Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CW)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Corona
  2. Andauernde Folter und medizinischen Vernachlässigung von Julian Assange
  3. 30 Jahre Währungsunion: Es war organisierte Verantwortungslosigkeit
  4. “Das universelle Grundeinkommen: Der feuchte Traum des Weltwirtschaftsforums
  5. Werkverträge: pandemische Verharmlosung durch „herrschende“ Arbeitsrechtswissenschaft
  6. Mindestlohn bleibt Mangellohn
  7. Arbeit und Löhne auf dem Ökonomenindex
  8. Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt
  9. Schwarz-grüner Schmusekurs: Die Grünen entdecken ihre Bewunderung für die CDU, Merz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten
  10. Das grosse Wegwerfen bei Aldi
  11. Schweinerei
  12. Das Letzte – Das kann es nicht sein

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnendsten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Corona
    1. Europarat nimmt Corona-Bericht von Andrej Hunko mit großer Mehrheit an
      Mit 90 Prozent Zustimmung hat der Ständige Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Euro-parates einen Berichtsentwurf des Aachener Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko angenommen. Der in kurzer Zeit erstellte Bericht befasst sich mit ersten Lehren aus dem Umgang mit der Covid-19-Pandemie. Im Vordergrund stehen Herangehensweisen, die gesundheitlich effektiv sind und zugleich die Grundrechte so wenig wie möglich einschränken. Da die Parlamentarische Versammlung derzeit wegen der Pandemie nicht tagt, hat der Ständige Ausschuss vorübergehend diese Funktion eingenommen. Hierzu erklärt Andrej Hunko:
      „Ich freue mich über die breite Zustimmung zu meinem Bericht. Es hat sich gezeigt, dass beim Umgang mit Pandemien schnelle und effektive Reaktionen entscheidend sind, um gravierende Maßnahmen zu vermeiden. Dafür ist zentral, dass sich Staaten gut auf derartige Gesundheitskrisen vorbereiten. Es ist bedauerlich, dass die Empfehlungen des Europarates zur Pandemievorbeugung aus dem Jahr 2016 nicht voll umgesetzt wurden.
      Ich begrüße, dass die Versammlung sich für eine Reform der WHO stark macht, um sie unabhängig von freiwilligen und zweckgebundenen Beiträgen zu machen sowie sie demokratisch zu kontrollieren. Ebenso teile ich die Aufforderung an die Mitgliedsstaaten, ihre Gesundheitssysteme am Bedarf statt am Profit auszurichten und allen Menschen den freien Zugang zu garantieren.
      Quelle 1: Andrej Hunko
      Quelle 2: Lessons for the future from an effective and rights-based response to the COVID-19 pandemic Committee on Social Affairs, Health and Sustainable Development

      Anmerkung Jens Berger: Diese Meldung sucht man in den unzähligen Tickern auf SPON, Tagesschau.de und Co. natürlich vergebens.

    2. Nobelpreisträger warnen vor Gefahren für die Demokratie
      Initiiert wurde das Schreiben vom in Stockholm ansässigen zwischenstaatlichen Demokratie-Institut IDEA und der 1983 gegründeten US-Organisation National Endowment for Democracy. Zu den mehr als 500 Unterzeichnern zählen neben rund 70 Organisationen außerdem 13 Nobelpreisträger wie die Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk, Juan Manuel Santos und Lech Walesa sowie knapp 60 frühere Staats- und Regierungschefs. Auch der Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong, der Schauspieler und Tibet-Aktivist Richard Gere und der ehemalige EU-Parlamentsabgeordnete Elmar Brok finden sich auf der Liste.
      Zustimmung für das Anliegen kommt aus den verschiedensten Bereichen. Dabei sind auch die polnische Filmregisseurin Agnieszka Holland, der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama und der Brite Timothy Garton Ash sowie die Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa und Wole Soyinka.
      In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Die Covid-19-Krise ist ein alarmierender Weckruf und eine dringende Warnung, dass die von uns wertgeschätzten Freiheiten in Gefahr sind und wir sie nicht als selbstverständlich hinnehmen dürfen.“ Wenig überraschend sei, dass autoritäre Regime die Lage nutzten, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und ihre Macht zu festigen, hieß es in dem Schreiben.
      Aber auch einige demokratisch gewählte Regierungen würden die Pandemie mithilfe von Notstandsbefugnissen bekämpfen, die die Menschenrechte einschränkten und die staatliche Überwachung ausweiteten. Parlamente würden übergangen, Journalisten festgenommen und Minderheiten zu Sündenböcken gemacht. Dabei werde Unterdrückung nicht helfen, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Die Demokratie sei weiterhin das effektivste System, um globalen Krisen zu begegnen.
      Quelle: Berliner Zeitung

      Anmerkung Christian Reimann: Das trifft leider auch auf Deutschland und sämtliche Staaten der EU zu – zumindest sind einige Schritte in diese Richtung unternommen worden: „auch einige demokratisch gewählte Regierungen würden die Pandemie mithilfe von Notstandsbefugnissen bekämpfen, die die Menschenrechte einschränkten und die staatliche Überwachung ausweiteten. Parlamente würden übergangen, Journalisten festgenommen und Minderheiten zu Sündenböcken gemacht.“

      Auch vor diesen Hintergründen erscheint eine Untersuchung des Ausnahmezustandes, der merkwürdigen Corona-Zeit durch eine unabhängige Expertenkommission mehr als geboten und durchaus sinnvoll zu sein – ähnlich wie bereits in Dänemark geplant.

