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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Der Zwischenerfolg darf uns nicht leichtsinnig machen
  2. Die Organisationsstruktur hinter den „Hygiene-Demos“
  3. Ungleichheit in der Pandemie
  4. Vom progressiven Neoliberalismus zu Trump
  5. Zypern blockiert Handelsabkommen wegen Halloumi-Käse
  6. 40 Minuten mehr am Tag
  7. Das große Schlachten
  8. Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt – Ersatzfreiheitsstrafen, weil die Geldstrafe nicht gezahlt wurde
  9. 80 Prozent mehr psychische Erkrankungen in Corona-Krise
  10. Warum “Covidioten” keine Idioten sind, Frau Esken
  11. „Akute Ansteckung lag bei null“ – Studie zeigt geringe Infektionsgefahr in Schulen
  12. Reproduktionszahl (R) seit zwei Wochen im Ausbreitungsmodus
  13. Triumph der Monopole
  14. Missverständnisse ohne Ende: Jeder redet über Werkverträge – Kaum einer versteht sie !
  15. Was schert uns unser Wahlprogramm – Europäische Linke fordert mehr Geld für Rüstung
  16. Rücksichtslose Eile
  17. US-Truppenabzug: Luftnummer oder Aufrüstungsvehikel?
  18. Zahl der Bafög-Empfänger sinkt weiter

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der Zwischenerfolg darf uns nicht leichtsinnig machen
    Die Verantwortungslosigkeit einiger weniger ist ein Risiko für uns alle! Wenn wir jetzt nicht besonders vorsichtig sind, dann gefährden wir die Gesundheit vieler. Und wir gefährden darüber hinaus die Erholung unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft, unseres Kulturlebens. Jede und jeder von uns steht jetzt in der Verantwortung, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Denn es ist doch ganz klar: Eine weitere Phase des Stillstands würde uns alle noch viel härter treffen.
    Quelle: Bundespräsident

    Anmerkung André Tautenhahn: Kulturschaffende sollten genau lesen, was der Bundespräsident da sagt. Erstens habe es bereits eine Erholung des Kulturlebens gegeben. Da dürften sich viele verwundert die Augen reiben und fragen, ob sie die Meldung des statistischen Bundesamtes zum Bruttoinlandsprodukt kürzlich falsch verstanden oder grundsätzlich etwas verpasst haben und wieder deutlich mehr Zuschauer als bisher zugelassen sind, die mit ihren Eintrittsgeldern für Umsätze sorgen. Zweitens ist die Regierung, die die Regeln erlässt, zwar für positive wirtschaftliche Folgen verantwortlich, nicht aber für die negativen. Die haben ab sofort „einige wenige“ zu verantworten, die sich leichtsinnig verhalten und damit an der Gesundheit vieler versündigen. Drittens ist sich der Bundespräsident natürlich über die noch härteren Folgen eines weiteren Lockdowns bewusst. Die Betroffenen können daher auf jeden Fall mit seiner Betroffenheit rechnen, sollen sich aber bloß nicht bei ihm oder der Regierung beschweren.

    dazu: Der Spin des Bundespräsidenten
    Das Narrativ der kommenden Tage steht fest. Wenn es zu weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommen sollte, liegt das an der Verantwortungslosigkeit „einiger weniger“ und nicht an Bundes- oder Landesregierungen, die zunehmend Schwierigkeiten damit haben, eine sinnvolle Ausstiegsstrategie zu formulieren und daher lieber an Maßnahmen festhalten, die sie für erfolgversprechend halten. Vor kurzem wies ich auf Überlegungen der Landesregierung Niedersachsen hin, einen Zehnstufenplan zu verfolgen, der bis ins nächste Jahr hinein reicht, wobei ein konkreter Termin für die Beendigung aller Vorordnungen nach Infektionsschutzgesetz auch dann noch offen bleibt. Aus dem Versprechen, Normalität wiederherzustellen, wird also vorerst nichts. Dafür braucht es gute Gründe.
    Quelle: taublog

  2. Die Organisationsstruktur hinter den „Hygiene-Demos“
    Nach Auffassung des Landesverfassungsschutzes organisieren vereinzelt auch Rechtsextremisten kleinere Veranstaltungen gegen die Pandemie-Politik der großen Koalition in Berlin, auch Bürger aus der Reichsbürgerszene beteiligen sich manchmal an solchen Veranstaltungen. „Im Vorfeld zu der Demonstration am vergangenen Wochenende in Berlin kam es insbesondere in den sozialen Medien im Netz sowie auf entsprechenden Demonstrationen in Baden-Württemberg zu erheblichen Mobilisierungsversuchen, auch durch extremistische Akteure, beispielsweise Vertreter des „Flügels““, sagte ein Sprecher des Landesamtes. Diese reichten bis hin zur konkreten Organisation der Anreise. Mit großer Wahrscheinlichkeit habe aufgrund dieser Mobilisierungsbemühungen eine größere Anzahl von Personen aus Baden-Württemberg an der Demonstration in Berlin teilgenommen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Albrecht Müller: Eines dieser miesen windigen Artikel über die Bewegung gegen die Coronapolitik. Zum Beispiel, die Behauptung, der AfD “Flügel” sei an den Demos maßgeblich beteiligt, stützt sich auf eine Aussage des Landesamts für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg. Toll, einfach toll, wie verkommen unsere Hauptmedien wie in diesem Fall die FAZ ist.

