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  1. Umstrittene Abrechnung mit Regierungspolitik: Innenministerium war vor “Corona-Rebell” in eigenen Reihen gewarnt
  2. Rüstungsexporte auf Rekordniveau
  3. Die Nato kann früher mit Atomschlägen drohen
  4. Mit dem Handy gegen das Virus – Was bringt die Corona-App?
  5. Alle Jahre einen Snowden
  6. Der Lohn des Verzichts ist die Katastrophe
  7. CDU/CSU und SPD verzögern Anhörung zum Lobbyregister im Bundestag
  8. Corona-Ausbruch mit 400 Neuinfizierten in Tönnies-Fleischfabrik
  9. Merkels Irrtum
  10. Auch die Pflegeversicherung soll/muss an den Steuertropf gehängt werden. Vorerst nur ausnahmsweise. Zugleich wird die Vor-Corona-Debatte über eine Finanzierungsreform wiederbelebt
  11. Kolonialismus mit anderen Mitteln: Europa kontrolliert Westafrika weiterhin durch seine Währung
  12. Menschenrechtspolitik ist auch Technologiepolitik: Anonymisierung und Verschlüsselung ohne Hintertüren sichern Menschenrechte
  13. KSK der Bundeswehr auflösen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Umstrittene Abrechnung mit Regierungspolitik: Innenministerium war vor “Corona-Rebell” in eigenen Reihen gewarnt
    In Horst Seehofers Haus war das eigenmächtige Vorgehen eines Beamten mit Kritik an den Pandemie-Maßnahmen bekannt – aber es gelang nicht, es zu unterbinden
    Das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) hätte die Veröffentlichung eines im Ministerium erstellten kritischen Papiers zur Corona-Politik der Regierung womöglich unterbinden können. Zumindest war das Ministerium gewarnt und schon länger darüber informiert, dass ein Mitarbeiter seine persönlichen Sichtweisen unbedingt zu Papier bringen wollte. Ihm war dies anschließend sogar ausdrücklich verboten worden. Er setzte sich darüber aber offenkundig hinweg.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Albrecht Müller: Interessant ist die Abwertung des Papiers mit dem Etikett rechtslastig, weil es bei Tichys Einblick erschien.

    dazu: Wer beschäftigt das Innenministerium?
    Der „Corona-Rebell“ in den eigenen Reihen. Der Beamte Stephan Kohn hatte ein Papier erstellt, in dem er die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung als „Fehlalarm“ kritisierte. Das sorgte im Mai für mächtig Ärger. Wie mein Kollege Jost Müller-Neuhof jetzt schreibt, war dem Ministerium bekannt, dass Kohn an so einer „Auswertung“ gearbeitet hatte. Ihm sei das untersagt worden. Aber offensichtlich konnte man ihn nicht davon abhalten. Den Beamten könnten nun harte Disziplinarmaßnahmen erwarten, wenn er gegen eine ausdrückliche Weisung verstoßen hat. Auch untersucht wird offenbar, ob Kohn selbst das Dokument rechtslastigen Netzmedien zugespielt haben könnte, um die Opposition gegen die Pandemiepolitik zu befeuern.
    Quelle: Tagesspiegel Morgenlage

  2. Rüstungsexporte auf Rekordniveau
    Deutschlands Rüstungsexporte erreichen ein neues Rekordniveau. Dies geht aus dem gestern publizierten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2019 hervor. Demnach hat die Regierung deutschen Waffenschmieden im vergangenen Jahr die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von über acht Milliarden Euro genehmigt – mehr denn je seit Beginn der Publikation von Rüstungsexportberichten im Jahr 1999. Bei zweien der drei Top-Empfänger deutscher Rüstungsgüter handelt es sich um Staaten, in denen Militärs die Regierung kontrollieren und Proteste von Oppositionellen teils blutig niederschlagen; beide sind traditionell gute Kunden deutscher Rüstungsfirmen. Rüstungskäufe im Wert von über einer Viertelmilliarde Euro hat die Bundesrepublik zudem den Vereinigten Arabischen Emiraten genehmigt, die nicht nur im Jemen Krieg führen, sondern auch den Libyenkrieg mit umfangreichen Waffenlieferungen befeuern. Eine erhebliche Menge an Kriegsgerät darf zudem an Rivalen Chinas geliefert werden. Wieder im Aufschwung befindet sich nicht zuletzt der deutsche Kleinwaffenexport.