    3. Langfristig könnte Schweden richtig liegen
      Schwedens Chef-Epidemiologe verteidigt weiter die Corona-Strategie seines Landes, langfristig sei noch nicht raus, “wie das alles endet.” Ein anerkannter US-Wissenschaftler sieht das ähnlich. Unterdessen muss die WHO eingestehen, Schweden zu Unrecht als Risikoland eingestuft zu haben.
      Am Freitag regte sich Schwedens Chef-Epidemiologe Anders Tegnell furchtbar darüber auf, dass die WHO sein Land auf eine Liste mit elf Ländern setzte, in denen die Corona-Neuinfektionen so schnell stiegen, dass deren Gesundheitssysteme schon bald wieder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen könnten. Es handle sich um einen totalen Irrtum, widersprach er. Man zähle in Schweden mehr Neuinfektionen, da man die Anzahl der Tests sehr stark erhöht habe. Die Anzahl der schweren Fälle gehe aber gleichzeitig zurück.
      Tatsächlich korrigierte sich die WHO noch am selben Tag, schrieb laut “Bloomberg” E-Mails an schwedische Medien. Darin erkannte sie an, dass der Anstieg auf die ausgedehnten Tests seit Anfang Juni zurückzuführen ist. Der Anteil der positiven Tests sei insgesamt stabil bei zwölf bis 13 Prozent geblieben. Sprich: Die Ansteckungsraten sind in Schweden stabil.
      Dass das Land nicht die Kontrolle über die Pandemie verliert, bestätigen auch die kontinuierlich sinkenden Todeszahlen und rückläufigen Intensivbehandlungen von Covid-19-Patienten. Und so attestiert die WHO in der E-Mail Schweden, es sei dem Land durch Einbindung der Gesellschaft gelungen, die Verbreitung auf einem Niveau zu halten, das das Gesundheitssystem bewältigen könne.
      Quelle: n-tv
    4. Was bringt ein Immunitätsausweis?
      Ein Immunitätsausweis soll bescheinigen, dass jemand eine COVID-19-Erkrankung überstanden hat und nun – wahrscheinlich – immun ist. Ein solcher Pass brächte Vorteile, etwa beim Reisen, der Jobsuche oder beim Altenheimbesuch. Doch das Konzept steckt voller Fallstricke. (…)
      Durch die Einführung solcher Ausweise darf es nicht zu Diskriminierungen, Stimatisierung und einer Zweiklassengesellschaft kommen. Zudem gibt es derzeit nicht genug Antikörpertests, um in Ländern wie Deutschland oder den USA einen Großteil der Bevölkerung zu untersuchen. Datenschützer gehen sogar noch weiter und fürchten, dass das der Einstieg in eine umfassende Registrierung des Gesundheitszustands der Menschen sein könnte. Mit diesen Themen beschäftigt sich der Ethikrat, von dessen Votum viel abhängt.
      Zudem warnt unter anderem der Soziologe Armin Nassehi im Dlf vor einem Missbrauch. „Es könnte einen Anreiz geben, sich zu infizieren als junger gesunder Mensch, um diesen Ausweis zu bekommen und Vorteile zu haben“, sagte er im Deutschlandfunk. Zudem könnte es verfassungsrechtlich bedenklich sein, „wenn man Menschen je nachdem, ob sie Antikörper haben oder nicht, bestimmte Rechte zuweist, bestimmte Veranstaltungen zu besuchen, einen Arbeitsplatz zu haben oder ähnliches.“ (…)
      Gibt es Erfahrungen aus dem Ausland?
      Ja, zum Beispiel Chile hat Immunitätspässe eingeführt. Dort nennt man das „Ausgangs-Karten“, erklärt Molekularbiologin Natalie Kofler von der Harvard Medical School im Dlf [AUDIO]. „Sie stellen es praktisch Menschen aus, die die Krankheit überstanden haben. Die können sich dann frei bewegen. Estland will Menschen mit Immunitätspässen bei der Rückkehr zum Arbeitsmarkt helfen.“ Auch die britische Regierung prüft die Idee.
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung J.K.: “Durch die Einführung solcher Ausweise darf es nicht zu Diskriminierungen, Stigmatisierung und einer Zweiklassengesellschaft kommen.”

      Das ist alles Geschwätz. Ist der Immunitätsausweis erst einmal eingeführt, wird er der Ausgangspunkt für Diskriminierung sein. Wer das nicht will, muss diesen ablehnen, klipp und klar.

      Aber niemand hat ja die Absicht einen Immunitätsausweis einzuführen.

    5. Pharmakonzern legt Preis für Remdesivir auf 390 US-Dollar pro Ampulle fest
      Remdesivir (Veklury) von Gilead Sciences ist ein antiviraler Wirkstoff, der die virale RNA-Polymerase hemmt und die Vermehrung von RNA-Viren in den infizierten Zellen verhindern soll. Während der Ebola-Epidemie wurden Tests an Primaten und schließlich auch an Menschen durchgeführt, das Mittel erwies sich jedoch als weniger wirksam als Antikörperbehandlungen. […]
      Aufgrund der Notzulassung hat Gilead Sciences jetzt den Verkaufspreis für Remdesivir festgelegt und demonstriert damit, dass Profit vor allem geht. In den USA und anderen Industrieländern soll eine 5-tägige Behandlung ab Juli 2340 US-Dollar pro Patient mit einer Krankenversicherung kosten (pro Ampulle 390 US-Dollar), Privatpatienten sollen 3120 Dollar zahlen. Für eine zehntätige Behandlung werden 7520 US-Dollar fällig. […]Argumentiert wird, dass für Patienten weniger Kosten entstehen könnten, wenn mit Remdesivir der Aufenthalt im Krankenhaus verkürzt wird. Patienten sollen durchschnittlich vier Tage früher das Krankenhaus verlassen, was in den USA 12.000 US-Dollar an Kosten für das Gesundheitssystem einsparen würde. Großherzig wird versichert, dass man sich entschlossen habe, den Preis “weit unter diesem Wert” festzulegen, um “einen breiten und gerechten Zugang in einer Zeit der globalen Not zu gewährleisten”. […]
      In einem Bericht für das Journal of Virus Eradication wurden die Herstellungskosten für Remdesivir und andere mögliche Medikamente in Indien abgeschätzt. Mindestens würde die Herstellung des antiviralen Medikaments pro Behandlungstag 0,93 US-Dollar kosten, eine zehntätige Behandlung käme also dann auf etwa 10 US-Dollar, wofür Gilead aber 7500 US-Dollar ansetzt.
      Quelle: Telepolis

      dazu: USA kaufen weltweite Bestände von möglichem Corona-Medikament auf
      Die Trump-Regierung hat sich im Kampf gegen Corona laut einem Medienbericht Hunderttausende Dosen des Medikaments Remdesivir gesichert. Für den Rest der Welt ist demnach bis Herbst kaum noch etwas übrig.
      Quelle: SPIEGEL

      Anmerkung Jens Berger: Dies ist nur ein Vorgeschmack auf die kommende Impfstofffrage. Würde der Rest der Welt – inklusive der wohlfeil argumentierenden EU – es ernst meinen, müsste man nun die Frage nach der Gültigkeit von Patenten für Arzneimitteln stellen.

