Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona-Lockdown
  2. Wer wird zur Kasse gebeten? – Nach der Coronakrise ist die Debatte unausweichlich
  3. Starke Schultern können und müssen mehr tragen als bisher
  4. Steuerpolitik in der Coronakrise: Söder will Soli noch vor dem Sommer abschaffen
  5. Verrückte Maßstäbe
  6. Schutzhaft in Pflegeheimen
  7. Die Angst vor dem Absturz
  8. Den Tracing-App-Entwicklern laufen die Partner weg
  9. Corona-Kapitalismus in den USA: hier zeigt er sich in Reinform
  10. Maas: Keine Aufhebung der Reisewarnung auf absehbare Zeit
  11. UN-Generalsekretär fordert Sanktionsaufhebung wegen Corona – Auswärtiges Amt gibt sich unwissend
  12. Nukleare Teilhabe“ und die Dummheit der deutschen Vasallen
  13. Giorgio Agamben zum Umgang der liberalen Demokratien mit dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona-Lockdown
    1. Merkels Kritik ist anmaßend
      Die scharfe Kritik von Kanzlerin Merkel an der Diskussion über weitergehende Lockerungen der Corona-Beschränkungen ist unverschämt. Dass die Länder unterschiedlich vorgehen, könnte vielmehr zu Erkenntnissen führen.
      Kanzlerin Angela Merkel kritisiert “Öffnungsdiskussionsorgien”. Abgesehen davon, dass man auf so eine Wortschöpfung auch erst einmal kommen muss, ist die Kritik gelinde gesagt eine Unverschämtheit – weniger gelinde gesagt, es ist anmaßend.
      Die Politik schränkt die Grundrechte ein – in einem nie dagewesenen Ausmaß. Aus guten Gründen, klar. Aber da ist es nicht nur völlig normal, sondern sogar notwendig, dass jeden Tag – auch wenn es die Kanzlerin nervt – darüber diskutiert wird: Wie können die Bürger so schnell wie eben vertretbar wieder selbstbestimmt leben, arbeiten, sich organisieren? Jeder hat das Recht, jeden Tag zu fragen: Kann nicht etwas mehr gelockert, etwas mehr geöffnet werden?
      Quelle: Tagesschau
    2. Ist der Staat ökonomisch überfordert?
      Die Spannung, die sich aus den Warnungen der Gesundheitsexperten einerseits und der Verzweiflung in der Wirtschaft andererseits ergibt, steigt dramatisch schnell. Die Politik muss endlich erklären, warum es möglich und unumgänglich ist, die Wirtschaft noch umfassender und schneller zu stützen.
      Epidemiologen und Virologen gegen Wirtschaft und Ökonomen? Immer mehr schält sich in der aktuellen Debatte ein Konflikt heraus, den die Politik zu verantworten hat. Bereits vor vier Wochen haben wir genau diesen Konflikt vorhergesagt:

      „Und schon sind Stimmen zu hören …, die davor warnen, mit dem Shutdown mehr Schaden anzurichten als Nutzen zu stiften. … Das scheint auf die Frage hinauszulaufen, zwischen wie vielen Corona-Toten auf der einen Seite und wie vielen Arbeitslosen und zerstörten ökonomischen Existenzen auf der anderen Seite wir zu wählen haben. Doch diese Wahl gibt es bei sachlicher Betrachtung der ökonomischen Zusammenhänge nicht.“

      Gesundheit und Wirtschaft sind in der Corona-Krise eng miteinander verzahnt. Die Politik muss die Risiken in beiden Gebieten abwägen und Kompromisse bei Empfehlungen beider Seiten finden, die faktisch nicht zusammenpassen. Je sorgfältiger die Regierenden dabei vorgehen, desto besser können die Ergebnisse kommuniziert werden und lassen sich die entsprechenden Maßnahmen gegenüber Kritikern vertreten. Dass unter Zeitdruck gearbeitet, entschieden und gehandelt werden muss und sich Fehler einschleichen, liegt in der Natur einer Krise. Was aber nicht vermittelbar ist und zusätzlichen Schaden anrichtet, ist ein Durcheinander und Dahinstolpern der Politik, das weniger ein Dazulernen offenbart als Ahnungslosigkeit. Von einer von ökonomischer Weitsicht geprägten Position „ahead of the curve“ ist man Meilen entfernt.
      Quelle: Makroskop

