Trump plant Truppenabzug aus Deutschland? Was für eine absurde Debatte

Trump plant Truppenabzug aus Deutschland? Was für eine absurde Debatte

Trump plant Truppenabzug aus Deutschland? Was für eine absurde Debatte

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Einem Bericht des Wall Street Journals zufolge plant US-Präsident Trump die Zahl in der in Deutschland stationierten US-Truppen um 9.500 Mann zu senken. Von einem Truppenabzug ist die Rede. Medien und Politiker von CDU und Grünen zeigten sich sogleich tief enttäuscht und die Leitartikler sekundierten … Europas Sicherheit sei nun in Gefahr. Absurd. Bei den US-Plänen handelt es sich nicht um einen Truppenabzug, sondern um eine Truppenverlegung – vor allem offenbar nach Polen. Die NATO-Osterweiterung nimmt erneut Fahrt auf und dies ist in der Tat eine Gefahr für Europas Sicherheit. Sinn, Zweck und Legitimation der US-Truppenpräsenz werden indes gar nicht debattiert. Warum? Von Jens Berger.

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Selbst der Bundeswehr-Hardliner Klaus Naumann musste zugeben, dass der vermeintliche „Truppenabzug“ nicht wirklich überraschend kommt. Bereits im letzten Jahr stärkten die USA ihre Militärpräsenz in Polen und unterzeichneten zusammen mit unserem östlichen Nachbarn eine Absichtserklärung, weitere Truppen gen Osten zu verlegen. Unklar war nur, in welchem Umfang diese Stationierungen stattfinden und welche Verbände davon betroffen sind. Die US-Truppenzeitung Stars and Stripes nannte gestern ein wahrscheinliches Szenario – demnach ist wohl geplant, ein Jagdgeschwader der US-Luftwaffe aus Spangdahlem und eine Unterstützungsbrigade aus Baumholder nach Polen zu verlegen. Zusammen würde dies nach Schätzungen der Militärzeitung rund 7.500 Soldaten betreffen, das Gros der geplanten 9.500 Soldaten, die „abgezogen“ werden sollen. Dies deckt sich übrigens mit einer Meldung der Nachrichtenagentur AP, die unter Berufung auf Quellen im Weißen Haus meldet, dass ein Großteil der „abgezogenen“ Soldaten nach Polen und der Rest wohl in andere Länder verlegt werden soll. Der Truppenabzug, so schön er sich anhört, ist also kein Abzug, sondern eine Verlegung der Truppen im Rahmen der NATO-Osterweiterung.

Diese Verlegung wird jedoch genau so wenig öffentlich debattiert wie der Umstand, dass die Stationierung von US-Truppen in Polen einen Bruch der völkerrechtlich bindenden NATO-Russland-Grundakte darstellt. Stattdessen debattiert man lieber über die Frage, ob der angekündigte vermeintliche Teilabzug nun die Sicherheit Deutschlands bedrohen würde. Um diese konkrete Debatte verstehen zu können, muss man sich jedoch in einer Parallelwelt befinden. Vor wem sollen die US-Truppen Deutschland bitteschön beschützen? Vor Russland? Gibt es ein auch nur im Ansatz realistisches Bedrohungsszenario, bei dem russische Truppen morgen die Oder-Neiße-Linie überschreiten? Das Gegenteil ist der Fall. In den letzten Jahrzehnten erlebten wir vielmehr eine – öffentlich ebenfalls fast nie debattierte – Ausweitung der NATO nach Osten und eine damit verbundene militärische Umkreisung Russlands. Dies war und ist keine Reaktion, sondern eine Aktion; eine Aktion im Rahmen einer Spannungspolitik, die in der Tat die Sicherheitslage in Europa verschärft. Doch auch dies wird kaum öffentlich debattiert, genau so wenig wie die Notwendigkeit, zu einer Entspannungspolitik zurückzukehren.

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Die aktuelle Debatte ist daher eine direkte Fortsetzung dieser Verschiebung des Debattenraums. Die unsinnige Behauptung, US-Truppen würden Deutschland vor was auch immer beschützen, ist Teil dieses Debattenraums; die grundsätzliche Frage, was US-Truppen überhaupt auf deutschem Staatsgebiet zu suchen haben, gehört indes nicht dazu. Anders sieht es mit überwunden geglaubten Bedrohungsszenarien aus dem Kalten Krieg aus, die uns kontrafaktisch heute als aktuelle Realität verkauft werden; auch hier ist ein Hinterfragen nicht gern gesehen. Wer den Debattenraum mit derlei grotesken Einschränkungen begrenzt, bekommt am Ende auch eine groteske Debatte vorgesetzt – mit einem US-Präsidenten, der aus gekränkter Eitelkeit seine Truppen aus Deutschland abziehen will und die Sicherheitslage in Europa damit verschärft – ein „ Geschenk für Putin“, wie ein twitternder ehemaliger US-General die Öffentlichkeit glauben machen will. Man darf bezweifeln, dass die russische Regierung sonderlich begeistert von der bevorstehenden Verlegung von US-Truppen direkt vor ihre Haustür ist.

Es ist auffällig, dass diese Verschiebung des Debattenraums eins zu eins mit der Argumentationslinie der sogenannten „Transatlantiker“ einhergeht, die sowohl in der Politik als auch in den Medien in den letzten Jahrzehnten die Deutungshoheit übernahmen. Vollkommen in den Hintergrund sind derweil die grundsätzlichen Fragen geraten. Warum sind überhaupt US-Truppen in Deutschland stationiert? Auch in diesem Punkt waren wir in der Debatte schon mal Lichtjahre weiter. Im 1989 verabschiedeten Grundsatzprogramm der SPD (Berliner Programm) heißt es …

Der Umbruch in Osteuropa verringert die militärische und erhöht die politische Bedeutung der Bündnisse und weist ihnen eine neue Funktion zu: Sie müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa.

Die Sowjetunion ist Geschichte und von einer europäischen Friedensordnung ist heute ebenso wenig die Rede wie vom Ende der Stationierung amerikanischer Streitkräfte in Deutschland oder gar Europa. 2007 wurde das Berliner durch das Hamburger Programm abgelöst – von einem Ende der Stationierung amerikanischer Truppen ist hier noch nicht einmal perspektivisch die Rede.

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Anstatt absurde Debatten aus einer Parallelwelt zu führen, sollten wir die Frage der Stationierung amerikanischer Truppen und Atomwaffen in Deutschland einem Realitätscheck unterziehen und endlich wieder zu den grundlegenden Fragen kommen. Wer bedroht die deutsche Sicherheit? Ist die NATO noch zeitgemäß oder würden wir nicht besser damit fahren, wenn wir zu einer europäischen Friedensordnung finden? Verbessern oder verschlechtern die US-Truppen die Sicherheitslage? Warum dulden wir die Stationierung von Truppen des aggressivsten Landes der Welt auf unserem Hoheitsgebiet? Und schließlich: Wann fangen wir an, diese grundlegenden Fragen endlich offen zu debattieren?

Titelbild: Mattis Kaminer/shutterstock.com

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