Leserbriefe zu „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr soll weichen.“

Ein Artikel von:

In diesem Beitrag hat sich Jens Berger dem Phänomen des „Mohrenstreits“ innerhalb der zu Beginn des Sommerlochs neu entflammten Rassismusdebatte angenommen. Seiner Ansicht nach treibt die Diskussion „seltsame Blüten“ – insbesondere in Berlin und Coburg – und er stellt fest, dass nun die Enkel der Nazis schaffen könnten, was ihren Vorfahren nicht gelungen war: „den Mohren in Wort und Bild aus dem Stadtbild zu vertreiben“. Das ist so, schreibt Jens Berger weiter, „als würde unsere Gesellschaft und unsere Geschichte besser, wenn wir alle paar Jahre Straßennamen ändern und Denkmäler entfernen, anstatt aus der Geschichte zu lernen und Dinge, die nicht stromlinienförmig unserer Gesinnung entsprechen, als Stolpersteine zu begreifen, die zum Nachdenken anregen können“. Abschließend regt Jens Berger dazu an, diese Stolpersteine zu erhalten, damit künftige Generationen auch noch daraus lernen können. Einige Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten haben schnell auf diesen Artikel reagiert. Wir bedanken uns sehr für die eingereichten Leserbriefe. Es folgt nun eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann.

1. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Text vom 07.07.2020 zum Themenkomplex „Mohr“
Mit Abstand das Beste was es dazu zu lesen gab.

Wir befinden uns derzeit in einem sehr aufgeregten, politischen Umfeld in dem Wenige weit über das Mass hinaus schiessen.
Ich würde diesbezüglich soweit gehen, die von Ihnen genannten Aktivitäten, sogen. Aktivistinnen,als tyrannischen Furor zu bezeichnen.

Beste Grüße
Rainer Mrochen


2. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,

habe mit Interesse euren Artikel zur aktuellen “Mohren-Diskussion” gelesen und stimme da teilweise zu, dass es in manchen Bereichen zu weit geht. Habe noch folgendes zu ergänzen: 

Ich komme aus Vorarlberg und wir haben hier eine lokale Biersorte, die “Mohren Bräu” heisst, was auf den Namen des Gründers, der Mohr hieß, zurückgeht. Deren Logo ziert eine ziemlich vereinfachte, stereotype, zweifelsohne rassistische Darstellung einer Silhouette eines “Mohren” (siehe Anhang, aktuelles Logo und Vintage Logo, das immer noch auf vielen speziellen Biersorten verwendet wird). Im Zuge von BLM ist auch die Diskussion darüber wieder aufgeflammt – nicht nur in unserem Bundesland, sondern in ganz Österreich und das nicht zum ersten Mal in den letzten 10 Jahren. Die Kritiker führen die Diskussion aber NICHT über den Namen – darüber herrscht Konsens, dass der bleiben soll – sondern über das Logo, das geändert werden muss. Und da steh ich voll und ganz dahinter. 

Der Standard hat u.a. davon berichtet: derstandard.at/story/2000118243374/vorarlberger-mohrenbrauerei-legt-nach-logo-protest-social-media-accounts-still

Ein Kritiker hat einen offenen Brief an die Brauerei geschrieben: medium.com/@riederflo/brief-an-meine-alte-bekannte-die-mohrenbrauerei-dornbirn-d70f0dd8af82

Reaktion der Brauerei: mohrenbrauerei.at/de/die-mohrenbrauerei/news-und-presse/statement

Liebe Grüsse
Euer treuer Leser / Hörer
Benjamin


3. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

ich lese die meisten Ihrer beiträge mit großer zustimmung und auch beim beitrag über den Coburger mohren stimme ich mit Ihnen überein, dass “Stolpersteine” notwendig sind, um nicht geschichtsvergessen zu werden.

Als bedingung erachte ich es allerdings, dass der geschichtliche hintergrund auch immer sauber dargestellt wird, sei es bei einem Bismarck-denkmal, sei es bei einem Hindenburgplatz, sei es die Mohrenstraße.

Wenn Goethe irgendwo drei tage in einem haus genächtigt hatte, findet man an der fassade eine gedenktafel.

Warum also keine deutlich sichtbaren tafeln zu geschichtlichen hintergründen fundamentaleren ausmaßes?

Drei, vier tafeln über die gesamte länge der Mohrenstraße angeordnet wären lebendiger geschichtsunterricht im stadtbild.