    3. Warum das Corona-Risiko nicht absolut gesetzt werden darf
      Nichts ist alternativlos. Deswegen müssen die beispiellosen Maßnahmen hinterfragt werden – und das Virus mit anderen Gesundheitsgefährdungen verglichen. Ein Gastbeitrag. (…)
      Nicht erst, wenn Corona einmal ausgestanden ist, gilt es den Blick daher über die Herausforderungen der aktuellen Pandemie hinaus zu weiten. Der Schutz vor spezifischen Risiken oder dessen Ausbleiben berührt die Verteilungsgerechtigkeit, für die Virologen keine Ansprechpartner sind; maximalen Schutz für alle kann der Staat nicht gewährleisten.
      Politische Führung erschöpft sich nicht im Regiment von Fallzahlen. Sie bedeutet vor allem: Vorschläge zu machen, welche Maximen wir uns setzen wollen. In Krisen-Zeiten wie zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 verschieben sich Machtverhältnisse und Aufmerksamkeit in Richtung der Exekutive.
      Damals wie heute sind unsere Erwartungen vernünftiger Problembewältigung, an Regierung und Exekutive gerichtet. Doch der “Selbststeuerungsmechanismus” (Michael Greven) demokratischer Gesellschaften, auch in Krisenzeiten, ist nicht die Exekutive – und erst recht kein technokratisches, KI-gestütztes Prozessmanagement – sondern die Politik. (…)
      Wenn jetzt schon die Infektionsschutzgesetze geändert werden, dann sollten die Kompetenzen der Exekutive nicht einfach auf breiter Front erweitert, sondern an mindestens einer Stelle auch verringert werden: Bei der Ausrufung des Ausnahmezustands.
      Keine Seuche kommt so schnell, dass Bundestag und Bundesrat nicht in parlamentarischer Beratung über angemessene Maßnahmen entscheiden könnten: jedenfalls nicht schneller, als es in Zeiten des Kalten Krieges ein Angriff des Ostblocks erfolgt wäre. Wenn schon die Rhetorik der Corona-”Bekämpfung” an den Verteidigungsfall erinnert, dann darf man das auch weiterdenken.
      Quelle: Georg Eckert und Leonard Novy in Der Tagesspiegel
    4. Schöne neue Corona-Welt
      Eine Welt ohne soziale Kontakte wird geprobt
      (…) Strafgeld von 2.500 Euro
      Schon am Vorabend der vierten Grundgesetz-Versammlung auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz erhielten die Initiatoren persönlichen Besuch von der Polizei. Man informierte sie über eine “Aufenthaltsverbotsverfügung”. Im Fall von Uli Gellermann wurde ein Strafgeld von 2.500 Euro angedroht, sollte der am 18. 04. 2020 in der Zeit von 10.00 bis 24.00 Uhr den Rosa-Luxemburg-Platz und angrenzende Straßen betreten. Demokratie ist teuer. Und doch kamen erneut mehr Menschen zum Platz als zuvor, und doch setzten sie sich heftigen Strafgeldern und einer immer ruppiger werdenden Polizei aus. Wer ist das, der diesen Mut aufbringt? Kaum die üblichen Verdächtigen, kein schwarzer Block, keine bewährten Friedenskämpfer. Die Generationen sind gemischt, die soziale Herkunft auch
      Wem nützt der Ausnahmezustand?
      Klar ist, dass es sich während des Ausnahmezustands so bequem regieren lässt wie nie: Keine parlamentarische Opposition, die Medien sind noch gleichförmiger als üblich, die außerparlamentarische Opposition lässt sich mit Polizeiaufgeboten und Strafgeldern bisher unter Kontrolle halten. Ein Traum vom Durchregieren macht sich breit. Aber es kann auch Geld verdient werden. Natürlich nicht die vielen, vielen kleinen Unternehmen, die zur Zeit kaputt gehen. Aber wenn der umtriebige Milliardär Bill Gates seinen Stoff auf den Markt bringt, wird viel Geld verdient…
      Soziale Kontakte ändern die Welt
      Nur mit konkreten sozialen Kontakten ist die Welt zu ändern. Virtuelle Demonstrationen sind so unwirksam wie virtuelle Konzerte, die den vereinzelten Zuschauer unberührt lassen: Erst der echte, der persönliche soziale Kontakt bewegt. Zu Gefühlen und zum Nachdenken. Nur gemeinsam sind Erkenntnisse und Veränderungen möglich. Davor will uns die schöne neue Corona-Welt bewahren.
      Quelle: Rationalgalerie
    5. Das Dilemma der Lockdown-Politik
      Das Leben eines größeren und im Schnitt jüngeren Teils der Bevölkerung steht gegen das älteren Minderheit. Wäre es moralisch legitim, das Wohl der einen für das Wohl der anderen zu opfern? (…)
      Doch unabhängig davon, wie man zu Corona steht, eines dürfte klar sein: Diese Epidemie wird erst dann enden, wenn entweder ein Impfstoff gefunden oder Herdenimmunität erreicht wird. Beides scheint momentan nicht in Reichweite: Ein Impfstoff wird vermutlich nicht vor 2021 erhältlich sein und eine suffiziente kollektive Immunisierung wird mit den jetzigen Maßnahmen laut Modellen erst in 1-2 Jahren eintreten. Ein probates Medikament steht auch noch aus. Die famose Reproduktionszahl R0 auf unter 1 zu drücken kann auch nur ein temporäres Ziel sein. Die Epidemie wäre dann keineswegs vorbei, sondern nur wieder überschaubar. Die Drohung einer zweiten Welle stünde dann immer noch im Raum. Also, was tun?
      Dass der Lockdown so schnell als möglich beendet werden muss, lässt sich nicht mehr wegargumentieren. Die gesellschaftlichen und ökonomischen Schäden sind bereits immens. Experten sprechen schon jetzt von der schlimmsten Weltwirtschaftskrise seit 1929. Viele bangen bereits um ihre Existenz – auch in wohlhabenden Ländern. Die Caritas verbucht einen steilen Zulauf.
      In vielen ärmeren Ländern sind Menschen verstärkt durch den Hungertod bedroht aber auch in Europa wird bereits gehungert. In Süditalien wurden schon jäh nach Krisenbeginn Supermärkte geplündert, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Täter waren jedoch keine Kleinkriminellen, sondern ganz normale Bürger. All dies geschieht aus finanzieller Not, wie es heißt.
      Dass es so nicht geht, daran zweifeln nur noch wenige, wiewohl es auch nur wenige wagen, daraus langfristige Konsequenzen zu ziehen. Immerhin macht Österreich den ersten Schritt. Die Wirtschaft soll wieder hochgefahren werden – stückweise versteht sich. Zuerst öffnen kleinere Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte. Der Rest soll schrittweise folgen. Anfang Juni soll alles wieder so sein wie vor der Krise – zumindest für eine Zeit lang, denn eine zweite Welle ist wahrscheinlich. Aber was dann?
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung Carsten Weikamp.: Sehr lesenswert!

  2. Wer wird zur Kasse gebeten? – Nach der Coronakrise ist die Debatte unausweichlich
    Die Debatte ist längst im Gange, auch wenn sie von aktuellen Sorgen noch überlagert wir. Doch spätestens, wenn wir aus der Coronakrise in eine neue Normalität eintreten werden, wird sich die Frage stellen: Wie umgehen mit den immensen Kosten der Rettungsprogramme? Die Antworten werden nicht so ausfallen können wie nach der Weltfinanzkrise der Jahre 2008 und folgende. Der Shutdown großer Teile der globalen Wirtschaft hat eine andere Dimension als alle Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Und so werden wir auch bei der Bewältigung andere Wege gehen müssen. Wer nach historischen Anleitungen sucht, wird unweigerlich bei dem New Deal landen, mit dem US-Präsident Franklin D. Rossevelt auf den “Schwarzen Freitag” an der New Yorker Börse im Jahr 1929 reagierte. Anders als es andere empfahlen, legte er kein Sparprogramm auf, sondern ein Investitionsprogramm in der damals gigantischen Höhe von 3 Milliarden Dollar. Es wurden Straßen gebaut, Brücken, Schulgebäude, es wurden riesige Staudämme ebenfalls angelegt wie Parks. Millionen fanden Arbeit. Es war der Grundstock für den Aufstieg der USA zur Weltmacht. Doch ein Bereich muss jetzt endlich entschlossen ins Visier genommen werden. Es wird nach der Krise noch weniger als jetzt zu vermitteln sein, warum Giganten wie Faceboock, Amazon oder Google so gut wie keine Steuern zahlen. Es ist nicht länger hinzunehmen, dass sowohl Oligarchen wie Mafiagruppen illegal Milliarden, ja Billionen umsetzen und diese Gelder dann in New York, London oder München (aber auch kleineren Orten) reinwaschen. Es kann nicht sein, dass weiter immense Milliardensummen in Steueroasen verschwinden.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten

    Anmerkung unseres Leser G.G.: Dieser Artikel ist Pflichtlektüre für die Entscheider-Eliten in Politik, Gesellschaft und vor allem auch der aktuellen neoliberalen bzw. neoklassischen Dogmatiker der Wirtschaftswissenschaften. Die absolute “Marktgläubigkeit” dieser Ökonomen gehört endgültig auf den Misthaufen der Geschichte.