    Anmerkung Jens Berger: Die FAZ weigert sich standhaft zu differenzieren und ist da ja in „guter“ Gesellschaft mit den allermeisten anderen großen Medien. Für Leser, die sich nur auf solche Medien verlassen, ist bis heute unklar, dass es z.B. am Samstag in Berlin viele verschiedene Demos gab. Richtig ist, dass zu einer(!) dieser Demos, die zahlenmäßig zu vernachlässigen war, die Reichsbürger eingeladen haben. Das hat aber nichts mit der Großdemo des Bündnisses Querdenken zu tun. Leider erfährt man das in den großen Medien meist nicht.

  3. Ungleichheit in der Pandemie
    Je größer die soziale Ungleichheit in einem Land ist, desto höher sind die Corona-Opferzahlen. Wir brauchen vernünftige und vertrauenswürdige Regierungen mit gerechten und nachhaltigen Strategien, sonst scheitern wir nicht nur jetzt, sondern werden immer öfter vergleichbare Krisen erleben.
    Hohe Einkommensungleichheit ist in vielerlei Hinsicht eine soziale Geißel: Wie Kate Pickett und Richard Wilkinson in ihrem wichtigen Buch “Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind” überzeugend darlegen, führt höhere Ungleichheit allgemein zu schlechterer Gesundheit, was die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, erheblich erhöht.
    Darüber hinaus verringert höhere Ungleichheit den sozialen Zusammenhalt und das soziale Vertrauen, steigert aber die politische Polarisierung. All dies beeinträchtigt die Fähigkeit und Bereitschaft der Regierungen, strenge Kontrollmechanismen einzuführen. Höhere Ungleichheit bedeutet, dass viel mehr niedrig bezahlte Arbeiter ihr tägliches Leben auch bei erhöhtem Infektionsrisiko fortführen müssen – so etwa Reinigungskräfte, Kassiererinnen, Wachleute und Lieferpersonal bis hin zu Hygiene-, Bau- und Fabrikarbeiter. Mehr Ungleichheit bedeutet zudem, dass mehr Menschen in beengten Lebensverhältnissen leben und damit keinen geschützten Raum haben.
    Die enormen Kosten der Ungleichheit werden durch populistische Politiker noch verstärkt. US-Präsident Donald Trump, der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und der britische Premierminister Boris Johnson wurden in ungleichen und sozial gespaltenen Gesellschaften gewählt, unterstützt von vielen verärgerten Wählern der Arbeiterklasse – typischerweise weißen, schlecht ausgebildeten Männern, die unter ihrem sinkenden sozialen und wirtschaftlichen Status leiden. Doch die Politik der Verbitterung dieser Politik ist fast das Gegenteil der Politik der Seuchenkontrolle: Sie lehnt Experten ab, verhöhnt wissenschaftliche Beweise und wendet sich gegen die Eliten, die den Arbeitnehmern, die nicht zu Hause arbeiten können, sagen, sie sollen zu Hause bleiben. ….
    In den meisten anderen Ländern werden wir allerdings erneut Zeugen der enormen Kosten der Massenungleichheit: unbeholfene Regierungen, soziales Misstrauen und massenweise verletzliche Menschen, die sich selbst nicht mehr schützen können. Schlimm ist dabei, dass die Ungleichheiten durch die Epidemie selbst noch weiter verstärkt werden.
    Die Reichen arbeiten nun online und profitieren davon – der Reichtum von Amazon-Gründer Jeff Bezos ist dank dem florierenden Online-Handel seit Beginn des Jahres um 49 Milliarden Dollar gestiegen. Die Armen dagegen verlieren oft ihre Arbeit – und auch ihre Gesundheit oder gar ihr Leben. Die Kosten der Ungleichheit werden mit Sicherheit noch steigen, da die einkommensschwachen Regierungen ihre Haushalte und die Sozialleistungen für Arme kürzen werden.
    Quelle: Gegenblende
  4. Vom progressiven Neoliberalismus zu Trump
    Trump ist das Poster Child einer globalen Krise. Lösen kann sie nur die Linke. […]
    Auch wenn das bereits groß anmutet, ist es erst ein Teil der Geschichte. Denn die zitierten Geschehnisse stellen nur einen, den politischen Strang der Krise dar, der, verwoben mit anderen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Strängen, erst das Geflecht einer allgemeinen Krise bildet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die politische Krise die Grenzen des politischen Systems übersteigt; dass sie eine Reaktion auf Blockaden in anderen, scheinbar unpolitischen Institutionen ist. In den USA bestehen diese im Metastasieren des Finanzsektors; der Verbreitung prekärer »McJobs« in der Dienstleistungsbranche; in der aufgeblähten Privatverschuldung, die den Konsum anderswo produzierter Billig-Güter am Laufen hält; im gleichzeitigen Anstieg des CO²-Ausstoßes, extremen Wetterverhältnissen und öffentlichem ‚Klimaskeptizismus‘; rassistisch strukturierter Masseninhaftierung und systematischer Polizeigewalt; den wachsenden Zumutungen, die Familien und lokalen Gemeinschaften durch steigende Arbeitsstunden und den Abbau sozialer Unterstützung aufgebürdet werden. All diese Kräfte unterhöhlen die Ordnung der Gesellschaft seit geraumer Zeit, bislang ohne zum politischen Bruch zu führen. Doch jetzt ist mit allem zu rechnen. In der gegenwärtigen Ablehnung von »politics as usual« hat eine objektive Systemkrise ihre subjektive Stimme gefunden. Der politische Strang der allgemeinen Krise gründet auf einer Krise der Hegemonie.
