2007, 5.346 im Jahr 2008 auf 10.333 im Jahr 2009 gestiegen. Bis einschließlich März seien im Jahr 2010 2.756 Angriffe gezählt worden. Die Regierung schätzt die Stärke der ”regierungsfeindlichen Kräfte“ in Afghanistan auf 20.000 bis 30.000 bewaffnete Kämpfer. Eine genaue Bestimmung ihrer Zahl sei jedoch nicht möglich. Der Personenkreis, der dem militanten Widerstand nahe steht, rekrutiere sich zum größten Teil aus der paschtunischen Bevölkerung Afghanistans und umfasse wahrscheinlich mehrere 100.000 Menschen.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  3. Schloss Bellevue: Immobilie des Monats
    Der neue Bundespräsident soll am 30. Juni in Berlin gewählt werden. Union und FDP wollen einen aktiven Politiker als Nachfolger von Horst Köhler.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist von Schwarz/Gelb ziemlich dreist, die Auffassung einiger Journalisten zu übernehmen, dass Horst Köhler daran gescheitert sei, dass er als Bürokrat das Hauen und Stechen im Politbetrieb nicht wirklich kenne, um einen parteipolitisch aktiven, also noch festgelegteren Bundespräsidenten zu präsentieren. Horst Köhler war über Jahrzehnte sehr wohl mit dem politischen Betrieb vertraut und wusste genau, dass jede unbedachte Aussage auch instrumentalisiert werden würde gegen diejenigen die ihn installiert hatten. Dass diese ihn auch nicht nur im Ansatz verteidigten, dürfte weit mehr zu seinem Rücktritt geführt haben, als der angeblich mangelnde Respekt vor dem Amt. Diese Begründung war äußerst peinlich und wirft noch ein letztes Mal ein schlechtes Licht auf seine Berater, Redenschreiber usw. Die Rede von der Kanonenbootpolitik hätte die Union Herrn Trittin ganz locker um die Ohren schlagen könne, denn schließlich waren die Grünen die größten Umfaller in der Frage einer Erweiterung der Bundeswehreinsätze im Ausland.
    Wenn Schwarz/Gelb jetzt einen Bundespräsidenten installieren möchte, der noch eindeutiger einem bestimmten politischen Lager zuzuordnen ist, dann nur zu. Leichter kann Frau Merkel ihre mangelnde Sensibilität in Sachen Demokratie nicht offenbaren. – Schade ist nur, dass durch die nun folgende Castingshow und anschließende Kampagne wirklich dringliche Fragen wie der große Sparhaushalt in den Hintergrund gedrückt werden.

  4. Manager-Umfrage: Deutschland steigt zum weltweiten Spitzenstandort auf
    Bestnoten für Deutschland aus dem Ausland: Im weltweiten Standortranking belegt die Bundesrepublik einen Platz unter den besten fünf Nationen, in Europa die Top-Position. Manager schätzen der Beratungsfirma Ernst & Young zufolge besonders die Infrastruktur im Land…
    Besonders gute Noten erhält Deutschland vor allem für die Infrastruktur (Telekommunikation und Transport & Logistik). Auch die Lebensqualität und die Qualifikation der Arbeitnehmer werden von den befragten Managern sehr positiv gesehen. Relativ schlecht bewertet wird der Standort Deutschland insbesondere in Bezug auf die Unternehmenssteuerbelastung und die Arbeitskosten.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: Klar: wir wollen eine gute Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitnehmer und Rechtssicherheit, um unsere Profite zu sichern – aber bitte zum Nulltarif.

  5. Arbeitsmarkt im Mai
    1. Weniger Jobsuchende: Arbeit wird auf mehr Köpfe verteilt
      Die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland gesunken. Dies gilt auch dann, wenn man statistische Mogeleien berücksichtigt. (…) Im Mai waren 3,2 Millionen Menschen als arbeitslos registriert, berichtet die Bundesagentur für Arbeit (BA). Weniger Jobsuchende gab es in einem Mai zuletzt 1992.
      Quelle: FR

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Eva Roths Meinung, die Arbeitslosigkeit sei in Deutschland trotz statistischer Mogeleien gesunken, steht auf sehr tönernen Füßen, insbesondere, wenn man ergänzend die drastisch gesunkene Qualität der Arbeitsplätze in Rechnung stellt. So ist beim Vergleich zu den Arbeitslosendaten des Jahres 1992 z.B. zu berücksichtigen, dass:

      • eine große Zahl von Vollzeitstellen in zumeist schlecht bezahlte Teilzeitstellen sowie in Mini- und Midijobs umgewandelt wurde, wodurch die Arbeitslosenstatistik in einem ganz erheblichen Maße aufgehübscht wird;
      • die 1-Euro-“Jobs”, welche im Jahre 2005 eingeführt wurden, ebenfalls zu einem statistischen Rückgang der Arbeitslosigkeit beitragen;
      • zwischenzeitlich zahlreiche statistische “Bereinigungen” durchgeführt wurden (so wird beispielsweise ein Großteil der über 58-jährigen Arbeitslosen nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik ausgewiesen).