    Anmerkung JK: Der Hinweis auf den „New Deal“ Roosevelts ist auch in die Richtung interessant als Roosevelt ebenso strenge Regulierungsmaßnahmen für die Banken einführte und im Vergleich zu Deutschland, dass in der Wirtschaftskrise eine harte Austeritätspolitik verfolgte, an deren Ende die Machtergreifung der Nazis stand.

  3. Starke Schultern können und müssen mehr tragen als bisher
    Während die rund 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BMW in staatlich mitfinanzierte Kurzarbeit geschickt wurden, will der Aufsichtsrat des Autokonzerns auf der 100. Hauptversammlung am 14. Mai 2020 an seine Aktionäre 1,64 Milliarden Euro Dividende auszahlen. Die Kritik daran bricht nicht ab, Stimmen für eine Vermögensabgabe in der Coronakrise werden lauter.
    Dietmar Bartsch fordert, dass Bonuszahlungen und Dividendenausschüttungen auszusetzen sind, falls deutsche Unternehmen Kurzarbeit oder andere staatliche Leistungen in der Krise in Anspruch nehmen. “Wir kennen das ja schon: in der Krise darf der Steuerzahler einspringen, in guten Zeiten die Investoren die Gewinne einstreichen. Dass die Aktionäre nun sogar in schlechten Zeiten abkassieren sollen, setzt dem Ganzen aber die Krone auf. Wer Staatshilfen bekommt, darf nicht gleichzeitig Dividenden ausschütten”, kritisiert Sahra Wagenknecht die Pläne der BMW-Manager.
    Nach der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz greift mit Sigmar Gabriel nun ein weiterer prominenter Sozialdemokrat die Vorschläge der Linken für eine Vermögensabgabe auf. Fabio De Masi freut sich, “dass Ideen der Linken zur Abschöpfung von Milliarden-Vermögen über einen Lastenausgleich nun selbst in der Deutschen Bank Schule machen. Wir haben bereits bei der Verabschiedung der Corona-Hilfen im Deutschen Bundestag beantragt, dass die Bundesregierung einen Vorschlag für die Beteiligung der oberen ein Prozent am wirtschaftlichen Wiederaufbau vorlegt. Jetzt muss noch Finanzminister Olaf Scholz zeigen, dass dies nicht nur Parteitagsreden aktueller und ehemaliger SPD-Vorsitzender sind. Wer wie die Quandts und Klattens über 700 Millionen Euro an Dividenden aus BMW zieht, während die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt werden, kann auch etwas für dieses Land tun.”
    Auch Dietmar Bartsch reagiert positiv: “Starke Schultern können und müssen mehr tragen als bisher. Reichensteuer oder Vermögensabgabe sind adhoc die richtige Antwort. Langfristig braucht es eine große Steuerreform für mehr Zusammenhalt und Gerechtigkeit. Das geht nur mit Mitte-Links”, adressiert er an Vizekanzler Scholz.
    Quelle: DIE LINKE

    Anmerkung JK: Dazu nur am Rande: Bekanntlich sind Susanne Klatten und Stefan Quandt mit knapp 40 Prozent Aktienanteil die Mehrheitseigner von BMW, d.h. Frau und Herr Klatten/Quandt werden wieder einmal, ohne einen Finger dafür gerührt zu haben, um mehr als eine halbe Milliarde Euro reicher. Auf der anderen Seite stehen durch den Lockdown wohl Hunderttausende vor den Trümmern ihrer beruflichen Existenz.

    dazu: Staat zahlt Corona-Hilfen an Steuer-Trickser
    “Wenn Konzerne Staatshilfen beantragen, sind sie dem Steuerzahler Rechenschaft schuldig. Die Hand aufhalten, aber in Steueroasen Gewinne parken, geht nicht”, sagt der Linken-Politiker Fabio De Masi. “Es sollte stutzig machen, wenn jetzt zum Teil besonders diejenigen Unternehmen am lautesten nach Hilfe rufen, die sich vor der Krise durch aggressive Steuervermeidung um ihren Beitrag zum Gemeinwohl gedrückt haben”, sagt Lisa Paus, Obfrau der Grünen im Finanzausschuss. Ihre Fraktion beantragte am Mittwoch, Unternehmen, die zur Steuervermeidung in einer Steueroase registriert sind, keine Staatshilfen zu gewähren.
    Quelle: Süddeutsche

    und: Dänemark: Keine Staatshilfen für Unternehmen, die Dividenden zahlen
    Wie andere Länder auch greift Dänemark in der Corona-Krise Unternehmen mit Staatshilfen in Milliardenhöhe unter die Arme. Doch es gibt eine Besonderheit: Ausgeschlossen von den Hilfen werden Firmen, die noch Dividenden zahlen oder in Steueroasen registriert sind.
    Die dänische Regierung hat in der Corona-Krise die Laufzeit ihrer Hilfsprogramme für Firmen und Beschäftigte um einen Monat bis zum 8. Juli verlängert und um einige Maßnahmen ergänzt. Das berichtete das Nachrichtenportal Bloomberg. Unternehmen können nun unter anderem im Vorjahr geleistete Steuerzahlungen als zinslose Darlehen zurückerhalten.
    Die Ausgaben erhöhen sich durch die beschlossenen Ergänzungen um etwa 100 Milliarden Kronen (gut 13 Milliarden Euro) auf 400 Milliarden Kronen. Finanziert werden sollen diese Ausgaben unter anderem durch die Ausgabe von Staatsanleihen.
    Diesen Maßnahmen stimmten alle Parteien im dänischen Parlament zu. In einer Erklärung vom Samstag stellte die Regierung klar, dass nicht alle Unternehmen die staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen können. Ausgeschlossen von den Hilfsprogrammen seien Firmen, die Dividenden ausschütten, eigene Aktien zurückkaufen oder in Steueroasen registriert sind.
    Das sollte auch bei uns das Minimum des politischen Anstands sein: Keinerlei Staatshilfen für Unternehmen, die in diesem Jahr Dividenden ausschütten, Aktien zurückkaufen oder in einer Steueroase registriert sind, bzw. ihre Gewinne dorthin verfrachten. KEINE https://t.co/uAH5QxNXBI
    — Norbert Häring (@norberthaering) April 20, 2020
    Der Journalist und Blogger Norbert Häring lobte diesen Ansatz. Auf Twitter forderte er, als “Minimum des politischen Anstands” derartige Firmen auch in Deutschland von Staatshilfen auszuschließen. Neben zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen wollen in Deutschland auch Dax-Konzerne Staatshilfen in Anspruch nehmen, die zu einem großen Teil im Besitz von Finanzkonzernen wie BlackRock und Vanguard sind.
    Anders als Deutschland hat Dänemark bereits in der vergangenen Woche damit begonnen, die im Zuge der Corona-Krise verhängten restriktiven Maßnahmen deutlich zu lockern. Am Mittwoch öffneten die Schulen wieder für die jüngsten Schüler, am Montag können kleine Betriebe wie Friseure und Zahnärzte wieder für Kunden öffnen.
    Quelle: RT Deutsch, 20.04.2020