Beim Coburger mohren stört mich allerdings die heutige darstellung desselben. Da greifen Sie meiner meinung nach deutlich zu kurz.

Man kann einen mohren würdig darstellen, man kann ihn aber auch mit allen klischees behaften, die man über einen “neger” haben kann.

Und die jetzige form des wappens ist wirklich an klischee nicht mehr zu überbieten: krauses haar, wulstige lippen, fliehende stirn, großer ohrring.

Einen mauren stellt das wappen garantiert nicht dar!

Folgender quelle entnehme ich, dass die heute gebräuchliche darstellung des mohren aus dem jahr 1974 stammt.
blackcentraleurope.com/quellen/1000-1500-deutsch/der-coburger-mohr-ca-1380-heute/

Das andere städte ohne schwierigkeiten würdige darstellungen hinbekommen, kann man sehr deutlich hier sehen:
de.wikipedia.org/wiki/Mohr_(Heraldik)

Und wie die angehängten bilder zeigen, gab und gibt es auch in Coburg angemessene darstellungen des St.Mauritius.
Weg mit der “fratze”!

Mit freundlichen grüßen
Horst Wandersleben


4. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

das ist ein Artikel, den ich unterschreibe. Allerdings sollest du die Stolpersteine im Artikel mit einem anderen Wort ersetzen. Da sie in vielen Orten zu finden sind, auch bei uns in Halle an der Saale, und an die Judenverfolgung erinnern, könnte es zu irritationen führen.

Beste Grüße, Wolfgang Stauch


5. Leserbrief

Hallo NachDenkSeiten,

herzlichen Dank an Herrn Berger für seinen fast durchweg hervorragenden Artikel.  Besonders der Exkurs in die Geschichte ist sehr gut herausgearbeitet. Und auch die Aussage, dass es im Grund quasi umgekehrter Rassismus ist, wenn man nun versucht alle Mohren und Schwarzen aus dem Stadtbild, zu verbannen, noch dazu wenn sie fast durchweg als positive Erscheinung gedacht waren. Ich möchte hinzufügen, dass man dies nahezu in der gesamten Gesellschaft versucht, in den man Worte verbietet oder sinnfrei verunstaltet oder z.B. aus der Werbung verbannt. Wo man doch noch kurz vor dem Tod von G. Floyd alles dafür getan hatte, möglich in jeder Werbung, in jedem Fernsehfilm einen sog. People of color einzubringen. Auch wenn dies nicht dem gesellschaftlichen Querschnitt repräsentierte. Siehe die dubiose DB-Werbung, an der sich Boris Palmer und nicht nur daran, mal wieder die Finger verbrannte. Ich vermisse z.B. gerade in Ostdeutschland die vielen Vietnamesen, aber die beschweren sich auch nicht darüber.  Ich sprach eingangs von „fast“. Das will ich hier noch kurz erklären. Herr Berger spricht vom „Mord an George Floyd“. Woher hat er die Information, dass es Mord war? Hier nimmt Herr Berger, bzw. übernimmt es vom  Mainstream, ein Urteil zuvor, welches noch nicht gesprochen ist. In einem Rechtsstaat, wie es (noch) die USA und Deutschland sind, sollte aber bis dahin die Unschuldsvermutung gelten. Wo stand, dass die Polizei im Fall von Floyd, mit Vorsatz vorgingen einen Farbigen zu ermorden? Und warum ist es Totschlag, wenn ein Migrant mit einem Messer bewaffnet auf ein Volksfest geht und bei einem Streit einen anderen Menschen niedersticht? (siehe Chemnitz) Das sind Doppelstandards und Doppelmoral, die ich von den NDS nicht erwarte. Auch wenn der Fall von Chemnitz bei Ihnen nicht erwähnt wurde, stelle ich ihn aber der Behauptung von Herrn Berger entgegen. Wo soll der Unterschied zwischen den Fall in den USA und Chemnitz sein? Und noch eins, in Folge der Black Lives Matter-Proteste wurden mehrere schwarze Menschen, darunter mindestens 11 Kinder und Jugendliche von ebenfalls farbigen Teilnehmern der BLM-Bewegung erschossen. Die das Pech hatten in die Schusslinien zu geraten. Zumindest berichteten die US-amerikanischen Medien ausführlich darüber. Schwarze töten Schwarze, was ist daran Black Lives Matter? Warum ist das bei uns kein Thema in den Medien, oder nur am Rande? Ist es nur ein Thema, wenn Weiße einen Schwarzen umbringen? Wo ist die Empathie gegenüber diesen getöteten farbigen Kindern und Jugendlichen? Was ist das für ein Maßstab im Vergleich zu dem Medienhype über den getöteten George Floyd? Welche verlogene Doppelmoral dahinter hervorsticht, will ich nicht weiter kommentieren. Sie ähnelt aber der, wie nun mit all den Symbolen, wie dem Mohr, hier umgegangen wird. So mancher Nazi-Propagandist aus dem 3. Reich würde sich freuen und rotiert im Grab. Und so befeuert der zum Allerweltskampfbegriff verkommene Antifaschismus einen umgekehrten rassistischen Neofaschismus.

