Blairs neoliberales Verständnis von Europas Zukunft

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute erhielt ich – wie immer mal wieder – einen Rundbrief von Joachim Jahnke. Er betrifft die Hintergründe der Haltung Blairs beim EU-Gipfel und die wirkliche Lage in Großbritannien. Blair will ein neoliberal geprägtes Europa, genauso wie vermutlich der Kommissionspräsident Barrosso oder die Slowakische Führung und einige andere Neuzugänge, die unter US-Einfluss stehen. Die Entwicklung Europas scheint sie nicht zu interessieren, wenn sie ihre Gestaltungsvorstellung nicht durchsetzen.

Joachim Jahnke war Unterabteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, als ich als MdB für Rüstungsexportkontrolle zuständig war. Von daher kennen wir uns. Er war dann Vizepräsident der Europaeischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London und ist äußerst globalisierungskritisch. Vor allem meint er, wir müssten im Umgang mit der Globalisierung andere Entscheidungen treffen, um etwas gegen die negativen Wirkungen tun. Darüber hat er ein interessantes Buch geschrieben mit dem Titel “Deutschland global? Mit falschen Rezepten in die Globalisierung”. Seine Kritik der Globalisierung finde ich übertrieben, wir haben viel mehr Freiheitsgrade, als Jahnke denkt. Das ist das einzig Kritische, das ich anmerken will. Unter Jahnkes Website finden sich weitere Informationen, auch die Graphiken zu dem folgenden Rundbrief:

Rundbrief

In ihren Kommentaren nach Scheitern des EU-Gipfels (und vor dem Start der britischen EU-Präsidentschaft) haben PM Blair und AM Straw gestern nicht nur den britischen Rabatt verteidigt, sondern auch ihr neoliberales Verständnis von Europas Zukunft dokumentiert: “It is essentially a division between whether you want a European Union that is able to cope with the future or a European Union that is trapped in the past … This is the moment when Europe has to take measures of fundamental change and reform … It needs to be a social dimension that corresponds to the economic problems that we have today … It’s an issue of modernisation … How does it respond to globalisation in the modern economy?”. Erstaunlicherweise berief sich PM Blair für seine Meinung wiederholt auf die Nein-Stimmen im französischen Referendum, obwohl die zu einem sehr großen Anteil aus Abneigung gegen den neoliberalen britischen Einfluss auf die EU gespeist waren.

Hierzu 2 Schaubilder zu wichtigen Elementen der sozialen Dimension Großbritanniens, das von vielen in Deutschland zu Unrecht als Vorbild betrachtet wird: Krankenhauswartezeiten im National Health System (fast die Hälfte aller Patienten warten mehr als 2 Monate und über 10 % mehr als 5 Monate auf ein Bett; siehe auch den gestrigen BBC-Bericht über die 18 Monate Wartefrist für ein Gehirnscan bei einem der bekanntesten britischen Krankenhäuser; pro Einwohner hat Deutschland doppelt so viele Krankenhausbetten und fast doppelt so viele Ärzte) und Vermögensverteilung zu Gunsten der 10 % Reichsten der britischen Bevölkerung.

Krankenhauswarte-Zeiten nach Zahl der wartenden Patienten in England für 2005

Vermögensverteilung in Großbritannien

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