    außerdem: Disney zahlt mehr als 100.000 Mitarbeitern kein Gehalt mehr
    Der Disney-Konzern setzt ab dieser Woche die Gehaltszahlungen für mehr als 100.000 seiner Mitarbeiter aus, wie die „Financial Times“ berichtet. Das entspricht fast der Hälfte der gesamten Belegschaft.
    Betroffen sind sogenannte Besetzungsmitglieder in Themenparks und Hotels in Europa und den USA, die wegen der Coronavirus-Pandemie seit fast fünf Wochen geschlossen sind. Mit der Aussetzung der Gehaltszahlungen will der Unterhaltungskonzern bis zu 500 Millionen Dollar pro Monat einsparen.
    Durch die Entscheidung sind die Mitarbeiter von Disney auf staatliche Leistungen angewiesen – öffentliche Unterstützung, die sich in den kommenden Monaten auf Hunderte von Millionen Dollar belaufen könnte – während das Unternehmen Bonusprogramme für Führungskräfte und eine im Juli fällige Dividendenzahlung in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar nicht antasten will.
    Disney will Mitarbeitern, die unbezahlten Urlaub nehmen, volle Gesundheitsversorgungsleistungen gewähren. Zudem drängt der Konzern seine Mitarbeiter, sich um die zusätzliche Unterstützung der US-Regierung im Rahmen des Corona-Hilfspakets in Höhe von 600 Dollar pro Woche zu bemühen.
    In Orlando, der Heimat von mehr als 70.000 betroffenen Disney-Mitarbeitern, zahlt der US-Bundesstaat Florida zwölf Wochen lang Arbeitslosengeld von bis zu 275 Dollar pro Woche – es ist einer der niedrigsten Sätze in den USA.
    Die Gehaltszahlungen werden auch für die meisten der 17.000 Mitarbeiter im Disneyland Paris eingestellt, die in Frankreich Kurzarbeit anmelden müssen. Dies ermöglicht es den Unternehmen, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu reduzieren oder Urlaub zu nehmen, während die Regierung bis zu 84 Prozent ihres Nettogehalts übernimmt.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Bei den – immerhin 100.000 – normalen Angestellten spart Disney 500 Millionen Euro im Jahr, indem die Zahlung der Lohnersatzkosten auf den Staat überwälzt werden, während die Bonusprogramme für Führungskräfte und satte 1,5 Milliarden Dollar an Dividenden für die Aktionäre nicht in Frage stehen – sogar im wirtschaftsfreundlichen Handelsblatt scheint Empörung über so viel Unverschämtheit durch. Und was folgt daraus? Nichts. Denn die harte Regulierung eines Raubtierkapitalismus, in dem so etwas nicht verboten ist, ist ja tabu; und nur mit Empörung und moralischen Appellen wird man solche Exzesse nicht unterbinden können. Dann bleibt am Ende nur hilfloses Schweigen.

    Anmerkung JK: Umso besser, dass durch den Ausnahmezustand wesentliche Grund- und Bürgerechte außer Kraft gesetzt sind und somit keinerlei Möglichkeit besteht Protest im öffentlichen Raum zu artikulieren.

  4. Steuerpolitik in der Coronakrise: Söder will Soli noch vor dem Sommer abschaffen
    Die SPD stemmt sich gegen Nachlässe für Vielverdiener. Markus Söder will die Coronakrise dennoch für Steuersenkungen nutzen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Der Opportunismus von Markus Söder ist pathologisch. Jetzt will der bayrische Ministerpräsident die Gunst der Stunde nutzen und den Rest des Soli für etwa zehn Prozent aller Großverdiener abschaffen. Das ist genau das falsche Signal. Diese Steuerzahler haben eine Entlastung kaum nötig. Gleichzeitig befürchten Politiker zu Recht das Wegbrechen von Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Noch weitere Steuersenkungen wären das völlig falsche Signal. Vielmehr sollten Wohlhabende, Reiche und Superreiche finanziell stärker zur Finanzierung der enormen Kosten herangezogen werden, u. a. über die Steuer und auch im Rahmen ihrer unternehmerischen Verantwortung. Eigenes Geld in das Unternehmen stecken, statt stattliche Finanzhilfen oder Kredite. Das wäre ein richtiger Schritt in Richtung echte Solidarität.