    Donald Trump ist das Vorzeigekind dieser Hegemoniekrise, doch seinen Aufstieg können wir nur verstehen, indem wir die Bedingungen, die diesen Aufstieg ermöglichten, klären. Das bedeutet, das Weltbild, das der Trumpismus verdrängt und die Desintegration dieses Weltbildes nachzuzeichnen. Unverzichtbare Begrifflichkeiten für dieses Unterfangen entwickelt Antonio Gramsci: Hegemonie nennt er den Prozess, im Zuge dessen eine herrschende Klasse ihre Herrschaft als natürlich und legitim erscheinen lässt, indem sie die Grundannahmen ihres eigenen Weltbildes zum Common Sense, zum ‚gesunden Menschenverstand‘ der Gesamtgesellschaft, erklärt. Ihre organisierte Entsprechung ist der hegemoniale Block, eine Koalition verschiedener sozialer Kräfte, die die herrschende Klasse vereint, um den eigenen Führungsanspruch durchzusetzen. Wollen sie dieses Arrangement herausfordern, müssen die beherrschten Klassen einen neuen, überzeugenderen Common Sense herausbilden, eine Gegenhegemonie mitsamt entsprechendem gegenhegemonialen Block.
    Quelle: Jacobin.de
  5. Zypern blockiert Handelsabkommen wegen Halloumi-Käse
    Das neue europäisch-kanadische Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) muss eine weitere Hürde nehmen. Das Parlament des EU-Mitglieds Zypern hat das Abkommen nicht ratifiziert. Bei einer Abstimmung am Freitag votierten 37 Abgeordnete dagegen und 18 für die Ratifizierung des Handelsabkommens. Aus Sicht der linken Partei AKEL und der Sozialisten würden der zyprische Halloumi-Käse und andere landwirtschaftliche Produkte der Insel nicht ausreichend geschützt, berichtete der staatliche Rundfunk (RIK) am Samstag.
    Das umfassende Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) soll die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen erleichtern und nach Angaben Brüssels Verbrauchern und Unternehmen Vorteile bringen. Es ist im September 2017 vorläufig in Kraft getreten, der größte Teil des Abkommens findet damit laut der EU Anwendung. Die nationalen – in einigen Fällen auch die regionalen – Parlamente in den EU-Ländern müssen CETA noch zustimmen, damit es uneingeschränkt gültig wird.
    Halloumi-Käse gilt als eines der Nationalgerichte Zyperns und wird in großen Mengen exportiert. Die linken Parteien kritisierten zudem das Abkommen, weil es nach ihrer Auffassung multinationale Unternehmen stärke und kleinere Produzenten in die Katastrophe führe, berichtete der Staatsrundfunk weiter. Die kleine Partei der Grünen monierte, das Abkommen schade der Umwelt und fördere die Produktion genetisch manipulierter Lebensmittel.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Der Ratifikationsprozess für CETA (und die anderen “Handelsabkommen”, eigentlich Schiedsgerichtsabkommen) ist eine Verhöhnung des demokratischen Prozesses. Zunächst einmal müssen eigentlich alle nationalen Parlamente der EU zustimmen – aber das Abkommen ist trotzdem schon im September 2017 (also immerhin vor drei Jahren) “vorläufig” in Kraft getreten, wobei “vorläufig” hier “bis auf Widerruf” heißt, also eigentlich für immer. Einen Zeitplan für die – notwendige! – Ratifikation durch die nationalen Parlamente gibt es nicht, d. h. die Regierung oder der/die jeweilige Parlamentspräsident/in kann das Gesetzgebungsverfahren zu einem genehmen Zeitpunkt ansetzen (z. B., wenn Mehrheiten für die Zustimmung zu erwarten sind), oder auch gar nicht (CETA gilt auch ohne Zustimmung der Parlamente weiterhin “vorläufig”). Nun hat ein nationales Parlament *gegen* CETA gestimmt, was eigentlich das Ende und die Rückabwicklung für das Handelsabkommen bedeuten müsste. Aber offenbar ist ein “Nein” nicht vorgesehen, sondern wir erst einmal (so lange?) nachverhandelt, bis das Parlament (irgendwann) mit Mehrheit zustimmt. Der parlamentarische Prozess wird doch so zur Farce, nachdem auch das EU-Parlament bei CETA kaum ein Wort mitzureden hatte. Die EU sollte diese Farce beenden und offen zugeben, dass in der sowieso nur der Europäische Rat und (mit Abstrichen) die EU-Kommission zu sagen haben.

