Forsa-Umfrage: Mehrheit der Bundesbürger lehnt Kurswechsel der SPD nach links ab. Aber: Die SPD hätte mit einem Kurswechsel deutlich bessere Wahlchancen.

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Google meldet in diesem Augenblick weit über 300 Einträge, in denen die Botschaft verkündet wird, dass eine Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen einen Kurswechsel der Sozialdemokraten nach links ablehnt. 37 Prozent sind dafür. Dass das immerhin 9 Prozent mehr sind, als die SPD gegenwärtig wählen würden (nämlich nur noch 28 Prozent), bleibt allerdings in der Berichterstattung unerwähnt. Die Schlagzeilen könnten auch lauten: Die SPD hätte mit einem Kurswechsel nach links deutlich bessere Wahlchancen.

Schon die Fragestellung der von Stern und RTL bei Forsa in Auftrag gegebenen Umfrage ist eigentlich unsinnig, denn niemand kann ehrlicherweise genau sagen, was eigentlich ein Kurswechsel der SPD nach links heißen könnte. Wenn man hätte ernsthaft fragen wollen, ob die Menschen für einen Kurswechsel sind oder nicht, hätte man sie fragen müssen: Sind Sie für die Agenda 2010 oder nicht? Sind Sie für die Hartz-Gesetze oder nicht? Sind Sie für eine solidarische Sicherung gegen die Risiken des Lebens? Sind Sie dafür, die Arbeitslosenversicherung zumindest für 50-Jährige wieder verlässlich und kalkulierbar zu machen? Aber mit solchen Fragestellungen und deren durch andere Umfragen belegten negativen Ergebnissen, wollte der Forsa-Chef Manfred Güllner seinen Spezi Gerhard Schröder natürlich nicht konfrontieren. Er will für Schröders Kampf für seinen „Reform“-Kurs Stimmung machen. Und die Bertelsmann-Medien Stern und RTL helfen natürlich dabei mit. In den gleichen Meldungen wird mitgeteilt, dass die SPD derzeit auf 28% der Stimmen käme. Jeder der eins und eins zusammenzählen kann, könnte ausrechnen, dass sind immerhin 9 Prozent mehr Menschen für einen Kurswechsel sind, als die SPD derzeit an Stimmen bekäme. Die SPD wäre derzeit froh, wenn sie ein solches „Traumergebnis“ von 37 Prozent schaffen würde. Man könnte also getrost auch so titeln: Die SPD hätte mit einem Kurswechsel nach links erheblich bessere Chancen bei einer Neuwahl. Schwarz-gelb würde nach dieser Umfrage derzeit 55 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Das ist ungefähr auch der Anteil, der einen Kurswechsel der SPD ablehnt. Unter diesen 55 Prozent ist ein erheblicher Anteil, der statt für einen „Linkskurs“ für einen „Rechtskurs“ eintritt, also die CDU-FDP Stammwähler. Darunter sind aber auch solche Menschen, die früher vielleicht einmal SPD gewählt haben, die aber schlicht das Vertrauen in die SPD verloren haben, die Münteferings Heuschrecken-Kampagne schon nicht mehr ernst genommen haben und die an einen linkeren Kurs der SPD schlicht nicht mehr glauben. Warum sollte diese Gruppe noch für einen Kurswechsel der SPD eintreten, wenn sie der SPD ohnehin nicht mehr traut? Berücksichtigt man ferner, dass viele potentiellen SPD-Wähler – aus welchen Gründen auch immer – der Meinung sind, dass die SPD überhaupt nur noch eine Chance hat, wenn sie mit Schröder als Kanzler antritt – und schließlich sind immerhin noch 40 Prozent für Schröder in der Kandidatenalternative zu Merkel mit 38 Prozent. Diejenigen, die auf Schröder setzen, müssen sich schon deshalb gegen einen Kurswechsel nach links aussprechen, weil sie davon ausgehen müssen, dass eine solche Korrektur mit ihm nicht zu machen ist und die SPD erkennbar keine personelle Alternative hat. Aus dieser taktischen oder pragmatischen Sicht sprechen sich diese Befragten also logischerweise gegen einen Kurswechsel aus. Addiert man diese Gruppe mit dem Anteil, der sowieso für einen „Rechtskurs“ ist, dann kommt man locker über die Hälfte der Befragten gegen einen „Linkskurs“ der SPD. (Ich wähle bewusst die Alternative „Rechtskurs“ und „Linkskurs“, damit deutlich wird, wie undifferenziert und wenig aussagekräftig die Fragestellung in der Umfrage ist und welche abwertende Vorstellung, mit dem Begriff „Kurwechsel nach links“ assoziiert werden soll.) Warum steigen so viele Medien auf diese Schlagzeile „Mehrheit gegen Kurswechsel der SPD nach links“ überhaupt ein? Darin spiegelt sich, dass der Mainstream der Medien eben nicht politisch unabhängig berichtet, sondern weiter aktiv hinter dem sog. „Reformkurs“ steht und alles tut, damit er nicht gefährdet wird. Deshalb wird alles getan, dass bloß die Linke in der SPD oder die Opposition gegen Schröder entmutigt und geschwächt wird. Denn – das weiß inzwischen jeder – mit Umfragen wird ja Politik gemacht. Die Mehrheit der veröffentlichten Meinung kalkuliert eben damit, dass mit dem Coup Schröders Neuwahlen anzustreben, ein Kurswechsel so oder so verhindert werden kann. Bleibt Schröder dran, dann macht er ohnehin seinen Kurs weiter, kommt Merkel ran, dann wird der Kurs allenfalls etwas schneller vorangetrieben und weiter gesteckt. Deshalb bloß keinen Kurswechsel der SPD!