Sehenden Auges in die Krise

Sehenden Auges in die Krise

Sehenden Auges in die Krise

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Das neue Coronavirus tötet nicht nur Menschen, sondern hat auch die Weltwirtschaft infiziert. Die globalen Lieferketten stocken, weltweit brechen die Börsenkurse ein, die negativen Folgen für die globale Volkswirtschaft sind bislang bestenfalls zu erahnen. Eine weltweite Rezession ist wohl kaum mehr abzuwenden. Diese Signale sollten vor allem in dem Land, das wie kaum ein zweites seine wirtschaftliche Strategie auf den Export von Gütern fokussiert hat, die Alarmglocken läuten lassen. Doch die Bundesregierung hat den Ernst der Lage offenbar nicht erkannt, bleibt stur bei ihrer Linie der Haushaltskonsolidierung und zeigt sich damit einmal mehr unfähig, ihre ideologischen Scheuklappen der Realität anzupassen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wenn China hustet, kränkelt die Weltwirtschaft. Und Chinas Husten ist gewaltig. Mittlerweile scheint es sogar möglich, dass die chinesische Volkswirtschaft zum ersten Mal seit der Kulturrevolution 1976 in einem Quartal schrumpft. Die Produktionszahlen haben bereits die Negativrekorde, die im Kielwasser der Finanzkrise 2008/2009 aufgestellt wurden, unterboten und einzelne Meldungen wie der Rückgang der Autoverkaufszahlen um 80% lassen erahnen, wie dramatisch die Situation ist. China hat die Notbremse gezogen und es damit geschafft, die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Nun steht die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt still. Welche Verwerfungen es noch geben wird und wann die Konjunktur wieder anspringt, ist offen.

Alleine diese „Konjunkturdelle“ in China hätte wohl bereits das Zeug, die exportorientierte deutsche Wirtschaft zu schwächen, die bereits seit über einem Jahr mit rückläufigen Auftragseingängen zu kämpfen hat. Die Covid-19-Pandemie ist jedoch schon lange mehr als ein lokales chinesisches Phänomen und was wir bis dato erleben, ist auch nur der Beginn einer Entwicklung, die sehr massive Folgen auf die Weltwirtschaft haben wird. Das hoch sensible globale Fertigungs-, Entwicklungs- und Handelssystem der Industrie trifft nun auf Werksschließungen, Blockaden und unterbrochene Handelswege. Die Globalisierung setzt aus.

Globale Krisen sind nicht neu, doch diesmal bricht ausnahmsweise nicht die Nachfrage, sondern das Angebot weg. Tiefgreifende Folgen für besonders exponierte Wirtschaftszweige wie den Transport oder den Tourismus sind nur schwer zu erahnen, aber sie werden kommen. Und welche Folgen die Pandemie auf die Finanzmärkte und die stets angespannten Bilanzen der Banken haben wird, ist ebenfalls noch nicht seriös zu beantworten. Es sieht jedoch ganz so aus, dass sich da draußen zur Zeit der perfekte Sturm zusammenbraut und es Aufgabe der Politik wäre, wenn möglich bereits jetzt die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, dass der Sturm möglichst wenig Schaden anrichtet. Davon kann jedoch leider nicht die Rede sein.

Stattdessen reagiert die Bundesregierung einmal mehr mit einer mutlosen Mischung aus sinnvollen, aber isoliert vollkommen unzureichenden Einzelmaßnahmen wie der Ausweitung der Kurzarbeit und dem Angebot von Bürgschaften und KfW-Krediten. In einer zweiten Stufe sollen dann noch Steuerstundungen für betroffene Unternehmen hinzukommen. Nur eins sucht man vergebens: ein Konjunkturprogramm. Dabei wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt, in großem Maßstab Investitionen auf den Weg zu bringen, mit denen die Gesamtwirtschaft die kommenden konjunkturellen Einbußen abfedern und im Idealfall sogar absorbieren könnte. Das Geld dafür ist da und der Investitionsstau der letzten Jahrzehnte bietet, angefangen bei der Infrastruktur über die Digitalisierung, die Energiewende, die Bildung bis hin zum Gesundheitssystem, unzählige Felder, in denen man Investitionsprogramme starten könnte. Dies könnte man auf Länder- oder Bundesebene und im Idealfall sogar auf EU-Ebene umsetzen. Wichtig wäre nur, dass das Geld schnell und in ausreichender Menge mobilisiert wird, um auch wirklich zeitnah einen konjunkturellen Effekt auszulösen. Doch auch davon kann leider keine Rede sein.

Stattdessen übt man sich im Tiefstapeln und im Vorbringen unzureichender und wenig sinnvoller Vorschläge. Bundesfinanzminister Scholz träumt beispielsweise von einem Vorziehen der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, während die Union mit Steuersenkungen liebäugelt und Experten wie Marcel Fratzscher eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer ins Spiel bringen. Alle drei Ideen sind jedoch ungeeignet, zielen sie doch im Kern auf eine Stimulierung der Nachfrage ab, die jedoch (noch) gar nicht das Problem ist. Sinnbildlich wäre es jetzt an der Zeit, die Segel zu reffen, die Schotten zu schließen, die Leckpumpen vorzubereiten und das Schiff sturmfest zu machen. Mit welchem Eimer wir beim Versagen der Maßnahmen dann das Wasser aus den Bilgen schöpfen, können wir später noch besprechen.

Was sich in der Gesundheitspolitik bereits anbahnte, setzt sich nun in der Wirtschaftspolitik fort. Anstatt mutig und entschlossen die Verantwortung in die Hand zu nehmen, lehnt sich die Politik zurück und geht den nötigen Entscheidungen lieber aus dem Weg. Doch die Krise verschwindet nicht, wenn die Politik die Augen vor ihr schließt. Im Gegenteil.

Titelbild: sutadimage/shutterstock.com