    6. Scharfe Kritik des Paritätischen: Jobcenter dürfen wieder Sanktionen verhängen
      Mit Empörung reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband auf eine aktuelle Weisung der Bundesagentur für Arbeit, nach der Jobcenter ab sofort grundsätzlich wieder Sanktionen gegen Hartz IV-Beziehende verhängen dürfen. Sanktionen waren mit der coronabedingten Schließung der Jobcenter ausgesetzt worden und sollen nun mit der schrittweisen Öffnung für Publikumsverkehr wieder aufgenommen werden. Der Verband erinnert mahnend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, das die Sanktionspraxis grundlegend in Frage gestellt hatte. Die durch das Urteil notwendig gewordene gesetzliche Neuregelung steht bis heute aus. Aus Sicht des Verbandes sind die Sanktionen inhuman und in der Sache nicht zu rechtfertigen. Der Paritätische spricht sich für eine ersatzlose Streichung aus.
      “Sanktionen sind kontraproduktiv und treiben Menschen ins Elend. Es zeugt schon von außergewöhnlicher Kaltherzigkeit oder aber Lebensferne, wenn Menschen in der Grundsicherung trotz der offensichtlichen coronabedingten Mehrbedarfe nicht nur nach wie vor finanzielle Soforthilfe verweigert, sondern nun auch noch mit Leistungskürzungen gedroht wird”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. “Statt bürokratischer Drangsalierung brauchen die Ärmsten dieser Gesellschaft endlich konkrete Hilfe.”
      Der Paritätische unterstreicht seine Forderung nach einer bedarfsgerechten Anhebung der Regelsätze und der kompletten Abschaffung von Sanktionen. „Es wird höchste Zeit, dass wir diese antiquierte Rohrstockpädagogik aus dem vorletzten Jahrhundert überwinden und zu einem den Menschen zugewandten sanktionsfreien Hilfesystem gelangen“, so Schneider.
      Der Verband kündigt für die kommende Woche den Auftakt einer gemeinsamen Kampagne mit Sanktionsfrei e.V. an, um politisch Druck für eine menschenwürdige Grundsicherung zu machen. Hintergründe zu der gemeinsamen Kampagne werden am 7. Juli in einem gemeinsamen Online-Pressegespräch vorgestellt.
      Quelle: Der Paritätische
  2. Andauernde Folter und medizinischen Vernachlässigung von Julian Assange
    In der medizinischen Fachzeitschrift “The Lancet” warnen mehr als 200 angesehene Ärzte und Psychologen aus 33 Ländern, dass Verantwortliche in Großbritannien für die Folter zur Verantwortung gezogen werden können
    Schon im Februar hatten 117 Ärzte und Psychologen aus 18 verschiedenen Ländern in einem in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienenen Schreiben die “Beendigung der psychologischen Folter und medizinischen Vernachlässigung” am WikiLeaks-Begründer Julian Assange gefordert, worüber Telepolis berichtete. Nun haben 216 Ärzte und Psychologen am Freitag, dem Internationalen Tag zur Unterstützung der Folteropfer, in The Lancet nachgelegt und erneut die “andauernde Folter und medizinische Vernachlässigung” moniert…
    Die Mediziner haben über sechs Monate Misshandlungen dokumentiert und erklären nun, dass die psychologische Folter sogar noch intensiviert worden sei, die zum Ziel habe, die betroffene Person zu zerstören. Der Journalist sei isoliert und 23 Stunden eingeschlossen. “Isolation und Reizarmut sind zentrale psychologische Foltertaktiken, die schwere Verzweiflung hervorrufen können, Orientierungslosigkeit, Destabilisierung und Zerfall wichtiger geistiger Funktionen”, heißt es in dem Brief. Die Vorgänge stellten einen “Präzedenzfall” von internationaler Bedeutung dar, stellen die Ärzte und Psychologen das Vorgehen gegen den Journalisten und Verleger in den Rahmen der Presse- und Meinungsfreiheit dar.
    (…) In einer Pressemitteilung, warnte Lissa Johnson, Führungsmitglied der “Doctors for Assange”, die sich für den Journalisten einsetzt, dass sich die Verantwortlichen auch strafbar machten:
    “Nach der Konvention gegen Folter sind diejenigen, die in offizieller Eigenschaft handeln, nicht nur für die Verübung von Folter, sondern auch für ihre stillschweigende Duldung und Zustimmung mitschuldig und können zur Rechenschaft gezogen werden.”…
    Quelle: Telepolis

    dazu: Geburtstag hinter Gittern: Mahnwachen für Julian
    Am 03. Juli 2020 wird ein mehrfach für den Friedennobelpreis nominierter australischer Journalist seinen 49. Geburtstag hinter Gittern verbringen, während Menschen weltweit bei Veranstaltungen für ihn lautstark seine Freiheit einfordern.
    (…) Gerade in der Pandemie-Situation ist die lebensbedrohliche Lage für Assange noch gravierender geworden, denn obwohl er unschuldig im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten wird und eine Strafe wegen angeblichen Verstoßes gegen Kautionsauflagen längst abgesessen hat, weigert sich die offensichtlich voreingenommene britische Justiz, ihn aufgrund der Covid-19 Gefahr auf Kaution freizulassen.
    (…) Zu Assanges Geburtstag am 03. Juli planen viele deutsche Städtegruppen Free Assange Aktionen, vertreten sind u.a. Hamburg, Köln, München, Frankfurt, Ulm und Cottbus. Ebenso London und Assanges Heimat Australien, aber auch in Neuseeland, den USA, Mexiko, Stockholm, Brüssel, Wien und vielen weiteren Ländern und Städten gibt es Aktionen.
    (…) Gerade erst, am 29. Juni, wurde der Gerichtsort publik, an dem die zweite Verhandlungsrunde ab dem 07. September in Assanges Schauprozess voraussichtlich aufgeführt werden soll, Old Bailey, mitten in London. Die jüngst bekannt gewordenen “neuen” Anklageinhalte der USA lagen bei der technischen Anhörung am 29. Juni weder Assanges Anwälten offiziell vor noch der Richterin, beide Seiten wissen nur aus den Medien davon, wie WikiLeaks Chefredakteur Kristinn Hrafnsson in einer Stellungnahme berichtete. Diese Inhalte stützen sich auf einen Zeugen, der ein verurteilter Betrüger ist, Sigurdur Thordarson, und der nebenbei auch als pädophiler Sexualstraftäter in Erscheinung tritt.
    Dies zeigt zum einen die Notlage der US-Seite, die es nicht schafft, trotz des eindeutigen Vorteils an finanziellen, zeitlichen und weiteren Ressourcen irgendeine auch nur halbwegs plausible Anklage gegen Assange zu konstruieren…
    Quelle: Free Assange

    Anmerkung Marco Wenzel: Unter „Veranstaltungen“ auf der Webseite sind alle Mahnwachentermine in Deutschland und angrenzend aufgelistet.