    Quelle: German Foreign Policy
  3. Die Nato kann früher mit Atomschlägen drohen
    Bei der Nato ist britisches „Understatement“ angesagt. Wie beiläufig kündigte der Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag an, die Verteidigungsminister würden Entscheidungen zu „Abschreckung und Verteidigung“ treffen, „einschließlich unserer Antwort auf neue nuklearfähige Raketen aus Russland“. So geschah es, wie Stoltenberg nach einer Sitzung der sogenannten nuklearen Planungsgruppe am Mittwoch bestätigte: „Die Nato ändert sich, weil sich das Sicherheitsumfeld ändert.“
    Es klang wie Routine, tatsächlich war es jedoch ein Einschnitt. Von „substantiellen und bedeutsamen Schritten“ sprach ein Eingeweihter. Die Allianz habe sich auf einen „Rahmen für die Abschreckung“ geeinigt, wie es ihn seit den sechziger Jahren nicht mehr gegeben habe. Also seit der heißesten Zeit des Kalten Krieges und der nuklearen Konfrontation zwischen den Supermächten. Leider könne man aber nicht mehr verraten, denn die Pläne seien streng geheim. (…)
    Es ist wohl kein Zufall, dass Moskau Anfang des Monats ein neues Dokument zu seiner Nukleardoktrin veröffentlichte. Darin sind die Risiken aufgelistet, die Russland mit seiner nuklearen Abschreckung „neutralisieren“ müsse. Erstmals werden ausdrücklich landgestützte Kurz- und Mittelstreckensysteme genannt, auch wenn sie nur konventionell bewaffnet sind. Fachleute glauben, dass Moskau die Nato-Verteidigungsminister damit warnen wollte. Staaten, die solche Systeme künftig bei sich aufstellen, wissen nun, dass sie im Visier russischer Raketen sein werden – wenn sie es nicht ohnehin schon sind.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung Christian Reimann: Anstatt durch Dialoge Probleme anzugehen, werden mündliche Verabredungen gebrochen, Russland umkreist und nun wieder Entscheidungen getroffen, die die Konfrontation verstärken. Wann endlich begreifen insbesondere die europäischen NATO-Mitglieder – auch und gerade Deutschland -, dass es Sicherheit in Europa nicht gegen, sondern nur in Kooperation mit Russland geben kann?

  4. Mit dem Handy gegen das Virus – Was bringt die Corona-App?
    Lange angekündigt, ab Dienstag ist sie einsatzbereit: Die Corona-Warn-App soll helfen, die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Bedenken der Datenschützer scheinen ausgeräumt. Die Daten werden anonym gesammelt und nur lokal auf dem Handy gespeichert. Für viele das Wichtigste: Die Nutzung ist freiwillig. Das wollen allerdings nur etwa 40 Prozent der Deutschen auch tun – zu wenig, sagen Experten.
    Viel Aufwand, wenig Nutzen? Wie sicher ist die App? Und wie wichtig ist sie im Kampf gegen die Pandemie?
    Alexander Kähler diskutiert mit:
    – Alexander Kekulé, Virologe
    – Constanze Kurz, Chaos Computer Club
    – Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für Datenschuz
    – Florian Kutzner, Sozialpsychologe Uni Heidelberg
    Quelle: phoenix

    Anmerkung Christian Reimann: Interessant sind insbesondere die Ausführungen von Herrn Kekulé hinsichtlich der technischen Probleme und Risiken sowie der medizinische (Nicht-)Nutzen. Alle teilnehmenden Personen sind sich einig, dass die App für die jetzige Coronakrise zu spät kommt. Bitte lesen Sie dazu auch Corona-App – ein soziales Experiment mit Risiken und Nebenwirkungen.