  6. 40 Minuten mehr am Tag
    Pflegeheime brauchen mehr Personal, um die Menschen würdig zu versorgen – das bestätigt ein Gutachten. Doch die Umsetzung verzögert sich.
    Die Voraussetzungen für eine Pflegereform haben sich durch Corona verschlechtert. Die Beitragseinnahmen der Kranken- und Pflegekassen sind durch die Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit wegen der Covid-19-Prävention gesunken, während die Gesundheitsausgaben stiegen. Überall in der Wirtschaft wird nach staatlicher Hilfe gerufen. „Das Risiko besteht, dass die Pflegereform aufgrund der schlechten Einnahmesituation wegen Corona hinten anstehen muss“, sagt Rothgang.
    Dabei hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch bei Vorstellung der „Konzertierten Aktion Pflege“ erklärt: „Pflege muss wieder attraktiver werden. Das geht nur mit mehr Personal.“
    Rothgang und seine MitarbeiterInnen haben den Personalmehrbedarf genauer errechnet. Sie schickten ForscherInnen in 62 ausgewählte Pflegeheime, die das Personal im Alltag genau beobachteten. Sie registrierten und dokumentierten, welche Unterstützungen aufgrund des Zeitmangels nicht geleistet werden konnten, obwohl sie eigentlich zu den in der Studie genannten pflegerischen Zielen gehörten, die „Unabhängigkeit und das Wohlbefinden“ der Pflegebedürftigen zu erhalten, zu erlangen oder wieder zu erlangen.
    Quelle: taz

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wenn für eine vernünftige Pflege 141 Minuten pro Tag benötigt werden, aber aktuell nur “etwa 99 Minuten an Pflegezeit zur Verfügung” stehen, dann brauchen die Heime ca. 42 Prozent mehr Pfleger*innen. Bzw. umgekehrt, wenn 141 Minuten der Maßstab ist, fehlen heute ca. 30 Prozent. Wir sprechen nicht von “nur” 5 oder 10 Prozent Unterversorgung wie z. B. bei Schullehrern, von denen auch viel zu wenige angestellt werden. Und angesichts dieses eklatanten Mangels passiert: praktisch nichts, außer ein paar wohlfeilen Absichtserklärungen des zuständigen Bundesgesundheitsministers. Wieso lässt sich die Bevölkerung, von der ein großer Anteil Pflegebedürftigkeit befürchten muss (angesichts der schlimmen Verhältnisse), so etwas bieten?

  7. Das große Schlachten
    Doch die Probleme, die das Coronavirus enthüllt hat, sind nicht auf die Art und Weise beschränkt, wie wir Lebensmittel erzeugen und verteilen. Sie zeigen sich auch auf unseren Tellern, denn die Ernährungsweise, die am Ende unserer industriellen Nahrungsmittelkette steht, ist mit genau den chronischen Krankheitserscheinungen verknüpft, die uns für Covid-19 verwundbarer machen. …
    Schlachthöfe haben sich in der Tat zu Ansteckungsbrennpunkten entwickelt, Tausende der dort Beschäftigten bleiben jetzt krank zu Hause und Dutzende sterben. Das hätte allerdings niemanden überraschen dürfen: Social Distancing ist in einer modernen Fleischfabrik praktisch unmöglich, weshalb sie der Ausbreitung eines Virus geradezu ideale Bedingungen bietet. In den letzten Jahren hat die Fleischindustrie erfolgreich Lobbyarbeit dafür geleistet, dass die Bänder schneller laufen dürfen. Im Ergebnis müssen die Arbeiter Schulter an Schulter stehen und die Tiere so schnell zerlegen und ausbeinen, dass sie kaum Zeit haben, hygienekonform zu husten, geschweige denn zur Toilette zu gehen, ohne am Band den Anschluss zu verlieren. In manchen Hühnerschlachtereien tragen Arbeiter, da man ihnen keine Pausen zum Toilettenbesuch zubilligt, mittlerweile Windeln. Ein Arbeiter kann zwar um eine Pause bitten, aber der Lärm in diesen Fabriken ist so groß, dass niemand ihn hört, es sei denn, er schreit einem Aufseher direkt ins Ohr. Bis vor kurzem wurde Schlachthausarbeitern auch wenig oder gar keine individuelle Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt. Viele wurden sogar nach Kontakt mit dem Virus aufgefordert, einfach weiterzuarbeiten. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Beschäftigte der Fleischindustrie Immigranten sind, die in beengten Verhältnissen leben und keine Krankenversicherung haben. Das alles setzt eine ganze Bevölkerungsgruppe gefährlich hohen Infektionsrisiken aus.
    Als die Anzahl der Covid-19-Fälle in Amerikas Schlachthöfen Ende April explodierte, ordneten die ersten Gesundheitsbehörden und Gouverneure Betriebsschließungen an. Da dadurch die Profitabilität der Branche in Gefahr geriet, griff Tyson zu der erwähnten Erklärung, die Präsident Donald Trump wohl mit recht als Nötigung hätte verstehen können: Eine etwaige Fleischknappheit würde die politischen Schwierigkeiten, mit denen der Präsident zu kämpfen hat, wohl noch potenzieren. Um die Produktion wieder aufnehmen zu können, sollte – so das Begehren Tysons und seiner Branchenkollegen – die Bundesregierung eingreifen und den örtlichen Gesundheitsbehörden in den Arm fallen. Außerdem brauchten sie Protektion für den Fall, dass betroffene Arbeiter oder ihre Gewerkschaften sie wegen Nichtbeachtung der Gesundheitsschutz- und Sicherheitsbestimmungen anzeigen sollten.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Anmerkung JK: Das erinnert auch wiederum an die Zustände in den deutschen Schlachthöfen und hilft die Phrase, dass es bei den Corona-Maßnahmen doch primär um den Schutz der Gesundheit der Menschen gehe, als vorgeschoben zu entlarven. Denn die, auch ohne Corona, gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen in den Fleischfabriken sind seit langem bekannt ohne dass die politischen Entscheidungsträger auch nur einen Finger zum „Schutz der Gesundheit“ der dort arbeitenden Menschen gerührt hätten.