  3. 30 Jahre Währungsunion: Es war organisierte Verantwortungslosigkeit
    Nach einem Treffen am 6. Februar 1990 mit DDR-Staatsbankpräsident Horst Kaminsky und dessen Wirtschaftsministerin Christa Luft gab Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl eine Presseerklärung ab: Pläne zu einer Währungsunion seien verfrüht. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann ergänzte: Die DDR werde ihre Währung schrittweise konvertibel machen und dabei vom Westen kräftig unterstützt werden. Auch ein Gutachten des Sachverständigenrates bekräftigte dieses Herangehen.
    Doch nur einen Tag später bot Kanzler Kohl, nach einsamer Absprache mit seinem Finanzminister Theo Waigel, aus dem hohlen Bauch öffentlich die Währungsunion an. Die Bundesbank ist nicht konsultiert worden, wie Pöhl mehrfach beklagte. Die D-Mark war das hammerharte Wahlversprechen. Denn die Umfragen der Ost-CDU für die Volkskammerwahlen am 18. März (11 Prozent) erfreuten ebenso wenig, wie die persönlichen des Kanzlers im Westen. Kohls trefflicher Machtinstinkt wurde mit dem haushohen Sieg von 48 Prozent für die von ihm geschmiedete Allianz für Deutschland belohnt.
    Das nunmehr bevorstehende Westgeld weckte einerseits große Begehrlichkeit, aber auch Verunsicherung, zu welchem Kurs das gut gehen werde. Der Vertragsentwurf blieb unter Verschluss, aber Mitte April sickerten Auszüge durch Indiskretion durch. Nun wurde klar, welcher Preis gefordert wird, damit mit dem schönen Geld kein Schindluder getrieben werden kann: Die DDR hatte der Beschränkung eigener Hoheit einzuwilligen. Die wichtigsten DDR-Verfassungsgrundsätze waren aufzuheben, insbesondere die sozialistische Rechtsordnung, um den Erwerb von Privateigentum an Grund und Boden und Produktionsmitteln zu gewährleisten. Erstmalig wurde das Recht zu fristloser Kündigung eingeführt. Wer seine Währungshoheit aufgibt, ist kein ernst zu nehmender Vertragspartner mehr.
    Quelle: Daniela Dahn in der Berliner Zeitung

    Anmerkung JK: Ein sehr interessanter Artikel, der wieder einmal das Märchen von der glücklichen Wiedervereinigung mit Lügen straft. Man ist nach der Lektüre durchaus geneigt von einer Okkupation zu sprechen.

  4. “Das universelle Grundeinkommen: Der feuchte Traum des Weltwirtschaftsforums
    Das Weltwirtschaftsforum, der Club der größten multinationalen Konzerne, propagiert seit einigen Jahren die Idee des weltweiten universellen Grundeinkommens. Dahinter steckt nicht Menschenfreundlichkeit, sondern Machtkalkül und Gewinnstreben. Die Überschneidungen mit den Kampagnen gegen das Bargeld und für die biometrische Identifizierung sind enorm.(…)
    Ein weltweites Grundeinkommen für alle wäre so etwas wie die Krönung der Programme zur Massenüberwachung, die auf Betreiben oder mit tätiger Mithilfe von US-Regierung und Weltwirtschaftsforum bereits vorangetrieben werden. In diesen Kreisen denkt und plant man groß und sehr langfristig. Alle Erdenbürger sollen an das digitale System angeschlossen werden, das von der US-Regierung und den US-Digitalkonzernen kontrolliert wird. Das soll mit einem Strauß von Programmen bewerkstelligt werden. Dazu gehört die Beseitigung des Bargelds. Schlüsselspieler der Kampagne gegen das Bargeld sind auch maßgeblich an dem Grundeinkommensprojekt im Sudan beteiligt, namentlich mindestens USAID, Weltbank und das Omidyar Network. Das Weltwirtschaftsforum wirbt sowohl für finanzielle Inklusion als auch für das universelle Grundeinkommen. (…)
    „Das universelle Grundeinkommen hat alle Merkmale von ‚Brot und Spiele‘, die das römische und das byzantinische Reich nutzten um Unzufriedenheit zu zerstreuen und die Massen ruhigzustellen, anstatt ihnen ökonomische Chancen und politische Mitsprache zu ermöglichen.“
    Viele der heutigen sozialen Probleme hätten ihre Wurzeln in der Missachtung des demokratischen Prozesses. „Die Lösung ist nicht, genug Krümel zu verteilen, um die Leute daheim, abgelenkt und sonstwie befriedigt zu halten, sondern den demokratischen Prozess wiederzubeleben.“”
    Quelle: Nobert Häring

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Ein ganz wichtiger Artikel von Norbert Haering der zurecht auf immer wieder auf die “feuchten Träume” des Weltwirtschaftsforums in Davos hinweist, dass im Zuge der allgemeinen Verunsicherung im Rahmen der Scheinwerfer auf Corona viele Konzepte zur Überwachung und Ruhigstellung der Massen realisieren will. Egal ob Bargeldabschaffung, ID2020, Known Traveller oder das universelle Grundeinkommen (viele Artikel dazu auch auf dem Blog von Norbert Haering) – allen Konzepten gemein ist die massive Bedrohung von dem was wir bisher noch unter Freiheit kennen, ersetzt durch massiven Technikeinsatz, Kontrolle, Überwachung, Repressionen, Zwang zur Anschaffung immer neuer, zu aktualisierten Überwachungstechnik (Smartphone und Co.). Natürlich gibt es auch einige Gewinner und Profite, aber die breite Masse würde vieles verlieren, was das Leben überhaupt lebenswert macht. Nachdenken ist angesagt, ob das gesellschaftspolitisch vom Großteil der Menschen erwünscht ist!