      Selbst ein nur ansatzweise seriöser Vergleich der offiziellen Arbeitslosenzahlen des Jahres 1992 mit jenen des Jahres 2010 ist nicht möglich.

      Mit speziellem Blick auf die Entwicklung zum Vorjahr nennt Eva Roth folgende schönfärberischen Statistikeffekte:

      • Seit einigen Jahren sinkt die Zahl der Erwerbsfähigen. Allein in diesem Jahr dürfte das Arbeitskräfteangebot wegen der Alterung unserer Gesellschaft um rund 100.000 Menschen zurückgehen, schätzt das IAB-Forschungsinstitut der Arbeitsagentur. Diese Reduktion der Arbeitslosenzahlen tritt ein, ohne dass Politik oder Wirtschaft auch nur einen einzigen Finger rühren müssen.
      • Wie sich statistische Beschönigungen auswirken, zeigt der Jahresvergleich: Offiziell ist die Zahl der Arbeitslosen seit Mai 2009 um 217.000 gesunken. Ein Großteil dieses Rückgangs existiert nur auf dem Papier. So tauchen Jobsuchende, für deren Vermittlung Privatfirmen zuständig sind, seit einiger Zeit in der offiziellen Statistik nicht mehr auf. Rechnet man sie hinzu, ist die Arbeitslosenzahl laut BA nur um 90000 gesunken.
      • Im Vergleich zum Vorjahresmonat Mai ist die Langzeitarbeitslosigkeit angestiegen.
      • Immer mehr Menschen haben einen Teilzeit-Job: Die Zahl ist im Jahresvergleich um 190.000 gestiegen – dabei sind die umstrittenen Minijobs nicht berücksichtigt. Vollzeitstellen wurden dagegen abgebaut. Unterm Strich hatten mehr Menschen einen regulären Job, die Arbeit wird auf mehr Köpfe verteilt. In der Industrie verschwinden Vollzeitjobs, im Dienstleistungssektor entstehen Teilzeitstellen. So sind im verarbeitenden Gewerbe binnen Jahresfrist 222.000 Arbeitsplätze weggefallen. Das Lohn- und Gehaltsniveau im Dienstleistungsgewerbe liegt in den allermeisten Fällen unter jenem in der Industrie. Die Leiharbeitsbranche wächst schon wieder rasant: Hier verbuchen die Statistiker ein Plus von 81.000 Stellen – das sind fast 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch hier liegt das Lohn- und Gehaltsniveau deutlich unter dem Niveau der Stammbelegschaften. Kürzlich äußerte der DGB die Besorgnis, in den kommenden Jahren würden Arbeitsplätze der Stammbelegschaften abgebaut und in Leiharbeitsplätze umgewandelt werden. Die Befürchtung: Die Zahl der Leiharbeitsplätze könne hierdurch auf ca. 2,2 Millionen ansteigen. Zum Vergleich: Zum Jahresende 2007 (dem Jahr vor Ausbruch der Wirtschaftskrise) waren 721 Tausend Arbeitnehmer in der Leiharbeitsbranche tätig.
      • Im Monat März 2010 (aktuellere Daten liegen nicht vor) befanden sich 830.000 Personen in Kurzarbeit. Diese Besonderheit des deutschen Arbeitsmarktes ist beim internationalen Vergleich von Arbeitslosendaten zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich zum Teil um “versteckte” Arbeitslosigkeit, die in den offiziellen deutschen Arbeitslosendaten nicht ausgewiesen wird.

      Das Fazit: Die in zahlreichen Medien angefachte Jubelstimmung (“Jobwunder” etc.) ist sowohl hinsichtlich eines längerfristigen Vergleiches der Arbeitslosendaten als auch im Vergleich zum Vorjahr mit erheblicher Skepsis zu begegnen, zumal das angebliche “Beschäftigungswunder” nicht selten als Rechtfertigung für den angeblichen “Erfolg” der “Agenda 2010”-Politik (speziell Hartz IV) herhalten muss. Zahlreiche statistische Schönfärbereien, die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen sowie die deutliche Verschlechterung der Qualität der Arbeitsplätze und die damit einhergehende schlechte Entwicklung der realen Arbeitnehmereinkommen machen deutlich, dass sich die Perspektiven für zahlreiche Beschäftigte seit vielen Jahren negativ entwickeln. So weist Deutschland europaweit mittlerweile den prozentual höchsten Anteil der im Niedriglohnsektor beschäftigten Arbeitnehmer aus.