    dazu: Einlass nur mit App auf dem Handy!
    Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen, mit denen die Corona-Warn-App einer möglichst großen Zahl von Handynutzern nahegebracht werden soll, gehört ein heiliges Versprechen der Bundesregierung: Installation und Nutzung der App seien vollkommen freiwillig. Rechtlich gibt es in der Tat keine App-Pflicht – aber faktisch könnte sich das anders entwickeln. Denn falls sich das Tool tatsächlich als wirksam bei der Warnung potenziell Infizierter erweist, wäre der durchschnittliche Corona-App-Nutzer weniger ansteckungsträchtig als seine Mitmenschen ohne App. Die meisten werden sich ja testen lassen, sobald ein riskanter Kontakt gemeldet wird.
    Das aber wirft ungemütliche Fragen auf: Darf ein Betrieb, der sich gerade mühsam vom Shutdown erholt, seine Belegschaft zum Download verpflichten, um die Firma virenfrei zu halten? Kann der Restaurantbesitzer, der endlich wieder öffnen darf, Besucher ohne Warn-App abweisen? Droht also, mit anderen Worten, die Diskriminierung app-loser Menschen? Und was wäre das Freiwilligkeitsversprechen dann noch wert?
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung JK: Nun, hat man die Möglichkeit dieser Entwicklung nicht vielleicht ins Kalkül gezogen? Selbstverständlich ist Nutzung der Corona-App freiwillig – niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen. Aber wenn eben Unternehmen ihre Mitarbeiter zur Nutzung verpflichten oder Gastronomiebetriebe nur Zutritt mit Corona-App gewähren? Das wäre diskriminierend, natürlich, aber wie dagegen vorgehen? Vor Gericht ziehen? Dieser Mühe wird sich vermutlich keiner unterziehen wollen, vor allem wenn die App mit nur zwei Fingertipps installiert ist. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang wieder einmal die Doppelmoral der Grünen, die einen Gesetzentwurf beschlossen haben, der eine derartige Diskriminierung verhindern soll, während auf der anderen Seite der Parteivorsitzende Robert Habeck eine Corona-Impfpflicht fordert.

  5. Alle Jahre einen Snowden
    Tech-Journalist Stefan Mey bringt Menschen bei, wie sie sich gegen die Datensammelwut im Netz wehren können. Dafür muss man kein Computergenie sein. Bereits kleine Kniffe helfen viel, sagt er im Gespräch – und erschweren es schnüffelnden Konzernen und Behörden.
    Herr Mey, von wem werden wir denn digital angegriffen, dass wir uns verteidigen müssen?
    Da gibt es im Wesentlichen drei Akteure: die klassischen Cyberkriminellen, die versuchen, schädliche Software auf den Rechner aufzuspielen. Zweitens die großen Internetkonzerne und vielen kleinen Werbedienstleister, die einen maximal durchleuchten wollen. Schließlich gibt es noch den Staat als Akteur. Vor Edward Snowden dachte man da an Verschwörungstheorien, heute weiß man, dass auch westliche Geheimdienste massenweise Daten abgreifen.
    Die NSA-Enthüllungen sind sieben Jahre her. Hat sich seitdem substanziell etwas geändert?
    Nein, substanziell nicht. Das Problem an den Snowden-Enthüllungen ist, dass sie mittlerweile relativ alt sind. Es hat sich seitdem viel geändert. Smartphones etwa spielten damals noch keine Schlüsselrolle. Heute schon. Auch die Auswertungsmöglichkeiten sind fortschrittlicher. Künstliche Intelligenz ist höher entwickelt. Man bräuchte alle zwei Jahre einen Edward Snowden – am besten in jedem Land.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung
  6. Der Lohn des Verzichts ist die Katastrophe
    Es gibt kein Zurück zur Normalität von vor der Krise. Die neuen Lektionen müssen schnell gelernt werden, sonst droht eine wirtschaftliche Katastrophe. Insbesondere bei den Schulden und beim Lohn der Arbeit müssen die Weichen jetzt richtig gestellt werden.
