SPD-Chef stützt Syrien-Propaganda

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Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wirft Russland aktuell Völkerrechtsbruch in Syrien vor: „Assad und Russland“ seien für die Tragödie von Idlib „verantwortlich“. Damit stellt nun auch der „linke Hoffnungsträger“ der SPD die Geschichte des Syrienkriegs auf den Kopf – mutmaßlich aus Opportunismus gegenüber einer überwältigenden Medienkampagne. Was wie Anbiederung erscheint, ist jedoch selbstzerstörerisch: Die Äußerungen stoßen zahlreiche Sozialdemokraten vor den Kopf, sie sind ein wahltaktischer Totalausfall. Von Tobias Riegel.

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SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wegen der Vorgänge im syrischen Idlib aktuell schweren Völkerrechtsbruch vor. Dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte der Sozialdemokrat:

“Was in Idlib passiert, ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Die Verantwortung dafür tragen Assad und Russland. Beide nehmen bei der Verfolgung ihrer militärischen Ziele keinerlei Rücksicht auf Hunderttausende zivile Opfer.”

Damit stellt sich Walter-Borjans auf eine Stufe mit all jenen Redakteuren und Politikern, die seit 2011 in einer beispiellosen Medienkampagne leugnen, dass der syrische Staat das Recht hat, sich (mit Hilfe Russlands) gegen unter anderem westlich unterstützte islamistische Kämpfer zur Wehr zu setzen. Zu behaupten, dass „die Verantwortung“ für Idlib beim sich verteidigenden syrischen Staat oder bei den ihn unterstützenden Russen liegt, ist unhaltbar. Doch auch Walter-Borjans vertauscht durch seine Äußerungen die Rollen von Angreifer und Verteidiger. Und auch er erklärt nicht, warum ein Staat es dulden soll, dass militante Islamisten ganze Regionen besetzt halten und die Waffen nicht niederlegen.

Der Opportunismus des Norbert Walter-Borjans

Es ist schwer vorstellbar, dass Walter-Borjans die Situation in Syrien tatsächlich so falsch einschätzt. Es erscheint eher so, als sei er unter der aktuellen, antirussischen Medienkampagne zu Idlib „eingeknickt“ und würde nun die „offizielle“, verzerrte Medien-Version nachbeten. Was jedoch wie Opportunismus erscheint, hat wahrscheinlich die gegenteilige Wirkung: Viele Sozialdemokraten fühlen sich von der Übernahme der zentralen Thesen der Syrienpropaganda durch ihren Parteichef vor den Kopf gestoßen, ja verstört: Dafür soll man ihn nun also gewählt haben…? Zusätzlich vermittelt das Anbiedern Walter-Borjans an einen dominanten Medien-Mythos ein Bild der Schwäche: Und er soll unsere Rechte erstreiten…?

Außerdem tragisch ist, dass die SPD mit der befremdlichen Übernahme von Medien-Konstrukten durch ihren Parteichef nur verliert – und nichts gewinnt. Ohne Not (und ohne einen wahltaktischen Ausgleich in irgendeiner Form zu erwirken) wurde durch die Äußerungen ein wichtiges friedenspolitisches Merkmal der neuen „linken“ SPD-Führung schwer beschädigt. Unser Leser H.M. äußert in den heutigen „Hinweisen des Tages“ darüber seine Enttäuschung:

„Und ich hatte hinsichtlich Walter-Borjans tatsächlich Hoffnung. Ich fühle mich gerade ziemlich veräppelt und irgendwie gutgläubig.“

Die Medien-Mythen vom „Volksaufstand“ in Syrien sind lange enttarnt – sie sind aber Vorbedingung für moralische Anklagen gegen Russland. Wer die antirussischen Anklagen übernimmt (wie Walter-Borjans), der stützt indirekt auch die manipulierte „Vorgeschichte“ vom „Aufstand der syrischen Zivilgesellschaft“ und vom syrischen „Diktator“, der „das eigene Volk ermordet“. Wer Russland die „Verantwortung für Idlib“ zuschreibt, der übernimmt damit auch den ganzen Rest der verzerrten Syrien-Darstellung: Diese Berichterstattung beginnt meist nicht mit der westlichen Einmischung, sondern erst mit der Reaktion der syrischen Regierung, wie die NachDenkSeiten kürzlich in diesem Artikel über die Intensität, die Skrupellosigkeit und die Langfristigkeit der medialen Syrien-Kampagne geschrieben haben. Durch die Verkürzung soll die Kriegsschuld umgekehrt werden.

Der SPD-Chef signalisiert mit dem Interview auch indirekt, dass er die SPD-Wähler nicht für intellektuell fähig hält, diese Syrien-Kampagnen zu durchschauen – denn nur dann könnten sie ihrem Parteichef bei seinen aktuellen Äußerungen folgen.

SPD-Chef stützt antirussische Falken

Zusätzlich zu den Schockwellen, die Walter-Borjans in seine Partei schickt, stützt er durch seine Äußerungen etwa die Falken von den Grünen und der FDP, die die aktuellen Kampagnen ausnutzen, um neue antirussische Sanktionen zu fordern, wie Medien berichten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die westlichen Sanktionen gegen Syrien ein großes Verbrechen sind und unbedingt aufgehoben gehören – das haben die NachDenkSeiten gerade in diesem Artikel beschrieben. Dort wird auch die treffende These vertreten, dass es ohne Eingeständnis der westlichen Verantwortung für den Krieg gegen Syrien keine Lösung für den Konflikt geben kann.