  8. Über die konkrete Lebenssituation armer Menschen in der Großstadt – Ersatzfreiheitsstrafen, weil die Geldstrafe nicht gezahlt wurde
    Die Auswirkungen der Reformen der „Agenda 2010“ die von der rot-grünen Koalition Anfang des Jahrhunderts auf den Weg gebracht wurden, haben der politischen Kultur und dem sozialen Klima im Land dauerhaft geschadet. Der Arbeitsmarkt wurde dereguliert, der Sozialstaat demontiert, eine Steuerpolitik betrieben, die den Reichen mehr Reichtum und den Armen mehr Armut gebracht und auch der Mittelschicht deutlich gemacht hat, dass ihr Abstieg jederzeit möglich ist. Die Stärkeren reagieren ihre Abstiegsängste, Enttäuschung und Ohnmacht an den Schwächeren ab.
    Begleitet wird das Ganze von dem Misstrauen gegenüber den Mitmenschen und wenn man sieht, dass der Staat überall ein Sicherheitsproblem entdeckt, das mit martialischen Einsätzen der Sicherheitskräfte entschärft werden muss, dann wird die gefühlte Bedrohung real erlebt und nach dem noch stärkeren Staat gerufen. Dabei ist es erforderlich, denen, die nichts mehr haben, als strafender und disziplinierender Staat entgegen zu treten und den Menschen mit Abstiegsängsten und den großen Vermögen einen starken Staat zu demonstrieren.
    Der Bereich in dem der strafende Staat schon seit Jahrzehnten eine besonders tragische Kontinuität an den Tag legt, ist die Ahndung von Bagatelldelikten, die von den ärmeren Menschen begangen werden.
    Die typischen Armutsdelikte werden in der Regel drakonisch bestraft, meistens mit hohen Geldstrafen. Können die nicht bezahlt werden, müssen die Betroffenen in der Regel Ersatzfreiheitsstrafen antreten.
    Quelle: gewerkschaftsforum.de

    Anmerkung Christian Reimann: Dennoch fordern hiesige Spitzenpolitiker wie Bundeswirtschaftsminister Altmaier und Bayerns Ministerpräsident Söder “härtere Strafen” bzw. “Bußgeld” – und das auch vor dem Hintergrund von mehr falsch positiven Testergebnissen als Folge von mehr durchgeführten Tests.

  9. 80 Prozent mehr psychische Erkrankungen in Corona-Krise
    Die Zahl der psychischen Erkrankungen ist in der Coronavirus-Krise nach einer Erhebung der Krankenkasse KKH unter ihren Versicherten deutlich gestiegen. Wie die KKH mitteilte, verzeichnete sie im ersten Halbjahr 2020 rund 26.700 Krankmeldungen wegen seelischer Leiden unter ihren etwa 1,7 Millionen Versicherten. Das seien gut 80 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum gewesen.
    Es sei denkbar, dass viele Menschen aufgrund von Existenzängsten durch Jobverlust und Kurzarbeit, der Furcht vor dem neuen Virus und den damit einhergehenden Lebensveränderungen nicht zurechtgekommen seien und deshalb bereits während der Pandemie einen Arzt aufgesucht hätten, so die Kasse.
    Den Angaben zufolge lag der Krankenstand insgesamt insbesondere im März auf Rekordniveau. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fehlten in dem Monat im Schnitt 7,1 Prozent ihrer Sollarbeitszeit. Im Vorjahresmonat lag der Wert bei 5,6 Prozent. Vor allem bei Frauen registrierte die KKH einen Höchststand, insbesondere in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Spitzenwerten von etwa 10 Prozent.
    Quelle: zeit

    Anmerkung JK: Auch das muss zum „Schutz der Allgemeinheit“ hingenommen werden. Das Absurde, das gerade zu erleben ist, dass, dazu muss man sich nur die Zahlen des RKI ansehen, die Epidemie im Grunde abgeklungen ist, die politische Elite aber die Repressionsmaßnahmen weiter verschärft. Angefangen von der in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellosen Diffamierung von Bürgern, die in erster Linie ihr Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahrgenommen haben, durch ihre politischen Vertreter über die geforderten Verschärfung von Strafen bei Verstößen gegen die „Hygieneregeln“ und der Einführung von Zwangstests bis zur Forderung eines generellen Versammlungsverbotes.