Mit freundlichen Grüße J. Gerke!


6. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

hohe Zustimmung meinerseits zu Ihrem Artikel. Zu ergänzen wären m.E. 2 Punkte:

  • Sebastian Müller verweist in seinem Makroskop-Text makroskop.eu/2020/07/identitaetspolitik-und-der-neue-geist-des-kapitalismus/ u.a. darauf, dass einige der jetzt so gross in den Fokus gestellten “unterdrückten Minderheiten” geradezu minimalste Anzahlen von Menschen umfassen.
  • Besonders betonen muss man m.E., dass es ja gar nicht mehr um eine wie auch immer geartetete Besserstellung etwa der schwarzen Bevölkerung geht (was hat ein dunkelhäutiger Berliner davon, dass es nicht mehr “Mohrenstrasse” heisst – bekommt er deswegen leichter oder billiger eine Wohnung?), sondern es geht um das allseits beschworene “Zeichen setzen”. Und das Zeichen dient nicht irgendeiner gesellschaftlichen Fortentwicklung, sondern der Selbst-Glorifizierung: “schaut her, was ich für ein liberaler, toleranter, weltoffener, kosmopolitischer Kopf bin”.
    Deswegen stellt sich der BVG-Vorstand Erfurt auch mit stolzgeschwellter Brust zum Fototermin auf und schwafelt von “Menschen aus 51 Nationen”, die bei der BVG arbeiten, deswegen sieht auch die SPD-Frau Giffey ein “Zeichen gesetzt”, und die Berliner Grünen-Politikerin Kapek  findet den alten Namen “einfach unerträglich … rassistisch” (alles dies konnte ich der Berliner Morgenpost entnehmen: morgenpost.de/berlin/article229448716/Mohrenstrasse-Glinkastrasse-BVG-Berlin-Umbenennung-Diskussion-Rassismus.html). 

Ich habe das auch in einem eigenen Text versucht zu beleuchten (“Protest ohne Ziel?”). Jedenfalls nützt das ganze hektische Umbenennen, Denkmäler umstürzen und die diversen Wort-Exorzismen natürlich den George Floyds dieser Welt kein bisschen. Was mir “einfach unerträglich” ist, ist ganz im Gegenteil diese Scheinheiligkeit der da wortstark auftretenden Figuren – wo war das donnernde “unerträglich” bei den Hartz-4-Gesetzen, bei den Bundeswehr-Einsätzen von Jugoslawien bis Afghanistan, bei den EPA’s mit afrikanischen Staaten und und und…

Wie hat es anderer Makroskop-Autor formuliert: “Solange die Menschen damit beschäftigt sind, sich zu fragen, wer sie sind – kommen sie nicht auf die Idee, danach zu fragen, was sie haben wollen” (aus dem Gedächtnis zitiert).

Grüße
peter schulz


7. Leserbrief

Nicht wohlfeil fände ich es, wenn Deutschland den Völkermord an den Herero und Nama als Völkermord anerkennen und finanziell entschädigen würde.
 
Auch in Namibia gibt es Denkmäler, die die Gemüter erhitzen, wie das Reiterdenkmal, das an die “Opfer” der Kolonialkriege von 1904 bis 1908 in “Deutsch-Südwestafrika” auf deutscher Seite erinnert.
de.wikipedia.org/wiki/Reiterdenkmal_(Windhoek)
 
Siehe auch:

arte: “Unter Herrenmenschen – der deutsche Kolonialismus in Namibia” (D 2018)
youtube.com/watch?v=O9W6WnKruCs
 
Stefan Eichardt


8. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

mit Erleichterung habe ich Ihren Beitrag “Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …” gelesen.  Innerlich kopfschüttelnd habe ich die überspitzte Diskussion um Begrifflichkeiten, Sturz von Statuen z.B. von Bismarck … verfolgt.  Was ist mit Shakespeares Othello, Der Mohr von Venedig, mit Hoffmanns Struwwelpeter und die Geschichte von den Schwarzen Buben und dem “Mohrenkind” oder Asrid Lindgrens Pippi Langstrumpf und ihrem Vater, dem “Negerkönig”. Ich habe diese Bezeichnungen in den Geschichten von Hoffmann und Lindgren als Kind nicht als herabsetzend oder abschätzig verstanden, weil sie so nicht verstanden werden wollten und mir vom Elternhaus vermittelt wurde, dass alle Menschen gleich zu achten sind.

