CNN: 40 Jahre US-Propaganda

CNN: 40 Jahre US-Propaganda

CNN: 40 Jahre US-Propaganda

Ein Artikel von: Tobias Riegel

Der US-Nachrichten-Kanal CNN wurde vor 40 Jahren gegründet. Der Sender hat Ästhetik und Konsum von „Nachrichten“ verändert – nicht zum Besseren: CNN muss sich Kriegsvorbereitung und emotionale Meinungsmache vorwerfen lassen. Die Liste der Verfehlungen ist lang, auch ganz aktuelle sind dabei. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Der US-Privatsender CNN ging vor 40 Jahren auf Sendung. Am 1. Juni 1980 verkündete der Gründer Ted Turner: „Wir können die Menschen dieses Landes und der Welt hoffentlich in Brüderlichkeit, Güte, Freundschaft und Frieden zusammenbringen.“ Neben den Flaggen der USA und des Bundesstaates Georgia wurde auch die UN-Fahne gehisst: Nichts könnte jedoch irreführender sein als Turners warme Worte und die falsche Flaggen-Symbolik von der internationalen Verständigung. Denn für diese Verständigung ist der Sender nicht angetreten und er hat nicht in diesem Sinne gewirkt: Die Verfehlungen von CNN beginnen spätestens mit dem ersten Irakkrieg von 1991. Und sie ziehen sich bis in die Gegenwart, etwa bei den Themen US-Interventionen, Julian Assange, Venezuela oder US-Konfrontation mit Russland – Beispiele dazu folgen später im Text.

Das Unternehmen mit Sitz in Atlanta im US-Staat Georgia ist seit 1996 eine Tochterfirma des Medienkonzerns WarnerMedia. Präsident des Senders ist Jeff Zucker. CNN ist weltumspannend: Es gibt noch weitere US-Büros, etwa in Washington D.C., New York und Los Angeles. In London befindet sich das größte CNN-Büro außerhalb der USA, verantwortlich für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Weitere Büros befinden sich etwa in Berlin, Paris, Moskau, Rom, Madrid, Istanbul, Jerusalem, Beirut, Dubai, Abu Dhabi, Bagdad, Kairo, Lagos und Johannesburg. Die zentrale Anstalt für den asiatischen Raum ist in Hongkong angesiedelt, weitere Studios befinden sich in Peking, Mumbai, Tokio und Islamabad.

„Vollzeit-Kriegsberichterstattung“ zur Vernebelung der Fakten

Erste große Aufmerksamkeit erregte CNN durch die ausufernde Berichterstattung zur „Challenger“-Katastrophe von 1986. Ab dem ersten Irakkrieg 1991 setzte der Sender auf Vollzeit-Kriegsberichterstattung. Die Nachrichtenagentur DPA schwelgt in einem aktuellen Beitrag in begeisterten Erinnerungen an „die historischen Worte“ des CNN-Reporters Bernhard Shaw:

„Es ist mitten in der Nacht im Irak, als dem jungen Nachrichtensender CNN eine der größten journalistischen Sensationen der Geschichte gelingt. ‚Der Himmel über Bagdad ist erleuchtet‘, sind die historischen Worte des Reporters Bernhard Shaw. ‚Wir sehen helle Blitze überall am Himmel.‘ Es ist die Nacht zum 17. Januar 1991. Die CNN-Journalisten um Shaw sind die Augen und Ohren der Welt, als der Zweite Golfkrieg beginnt. Kein anderes westliches Medium kann über diesen Kriegsausbruch sofort live aus dem Irak berichten.“

Dass die relevanten Informationen über die Hintergründe und die Motive des illegalen Angriffskriegs der USA gegen Irak hinter der unendlichen Wiederholung der Bilder entfernter Bombardements verschwinden, wird von den meisten deutschen Medien bis heute nicht angemessen kritisiert. Tatsächlich findet sich etwa in dem DPA-Beitrag zum Jubiläum kein einziges kritisches Wort zur ablenkenden und indirekt militarisierenden Wirkung von CNN. Die berauschende (und dadurch ablenkende) Wirkung einer Schein-Zeugenschaft durch CNN-Reporter beschreibt dagegen etwa das Magazin „Timeline“:

„Infolgedessen erlebten die Amerikaner einen Großteil des Krieges – eine zweiphasige Koalitionsoffensive gegen den Irak – über Videoaufnahmen von Kameras, die an US-Bombern angebracht waren, und über Fernaufnahmen der psychedelischen Spuren, die die sich duellierenden Scud- und Patriot-Raketen hinterließen, die durch den tintengrünen Nachthimmel rasten.