  5. Verrückte Maßstäbe
    Corona In der Krise gehen Menschenleben vor Wirtschaft. Warum gilt das gleiche Prinzip nicht auch bei anderen globalen und nationalen Problemen?
    Wir entscheiden uns jetzt für Menschenleben, gegen die Wirtschaft, heißt es allenthalben stolz in Politik und Medien. Das ist das eigentlich Atemberaubende an dieser Corona-Situation, denn in der bisherigen Menschheitsgeschichte und bis vorgestern lief es immer umgekehrt. Wie war es mit einem Mal möglich, im Namen der Humanität alle bisher geltenden Spielregeln außer Kraft zu setzen? Selbst die des Profits und die der Ignoranz? Auch die Freiheitsrechte, weil sie jetzt angeblich eine tödliche Gefahr sein können? Woher die plötzliche und, ja, löbliche Ehrfurcht vor dem Leben? Man hatte sie bisher in der Politik, der Wirtschaft, selbst in Teilen der Medizin schmerzlich vermisst. Für dieses Phänomen hat es noch keine plausible Erklärung gegeben, nur Staunen. Und Angst.
    Quelle: Daniela Dahn in der Freitag
  6. Schutzhaft in Pflegeheimen
    Besonders die Älteren müssten als Risikogruppe in hohem Maße vor dem Virus geschützt werden. Mit diesem Anspruch aber, wörtlich genommen, werden die Alten zum passiven Objekt staatlicher Biopolitik, da ihnen die eigene Handlungskompetenz entzogen wird. Sie werden pauschal entmündigt. Die Alternative: Aufklärung der Risikogruppe und Unterstützung statt Entmündigung wird bisher kaum kommuniziert. […]
    Während Sie jedenfalls gerade so richtig in Fahrt kommen, die guten Ideen sprudeln, Sie recht zuversichtlich sind, dass Sie die Lage schon irgendwie meistern werden, erhalten Sie zwei Eil-Briefe vom Staat: Der erste Brief trägt den Titel: Verordnung zur Regelung von Neu- und Wiederaufnahmen in vollstationären Dauer- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen.
    Sie lesen den Brief aufmerksam durch und bekommen einen Schreck! Wie sollen Sie derartige Forderungen umsetzen? Als ob es so einfach wäre, mal eben ” unverzüglich Isolations- und Quarantänebereiche in einer für die Bewohnerzahl angemessenen Größe vorzubereiten”. Sie haben Jahre daran gearbeitet, Ihren Pflegekräften beizubringen, die Zimmer als Zuhause, als Wohnung ihrer Bewohner zu sehen. Sie haben damit geworben, dass Ihre Kunden diese “Wohnungen” mit wenigstens ein paar vertrauten Gegenständen einzurichten können. Wie soll das gehen, plötzlich drei verschiedene getrennte Unterbringungs-Bereiche einzurichten ohne ganz massiv in das Wohnrecht ihrer Kunden einzudringen. Ist das überhaupt rechtlich möglich?
    Glücklicherweise finden Sie im zweiten Brief des Ministeriums auch Auslegungshinweise. Darin, so hoffen Sie, finden Sie Hilfen, wie Sie die geforderten Maßnahmen in Ihrem Haus umsetzen können. Doch weit gefehlt, hier wird nur noch schärfer formuliert, welche Ergebnisse von Ihnen erwartet werden. […]
    Genauso unmöglich erscheint es Ihnen, nun plötzlich drei verschiedene Teams, samt Nachtwachen, einzurichten. Woher sollen Sie die Mitarbeiter dazu nehmen? Die Hinweise, wo Sie diese rekrutieren können, sollen ja wohl ein Witz sein? Als ob Sie nicht eh schon alles versuchen würden, auch nur die bisher gesetzlich vorgeschriebene Anzahl von Pflegekräften zu gewinnen. Und nun sollen Sie Ihre schon an der Grenze des Zumutbaren arbeitenden Mitarbeiter auch noch verpflichten, bis zu 12 Stunden zu arbeiten? Und danach nur 9 Stunden Ruhepause zu haben? Notfalls, so wird ja auch schon diskutiert, sollen Sie ihr Team gar mit Zwangsarbeitern aufstocken?
    Während Sie noch verzweifelt nach Auswegen suchen aus diesem Horror, den Sie umsetzen sollen, erfahren Sie aus den Medien, dass in NRW nun ein totales Besuchsverbot für Pflegeheime eingeführt worden ist. Ausgehverbot, Besuchsverbot: Ihr ganzer kundenorientierter Ansatz bricht zusammen. Sie sollen Ihr Haus ganz offensichtlich zu einem Gefängnis umbauen. Und ihre Mitarbeiterinnen sollen neben der Pflege auch noch Wärterinnen sein, Hilfspolizei. Sie werden blass. Und: Ihnen fällt zum ersten Mal in ihrem Berufsleben nichts mehr ein.
    Quelle: Telepolis
  7. Die Angst vor dem Absturz
    Vor der heutigen Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs nehmen die Spannungen zwischen dem nördlichen Zentrum und der südlichen Peripherie der Eurozone weiter zu. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte dringt weiterhin auf gemeinsame Anleihen (“Coronabonds”), die Berlin unverändert ablehnt. Conte weist zugleich ESM-Darlehen zurück – trotz beschwichtigender Äußerungen aus Brüssel: “Wir haben nicht vergessen”, konstatiert er, “dass die Griechen [in der Eurokrise] gezwungen worden sind, inakzeptable Opfer zu bringen, um Kredite zu erhalten”. Während Teile der deutschen Funktionseliten zu gewissen Zugeständnissen bei den Coronabonds bereit sind, um den Fortbestand der Eurozone zu garantieren, zeichnen sich erste Risse zwischen den Befürwortern der Gemeinschaftsanleihen aus Südeuropa ab; Ursache ist, so heißt es, die “Furcht, die Deutschen zu sehr zu verärgern”. US-Beobachter rechnen damit, dass sich Berlin in dem Konflikt erneut durchsetzen und damit seine wirtschaftliche wie politische Vormacht in der EU weiter konsolidieren kann.
    Quelle: German Foreign Policy

    dazu: Wirtschaftshistoriker über EU-Krise: „An einem Kipppunkt“
    Steht jetzt der Euro auf dem Spiel? Dass die Groko in Berlin Coronabonds ablehnt, vertiefe die Spaltung zwischen Nord- und Südeuropa, sagt Adam Tooze. […]
    Die Italiener können ESM-Mittel nicht akzeptieren, abgesehen davon, dass die Summen ohnehin zu gering sind, um die italienische Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es ist den Deutschen nicht klar, wie viel Schaden in der Eurokrise angerichtet worden ist. Von 2008 bis 2018 hat sich die wirtschaftliche Kluft zwischen Deutschland und Italien enorm vergrößert: um 8.000 Euro pro Jahr und Kopf beim Bruttosozialprodukt. Das ist ein Desaster für die italienische Gesellschaft.
    Quelle: taz