    2. Arbeitsmarkt im Mai 2010
      • 5,918 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)
      • 3,242 Millionen registrierte Arbeitslose – 217.000 (6,3%) weniger als im Mai 2009
      • 217.000 weniger Arbeitslose, aber nur 6.000 weniger „Arbeitslosengeld-Empfänger/innen“
      • 68,0% der Arbeitslosen sind im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert (Mai 2009: 65,4%)
      • Im Mai 2010 wurden von der Statistik der BA insgesamt 3,242 Millionen Arbeitslose registriert,
      • 217.000 bzw. 6,3% weniger als im Mai 2009. Von diesen 3,242 Millionen Arbeitslosen waren 1,038 Millionen (32,0%) im Rechtskreis SGB III und 2,203 Millionen (68,0%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.
      • Als Arbeitsuchende waren im Mai 2010 insgesamt 5,834 Millionen Frauen und Männer registriert, 129.000 (2,2%) weniger als im Mai 2009.
        Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Mai 2010 4,424 Millionen, 87.000 (1,9%) weniger als im Mai 2009.
      • Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 0,988 Millionen (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 5,038 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 108.000 sog.
      • Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Mai 2010 etwa 5,918 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, „6.000 weniger als vor einem Jahr“ (BA-Monatsbericht, S. 19).

      Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) [PDF – 561 KB]

      Anmerkung von Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ): Ein wesentlicher Grund für die Widersprüche (weniger/mehr) zur Statistik der Bundesagentur: Die geänderte Zählweise der Arbeitslosen nach “Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitschen Instrumente” zum 1. Januar 2009.

      Siehe auch:

    3. Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Mai 2010: 4.451.136 Arbeitslose – Zeit zu handeln statt zu tricksen
      • Tatsächliche Arbeitslosigkeit im Mai 2010: 4.451.136
      • Offizielle Arbeitslosigkeit: 3.241.529
      • Nicht gezählte Arbeitslose: 1.209.607
      • Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld II circa 350.000
      • Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld I (§ 428 SGB III) 1.192
      • Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten) 303.697
      • Berufliche Weiterbildung 214.548
      • Eignungsfeststellungs- u. Trainingsmaßnahmen (z.B. Bewerbungstraining) 1.565
      • Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte) 252.649
      • Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose) 38.827
      • Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 3.227
      • Kranke Arbeitslose (§126 SGB III) 43.902

      Quelle: Die Linke [PDF – 82 KB]