  5. Werkverträge: pandemische Verharmlosung durch „herrschende“ Arbeitsrechtswissenschaft
    Es ist allgemein bekannt: Werkverträge wurden in das Arbeitsrecht durch die Hintertür eingeführt. Sie fristeten an sich im Bürgerlichen Gesetzbuch ein harmloses Dasein, solange sie sich nur auf Architekten, Handwerksbetriebe oder Gärtnereien bezogen: Wer ein „Werk“ verrichtete, hatte bestimmte Ansprüche an den „Werknehmer“. Das war seit dem Jahre 1900 so. Doch dann wurde am „Runden Tisch“ der in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern produzierten „herrschenden Meinung“ im Arbeitsrecht plötzlich der Scheinwerkvertrag hervorgezaubert. Nachdem der Leiharbeit sehr zum Leidwesen der Unternehmen vor allem durch EU-Richtlinien doch gewisse Grenzen gesetzt wurden, sann man auf einen Ausweg aus dem Dilemma. Und siehe da: Ganz ohne Gesetzgeber erfand man den Werkvertrag (oder Dienstvertrag) mit dem Subunternehmer, der im eigenen Betrieb bestimmte „Gewerke“ abdecken sollte, ohne dass es zum Einsatz von Leiharbeit kommen müsse.
    Quelle: arbeitsunrecht
  6. Mindestlohn bleibt Mangellohn
    Pressemitteilung von Susanne Ferschl
    „Der deutsche Mindestlohn bleibt auch künftig ein Mangellohn. Die beschlossene Erhöhung um sage und schreibe 1,10 Euro in den kommenden zwei Jahren ist ein schlechter Scherz“, kommentiert Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, den Vorschlag der Mindestlohnkommission, die Lohnuntergrenze in vier Schritten bis Mitte 2022 auf 10,45 Euro anzuheben. Ferschl weiter:
    „Es war kein großer Wurf zu erwarten, denn die Mindestlohnkommission degradierte sich dank ihrer Geschäftsordnung letztlich selbst zum Buchhalter der nachlaufenden Tarifentwicklung. Schon bei seiner Einführung 2015 war der Mindestlohn mit 8,50 Euro viel zu niedrig angesetzt, und dieses Grundproblem besteht unverändert fort. Bei einem fortgesetzten Anstieg wie im Durchschnitt der letzten Jahre würde die Lohnuntergrenze erst 2033 zwölf Euro erreichen. Die aktuelle Krise erfordert aber einen staatlichen Eingriff und eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns auf wenigstens zwölf Euro. So stärkt man die Konjunktur nachhaltig und effektiv. Denn nur wenn die Menschen real mehr Geld im Portemonnaie haben, können sie auch konsumieren.
    Eine einmalige Anhebung der Lohnuntergrenze auf mindestens zwölf Euro durch das Parlament ist keine Schwächung der Tarifautonomie, sondern eine notwendige Stärkung der Löhne und Tarifentwicklung gerade in den unteren Lohngruppen. Mit Niedriglöhnen und Lohndumping – das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Skandale in deutschen Schlachthöfen – muss endlich Schluss sein. Der Vorschlag der Kommission muss durch eine Verordnung noch für rechtskräftig erklärt werden. Der Spielraum und die Unterstützung für eine politische Anhebung auf zwölf Euro sind weiterhin vorhanden. Niedriglöhne sind kein Sachzwang – sie zu beenden, ist eine Frage des politischen Willens.“
    Quelle: Die Linke

    dazu: Mindestlohn Niederlande
    ab 01.07.2020: 1.680,00 Euro plus Urlaubsgeld)
    … Der Mindestlohn in den Niederlanden ist im “Gesetz Mindestlohn und Mindesturlaubsgeld” vom 27. November 1968 (!) geregelt….
    Das Gesetz regelt keinen Stundenlohn, sondern den Mindestlohn pro Monat, pro Woche und pro Tag und (!) das Mindesturlaubsgeld. (aktualisiert bis “Minimumloon” und “Vakantiegeld”/”Vakantiebijslag” ab dem 1. Juli 2020: 1.680,00 Euro pro Monat plus Urlaubsgeld in Höhe von 134,40 Euro pro Monat) …
    Er gilt in der in Artikel 8 genannten Höhe für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter von 23 (ab 1. Juli 2017 von 22 und ab 1. Juli 2019 ab 21) Jahren bis zur gesetzlichen Altersgrenze…
    Der rechnerische Mindestlohn pro Stunde ergibt sich aus der i.d.R. tarifvertraglich geregelten wöchentlichen Arbeitszeit. Das heißt, in Bereichen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 oder 38 Stunden ist der rechnerische Stundenlohn höher als in den Bereichen, in denen die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt.
    (ab 1. Juli 2020: 9,70 Euro bei einer 40-Stunden-Woche, 10,21 Euro bei einer 38-Stunden-Woche und 10,77 Euro bei einer 36-Stunden-Woche; jeweils aufgerundet und ohne Mindesturlaubsgeld; siehe unten)
    Das Gesetz regelt nicht nur den Mindestlohn sondern auch das Mindesturlaubsgeld, das Arbeitgeber zu zahlen haben. Das Mindesturlaubsgeld beträgt mindestens 8 Prozent des Bruttolohns. (Artikel 15) Das heißt, das Mindesturlaubsgeld beträgt…ab dem 1. Juli 2020: 134,40 pro Monat = 8 Prozent zur Bruttolohnsumme.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsforschung und Jugendberufshilfe

    Anmerkung Marco Wenzel: …und die Arbeitgeber in Holland sind immer noch nicht pleite!