    passend dazu: Corona-Folgen: In Italien zerfällt das soziale Leben
    Die Angst vor dem finanziellen Ruin lässt die Italiener verzweifeln. Lange Schlangen bilden sich vor Pfandleihhäusern. Denunziationen nehmen zu.
    PaduaNoch vor wenigen Wochen gingen romantische Bilder um die Welt: Italiener stehen auf ihren Balkonen, singen und musizieren gemeinsam. Doch diese Zeit scheint vorbei. Gewalt und Denunziation würden zunehmen. Die Sorge um den finanziellen Ruin sei groß. Die sich zuspitzende Lage beschreibt Valentina Saini, Italien-Korrespondentin des in Brüssel erscheinenden Magazins , in einer Reportage.
    (…) Die Nerven liegen bei vielen Italienern blank. Nach einer Umfrage des Piepoli-Instituts und des italienischen Psychologenverbandes fühlten sich acht von zehn Italienern wegen der Abriegelung gestresst. Ein Grund seien hauptsächlich finanzielle Sorgen und Existenzängste. Italienische Lokalzeitungen berichten von langen Schlangen vor Pfandleihhäusern. Um sich Lebensmittel kaufen zu können, tauschen die Menschen ihren Schmuck und Uhren.
    (…) Die Corona-Krise hat das soziale Miteinander stark verändert. Die Quarantäne habe seit Langem bestehende soziale Probleme in Italien verschärft: häusliche Gewalt nehme zu, die Gefängnisse seien überfüllt. Zwar würden die meisten Menschen recht gut mit der Situation umgehen, sagt Psychologin und Psychotherapeutin Serena Valorzi dem Observer. Aber: „Es ist viel schwieriger, einen klaren Kopf und Einfühlungsvermögen zu haben, wenn unangenehme Emotionen wie Wut, Traurigkeit oder Angst vorherrschen und wenn tiefe emotionale Bedürfnisse wie Freiheit und Sicherheit nicht erfüllt werden“, sagt sie.
    Quelle: Berliner Zeitung

    und: Aufruhr in den Banlieues
    Wurfgeschosse, Tränengas – nach fünf Wochen Ausgangssperre wegen Corona brechen in den Pariser Vorstädten Unruhen aus. Die Krawalle könnten sich auf das ganze Land ausbreiten. (…)
    Bisher hatten sich die streikerprobten Franzosen während der Ausgangssperre ungewöhnlich diszipliniert an die Vorgaben der Regierung gehalten. Doch treffen diese die Bewohner der sozial schwachen Vorstädte von Paris besonders hart. Dort wohnen sie auf engstem Raum zusammen. Der konservative “Figaro” titelt: “Angst vor einer Feuersbrunst.” Die linke Tageszeitung “Libération” warnt: “Eine Revolte bahnt sich an.”
    Die Pariser Polizeipräfektur versucht nun zu beschwichtigen: “Die Einsatzkräfte haben die Situation unter Kontrolle.” Doch an den sozialen Brennpunkten um Straßburg, Lyon und Toulouse gab es bereits neue Zusammenstöße. Polizeigewerkschafter erklärten, dass sie sich vor “schwierigen Nächten” fürchten.
    Quelle: DER SPIEGEL

  8. Den Tracing-App-Entwicklern laufen die Partner weg
    Die Basis für das europäische Contact Tracing wankt. Mehrere namhafte Institutionen haben das Projekt Pepp-PT verlassen. Wie Forscher in aller Welt befürchten sie einen mangelhaften Schutz der Privatsphäre. […]
    Boos selbst sagte, er favorisiere für eine deutsche Tracing-App eine Lösung mit zentralem Server. Eine am Samstag veröffentlichte Dokumentation für eine mögliche Implementierung von Pepp-PT entspricht ebenfalls dem zentralen Modell – die DP-3T-Entwickler halten es für gefährlich und anfällig für “systematischen Missbrauch” und einen heimlichen Ausbau.
    Auch von außerhalb des Konsortiums regt sich Kritik an Pepp-PT. Am Montag veröffentlichten rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt einen offenen Brief “an alle Länder”, in dem sie unter anderem darauf drängen, auf Systeme zu setzen, die öffentlich überprüft werden können und die Privatsphäre durch Design zu gewährleisten – und nicht nur durch Vertrauen in die jeweiligen Betreiber.
    Der Brief liest sich in weiten Teilen wie indirekte Kritik am aktuellen Kurs von Pepp-PT: “Wo es verschiedene Optionen gibt, eine gewisse Funktion oder Komponente der App zu implementieren, muss diejenige gewählt werden, mit der die Privatsphäre am besten geschützt wird.” Aus Deutschland haben 55 Forscherinnen und Forscher aus mehr als zwei Dutzend Einrichtungen unterzeichnet.
    Quelle: SPIEGEL
  9. Corona-Kapitalismus in den USA: hier zeigt er sich in Reinform
    In einer “Krise”, in der 22 Millionen US-Bürger arbeitslos werden und unzählige kleine Geschäfte und Unternehmen eingehen, werden vier superreiche US-Amerikaner um weitere 47 Milliarden reicher. Hier lässt sich die Funktionsweise des Kapitalismus wie unter dem Brennglas studieren.
    Es ist der 17 April 2020. Die USA sind zum globalen Hotspot der Covid-19-Epidemie geworden. Die Zahl der erfassten Infizierten beträgt über 700.000, die Zahl der tatsächlich infizierten dürfte um eine Vielfaches höher liegen. Gut 34.000 Menschen sind an Covid-19 gestorben, fast die Hälfte davon in der Finanzmetropole New York. In nur vier Wochen haben 22 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verloren und sich arbeitslos gemeldet (16. April) . In den Medien sind kilometerlange Autoschlangen vor Essensausgaben für Mittellose zu sehen. Die US-Bürger erleben eine gesundheitliche, wirtschaftliche und existenzielle Katastrophe.
    Es gibt aber auch das andere New York, die Wall Street, und die anderen USA, die USA der Superreichen. Schaut man zur gleichen Zeit (15. April) auf die Bloomberg-Liste der Superreichen und ihr Amerika, so glaubt man man blühende Landschaften zu sehen.
    Quelle: Norbert Häring
  10. Maas: Keine Aufhebung der Reisewarnung auf absehbare Zeit
    Internationaler Urlaub ist nach Ansicht von Außenminister Maas auf absehbare Zeit nicht möglich. Es gebe “keinen einzigen Hinweis”, dass die Reisewarnung aufgehoben werden könnte. Und: Noch eine große Rückholaktion werde es nicht geben.
    Bundesaußenminister Heiko Maas sieht nach einer Videokonferenz mit seinen EU-Amtskollegen keinen Anlass, die Reisewarnung zu lockern und internationale Urlaube wieder zu ermöglichen. “Wir haben alle eine Reisewarnung – weltweit – in die Welt gesetzt, und irgendwann werden wir uns damit auseinandersetzen müssen, wann man diese Reisewarnung zurücknehmen kann”, sagte er im ARD Extra zur Corona-Krise. “Es gibt allerdings im Moment keinen einzigen Hinweis, der darauf hindeutet, dass man das tun könnte in absehbarer Zeit.” …
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung Albrecht Müller: So ein ausgemachter Unsinn: Weil das Auswärtige Amt einmal Reisewarnungen ausgegeben hat, dürfen wir sie nicht hinterfragen und aufgeben. Tolle Logik. Es könnte sich ja etwas geändert haben! Man könnte ja klüger geworden sein! Der Mann kann auch nicht unterscheiden zwischen der Wiederankurbelung des Flugzeugmassenferntourismus und zwei Wochen Ferien mit der Familie in den Vogesen oder in Dalmatien oder in Kärnten oder auf Bornholm oder sonst wo in Europa.