    Dazu: Die dunklen Seiten des Lockdowns
    Selbst wenn die Risiken durch Urlaubsheimkehrer in der jüngsten sächsischen Studie über Grundschulen und Gymnasien noch nicht erfasst werden konnten, machen ihre Ergebnisse Mut für den Alltag unter Corona-Bedingungen. Denn auch im Juni und Juli wurde kein akut infizierter Schüler oder Lehrer gefunden. Vielmehr bestätigt die Leipziger Studie die schon früher veröffentliche Studie aus Dresden, die eine erstaunlich geringe Immunität unter Schülern und Lehrern weiterführender Schulen zu Tage gefördert hatte.
    Schulen haben sich auch nach der frühen Öffnung in Sachsen nicht als Infektionsbeschleuniger erwiesen. Die Mediziner des Leipziger Universitätsklinikums haben sich deshalb eindeutig für Schulöffnungen nach den Sommerferien mit klaren Hygieneauflagen ausgesprochen. Es ist beruhigend, dass sie den Schulbeginn nach den Sommer- und Herbstferien weiterhin mit ihren Studien begleiten.
    Wirklich erschreckend ist alles das, was die Mediziner über die psychosozialen Folgen des Lockdown und der eingeschränkten Schulöffnungen berichten. Alle Spuren von häuslicher Misshandlung, die oft in Kindergärten und Schulen entdeckt werden, blieben im Verborgenen. Monatelang sahen die Kinderärzte keine misshandelten Kinder oder Babies mit Schütteltrauma mehr. Wer sich klarmacht, dass die häusliche Beengtheit und sozial prekäre Verhältnisse solche Misshandlungen begünstigen, ahnt das Ausmaß des zu befürchtenden Grauens. Es wird wohl erst in einigen Monaten deutlicher offenbar werden.
    Quelle: faz

    Anmerkung JK: Inzwischen darf man wohl davon ausgehen, dass die Folgen der Corona-Maßnahmen die der durch die Krankheit allein verursachtne Schäden bei weitem übrsteigen.