    Alle wollen zurück zur Normalität – auch wirtschaftlich. Was die meisten allerdings noch nicht wahrhaben wollen: Die Normalität von vor der Krise wird es nicht mehr geben. Die Wirtschaft wird nach der Krise nicht mehr die Wirtschaft sein, die wir vorher kannten. Es ist ganz anders gekommen, als es sich die Politiker und vermutlich auch die Virologen und Epidemiologen vorgestellt hatten. Die Operation „Große Ferien“, nach der die Welt nach drei oder vier Monaten einfach wieder zum altbekannten Leben zurückkehren sollte, ist grandios gescheitert.
    Wir wollen nicht erneut über die Gründe des Scheiterns reden. Jetzt kommt es darauf an, nicht neue gravierende Fehler zu machen, die in Deutschland und ganz Europa die wirtschaftliche Entwicklung auf Jahrzehnte hinaus schädigen können.
    Ein Muster, das zu vollkommen falschen Entscheidungen führt, kündigt sich schon an. Genau wie nach der Finanzkrise von 2008/2009 überfällt die Koalitionäre in Berlin panische Angst vor der eigenen Courage. Nachdem man damals die Finanzkrise mit öffentlichen Schulden erfolgreich bekämpft hatte, wurde in rasendem Tempo die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben und jahrelang das Ziel der Schwarzen Null verfolgt – zum Schaden nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern auch der der EWU-Partner.
    Nun wirft der damals eingefädelte Rückzahlmechanismus seine Schatten bei der derzeitigen Krisenbekämpfung voraus. Und auch das zweite große Thema, das ebenso entscheidend dafür sein wird, welche langfristigen ökonomischen Schäden die Corona-Krise in Deutschland und Europa hinterlassen wird – nämlich die Lohnabschlüsse in den nächsten 12 bis 24 Monaten – scheint sich bereits in eine fatale Richtung zu entwickeln.
    Quelle: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker auf Makroskop

    dazu: Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Mindestlohn von 12 Euro
    Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen sich für eine schrittweise Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro sowie gegen eine “Corona-Nullrunde” beim Mindestlohn aus. Der Text der gemeinsamen Initiative ist heute als ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen. Die Initiative wird vom DGB unterstützt.
    Quelle: DGB

  7. CDU/CSU und SPD verzögern Anhörung zum Lobbyregister im Bundestag
    „Es ist ein fatales Signal, dass CDU/CSU und SPD Transparenz als Belastung empfinden und nicht als Chance, für die Demokratie zu werben. Der Fall Amthor zeigt, dass niemand mehr mit der Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters warten sollte, erst recht nicht die CDU. Wann, wenn nicht jetzt, wäre der richtige Zeitpunkt, dazu?“, kommentiert Jan Korte, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, die heutige Entscheidung der schwarz-roten Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags, die Anhörung unter anderem zum Gesetzentwurf der LINKEN für ein verpflichtendes Lobbyregister erst nach der Sommerpause am 1. Oktober 2020 durchzuführen. Korte weiter:
    „Seit Jahren fordern nicht nur DIE LINKE, sondern auch Transparenzorganisationen ein Lobbyregister. Seit Beginn der Legislaturperiode liegt unser Gesetzentwurf vor, auch Grüne und FDP haben Initiativen dazu vorgelegt. Eine Anhörung vor der Sommerpause wäre nicht nur ein Zeichen der Koalition gewesen, dass sie verstanden hat, was die Menschen bewegt. Sie hätte ihr auch die Möglichkeit geboten, Erkenntnisse aus der Anhörung in einen möglichen Koalitionsentwurf aufzunehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sie diese Chance hat verstreichen lassen.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag
  8. Corona-Ausbruch mit 400 Neuinfizierten in Tönnies-Fleischfabrik
    Eine Zeit lang sah es so aus, als würde der ostwestfälische Fleischfabrikant Tönnies recht glimpflich durch die Corona-Krise kommen. Jetzt aber gibt es einen riesigen Ausbruch. Der Landkreis Gütersloh reißt deutlich die Corona-Obergrenze.