  6. Der Druck wirkt
    Schlecker ist mit seiner Lohndumping-Strategie gescheitert. Die Erfahrung lehrt: Es lohnt sich, öffentlich Druck zu machen, wenn ein Unternehmen besonders unverantwortlich mit seinen Mitarbeitern umspringt. Der Fall Schlecker hat Signalwirkung: Andere Firmen wissen nun, wo die soziale Schmerzgrenze der bundesdeutschen Öffentlichkeit ist. Damit ist allerdings keineswegs alles gut im Einzelhandel. Gerade in dieser Branche gibt es extrem viele Minijobs, fast ein Drittel der Beschäftigten sind 400-Euro-Jobber. Diese Menschen werden meist sehr schlecht bezahlt. Neun von zehn Minijobbern sind Niedriglöhner, berichtet die Arbeitsmarkt-Expertin Dorothea Voss-Dahm.
    Quelle: FR
  7. Das unverschämteste Jobangebot des Monats
    Eine Ausschreibung als Geschäftsführer/in der Diakonie Sozialstation Brackenheim – auf 400 Euro-Basis.
    Quelle: Bundesagentur für Arbeit
  8. Die große Krise und die Chancen der Gewerkschaften
    Ein Beitrag zur Strategiedebatte
    Wollen die Gewerkschaften als handlungsfähige Akteure mit gesellschaftspolitischem Anspruch überleben, so müssen neben der Neuformulierung des sozial- und gesellschaftspolitischen Mandats und dem Kampf um Gute Arbeit auch unter Krisenbedingungen weitere Projekte hinzukommen. Erneuerung gewerkschaftlicher Organisationsmacht, Ökologisierung und Erhalt industrieller Wertschöpfung sowie die Transformation des exportgetriebenen Entwicklungsmodells sind weitere Projekte von hoher Dringlichkeit und hohem strategischem Potenzial. Bei alle dem wirken die Verteilungs- und Macht- Strukturen des Finanzmarkt-Kapitalismus als Innovationsblockaden.
    Gleichwohl muss die krisenbedingte De-Legitimierung dieses Finanzregimes als Chance genutzt werden, mittels einer Demokratisierung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse Widerstände der Wirtschafts- und Finanzeliten zu überwinden.
    Hier könnten von der Idee einer neuen öko-sozialen Wirtschaftsdemokratie innovative Impulse (nicht nur) für die gewerkschaftliche Strategiedebatte ausgehen. Wirtschaftsdemokratie muss heute zweifelsohne als eine Mehrebenen-Konzeption formuliert werden. Ihren Ausgangspunkt könnte das Konzept der »demokratischen Arbeit« darstellen, das Elemente der direkten Partizipation am Arbeitsplatz mit Konzepten »Guter Arbeit(sgestaltung)« verbindet. Darüber hinaus müssen die Unternehmensebene sowie die Arenen der nationalen und europäischen Wirtschaftspolitik als Räume einer Demokratisierung des Wirtschaftlichen in eine integrierte Gesamtkonzeption einbezogen werden.
    Es geht um nicht weniger als ein neues wirtschaftspolitisches Regime, in dem Gesellschaft und Politik stärker in wirtschaftliche Prozesse und Strukturen eingreifen, als dies in traditionellen sozialreformerischen Strategien angedacht wurde.
    Quelle: Christoph Ehlscheid/Klaus Pickshaus/Hans-Jürgen Urban, in: Sozialismus 06/2010 [PDF – 565 KB]
  9. Einzelhandelsumsatz im April 2010 real um 3,1% gesunken
    Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) lag der Umsatz im Einzelhandel in Deutschland im April 2010 nominal 1,8% und real 3,1% niedriger als im April 2009. Beide Monate hatten jeweils 24 Verkaufstage. 2010 fiel das Osterfest jedoch auf den Monatsanfang, so dass ein großer Teil der Ostereinkäufe schon im März getätigt wurde. Bereinigt um diese Saison- und Kalendereffekte stieg der Umsatz im April 2010 im Vergleich zum März 2010 nominal um 1,5% und real um 1,0%. (…) In den ersten vier Monaten des Jahres 2010 setzte der deutsche Einzelhandel nominal 0,2% und real 1,1% weniger um als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
    Quelle: Destatis

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Der vom Statistischen Bundesamt gemeldete Einzelhandelsumsatz beinhaltet nicht den KFZ-Umsatz der Autohäuser. Der aus der Abwrackprämie resultierende verstärkte PKW-Absatz hatte sich im vergangenen Jahr höchstwahrscheinlich dämpfend auf den Einzelhandelsumsatz (ohne KFZ) ausgewirkt. Vor diesem Hintergrund dürfte der im Zeitraum Januar bis April 2010 im Vorjahresvergleich zu verzeichnende reale Rückgang des Einzelhandelsumsatzes um 1,1% die tatsächliche Lage eher zu optimistisch darstellen.

  10. Berlin knickt bei Spekulation ein
    Die Bundesregierung hat ihr Gesetz zur Eindämmung von Spekulationen am Finanzmarkt kurz vor dem Kabinettsbeschluss entschärft. In der Reuters am Dienstag vorliegenden Kabinettsfassung wird das Bundesfinanzministerium nur noch ermächtigt, per Rechtsverordnung Währungsderivate auf den Euro zu verbieten, die nicht der Absicherung von Währungsrisiken dienen. In einem vorherigen Entwurf sollten diese Geschäfte durch das Gesetz verboten werden. In einer Expertenanhörung hatte es daran breite Kritik gegeben. Mit der Kabinettsfassung ist ein Verbot der umstrittenen Devisen-Derivate also nicht mehr zwingend. Das Ministerium kann es aber erlassen, “um erhebliche Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu beseitigen oder zu verhindern”.
    Quelle: FR
  11. Bewertet die Ratingagenturen
    Es gibt keine andere Möglichkeit, als den Ratingagenturen Anreize zu bieten, eine möglichst genaue Bewertung abzugeben. Bewerkstelligen könnte man dies, indem man den Gewinn der Agentur nicht von der Zufriedenheit des Emittenten abhängig macht, der diese Agentur wählt, sondern davon, wie gut diese Bewertung den Investoren dient. Wenn der Gewinn einer Agentur von ihrer Leistung abhängt – nämlich von der Genauigkeit der Bewertung – würde das Profitmotiv nicht mehr in perversen, sondern durchaus gedeihlichen Anreizen bestehen. Der US-Senat stimmte in diesem Monat für die Einbeziehung eines derartigen Mechanismus in den Gesetzesentwurf zur Finanzreform, der nun noch mit der Vorlage des Repräsentantenhauses abgestimmt werden muss. Der Ansatz des Senats sieht vor, dass die Regulierungsbehörden Bestimmungen erarbeiten, wonach ein unabhängiger Regulierungsrat die Ratingagenturen auswählen würde. Diesem Rat wäre es möglich, seine Entscheidungen auf Grundlage der Leistungen der Agentur in der Vergangenheit zu treffen.
    Ein derartiger Mechanismus dürfte nicht auf die Bewertung strukturierter Finanzprodukte beschränkt sein (wie es leider in der Vorlage des Senats der Fall ist). Vielmehr sollte er für alle von Ratingagenturen bewertete Produkte gelten. Denn alle Bewertungen von Finanzprodukten führen zu den gleichen Anreizproblemen und könnten von einer Reform profitieren.
    Quelle: Project Synidicate