  10. Warum “Covidioten” keine Idioten sind, Frau Esken
    Nachlese: Am Samstag demonstrierten in Berlin zehn- bis zwanzigtausend Menschen gegen die Corona-Politik, gegen Beschränkungen ihrer Freiheit. Ich war den ganzen Tag zu Hause, bekam nicht viel mit von den Ereignissen. Die Fenster standen alle offen, es war ein heißer Tag. Am Abend fiel mir irgendwann die ungewohnte Geräuschkulisse auf. Ständig Polizeisirenen, ständig Hubschrauber in der Luft. Es klang ein wenig nach Bürgerkrieg, über Stunden.
    Ich checkte häufig Nachrichtenportale und erwartete, Berichte über Straßenschlachten zu lesen. Aber sie blieben aus. Auch die Berichte in den Zeitungen von heute decken sich nicht mit dem Eindruck, den ich von der Geräuschkulisse hatte.
    Möglichkeit eins: Ich bin ein wenig paranoid und sehe ständig die Demokratie in Gefahr. Ist wohl nicht von der Hand zu weisen.
    Möglichkeit zwei: Paranoid sind derzeit der Staat und manche Politiker. Sie reagieren zu heftig auf alles, was die Corona-Politik grundsätzlich infrage stellt. Ich stelle sie nicht infrage, aber ich würde die Demonstranten auch nicht pauschal “Covidioten” nennen, wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. Es ist noch weniger als sonst die Zeit, in der man etwas genau wissen kann. Und deshalb ist derjenige, der eine andere Meinung hat, nicht ein Idiot, sondern einer, der einer anderen Erzählung folgt.
    Quelle: Spiegel
  11. „Akute Ansteckung lag bei null“ – Studie zeigt geringe Infektionsgefahr in Schulen
    Die akute Ansteckungsgefahr mit Covid-19 an sächsischen Grundschulen ist sehr gering. Das ist das Ergebnis einer Studie der Uniklinik Leipzig. Schulschließungen könnten demzufolge nur das letzte Mittel sein.
    Im Zuge einer Leipziger Corona-Studie im Mai und Juni an sächsischen Schulen wurden bei 2600 Schülern und Lehrern keine Infektionen gefunden. „Die akute Ansteckung lag bei null“, sagte Professor Wieland Kiess vom Leipziger Universitätsklinikum am Montag bei der Vorstellung der Ergebnisse in Dresden. Und auch in nur 14 von über 2300 Blutproben fanden sich Antikörper und damit der Hinweis auf eine überstandene Erkrankung. An den Untersuchungen waren Grundschulen und weiterführende Schulen in Leipzig, Dresden, Zwickau sowie Borna und Werdau beteiligt.
    Quelle: Welt
  12. Reproduktionszahl (R) seit zwei Wochen im Ausbreitungsmodus
    Spekulationen, die von der ganz großen Welle mit weiterem R-Wert-Anstieg ausgehen, finden derzeit jedoch keine Datenbasis.
    Die aktuelle Entwicklung zeigt einen gleichbleibenden R-Wert etwas oberhalb von “1”. Das hat für einzelne Risikopatienten ggf. dramatische Folgen, ist aber bis auf weiteres keine ernste Bedrohung für das deutsche Gesundheitssystem und die medizinische Versorgung.
    Oder ist alles doch ganz anders und die besorgniserregenden Zahlen sind harmlose Papiertiger, weil der aktuelle R-Anstieg insbesondere der ansteigenden Testhäufigkeit geschuldet ist? Das Testgeschehen hat in den vergangenen Monaten tatsächlich für erhebliche Verzerrungen gesorgt. Auf die jetzige Situation wirkt sich das jedoch kaum aus, denn der Anteil an Positivtests ist derzeit relativ konstant.
    Eine weitere potentielle Fehlerquelle, die bereits im Forum des ersten Artikels für Diskussionen sorgte, steht jedoch immer noch im Raum, und selbst Gesundheitsminister Spahn hat es angesprochen: “Dadurch, dass wir […] die Zahlen so runtergebracht haben, haben wir im Moment eine Positiv-Testung von unter einem Prozent […]. Und wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht nachher durch zu umfangreiches Testen […] zu viele Falsch-Positive haben. Weil die Tests ja nicht 100 Prozent genau sind, sondern auch eine kleine, aber eben auch eine Fehlerquote haben.”
    In meinem Artikel hieß es: “Wie kann ein veröffentlichtes Testergebnis von aktuell 0,6% Positiven bei erwarteten 1,4% – 2,2% Falsch-Positiven die Echt-Positiven herausfiltern? Vielleicht gibt es auf diese Frage eine labortechnische Antwort, aber eine klärende Stellungnahme des RKI wäre hilfreich.”
    Dass die Fehlerquote unterschiedlicher PCR-Tests (die veröffentlichten RKI-Zahlen beruhen weitestgehend auf PCR-Tests, nicht auf Antikörpertests) kritisch diskutiert wird, ist für einen Labortest selbstverständlich. Aber zur Optimierung von Covid-19-Diagnosen gibt es tatsächlich eine einfache labortechnische Möglichkeit, die die Falsch-Positiven-Rate zumindest stark senkt: Man macht einen Doppeltest, bei dem PCR-Nachweise an mindestens zwei Stellen des SARS-CoV-2 Genoms geführt werden (Dual Target Test).
    Entscheidend ist jedoch, ob ein solcher Doppeltest zwingend vorgeschrieben ist, bzw. konsequent zur Anwendung kommt. Genau dies scheint nicht der Fall zu sein. Auf meine Anfragen hat das RKI bislang nicht geantwortet, aber es gibt konkrete Beschwerden aus der Praxis, die eine einheitliche Doppeltestung fordern: “Es kann nicht sein, dass in anderen Landkreisen die Ergebnisse des einfachen Tests akzeptiert werden (…). Daher brauchen wir ein bundesweit einheitliches Vorgehen.” Eine andere Quelle berichtet: “Die Nachfrage bei einigen Laboratorien habe zudem ergeben, dass sie nur auf einer Genregion testen.”
    Quelle: Telepolis
  13. Triumph der Monopole
    Gigantischer Profit für Amazon, Apple, Facebook und Google. US-Wirtschaft stürzt ab. Großkapital sortiert sich neu (…)