    Unser Außenminister sieht oder weiß auch nicht, wie viele erwachsene Kinder von Deutschen inzwischen in anderen Ländern Europas arbeiten und wohnen. Sich, also Eltern, Geschwister und Enkel und Tanten und Nichten und Neffen gegenseitig zu besuchen und dabei auch zwei Wochen auszuspannen, soll nicht möglich sein? Da haben die Kollegen des Heiko Maas aus Österreich, Spanien, Kroatien, Dänemark etc. bei der Videokonferenz gut geschlafen. Wenn sie nämlich nicht dafür sorgen, dass innerhalb Europas Ferienmachen auf vorsichtige Weise möglich wird, dann ruinieren die Außenminister der stark vom Tourismus lebenden Länder unzählige Existenzen und ihre Volkswirtschaft.

    Unser Außenminister hat auch offensichtlich nicht in Erinnerung, dass es Millionen ehemalige Gastarbeiter und ihre Nachkommen gibt, die ihre Familienverbindungen erhalten wollen.

    Der für dies alles notwendige Reiseverkehr innerhalb Europas ließe sich kombiniert mit ausgefeilten Schutzmaßnahmen genauso gut organisieren wie für Ferien z.B. in Oberbayern oder an der Ostsee.

    Wenn das nicht möglich ist, (weil das deutsche Außenministerium früher einmal Reisewarnungen ausgegeben hat), kann man Europa vergessen.

    dazu: Kanzler Kurz optimistisch zu Grenzöffnung für Urlauber
    Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger zur “schrittweisen” Grenzöffnung für Urlauber zu Wort gemeldet. “Natürlich ist es das Ziel, dass wir die Grenzen wieder runterfahren”, sagte Kurz am Mittwochabend und zeigte sich optimistisch, dass das Reisen zwischen Österreich und Deutschland wieder möglich wird.
    Beide Länder seien bei der Eindämmung des Coronavirus auf einem guten Weg – und dies sei die Voraussetzung für ein Wiederaufleben des Tourismus. Einen genauen Zeitpunkt für Grenzöffnungen nannte er nicht. Am Dienstag kündigte der Bundeskanzler das Anstreben einer “schrittweisen” Grenzöffnung für Urlauber an. “Wir sind hier insbesondere in Kontakt mit Ländern, die ähnlich erfolgreich sind wie wir wie zum Beispiel unseren deutschen oder tschechischen Nachbarn”, sagte er in Wien.
    Quelle: Salzburger Nachrichten

    Anmerkung Jens Berger: Da stellt sich die Frage, mit wem Heiko Maas seine kategorische Ablehnung von Grenzöffnungen für den privaten Reiseverkehr eigentlich abgesprochen hat. Mit Österreich ja wohl ganz offensichtlich nicht.

  11. UN-Generalsekretär fordert Sanktionsaufhebung wegen Corona – Auswärtiges Amt gibt sich unwissend
    UN-Generalsekretär Guterres sowie UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet haben mehrfach an die internationale Staatengemeinschaft appelliert, im Zuge der Corona-Krise die Sanktionen aufzuheben. RT fragte auf der BPK, ob die Bundesregierung dieses Ansinnen unterstützt.
    Ich befürworte die Aufhebung der Sanktionen, die gegen Länder verhängt wurden, um den Zugang zu Nahrungsmitteln, lebensnotwendigen Gesundheitsgütern und medizinischer Unterstützung im Rahmen von COVID-19 zu gewährleisten. Dies ist die Zeit der Solidarität, nicht der Ausgrenzung. Denken wir daran, dass wir nur so stark sind wie das schwächste Gesundheitssystem in unserer vernetzten Welt”, so UN-Generalsekretär António Guterres am 24. März in einem Brief an die G20.
    Zeitgleich appellierte auch die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet für die Aufhebung oder zumindest Verminderung von Sanktionen angesichts der Corona-Krise.
    Auf die Frage von RT Deutsch-Redakteur Florian Warweg auf der aktuellen Bundespressekonferenz, ob die Bundesregierung den Aufruf des UN-Generalsekretärs und der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen zur Aufhebung der Sanktionen teilt, kam vom Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christofer Burger, die erstaunliche Antwort:
    Ich kenne diese Forderung, weltweit Sanktionen aufzuheben, ehrlich gesagt, in erster Linie als Position der russischen Regierung. Aus unserer Sicht werden Sanktionen ja nirgends auf der Welt als Selbstzweck eingesetzt.
    Der Sprecher des Auswärtigen Amtes leugnete in Folge sowohl Kenntnis von dem Brief des UN-Generalsekretärs an die G20, dessen Mitglied die Bundesrepublik seit über 20 Jahren ist, als auch bezüglich des Aufrufs der UN-Menschenrechtskommissarin zu haben.
    Quelle: RT

    Anmerkung Marco Wenzel: Auf der BPK bekommt man halt immer eine qualifizierte Antwort auf seine Fragen.