    Anmerkung Orlando Pascheit: Offensichtlich macht man sich jenseits des Atlantiks nachhaltigere Gedanken über das Wirken der Ratingagenturen. Hierzulande erschöpft man sich in Rhetorik.

  12. Heiner Flassbeck: Investoren oder Zocker
    Noch immer sind die Politiker nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass an den Finanzmärkten, die von Herden solcher Manager oder Banker bevölkert werden, nichts passiert, was dem Tun eines richtigen Unternehmers ähnlich wäre. Finanzmärkte, wie ich an dieser Stelle schon oft gesagt habe, produzieren nämlich nichts, sie investieren auch nicht wirklich, sondern sie leben einzig und allein davon, dass sie auf einen fahrenden Zug aufspringen, und versuchen, rechtzeitig wieder abzuspringen.
    Quelle: WuM [PDF – 25 KB]
  13. Merkels Krisenpolitik: Der hässliche Deutsche
    Seit dem Sieg der 19-jährigen Sängerin Lena in Oslo halten sich die Deutschen für beliebt in Europa. Das internationale Bild aber prägt Kanzlerin Angela Merkel. Ihre Krisenpolitik hat das Image der Nation ramponiert.
    Die Welle ist von Kontinentaleuropa über den Rest der Welt geschwappt. Nun machen auch angelsächsische Blätter Angela Merkel und ihre Regierung dafür verantwortlich, dass die EU in der Krise oft kein überzeugendes Bild abgegeben hat. Die “New York Times” beklagte in einem Leitartikel vergangene Woche, Merkel habe sich wochenlang allen Forderungen aus Europa und der ganzen Welt verweigert, ihre Führungsrolle wahrzunehmen. “Im schlimmstmöglichen Moment wendet sich Deutschland nationalistischen Illusionen zu.” Der Historiker Harold James schrieb: “Frau Merkels zunehmend verzweifelten politischen Initiativen scheinen eine der Hauptursachen der internationalen Instabilität zu sein.”
    Im britischen “Guardian” beklagte Kolumnist David Inman: “Die Deutschen geraten außer Kontrolle.” Merkel klinge “furchtbar nach Margaret Thatcher”, schrieb FT-Kolumnist Philip Stephens. Thatcher hatte einst mit dem Ruf “I want my money back” nicht nur einen Beitragsrabatt erstritten, sondern auch gleich eine Sonderstellung in der EU. Ein solches Verhalten Deutschlands würde die Union aber nicht überleben, meinte Stevens.
    Quelle: FTD
  14. Pauschale als Selbstzweck
    Das neue Konzept von Gesundheitsminister Rösler ist nicht nur kompliziert, es ist ungerecht und nicht zukunftstauglich. Damit das Ganze jedoch sinnvoll ist, müssen Steuermittel in Milliardenhöhe zur Verfügung stehen. Dass ist jedoch nicht der Fall. Und da sich die FDP weigert, die Steuern anzuheben, hätte Rösler schon längst die Reißleine ziehen und das Projekt beerdigen müssen. Stattdessen hat er auf Teufel komm raus versucht, die Pauschale irgendwie zu retten, schließlich hat er schon einmal in einem Interview seine politische Zukunft mit ihr verknüpft.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: FR
  15. Also doch: Weniger Geld für Eltern und Bildung
    Angesichts des enormen Spardrucks rückt die Bundesregierung zunehmend von zentralen Beschlüssen ab. So kündigte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Dienstag an, sie werde beim Elterngeld sparen. Diese Familienleistung war erst vor drei Jahren eingeführt worden. Des Weiteren zeigt sich die Regierung entgegen früheren Beteuerungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Zugeständnissen bei den Bildungsinvestitionen in den kommenden Jahren bereit. Das gemeinsame Ziel von Bund, Ländern und Wirtschaft, die Bildungsausgaben auf insgesamt zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, werde zwar nicht aufgegeben, hieß es in Regierungskreisen. Vorstellbar sei aber, die für das Jahr 2015 gesteckte Zielmarke zeitlich um mehrere Jahre nach hinten zu schieben.
    Quelle: Tagesspiegel
  16. Hoffnungslos und ohne Selbstbewusstsein
    Die große Mehrheit der Kinder in Deutschland ist mit ihren Lebensverhältnissen zufrieden, jedoch gerät der Nachwuchs aus ärmeren Familien immer stärkerer ins Hintertreffen. Zu diesem Ergebnis kam die World-Vision-Kinderstudie 2010, bei der in Zusammenarbeit mit Sozialforschern zum zweiten Mal 2500 Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren befragt wurden. Den Leiter der Studie, der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, erschreckt vor allem die wachsende Zahl von rund 20 Prozent der Kinder, die sich bereits in frühem Alter massiv benachteiligt fühlen. Diese Kinder blicken negativ in ihre Zukunft und trauen sich keine erfolgreiche Schullaufbahn zu. Die Befragungen zeigten deutlich, dass Kinder bereits in diesen jungen Jahren ihre Umwelt realistisch betrachten und daraus ihre Perspektiven ableiten.
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: 2. World Vision Kinderstudie [PDF – 123 KB]
  17. Gewaltige Unterschiede
    “Beschimpft, bedroht, geschlagen” titelt die “Welt” am 27. Mai und meint damit die Situation von Polizisten in Deutschland und nicht etwa die von ihr und anderen Medien (z.B. AFP, Bild.de, tagesschau.de, “DW-World”, “RP Online”, “Spiegel”) so sträflich vernachlässigte journalistische Sorgfaltspflicht bei diesem Thema.