  7. Arbeit und Löhne auf dem Ökonomenindex
    (…) Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Ökonomenzunft geladen, um über das Konjunkturpaket zu urteilen. Die Ratschläge selbst vermeintlich progressiver Ökonomen lassen einen aber mit großer Sorge in die Zukunft schauen…
    Was die Stellungsnahmen interessant macht, ist die Stellungnahme von Friederike Spiecker. Sie ist tatsächlich in der Runde von sieben Ökonomen die Einzige, der klar zu sein scheint, dass man zunächst einmal das Problem benennen muss, bevor man über die Angemessenheit von Lösungen befinden kann.
    Was also ist nach ihrer Meinung das Kardinalproblem für die deutsche Wirtschaftsentwicklung? Sie hält zunächst einmal fest, dass Deutschlands Wirtschaftsentwicklung hochgradig abhängig von seinen Exportüberschüssen ist. Da aber der Wirtschaftseinbruch bei den wichtigsten deutschen Handelspartnern enorm ist und die deutschen Konjunkturpakete keinen direkten Einfluss darauf nehmen können, ist mit einer „starken negativen Korrektur“ zu rechnen. Was nichts anderes heißt, als dass Menschen in den betroffenen exportorientierten Branchen in Kurzarbeit bleiben bzw. sogar arbeitslos werden.
    Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind aber, wie sie ausführt, nicht nur ein „Krisenindikator“, sondern „Krisenverstärker“. Menschen, die in Kurzarbeit oder arbeitslos sind, verfügen über ein geringeres Einkommen. Sie werden daher weniger Konsumgüter nachfragen und das „drückt auf die Binnennachfrage.“ Darüber hinaus werden Menschen aus Sorge um ihre Arbeitsstelle mehr sparen und bereit sein, auf Lohn zu verzichten.
    Das Problem, das die Politik primär zu adressieren hat, ist daher Einkommensniveaus von Lohnabhängigen zu stabilisieren, um einem deflationären Prozess zu verhindern. Vor diesem Hintergrund fordert Spiecker u.a. politische Maßnahmen, wie die „Verlängerung des […] erhöhten und vereinfacht zu beantragenden Kurzarbeitergeldes für die nächsten 2 Jahre“…
    Quelle: Makroskop
  8. Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt
    Kredit vom Jobcenter als Einstieg in die Schuldenfalle
    Die Hauptursache für die Überschuldung eines Menschen ist nach wie vor der Verlust des Arbeitsplatzes, für jeden fünften Schuldner in Deutschland war die Erwerbslosigkeit im vergangenen Jahr der Grund für die finanzielle Notlage.
    Damit beginnt für viele Schuldner die Spirale abwärts in die Schuldenfalle. Weil Schulden ein wichtiges „Vermittlungshemmnis“ bei der Arbeitssuche sind, finanzieren viele Jobcenter für die betroffenen Menschen eine Schuldnerberatung in externen Beratungsstellen.
    Ist das Jobcenter oder die Bundesagentur (BA) aber selbst Gläubiger, verhält man sich dort ganz anders. Nur in besonderen Härtefällen dürfen sie sich bei der Schuldenregulierung auf eine außergerichtliche Einigung einlassen. Damit ist bei allen verschuldeten, erwerbslosen Menschen, die auch bei der BA Schulden haben, ein Insolvenzverfahren vorprogrammiert, weil bei diesen außergerichtlichen Einigungen der Grundsatz gilt, dass alle Gläubiger mitmachen und auf einen Teil der Forderung verzichten…
    Kreditgeber
    (…) Vor allem verleihen die Jobcenter immer mehr Geld an die erwerbslosen Bedürftigen oder an die Geringverdiener. Im Jahr 2019 erreichten die Darlehen, die Hartz-IV-Empfänger für Anschaffungen wie etwa einen Kühlschrank bekamen, eine Rekordsumme von 73 Millionen Euro, vor neun Jahren waren es noch 33 Millionen Euro.
    Auch müssen die „Aufstocker“ sich immer häufiger beim Jobcenter verschulden, weil ihr Einkommen und damit die Unterstützung vom Amt schwankt und sie dann zeitverzögert Geld zurückzahlen müssen. Laut Statistischem Bundesamt, ist dieser Personenkreis „überproportional häufig überschuldet“…
    Auslagerung des Inkassos
    Seit Oktober 2016 beauftragt die BA die Inkassofirmen APONTAS und EOS-Group/Deutscher Inkassodienst mit dem Einzug von insgesamt 120.000 Rückforderungen…
    Quelle: Gewerkschaftsforum
  9. Schwarz-grüner Schmusekurs: Die Grünen entdecken ihre Bewunderung für die CDU, Merz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten
    Viele mochten der CDU am Freitag ihre Reverenz erwiesen haben. Kaum ein Konkurrent allerdings tat dies mit so viel politischer Zuneigung wie die Grünen. Sie sandten den deutschen Christlichdemokraten, die den 75. Jahrestag des Gründungsaufrufs ihrer Partei feierten, Glückwünsche und hintersinnige Geschenke zu: Einem feinen Präsentekorb mit Ingwer- und Rhabarberschorle legten sie den neuen Entwurf des grünen Grundsatzprogramms bei – zur gefälligen inhaltlichen Diskussion, wie sie wissen liessen. (…)
    Die neue Innigkeit kommt einigermassen unerwartet. Vor der Corona-Krise waren Union und Grüne alles andere als auf Schmusekurs. Noch im Februar machte etwa Friedrich Merz die Ökopartei als «Hauptgegner» bei den kommenden Bundestagswahlen aus. Nun kann ausgerechnet er sich in einem Interview mit dem «Spiegel» eine Verbindung mit den Grünen durchaus vorstellen: «Schwarz-Grün sitzt doch in vielen bürgerlichen Familien längst am Frühstückstisch.» Er selbst traue sich zu, das Unionsprofil in einer Konstellation mit den Grünen klar erkennbar zu machen. Mit ihm würde es nicht nur wirtschafts- und finanzpolitisch vernünftige Beschlüsse geben, sondern auch gesellschaftspolitisch.
    Das tönt, gerade weil es aus Merz’ Mund kommt, nach mehr als einem flüchtigen politischen Sommerflirt. Zumal die Grünen mit ihrem Grundsatzprogramm neuerdings den Anspruch erheben, Deutschland zu führen. Auch sie wollen, wie die «liebe CDU», weg von der Prinzipienreiterei und hin zu mehr regierungstauglichem Pragmatismus. Statt aus der Oppositionsrolle bloss zu kritisieren, wollen sie nicht nur anschlussfähig sein, sondern mehrheitsfähig werden. Wenn ergrünte Konservative inzwischen sogar Rhabarberlimonade trinken, warum sollten sie dann noch Berührungsängste mit Unternehmen und Wirtschaft haben?
    Quelle: Neue Zürcher Zeitung