  12. Nukleare Teilhabe“ und die Dummheit der deutschen Vasallen
    Annegret Kramp-Karrenbauer, die deutsche Meisterin im Insfettnäpfchentappen, will, ohne ausreichende Einbeziehung des Parlaments und des Koalitionspartners SPD 135 Kampfflugzeuge, 90 Eurofighter und 45 US-amerikanische F-18-Maschinen beschaffen. Von einer zweistelligen Milliardensumme ist die Rede. In einer Zeit, in der viele Deutsche um ihre Existenz bangen, und medizinische Geräte und Atemschutzmasken fehlen.
    Die Kampfflugzeuge brauchen wir, um uns an den Öl- und Gaskriegen der USA zu beteiligen. Auch müssten wir unsere „nukleare Teilhabe“ sicherstellen, weil wir „im Kriegsfall Zugriff auf Atomwaffen der USA haben“ sollen, wie es in der heutigen dpa-Meldung heißt.
    Wären die deutschen US-Vasallen nicht so beschränkt, dann ginge ihnen vielleicht ein Licht auf. Im Kriegsfall hätten wir nicht Zugriff auf Atomwaffen der USA, sondern unsere „nukleare Teilhabe“ bestünde darin, dass uns russische oder chinesische Atombomben auf den Kopf fielen. Es sähe dann bei uns so aus, wie in Hiroshima oder Nagasaki (siehe oben).
    Die miteinander rivalisierenden Atommächte USA, China und Russland haben ihre Raketen logischerweise auf die Angriffszentralen des jeweiligen Gegners programmiert. Da die aggressivste Nuklearmacht der Welt, die USA, Russland und China einkreist und hochtechnische Systeme auch versagen können, ist es für Deutschlands Sicherheit unabdingbar, auf diese „nukleare Teilhabe“ zu verzichten und die US-Atombomben und -Militäreinrichtungen von deutschem Boden zu verbannen.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    dazu: „Anachronismus des Kalten Kriegs beenden“ – Ex-Nato-Offizier zu AKKs Wunsch nach US-Atombombern
    Das Bundesverteidigungsministerium will ihre alten Kampfjets durch bis zu 90 weitere Eurofighter sowie 45 F-18-Bomber von „Boeing“ ersetzen. Das US-Modell soll vor allem als Träger für Atombomben dienen. Oberstleutnant a.D. der Luftwaffe Jochen Scholz erklärt, warum das Ministerium daran festhält und was an dieser Bestellung heikel wäre. (…)
    Der Tornado ist auch ein europäisches Flugzeug gewesen, das von den Amerikanern damals zertifiziert werden musste für den A-Bombeneinsatz. Und das könnte man jetzt genauso gut machen. Aber offensichtlich drängt die Zeit, weil die Flugzeuge halt relativ alt sind. Man könnte das zum Anlass nehmen, um endlich diese nukleare Teilhabe zu beenden und dann einen konkreten Schritt in die Richtung zu machen, die man ständig propagiert, dass man weg will von Atomwaffen.
    Warum macht man das nicht?
    Weil damit im Bündnis nicht nur großes Stirnrunzeln, sondern ausgesprochener Unmut entstehen würde. Ich erinnere mal an die Aussage vom ehemaligen parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium Willy Wimmer. Bei der letzten „Wintex“-Übung der Nato 1989 war er der Übungsverteidigungsminister im Rahmen dieser. Und als deutsche Tornados taktische Atombomben auf Städte in der DDR und Osteuropa werfen sollten, hat er den Bundeskanzler angerufen und hat gesagt, Herr Bundeskanzler, ich schlage jetzt vor, Deutschland steigt aus den Übungen aus. Soweit waren wir schon einmal. Und Deutschland ist damals aus der Übung ausgestiegen. Daran müsste man jetzt eigentlich anknüpfen. (…)
    Nun kann man das alles noch dem Kalten Krieg zugutehalten. Aber der Kalte Krieg ist vorbei und es gibt überschaut kein vorstellbares Szenario, wo man an so etwas überhaupt denken könnte. Wer will denn Deutschland angreifen? Keine Nation der Welt will das – außer natürlich Putins Russland. Das ist klar. Also, das ist völlig absurd, diese Vorstellung. Der russische Präsident geht doch nicht 2001 in den deutschen Bundestag und macht ein großes Angebot für eine gemeinsame Zusammenarbeit von Lissabon bis Wladiwostok, um sich dann andererseits vorzubereiten auf einen offenen Angriff gegen Westeuropa und Deutschland. Das ist doch völlig absurd.
    Ihrer Meinung nach braucht Deutschland diese nukleare Teilhabe nicht.
    Wir brauchen sie überhaupt nicht. Das ist ein Anachronismus aus dem Kalten Krieg. Der gehört weg.
    Quelle: Sputnik

  13. Giorgio Agamben zum Umgang der liberalen Demokratien mit dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage
    Ein Land, ja eine Kultur implodiert gerade, und niemanden scheint es zu kümmern. Was spielt sich gerade vor unseren Augen in den Ländern ab, die von sich behaupten, sie seien zivilisiert? (…)
    Ich denke, der Leser, der sich anschickt, über die folgenden Punkte nachzudenken, kann nicht anders, als zuzustimmen, dass die Schwelle, welche die Menschlichkeit von der Barbarei trennt, überschritten wurde. Und zwar, ohne dass man dies bemerkt hätte oder indem man so tat, als würde man es nicht bemerken. (…)
    1.Der erste und vielleicht schwerwiegendste Punkt betrifft die Körper der toten Personen. Wie konnten wir nur im Namen eines Risikos, das wir nicht näher zu bestimmen vermochten, hinnehmen, dass die uns lieben Menschen und überhaupt alle Menschen in den meisten Fällen nicht nur einsam sterben mussten, sondern dass ihre Leichen verbrannt wurden, ohne bestattet zu werden? Dies ist in der Geschichte von der mythischen griechischen Königstochter Antigone bis heute nie geschehen.
    2.Wir haben bedenkenlos hingenommen, wiederum nur im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos, dass unsere Bewegungsfreiheit in einem Ausmass eingeschränkt wurde, wie dies zuvor nie in unserem Land geschah, nicht einmal während der beiden Weltkriege (die Ausgangssperre galt damals für bestimmte Stunden). Wir haben also hingenommen, im Namen eines nicht näher zu bestimmenden Risikos die Pflege unserer Freundschafts- und Liebesbeziehungen einzustellen, weil unser Nächster zu einer möglichen Ansteckungsquelle wurde.
    3.Dies konnte geschehen – und hier berühren wir die Wurzel des Phänomens –, weil wir die Einheit unserer Lebenserfahrung, die immer zugleich körperlich und geistig ist, in eine bloss biologische Einheit einerseits und in ein affektives und kulturelles Leben anderseits aufgespalten haben. Der Philosoph und Theologe Ivan Illich hat gezeigt, welche Verantwortung der modernen Medizin in dieser Spaltung zukommt. Sie scheint sich von selbst zu verstehen, in Wirklichkeit ist sie aber die grösste aller Abstraktionen. Ich weiss, dass diese Abstraktion von der modernen Wissenschaft durch Wiederbelebungs-Apparate erreicht wurde, die einen Körper in einem Zustand des vegetativen Lebens zu erhalten vermögen.
    Quelle: Giorgio Agamben in Neue Zürcher Zeitung