    In allen dazu erschienenen Artikeln wird unkritisch weiterverbreitet, Gewalttaten gegen Polizisten hätten zwischen 2005 und 2009 um 60,1 Prozent zugenommen. Diese Zahl stammt ursprünglich aus einer Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen (KFN), die im Auftrag von Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) durchgeführt wurde. Dass diese Studie aus politischen Gründen mit heißer Nadel gestrickt wurde, kann man auf Seite 35 nachlesen:

    „Die knappe Zeit, die zwischen dem Abschluss der Datenerhebung (28.3.2010) und der IMK (Innenministerkonferenz, Anm. BILDblog) (27./28.5.2010) zur Verfügung stand, reichte nur aus, diese ersten sieben Thesen zu erarbeiten und dazu einen Kurzbericht zu verfassen.“ (Seite 35, KFN-Studie)

    Das erfuhr neben einer ganzen Reihe anderer interessanter Aspekte allerdings nur, wer sich den 37-seitigen Zwischenbericht Nr. 1 tatsächlich vollständig zu Gemüte führte und nicht etwa oben genannten vierseitigen Kurzbericht als Ausgangspunkt seiner Berichterstattung nahm. Nun raten Sie mal, woran sich die Medienberichte über Gewalt gegen Polizisten orientieren – kleiner Tipp: Es ist nicht die 37-seitige Langfassung.

    Kurzzusammenfassungen enthalten bekanntermaßen deutlich weniger Informationen und auch nur die, die den Verfassern besonders wichtig sind. Auch bei der oben genannten Studie werden nur in der Langfassung gravierende Mängel bei der Datenerhebung deutlich, die die Macher der Studie größtenteils auch selbst einräumen:

    1. Nur zehn von 16 Bundesländern beteiligten sich an der Befragung. Nicht dabei waren Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen, die nach Einwohnern rund zwei Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen, ebensowenig nahm die Bundespolizei teil.
    2. Da die Teilnehmer der Studie zu Vorfällen aus den Jahren 2005 bis 2009 befragt wurden, besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse durch sogenannte Erinnerungseffekte verfälscht wurden. Selbst die Verfasser der Studie gehen davon aus (S. 25f.), dass der tatsächliche Anstieg der Gewalttaten gegen Polizisten deutlich geringer ausfällt.