    Quelle: Welt Online

    dazu: Kreis Gütersloh schließt sämtliche Schulen und Kitas
    400 infizierte Mitarbeiter – der erneute Corona-Ausbruch beim Schlachtereibetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hat Folgen: Im Kreis Gütersloh werden alle Kitas und Schulen geschlossen.
    Quelle: DER SPIEGEL

  9. Merkels Irrtum
    Beim letzten Treffen am 6. Mai wurde das Krisenmanagement weitgehend in die Hände der Ministerpräsidenten und Landräte gelegt. Die Runde hatte einige Lockerungen beschlossen, zum Teil gegen den Widerstand Merkels, die aus Wut gesagt haben soll, sie sei kurz davor aufzugeben.
    Aus heutiger Sicht hat sich Merkel geirrt. Trotz der Lockerungen sind die Fallzahlen gesunken. Auch wenn es immer noch neue Infektionen gibt, rechtfertigen die Zahlen keine drastischen Eingriffe in die Freiheit. Einzelne Hotspots können lokal und regional bekämpft werden. Auch das ist nur ein Zwischenstand, aber wenn es dabei bleibt, kann man nur froh sein, dass Merkel ihren härteren Kurs Anfang Mai nicht mehr durchsetzen konnte. (…)
    “Shoppen ist jetzt erste Bürgerpflicht” heißt heute eine Überschrift im Wirtschaftsteil der “Süddeutschen Zeitung”. Es geht um Großbritannien, aber so ähnlich gilt das auch für Deutschland. Tatsächlich geistert dieser Satz schon seit einigen Wochen durch meinen Kopf und löst in mir ein gewisses Widerstreben aus. (…)
    Vor Corona war aber Shoppen eines der Probleme der Welt. Auch weil so viel gekauft wurde, stiegen die Temperaturen zum Schaden der Erde und der Menschen. Als guter Staatsbürger galt da eher, wer nachhaltig shoppte oder mal verzichtete. (…)
    Ich bin gern Staatsbürger, aber wenn ich shoppen muss, um mich darin zu beweisen, kann etwas nicht stimmen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Anmerkung Christian Reimann: Nicht lediglich aus heutiger Sicht hat sich die Bundeskanzlerin – und mit ihr auch die Landesregierungen – “geirrt”. Seit April liegen (Zwischen-)Ergebnisse von medizinischen Studien vor – u.a. die Heinsberg-Studie. Sie verdeutlichen, dass die Gefahr, die vom neuen Coronavirus ausgeht, deutlich geringer ist, als zunächst von einigen befürchtet. Bitte sehen dazu z.B. das Video Corona-Studie Heinsberg: Virologe Streeck informiert an. Bitte lesen Sie dazu auch Vermutlich wäre es sinnvoll, die am Sonntag beschlossenen Maßnahmen in 14 Tagen auslaufen zu lassen.
    Wenn Frau Merkel aktuell mit den Worten “Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir die schon schwierige Lage in der Wirtschaft nicht nochmal verschlechtern” zitiert wird, so beklagt sie einen Zustand, den sie selber mit zu verantworten hat.