Mit herzlichem Dank
Ingrid Kruppa


9. Leserbrief

Hallo und guten Tag.

Die ganze Debatte ist an Verlogenheit und Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Natürlich gibt es Rassismus, bei uns und in den USA und in jedem anderen Land auch.

Wollt man wirklich etwas bewirken, müsste man die Lebensbedingungen dieser Menschen verbessern. Mit abgerissenen Denkmälern und umbenannten Strassen bewirkt man nichts, aber offensichtlich fühlt man sich gleich viel besser, denn man hat ja wirklich ein Zeichen gesetzt gegen Rassismus. Wie der abendliche Applaus für die Pflegekräfte, oder das geheuchlte Entsetzen, wenn in Bangladesch mal wieder eine Nähfabrik abgebrannt ist und hunderte Frauen ums Leben gekommmen sind. Dann boykottieren wir KIK und fühlen uns gut und ach so politisch korrekt. Natürlich sind die Lebensbedingungen und Löhne dieser Menschen unter aller Sau, aber auf die Idee, dass es ihnen ohne diesen Hungerlohn noch schlechter ginge, kommt der politisch korrekte Deutsche nicht. Wollte man wirklich die Situation dieser Menschen verbessern, ginge das nur über die Politik, aber dann darf ich halt auch nicht mehr die Standartparteien wählen, denn die interessiert es einen Dreck.

Es wird sich nichts ändern, weder was den alltäglichen Rassismus betrifft, noch die Lebensumstände der ärmsten auf dieser Welt, egal auf welchem Kontinent sie leben, denn unseren Wohlstand können wir nur erhalten, indem wir den Rest ausbeuten.

Hochachtungsvoll, Ulrich Erich


10. Leserbrief

Hallo Herr Berger,

ich kann Ihrem Artikel nur zustimmen. Ich warte nur auf den Tag, an dem sich solche „Experten“ auch noch über unsere mittelalterliche Literatur hermachen. Ein riesiges Betätigungsfeld. Ich denke da zum Beispiel an den Parzival von Wolfram von Eschenbach, einem herausragenden Epos der deutschen Literatur mit großem humanistischen Potenzial. In dem wimmelt es nämlich von „Mœre“ und „Mœrinne“ (mittelhochdeutscher Plural für Mohr und Mohrin). Deshalb spiegelt der Parzival einen wichtigen zeitgenössischen Bedeutungskontext wider: Als Mohren werden im hohen Mittelalter um Zwölfhundert Menschen mit dunklerer Hautfarbe bezeichnet. Nichts weiter. Sie haben es treffend erläutert. Im Parzival weist die Bezeichnung keine herabsetzende Konnotation auf: Die dort auftretenden „Mohren“ sind alle positiv besetzt: die beiden Protagonisten Belacane, die Königin von Zazamanc, und ihr Sohn Feirefiz Anschevin sind als Herrscherfiguren ebenso wie ihre weißen Pendants charakterstark, von großer Tapferkeit, überaus gebildet, beherrschen die höfische Etikette aus dem Effeff, sind kulturell auf der Höhe der Zeit, und sie sind – was sehr wichtig ist – äußerst liebenswert. Und Wolfram setzt sogar noch einen drauf: Der adlige weiße Haudegen Gahmuret, der in der Vorgeschichte des Epos die Hauptrolle spielt, verliebt sich in die schwarze Königin Belacane und umgekehrt, und sie zeugen Feirefiz, einen „gewaltigen“ dunkelhäutigen Krieger, einen „Edelmann“ vom Scheitel bis zur Sohle und „eine so glänzende Erscheinung, wie ich noch keine gesehen habe“, schwärmt Ritter Gawan, der Freund Parzivals (zitiert nach der Prosaübersetzung von Peter Knecht). Nach einigen Irrungen und Wirrungen und einem finalen Zweikampf erkennen Parzival und Feirefiz am Ende des Epos endlich, dass sie Halbbrüder sind. Daraufhin beenden sie den Waffengang und umarmen sich schließlich überglücklich. Also, weiße und schwarze Protagonisten befinden sich – natürlich literarisch überhöht – auf Augenhöhe und sind völlig gleichgestellt. Und dies um 1210!! Soweit dieser kleine Beitrag zur Etymologie des Wortes „Mohr“. 