    Anmerkung Christian Reimann: Die SPD – einschließlich ihres ach so geschätzten Bundesfinanzministers – scheint dem vor allem programmatisch nichts entgegenhalten zu können/wollen. Dabei liegen die Themen, mit denen die SPD bei der nächsten Bundestagswahl besser abschneiden könnte, buchstäblich auf der Straße. Albrecht Müller hat mehrfach darauf aufmerksam gemacht – bitte lesen Sie dazu u.a. diese Beiträge: Wahlanalyse für die SPD – viel zu kurz gesprungen, rausgeworfenes Geld und Über was verhandeln Union und SPD? Über was sollten sie verhandeln? Was wären sinnvolle und notwendige programmatische Entscheidungen? Das soll das Thema dieses Beitrags sein.

    dazu: Grüner Programmentwurf mit Bekenntnis zu militärischen Interventionen
    Kaum Licht und viel Schatten in der Friedensfrage – Ein Kommentar
    Bereits vor einiger Zeit hatten die Grünen einen Programmprozess initiiert, um sich inhaltlich für die angestrebte Regierungsbeteiligung nach der anstehenden Bundestagswahl in Stellung zu bringen. Dazu waren unter anderem für den friedens- bzw. militärpolitischen Bereich diverse Papiere in die Debatte eingespeist worden, die nun teils auch in den am 26. Juni 2020 vorgestellten Programmentwurf einflossen.
    Auch wenn der Entwurf, besonders was die Atomwaffenfrage anbelangt, nicht in allen Punkten so übel ist, wie einige dier im Vorfeld zirkulierenden Papiere, ist er dennoch bellizistisch genug, um keine Zweifel aufkommen zu lassen: An friedenspolitischen Positionen wird eine grüne Regierungsbeteiligung ganz bestimmt nicht scheitern. So kommentierte der Politologe Jürgen Walter den Sinn und Zweck des Programmentwurfs treffenderweise mit folgenden Worten: “Die Grünen wollen sich fit machen für eine Regierungsbeteiligung.”
    Auf dem Kriegspfad
    Wenig überraschend, aber in der Deutlichkeit wenigstens ehrlich, ist das im Programmentwurf enthaltene Bekenntnis zu militärischen Interventionen, auch wenn sie – selbstredend – “immer nur äußerstes Mittel” sein sollen: […]
    Quelle: Telepolis

  10. Das grosse Wegwerfen bei Aldi
    Aldi betont sein Engagement gegen Food Waste. Ein Augenschein in seine Mülltonnen zeigt, dass es sich dabei primär um PR handelt.
    Red. Grossverteiler verkünden gerne, wie sorgsam sie mit den vielen Lebensmitteln umgehen, deren Verkaufsdatum abgelaufen ist. Janosch Fischer, der über foodsharing.de das Abholen und Verteilen von überschüssigen Lebensmitteln organisiert, hat bei Aldi-Filialen die Probe aufs Exempel gemacht.
    Pfingstsonntag in der Früh. Es dämmert bereits, die Vögel sind mitten in ihrem Morgenkonzert. Tatort: Aldi-Filiale Gals, Kanton Bern. Ich stelle mein Velo samt Anhänger am Rande des verlassenen Parkplatzes ab und ziehe die Handschuhe an. Es muss schnell gehen. Mit Rucksack und den blauen Ikea-Taschen gehe ich zu den drei Containern, die an die Wand gestellt sind und öffne sie.
    Was ich vermute, aber nicht hoffe: Bis zum Rand sind sie gefüllt mit frischem Obst und Gemüse, das unachtsam reingeworfen wurde. Ich bin nicht wählerisch und packe ein, was meine Hände greifen. Die Tonnen sind zur Hälfte mit Mangos aus Brasilien, peruanischen Bio-Avocados, Aprikosen, Pfirsichen und Peperoni aus Spanien gefüllt. Hinzu kommen frische Karoten, Fenchel, Kohlrabi, Birnen usw.
    Bei jedem vorbeifahrenden Auto steigt die Anspannung, handelt es sich bei dieser Aktion doch um eine unerlaubte Handlung. Es dauert, bis alle Taschen gefüllt sind. Etwa 10 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel konnte ich retten. Nach zehn Tagen Kellerlagerung ist die Mehrheit der geretteten Produkte noch immer in einwandfreiem Zustand. Die Filiale hätte also genügend Zeit gehabt, die Produkte weiterzugeben.
    Quelle: Infosperber
  11. Schweinerei
    Seit bald 50 Jahren warnen Fachleute davor, dass die Entwicklung in der Fleischindustrie ein böses Ende nehmen wird. Jetzt ist es so weit. Eine zentrale Ursache dafür liegt in der Schließung kommunaler Schlachthöfe. Die hätte nie passieren dürfen, auch in Stuttgart nicht. […]
    Eine absurde Entwicklung hatte da vor allem in NRW längst ihren Lauf genommen. Immer mehr kommunale Schlachthöfe wurden abgestoßen, unter anderem mit dem Argument, die Erfüllung neuer EG-Richtlinien zu Hygiene, Arbeitsbedingungen und zum Umgang mit Tieren seien zu teuer, die Privatisierung deshalb der einzig richtige Weg. Oder aus ganz grundsätzlichen Erwägungen. “Letztes Gefecht”, titelte der “Spiegel” schon 1975 und beklagte, wie “Westdeutschlands Kommunal-Schlachthöfe den Steuerzahler immer mehr Geld kosten”. Wie bei der Privatisierung in anderen Branchen wurde auch hier der naheliegende Gedanke tabuisiert, dass Entstaatlichung allein kein Wunder bewirken und aus einem unrentablen Betrieb einen rentablen machen kann.
    Mitte der Siebziger hatten schon mehr als 100 Städte bundesweit den Verkauf ihrer Schlachthöfe beschlossen. Etabliert sollten sich “dank moderner Kühl- und Transportsysteme in den ländlichen Erzeugergebieten immer mehr private und genossenschaftliche Versandschlachtereien, die ihre Rinder- und Schweinehälften schnell und preiswert in jeden Winkel der Bundesrepublik liefern können”. Die kommunale Konkurrenz konnte nicht mithalten. Deren Auslastung brach zusammen, und private Anbieter schlachteten bereits zu Dumpingpreisen.
    Quelle: Kontext: Wochenzeitung