  10. Auch die Pflegeversicherung soll/muss an den Steuertropf gehängt werden. Vorerst nur ausnahmsweise. Zugleich wird die Vor-Corona-Debatte über eine Finanzierungsreform wiederbelebt
    Die Soziale Pflegeversicherung ist nicht nur der jüngste Zweig der Sozialversicherung in Deutschland, sie zeichnet sich auch dadurch aus, dass hier bislang – anders als in der Renten- oder Krankenversicherung – keine Steuermittel geflossen sind, sondern die Finanzierung über Beitragseinnahmen sichergestellt wurde. Mit entsprechenden Auswirkungen in Form von Beitragssatzanhebungen in der Vergangenheit aufgrund der Leistungsausweitungen in den zurückliegenden Jahren, verbunden mit der aus demografischen Gründen steigenden Inanspruchnahme. (…)
    Vor dem Hintergrund des nun erstmals auf den Weg gebrachten Steuerzuschusses an die Pflegeversicherung lässt sich in Berlin eine Wiederbelebung der vor Corona geführten pflegepolitischen Diskussion über eine Reform der Finanzierung beobachten: »Sozialpolitikerinnen der SPD-Fraktion im Bundestag haben am Dienstag mehr als einen einmaligen Bundeszuschuss gefordert. „Wir müssen die Pflegeversicherung dauerhaft aus Haushaltsmitteln unterstützen, weil sonst das Problem der Eigenanteile in den Altenheimen nicht gelöst wird“, sagten die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion Bärbel Bas und Katja Mast bei einer Videokonferenz am Dienstag«, berichtet Fricke in seinem Artikel. »Mit einem jährlichen Bundeszuschuss wollen die Sozialdemokraten ab nächstem Jahr an dieser Stelle eingreifen.« Das geht natürlich über das befristete Konjunkturpaket mit einem Steuerzuschuss begrenzt auf 2020/2021 hinaus – und eröffnet erneut die Debatte, wie denn die Finanzierung der Pflege nach SGB XI auf Dauer und auf besseren Füßen gesichert werden kann. Gut so.
    Denn der nun vereinbarte Bundeszuschuss an die Soziale Pflegeversicherung ist nicht entstanden, um eine gerechtere Lastenverteilung hinzubekommen oder zusätzliche Finanzquellen für einen steigenden Ausgabenbedarf zu erschließen, sondern handlungsleitend ist ein anderes, „übergeordnetes“ Ziel: eine Abgabenbegrenzung im gesamten System der umlagefinanzierten Sozialversicherungen („40 %-Begrenzung“).
    Was wir aber brauchen ist eine Antwort, wie wir a) die definitiv steigenden Ausgaben in der Langzeitpflege, wenn man wirklich Verbesserungen auf der Seite der Vergütungen und der Personalschlüssel erreichen will, mit zusätzlichem geld finanzieren können und b) wir wir die zunehmende Überlastung der betroffenen Pflegebedürftigen (Eigenanteile) wieder umkehren können. Dazu gehört auch der Blick auf die steigenden Hilfe zur Pflege-Ausgaben der Kommunen, die hier wieder zunehmend als Ausfallbürge in Anspruch genommen werden.
    Die Großbaustelle ist wieder geöffnet.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
  11. Kolonialismus mit anderen Mitteln: Europa kontrolliert Westafrika weiterhin durch seine Währung
    Während koloniale Statuen von den Sockeln gerissen werden, rangiert die Reform des afrikanischen Währungsverbunds Franc CFA unter »ferner liefen«. Dabei ist die Währung ein Paradebeispiel dafür, wie europäischer Neokolonialismus heute funktioniert.
    Am 21. Dezember 2019 verkündeten die Präsidenten Frankreichs und der Elfenbeinküste, Emmanuel Macron und Alassane Ouattara, dass sie gemeinsam die neue westafrikanische Regionalwährung Eco ins Leben rufen werden. Anfang Juli plant die französische Nationalversammlung, das Vorhaben zu ratifizieren. Die neue Währung acht früherer Kolonien löst den sogenannten Franc CFA ab. Der Schritt wird in Frankreich und den europäischen Medien als ein neues Kapitel in der Geschichte der europäisch-afrikanischen Beziehungen dargestellt. Doch was hatte es mit dem Franc CFA auf sich? Wieviel verändert sich durch die neue Währung? Und inwiefern ist Deutschland an diesen Manövern beteiligt?
    Quelle: Jacobin
  12. Menschenrechtspolitik ist auch Technologiepolitik: Anonymisierung und Verschlüsselung ohne Hintertüren sichern Menschenrechte
    Am Mittwoch beschäftigt sich der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestags mit aktuellen Entwicklungen bei Überwachungstechnologien, Anonymisierungsdiensten und der Exportkontrolle von Dual-Use-Technologien. Der Chaos Computer Club veröffentlicht seine schriftliche Stellungnahme.