    Quelle: BildBlog

  18. Albrecht von Lucke: Die Übergangsregierung
    Sämtliche der FDP-Kernforderungen sind damit obsolet geworden. Aus einer Ein-, Zwei- oder maximal Drei-Themenpartei (Steuersenkung, Kopfpauschale, Verlängerung der AKW-Laufzeiten) wurde eine Nullthemenpartei …
    Spötter sagen, die Partei habe damit das Ergebnis bekommen, das sie verdient: niedrig, einfach und gerecht …
    Wie schnell aus der Eisernen Kanzlerin ein Papiertiger werden kann, haben die letzten Wochen bewiesen… Die sowohl außen- als auch innenpolitische Sonderstellung Angela Merkels ist durch diese Schlappe massiv untergraben worden. Nach fast fünf Jahren an der Regierungsspitze scheint die Kanzlerin den Zenit ihrer Macht überschritten zu haben.
    Gleichzeitig hat die CDU ihre allmächtige Koalitionsstellung verloren – im Bund wie auch in den Ländern. Dabei galt bis kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen als ausgemacht, dass es, wenn nicht zu Schwarz-Gelb, so doch zu Schwarz-Grün kommen werde.
    Gerade vor dem Hintergrund der beschriebenen Übergangssituation muss die Devise für die nächsten dreieinhalb Jahre lauten: Wenn morgen die Koalition am Ende wäre, müsste eine echte inhaltliche Regierungsalternative bereit stehen – schon um dem ständigen Mantra der „Alternativlosigkeit“ der Merkel-Regierung, von Afghanistan bis zur Euro-Rettung, etwas entgegenzusetzen.
    Denn ohne Alternative keine Demokratie. Eine echte politische Regierungsalternative muss daher das Ziel der drei Parteien links der Mitte und speziell der SPD sein, so sie nicht auf Dauer zu eigener Meinungsführerschaft außerstande und bloßes Anhängsel der Union oder blässlich rotes Licht einer Ampel im Nebel sein will.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  19. Nochmals: BP Deepwater Horizon – (siehe Hinweis auf das Desaster der Öl-Lobby)
    Aus dem in Lobby Controls Aufsatz zitierten Artikel der New York Times:

    “But in an interview this week, senior officials of the agency said that in light of the April accident, they could not confidently assert that the long-identified shortcomings with the blowout preventers had been resolved adequately.”

    Anmerkung unseres Leser JRG: Ich bin zwar schon einige Jahre aus dem Ölgeschäft heraus und will auch nicht behaupten auch nur den Schimmer einer Ahnung zu haben, was bei der Deepwater Horizon-Bohrung danebengegangen ist, aber nach allem, was mir bekannt ist, kommt die obige Darstellung im Grundsatz einer Verniedlichung der Probleme mit der bestehenden Ausrüstung für Tiefwasserbohrungen gleich. Sind seit Jahren BOPS mit einer Druckfestigkeit von 15000 psi (103 MPa) das Maß der Dinge, so ist man jetzt bereits gezwungen, für zukünftige Anwendungen entsprechende Ausrüstung mit einer Druckfestigkeit von 20000 psi und darüber hinaus zu entwickeln. Dies wirft ganz neue Probleme auf, da man sich nicht auf eine simple Extrapolation der vorhandenen Technik verlassen kann. Der bereits jetzt ins Auge gefasste Einsatz derartigen Geräts in immer größeren Wassertiefen (>3000m), macht die Sache auch nicht leichter.
    Besonders kritisch ist, dass wegen der wachsenden Länge und der geforderten Druckfestigkeit des Bohrgestänges, die Anforderungen an Materialfestigkeit stetig wachsen, und die Fähigkeit der Vorrichtungen innerhalb der BOPs zur Notdurchtrennung des Bohrgestänges aber nur schwer Schritt halten können und bislang wohl ganz versagen, sollte sich eine (Schraub-)Verbindung zweier höchstfester Bohrgestängerohre just an der Stelle im BOP befinden, an der die Trennung stattfinden soll.
    Das Problem beschränkt sich aber nicht nur auf sicheres Niederbringen und Ausbau derartiger Bohrungen, denn um ihren Zweck zu erfüllen, sollen aus ihnen ja über lange Zeiträume Kohlenwasserstoffe sicher und wirtschaftlich gefördert werden können. Problem ist, dass die Technikentwicklung aber kaum Schritt halten kann mit den Anforderungen, die sich aus dem Vorstoß in immer größere Wassertiefen und Druckregime ergeben.
    Vor diesem Hintergrund könnte man zu dem Schluss gezwungen werden, dass einige dieser Unternehmungen einem Vabanquespiel gleichkommen.