Wenn sich eine spießbürgerliche Denkverengung mit hochdefizitärem linken „Bewusstsein“ (neoliberale Linke!), Bildungslücken und massiven Vorurteilen paaren, dann kommt nur eines dabei heraus: als political correctness bezeichnete erstarrte Ersatzhandlungen und -rituale, die nichts ändern, sondern nur abstoßen. Die Anhängerschaft dieser leeren Symbolpolitik hat offenbar keine inhaltlichen Antworten mehr auf die drängenden sozialen und ökologischen Fragen der Zeit. Mit autoritären sprachlichen Zurichtungen und Wortverboten werden die Probleme jedenfalls weder gelöst noch helfen sie, die Gesellschaft zu verändern, wie die Realität hinreichend zeigt. 

Mit besten Grüßen
Hans-Jürgen Mülln


11. Leserbrief

Lieber Jens Berger,
 
zunächst einmal vielen Dank für diesen Artikel. Man findet so selten Hinweise auf den Unterschied zwischen “Mohr” und dem N-Wort.

Dennoch ist auch das Wort “Mohr” zumindest in den letzten 500 Jahren auch negativ konnotiert. So mag Othello als Mohr von Venedig ein höheres Ansehen genießen als ein N*ger von Venedig, gleichwertig zu den weißen Einwohnern der Lagunenstadt ist er nicht.

Auch der Spruch “Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr soll weichen” richtet sich nicht an einen gleichwertigen Menschen. Somit sollte die Verwendung des Wortes “Mohr” in Bezug auf einen Menschen (egal ob real oder Sarrotti) vermieden werden. Mein Vorschlag die Berliner “Mohrenstraße” einfach in “Möhrenstraße” um zu benennen findet leider keine Anhänger. Man benennt ja auch nicht jede “Judengasse” um, obwohl diese Namen bestimmt nicht positiv gemeint waren.
 
Sie sagen zu recht, dass historische Wappen, Namen, Denkmäler als Stolpersteine verstanden werden können und dazu dienen sich geschichtliche Zusammenhänge bewusst zu machen. Leider stellen Sie die Geschichte insbesondere zu dem medizinischen Wissen (Apotheken) recht verkürzt dar.

Mit dem Fall von Cordoba 1236 einer der größten Städte der muslimischen Welt, mit einer großen Universität und der größten Moschee des Islams geht unendlich viel Wissen verloren. Die siegreichen Christen wussten sehr wohl um das höhere wissenschaftliche  Wissen der Moslems, die Antwort darauf war aber im wesentlichen Zerstörung. Nur einigen wenigen gelingt es Wissen zu retten und weiter zutragen (Grundlage für die europäische Aufklärung und unser wissenschaftliches Denken). Auch wird die Geschichte der Reconquista, wie z.B. bei Wikipedia, sehr geschönt dargestellt. Tatsächlich war sie geprägt von Massakern (z.B. der Überfall auf ungesicherte Kurbadorte mit der Tötung aller anwesenden Kinder, Frauen und Männern), Bücherverbrennungen, Zerstörung, von der spanischen Inquisition nach der Eroberung mal ganz zu schweigen. Die Eroberung der spanischen Halbinsel nimmt die Brutalität der späteren Kolonialisierung der Welt vorweg. Auch für die Christen, die versuchten sich das muslimische Wissen nutzbar zu machen, war dies nicht ungefährlich. Einer der Hauptvorwürfe an die Ketzer von Prag (Beginn der dreißigjährigen Krieges) war, dass diese muslimische schwarze Magie in der Medizin verwendeten. Das Verhältnis der weißen Christen zu den muslimischen (maurischen) Mohren war also mehr durch Gewalt und Ignoranz als durch Respekt und wissenschaftlichen Austausch geprägt.

Da halte ich es für legitim, Symbole, die sich auf diese Zeit  beziehen, kritisch zu hinterfragen.

Reiner Wort oder Bild Fetischismus (Der hat N* gesagt!!!) ist aber nicht hilfreich.
 
Ich freue mich auf weitere Beiträge / Bücher von Ihnen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Kakapo3


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