    Der CCC wird neben seiner schriftlichen Stellungnahme [1] zu den Fragen der Abgeordneten am 17. Juni auch mündlich Auskunft geben, die Anhörung wird aufgezeichnet [2]. (…)
    Verschlüsselung und Anonymisierungsdienste wie Tor sind grundlegend für sichere Kommunikation und den Schutz von Informationen vor dem Einblick durch Fremde. Für von Repression oder Überwachung betroffene Menschen ist es essenziell wichtig, dass Verschlüsselungsverfahren und Anonymisierungdienste weder abgeschwächt noch mit Hintertüren versehen werden. Jegliche Bestrebungen demokratischer Staaten, Anonymisierung und Verschlüsselung für die Zwecke von Strafverfolgung und Geheimdiensten zu verbieten, einzuschränken oder zu schwächen, führen unmittelbar zu einer drastischen Verschlechterung der Situation von schutzbedürftigen Personen, deren Menschenrechte auf vielfältige Weise verletzt werden.
    Die derzeitige Rolle Deutschlands und der EU bei der Ausrüstung von nicht-demokratischen Regimen mit Überwachungssystemen und Dual-Use-Technologien bedarf einer Neubewertung und einer Reform der Exportkontrolle. Dies ist umso wichtiger, je weiter für Überwachung und Menschenrechtsverletzungen geeignete Dual-Use-Technologien wie Gesichtserkennung und Distanzbiometrie oder die Auswertung digitaler Lebensspuren verbreitet werden. Automatisierte Massen-Gesichtserkennung sollte grundsätzlich verboten und ihr Export untersagt werden.
    Im aktuellen Trilog zur Dual-Use-Verordnung auf EU-Ebene werden gerade neue Regeln für den Export von Überwachungssystemen gesetzt. Eine Ausweitung und gleichzeitige Modernisierung der Exportkontrolle ist unbedingt notwendig, um Europa nicht weiter zum digitalen Handlanger von Diktaturen zu machen.
    Quelle: Chaos Computer Club
  13. KSK der Bundeswehr auflösen
    Das KSK ist nicht reformierbar. Die geheim agierende, kampforientierte ‚Elitetruppe‘ zieht Rechte regelrecht an. Die Fehler beim KSK sind also systemischer Natur, die Einheit muss deshalb aufgelöst werden! Dass sich dort ein offensichtlich schwer durchschaubares, rechtes Netzwerk gebildet hat, ist auch das Ergebnis jahrelangen Wegsehens, mangelnder Transparenz und Fehlentscheidungen im Verteidigungsministerium“, erklärt Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zu den rechtsextremen Umtrieben beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, die heute Thema im Verteidigungsausschuss waren. Pflüger weiter:
    „Die Zeiträume zwischen dem Bekanntwerden rechter Vorfälle beim KSK werden immer kürzer. Nun hat ein Hauptmann die Zustände dort in einem Brief an die Ministerin geschildert. Demzufolge ist insbesondere der Bereich der KSK-Ausbildung geprägt von erzwungenem Kadavergehorsam und über das Bild der Inneren Führung weit hinausgehenden Methoden. Das KSK scheint an wichtigen Stellen durchsetzt von Angehörigen der rechten Szene. Wir fordern wie der Hauptmann eine externe Untersuchung der Vorgänge.
    Am Ende wird es aber nicht genügen, einzelne neonazistische, rechtsextreme Akteure aus dem KSK zu entfernen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Auch deuten sich in dem Brief des Hauptmanns mit Hinweisen auf direkt involvierte Firmen von Lebensgefährtinnen weitere Untiefen an. Die Ministerin kann es sich sparen, Reformvorschläge für das KSK zu erarbeiten. Die Truppe muss aufgelöst werden.“
    Quelle: DIE LINKE. im Bundestag

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