  20. Südafrikas neue Ausbeuter
    Es gibt da eine Geschichte, die in Südafrika immer noch über Patrice Motsepe erzählt wird: Motsepe läuft durch eine glitzernde Shopping Mall in Kapstadt und wird von einigen Passanten erkannt. Sofort bildet sich eine Menschentraube. Mitarbeiter eines Ladens bitten um sein Autogramm; zwei Teenager umarmen ihn für ein Foto; eine alte Schwarze packt seine Hand und streicht sie über ihr zerfurchtes Gesicht. Motsepe, Bergbau-Tycoon und der reichste Schwarze Südafrikas, wird wie ein Held gefeiert – einer, der es in der weißen Welt geschafft hat. Doch mit solcher Heldenverehrung ist es längst vorbei. Die Stimmung am Kap hat sich gedreht. Motsepe und andere schwarze Unternehmer werden beschuldigt, das Land auszuplündern wie einst die weißen Herrscher.
    Es sind ein paar Dutzend schwarzer Tycoons, die vom Ende des Apartheidsystems profitiert haben, die über die besten Verbindungen zur neuen politischen Spitze des Landes verfügten und den Ruf nach Umverteilung der wirtschaftlichen Ressourcen zugunsten der schwarzen Bevölkerungsmehrheit geschickt zum eigenen Vorteil zu nutzen wussten. So protegierte die Regierung eine Gruppe von Oligarchen: Die Black Diamonds, so nennt man sie am Kap, rafften in kürzester Zeit sagenhafte Vermögen zusammen, wie die “Rand-Lords” in der Gründerzeit des Apartheid-Regimes. Im Kampf gegen die Armut sind die neuen Herrscher dagegen kläglich gescheitert. Als Gastgeber der Fußball-WM hat Südafrika Milliarden für grandiose Stadien, moderne Straßen und Bahnlinien ausgegeben, um die Welt zu beeindrucken. Doch die Schere zwischen Reich und Arm klafft weiter auseinander als je zuvor.
    Quelle: FTD
  21. Die Fake-TV-News-Industrie
    PR-Videomaterial hat es leicht: Private TV-Sender, Nachrichtenportale und auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten greifen unverblümt zu. So schaffte es jüngst PR-Material zur Ostsee-Pipeline flächendeckend in die deutschen Medien – von den „Tagesthemen“ und „Heute“ bis hin zu Reuters. Das Umsonst-PR-Material der Nord Stream AG flochten die Sender ohne Hinweis auf die Quelle in die aktuellen Beiträge ein. Während im „Tagesschau“-Beitrag um 20 Uhr zwei Mhoch4-Bilder, bei den „Tagesthemen“ sieben auftauchen, bestehen die Pipeline-freundlicheren Berichte zahlreicher „Heute“-Sendungen zu fast einem Viertel aus Nord-Stream-Material. Die Nachrichtensender n-tv und N24 bauten ihre Stücke fast komplett aus Tele-PR Videos.Verantwortliche von ARD und ZDF bedauern den Vorfall.
    Das Beispiel Ostsee-Pipeline zeigt deutlich, welche Dimensionen die TV-PR annehmen kann, wenn ein Milliardenprojekt mit riesigen Konzernen im Hintergrund den Fernsehnachrichtenmarkt mit eigenem „Footage“ bedient oder präziser: mit Tele-PR-Material.
    Quelle: Journalist [PDF – 279 KB]

    Dazu:

    Werbetext von Daimler und Bayer als redaktioneller Beitrag getarnt – Einflussnahme großer Unternehmen in der Kritik
    Quelle: Saarbrücker Online-Zeitung

  22. Selbstverstümmelung der ARD
    Lena ist der Star des Eurovision Song Contest. Die ARD nutzt das nicht – sondern wirbt vor allem für Raab.
    War das Raab-Engagement für den Songtest der Eurovision schon das Eingeständnis der ARD, diesen sicheren Quotenhit samt einer schier unübersehbaren Verwertungskette über ein Jahrzehnt vermurkst zu haben, so geriet Lenas große Stunde zur bedingungslosen Kapitulation vor dem Entertainer aus dem Privatsystem.
    Erschlagend, wie er (Raab) sich mit seiner massigen Statur, die schwarzrotgoldene Fahne schwingend, für das TV-Volk in den ikonenhaften Vordergrund schob und so die ARD um die ihr zustehende Profilierungschance auf dem Trendmarkt des jüngeren Publikums brachte! Die ARD hat’s gegeben, aber Pro Sieben hat es genommen.
    Ohne jegliche Absprache stürzte er das Bedingungswerk des Wettbewerbs um. Nicht mehr ein Publikumscasting soll den deutschen Vertreter für den nächsten Contest herausfiltern, sondern Siegesgöttin Lena müsse von vorneherein gesetzt sein, um ihren Titel zu verteidigen. Eigentlich ziemlich durchsichtig und ziemlich unverschämt dieses Umsturzmanöver mit dem Ziel, dem Raab-System kommerziell ein ganzes Jahr bis zum nächsten europäischen Großevent samt Protagonistin zu sichern.
    Quelle: SZ
  23. Zu guter Letzt: Kabarettist Georg Schramm über den Rücktritt des Bundespräsidenten: „Ich war entzückt“
    Der Rücktritt sei “das Beste”, was Köhler während seiner Amtszeit gemacht habe, sagt der Kabarettist Georg Schramm. Köhler verfüge nicht über die Kraft des gesprochenen Wortes.
    Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Einleitungstext)
    Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (vollständiges Interview, Audio-Podcast, mp3)

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!