(…) Eine Lichtshow hinter den geduckten Köpfen der Auslandskorrespondenten, ein Bombardement ohne Verletzte. Die Nachrichtenbilder nahmen in dieser unzusammenhängenden Hyperrealität surreale Töne an, Monotonie vermischt mit der Dringlichkeit eines fernen Todes.“

Golfkrieg: CNN als Dirigenten einer medialen Lichtshow

Als zentrale Dirigenten dieser medialen „Lichtshow“ beschreibt der Artikel CNN. Der Sender sei „zufällig“ der einzige Sender gewesen, der aus dem Irak sendete, als die Bombardierung am 17. Januar 1991 begann. Die 24-stündige Berichterstattung von CNN habe „den traditionellen morgendlichen Nachrichtenzyklus in den ununterbrochenen, ständig laufenden Informationsfluss umgewandelt, den wir heute kennen“. CNN habe demnach die „unauslöschlichsten Bilder aus dem Krieg“ geliefert. Erschwerend kommt hinzu, dass 1991 Bilder noch als Beweismittel gegolten hätten – immerhin diesen Status haben sie mittlerweile teils eingebüßt.

Es gibt wahrscheinlich noch fragwürdigere US-Medien als CNN. Und wie bei vielen anderen deutschen oder US-amerikanischen Medien gibt es auch bei CNN bemühte Einzelpersonen und immer wieder einzelne gute Berichte. Das bildet aber kein echtes Gegengewicht etwa zum weitgehend einseitigen Trommeln für den 3. Golfkrieg 2003. Das wurde auch intern kritisiert, etwa von der damaligen CNN-Reporterin Christiane Amanpour, wie der „Guardian“ berichtet. Matt Taibbi beschreibt in diesem Artikel zum zweiten Irak-Krieg, wie „die Medien, die den Irak-Krieg verkauft haben, davongekommen sind“. Demnach waren die „Washington Post“ und die „New York Times“ die wichtigsten redaktionellen Treiber des Konflikts in den Printmedien. CNN übernahm diese Rolle laut Taibbi für das TV:

„CNN überflutete den Äther mit Generälen und Ex-Mitarbeitern des Pentagon.“

„CNN-Effekt“: Vorbereitung von Interventionen durch Dauerberieselung

Es wurde auch ein sogenannter „CNN-Effekt“ festgestellt: Durch die 24-stündige Berieselung mit emotionalen Bildern sei „das Leid der Welt näher gekommen“. Dieser Effekt passte sich perfekt in die infame US-Strategie der „Responsibility to protect“ ein: Um eine „humanitäre“ US-Intervention zu rechtfertigen, brachte man zuvor den (anscheinend) unleugbaren „Beweis” für „humanitäre Katastrophen” in den jeweiligen Ländern. Das Magazin „Atlantic” bedauert jedoch ganz offen die Abnutzung dieser Art der vorbereitenden Meinungsmache durch 24-Stunden-Beschallung – etwa in Syrien habe das leider nicht mehr richtig funktioniert:

„In den 1990er Jahren entstand ein Begriff für die Rolle, die die lebendige Berichterstattung über humanitäre Krisen durch 24-Stunden-Nachrichtensender bei den Entscheidungen der US-Regierung zum Einsatz militärischer Gewalt spielte. In dieser Zeit griff Amerika in Konflikte ein, die es sonst vielleicht ignoriert hätte, vom Irak und Somalia bis nach Bosnien und Kosovo. (…) In den letzten Tagen hat die unerbittliche Bombardierung der belagerten Rebellen-Enklave Ost-Ghouta durch die syrische Regierung gezeigt, wie gedämpft der CNN-Effekt in Syrien ist.“