    dazu: So funktioniert die Schlachtbank Europas
    Durch die Corona-Infektionen in deutschen Schlachthöfen gerät eine Branche in den Blick, die sonst lieber im Verborgenen arbeitet.
    Immer wieder die Fleischindustrie: Die Corona-Ausbrüche bei Tönnies in Nordrhein-Westfalen und einer Wiesenhof-Schlachterei in Niedersachsen beschäftigen ganz Deutschland – und schüren die Angst vor einer zweiten Welle der Pandemie. Und je stärker sich die Ausbrüche auf eine Branche konzentrieren, um so größer wird der Wunsch nach Wissen über diese sonst eher diskrete Branche. […]
    Wo also liegen die größten Probleme der Fleischindustrie in Deutschland – und was wird getan?
    Konzentration der Betriebe
    Vom nördlichen Nordrhein-Westfalen über das westliche Niedersachsen erstreckt sich eine Region, die manche den Schweinegürtel nennen. Die Nähe zu den Seehäfen galt als wichtig, um billig Futter importieren zu können. Es entstand die wohl deutscheste aller denkbaren Kopien des amerikanischen Belt-Konzepts: Allein in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg leben rund sechsmal so viele Schweine wie Menschen, jeder dritte Job hängt an der Tierhaltung. Doch während die Zahl der geschlachteten Tiere in der Fleischbranche hoch bleibt, sinkt die Zahl der Betriebe, unter Mästern wie unter Schlachtern.
    Das führt zu verwobenen Konzernen, die ihre Macht ausbauen. […]
    Die kleinen Schlachthöfe wiederum klagen über hohe Kosten – aber auch über strenge Auflagen der EU. Kleine Schlachter, so Forscher Hamm, hätten zudem “bewusst nicht die Möglichkeit genutzt, sich von ausländischen Schlachtbrigaden abhängig zu machen”.
    Arbeitsbedingungen
    Seit den Corona-Ausbrüchen wird besonders über die Lage der Arbeiter in Schlachthöfen diskutiert. Unter ihnen sind seit der EU-Erweiterung viele aus Osteuropa. Die großen Betriebe verlassen sich zunehmend auf die fleißigen, aber schlecht bezahlten Arbeitskräfte, angeblich auch weil Menschen aus Deutschland diese Arbeit nicht mehr machen würden. Daran könnten aber auch die Löhne und Arbeitsbedingungen schuld sein. In der Coronakrise wird entsprechend viel über enge Unterbringung in Massenunterkünften sowie Lohndumping durch Werkverträge und Subunternehmertum diskutiert.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Am “Fachkräftemangel” in den Schlachtbetrieben “könnten aber auch die Löhne und Arbeitsbedingungen schuld sein”? Das böse Wort “Lohndumping”? Diese zaghafte Anmerkung zu den unsäglichen Lohn- und Arbeitsbedingungen in dieser schlimmen Branche ist für den neoliberalen SPIEGEL geradezu revolutionär. Nachdem er viele Jahre die Augen geschlossen hat, könnte er sich vielleicht anschießend in vielen anderen Bereichen in Deutschland umschauen, deren Arbeitsbedingungen auch dank der jahrelangen SPIEGEL-Propaganda von der angeblichen “mangelnden Wettbewerbsfähigkeit” ähnlich katastrophalen sind. “Und es werden nicht nur Tiere aus Deutschland geschlachtet. “Wir haben in den letzten Jahren einen Schlachttiertourismus aufgebaut”, sagt Agrarökonom Hamm. “Lebende Schweine aus den Niederlanden und zum Teil auch aus Dänemark werden zum Schlachten über die Grenze gebracht, weil die Schlachthöfe hierzulande billiger arbeiten, unter Bedingungen, die, wie die Werkverträge, im Ausland teils bereits verboten sind.” – Deutschland ist das Billiglohnland und deshalb die “Schlachtbank Europas” (ein wohlverdienter Titel!), so klar und simpel könnte der SPIEGEL schreiben. Tragisch, dass am Ende wieder der Verbraucher in die Pflicht genommen wird für etwas weniger schlimme Tierhaltungsbedingungen, die der Staat zu regulieren hätte.

  12. Das Letzte – Das kann es nicht sein
    Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München, verteidigt seinen Freund Clemens Tönnies entschieden. Dabei zieht er auch einen persönlichen Vergleich. Eine andere Diskussion nennt der 68-Jährige „scheinheilig“.
    Er steht Tönnies (64), dem er schon lange freundschaftlich verbunden ist, bei. „Ich muss ehrlich sagen: Wenn Fehler gemacht wurden, muss man dazu stehen. Das tut er ja. Wenn Dinge zu ändern sind, dann muss man das auch tun. Ich gehe davon aus, dass er das tut, wenn es notwendig ist“, sagte Hoeneß. „Aber dass man dann alles, was er so geleistet hat, was er für eine große Firma aufgebaut hat, jetzt plötzlich in Schutt und Asche redet, das kann es nicht sein. Das ist aber ein Zeichen unserer Gesellschaft. Wenn du dran bist, dann gibt es kein Halten mehr. Und das erlebt er jetzt gerade am eigenen Leib.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung JK.: Dass Hoeneß Probleme mit den Kategorien Recht und Unrecht hat, hat er ja bereits bewiesen. Aber die Aussagen zu Tönnies zeigen wieder den ganzen Zynismus, nicht nur von Hoeneß, sondern generell der deutschen Oligarchie. Das Unternehmen Tönnies basiert auf unmenschlichen Arbeitsbedingungen und brutaler Ausbeutung, für Hoeneß eine große Leistung.

    Während durch den Lockdown in Gütersloh wohl erneut viele Existenzen vor allem im Einzelhandel und der Gastronomie auf dem Spiel stehen kann Tönnies trotzdem weiter ohne schlechtes Gewissen Millionen scheffeln. Im Grunde sollte Tönnies dafür zur Verantwortung gezogen werden. Mindestens für den Schaden den er durch die nun notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen verursacht hat. Die Frage ist ob sich, wenn Gras über die Angelegenheit gewachsen ist, wirklich grundsätzlich etwas in den Fleischfabriken ändert.

    Und zu guter Letzt: Ex-Mitarbeiter verteidigt Tönnies: “Also ich wurde nie ausgebeutet”
    Rheda-Wiedenbrück (dpo) – Die Empörung war groß, als die Zustände beim Fleischhersteller Tönnies in den Medien thematisiert wurden – von Ausbeutung und moderner Lohnsklaverei war die Rede. Doch nun bricht ein Ex-Mitarbeiter von Clemens Tönnies öffentlich eine Lanze für seinen alten Chef: Sigmar G. gab gegenüber dem Postillon an, stets exzellent bezahlt worden zu sein.
    Quelle: Der Postillon