Durch eine neue Ästhetik, durch Laufbänder und Logos für Themenbereiche etc hat CNN auch indirekt den Weg für das ästhetische Konzept von “Fox News“ (ab 1996) geebnet. Vor allen US-Kriegen und nach 9/11 hat CNN „versagt“, wenn man es freundlich ausdrücken will und keinen Vorsatz sieht. In diesem „Versagen“ steht der Sender aber auf einer Stufe mit fast allen anderen großen westlichen Medien.

Aktuelle Beispiele für CNN-Propaganda

Es gibt auch aktuelle Beispiele für verzerrende Berichterstattung. So meldete CNN kürzlich, das Coronavirus habe „Moskau verwüstet“. Auch für US-Einmischungen in Venezuela lieferte CNN die vorbereitenden Berichte, etwa zu einer angeblich gesperrten Brücke nach Kolumbien, wie hier und hier thematisiert wird.

Dass Julian Assange durch CNN schlimm verleumdet wurde, haben die NachDenkSeiten in diesem Artikel beschrieben. CNN behauptet etwa:

„Exklusiv: Sicherheitsberichte enthüllen, wie Assange die Botschaft in einen Kommandoposten für die Einmischung in Wahlen verwandelt hat. (…) Assange traf in entscheidenden Augenblicken Russen und Weltklasse-Computerhacker“.

Auch die weitere Rolle von CNN im Zusammenhang mit „russischen Wahleinmischungen“, mit Wikileaks und der Demokratischen Partei der USA ist als mindestens fragwürdig zu bezeichnen. Wohl auch solch unseriöses Verhalten hat dazu geführt, dass CNN 2017 für die amerikanischen Wähler angeblich das am wenigsten vertrauenswürdige cable news network war, wie zumindest der „Rasmussen Report“ behauptet.

CNN als „Widerstandskämpfer“ gegen Donald Trump

Gleichzeitig präsentiert sich der Sender aber ganz aktuell als Widerstand und letzte Bastion des „guten Amerika“ gegen US-Präsident Donald Trump. Zu einem kürzlichen Appell großer US-Medien gegen Angriffe durch Trump haben die NachDenkSeiten in diesem Artikel geschrieben:

„Die dem Vorhaben innewohnende Heuchelei springt ins Auge: Denn die Aktion wird angeführt vom ‘Boston Globe’, von CNN, der ‚New York Times’ oder der ‚Washington Post’ – also von Medien, die allein in jüngster Vergangenheit ausufernde Fake-News-Kampagnen wie die ‚russische Wahlmanipulation’, den ‚Gift-Anschlag von Salisbury’ oder den ‘Volksaufstand in Syrien’ produziert haben. Mit den emotionalen Appellen fordert diese erste Liga der Meinungsmacher plötzlich die Wahrheit ein – schließlich kam das Phänomen ‘Fake News’ nach ihrer Darstellung erst mit Donald Trump in die Welt.“

Andererseits ist der Titel des „Widerstandskämpfers“ gegen Donald Trump für CNN nicht ganz abwegig: Eine Studie der „Harvard Kennedy School” zur Medienberichterstattung über die ersten 100 Tage der Präsidentschaft Donald Trumps kam zu dem Ergebnis, dass 93 Prozent aller Berichte von CNN negative Inhalte transportiert haben. Aber ist eine solche eindeutige Lagerhaltung angemessen für den politischen Diskurs? Außerdem: „Widerstand“ gegen Trump bedeutet noch lange nicht, für eine gute Politik einzustehen. So wird hinter dem Schreckgespenst Trump etwa immer wieder die kriegerische Haltung vieler US-Demokraten versteckt.

Eine gute Nachricht zu CNN gibt es: Der Zenit des Einflusses des Senders ist deutlich überschritten.

Titelbild: Shutterstock / Rob Wilson