    Die gewaltigen Zuwächse und die bemerkenswerten Profite kontrastieren scharf mit den überaus dramatischen Einbrüchen bei großen Teilen der US-Wirtschaft, die im zweiten Quartal in beispiellosem Ausmaß kollabierte, laut offizieller US-Statistik, die die aktuelle Entwicklung auf das Gesamtjahr hochrechnet, um 32,9 Prozent, laut deutschen Standards um annähernd zehn Prozent – also etwas weniger als die Euro-Zone. Dennoch: eine desaströse Zwischenbilanz.
    Darin spiegeln sich Verluste, die die von der Coronakrise besonders hart getroffenen Branchen hinnehmen mussten – etwa der kleine Einzelhandel, Gastronomie und Hotelgewerbe, auf Konzernebene große Fluggesellschaften und der Flugzeugbauer Boeing, der im zweiten Quartal einen Verlust von 2,4 Milliarden US-Dollar verzeichnete, aber auch die Kfz-Produzenten. Ford etwa büßte von April bis Juni 1,9 Milliarden US-Dollar ein. Auch Mineralölkonzerne wie Exxon (1,1 Milliarden US-Dollar Verlust) stürzten ab, eine ganze Reihe Frackingunternehmen, darunter alte Platzhirsche wie Chesapeake, mussten Insolvenz beantragen. Hält die Pandemie an, werden wohl noch weitere Einbrüche und Bankrotte folgen.
    In der krassen Differenz zwischen den gewaltigen Gewinnen der Internet- und Technologieriesen und den Einbrüchen diverser Traditionskonzerne zeigen sich möglicherweise tiefgreifende Verschiebungen in der US-Monopolstruktur, die durch die Coronakrise offenkundig beschleunigt werden. Amazon etwa konnte – eher unerwartet – auch mit teureren, exklusiveren Gütern hohe Zuwächse erzielen, eine Tendenz, die die Monopolisierung zuungunsten kleinerer Händler vorantreibt. Apple wiederum wuchs vor allem deshalb so stark, weil in großem Stil IT-Ausrüstung für das Homeoffice gekauft wurde. An der Ausweitung der dafür benötigten Cloudinfrastruktur wiederum verdienten Google und Amazon mit ihren Diensten. Diese wurden zudem für Videokonferenzen benötigt, die ihrerseits Auto- und vor allem Flugreisen überflüssig machten.
    Quelle: junge Welt
  14. Missverständnisse ohne Ende: Jeder redet über Werkverträge – Kaum einer versteht sie !
    Nun werden Werkverträge in der Fleischindustrie verboten. Wirklich? Und selbst wenn: Was bedeutet das für Werkverträge in anderen Branchen? Und wird mit diesem Gesetz vielleicht der Grundstein gelegt für Gerichtsurteile, mit denen auf Dauer Werkverträge für alle Branchen legalisiert werden, weil diese – wenn – ganz hätten verboten werden müssen, sich aber die Bundesregierung nicht traut sie bspw. für die Autoindustrie zu verbieten?
    Werkverträge gab es vor 30 Jahren nicht. Niemand wäre auf die Idee gekommen, willkürlich ganze Abteilungen oder gar nur Arbeitsschritte als „Unternehmen“ zu „verselbständigen“, damit die Arbeitnehmer dort als „Fremdpersonal“ billiger beschäftigt werden können. Niemand. Damals galt der vom 7. Senat des BAG hochgehaltene Grundsatz der „Einheit der Belegschaft“ noch was.
    Doch dann kam Prof. Volker Rieble und organisierte einen allmählichen Sinneswandel der „herrschenden Meinung“ unter Juristen. Heute sind Werkverträge vor allem in der Autoindustrie durchweg von der Rechtsprechung anerkannt. So wurden zuletzt bei Klagen gegen den Automobilkonzern VW vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Bereiche und Arbeitsschritte wie „Bereitstellung“, „Fahrzeugaufbereitung“, „Sitztechnik“, „Logistik“ und andere als ohne weiteres „absonderungsfähig“ und damit Werkverträgen zugänglich bezeichnet. Vor allem unter den Begriff angeblicher „Logistik“ werden alle möglichen Tätigkeiten subsumiert, sogar solche, bei denen auch Stammbeschäftigte eingesetzt werden, z.B. der Einsatz von Routenzügen an der Produktionslinie und der Einsatz von Gabelstaplerfahrzeugen.
    Weit über die Leiharbeit hinaus werden durch Einsatz von Werkverträgen in der Industrie inzwischen bis zu 50 % der Arbeiten durch Werkvertragsbeschäftigte erledigt. Die Fleischindustrie ist nur die Spitze eines weit in die gesamte industrielle Produktion hineinreichenden Phänomens.
    Und d a s ist das Problem: Alle Werkverträge gehören verboten, weil alle Werkverträge die Belegschaften spalten und damit das Arbeitsrecht aushöhlen. Alle! Nun meint Herr Heil einen „ersten“ Schritt mit dem Verbot der Werkverträge in der Fleischindustrie gemacht zu haben. Doch seine Differenzierung zwischen Fleischindustrie und anderen Branchen ist eine Steilvorlage für die gesamte Arbeitgeberschaft. An dieser Differenzierung wird das Gesetz rechtlich scheitern und damit werden Werkverträge auf weitere viele Jahre hinaus „legalisiert“ werden. Mindestens aber wird der Einsatz „konzerneigener“ Werkvertragsfirmen gestattet werden. Doch d a s ist reine Augenwischerei, denn in der Autoindustrie wird der Einsatz bereits jetzt von konzerneigenen „Dienstleistern“ durchgeführt, wie die Beispiele Autovision, VW Services Group, SITECH und andere zeigen. Tönnies bereitet bereits den „Einsatz“ seiner Unternehmen vor. Was sagt dazu der Minister Heil?
    Das Verbot von Werkverträgen muss auf alle Branchen ausgedehnt werden, und zwar paradoxerweise dann, wenn es a u c h nur in der Fleischindustrie Bestand haben sollte. Sonst droht die totale Legalisierung der Werkverträge!
    Quelle: gewerkschaftsforum.de

    Anmerkung Christian Reimann: Bundesminister Heil ist ein echter “Heilsbringer” – für die Arbeitgeber. Das ist – leider – typisch für das Spitzenpersonal der SPD seit der Schröder-Kanzlerschaft. Und Schröders “Schüler” in und im Umfeld der jetzigen Bundesregierung machen genauso weiter …

  15. Was schert uns unser Wahlprogramm – Europäische Linke fordert mehr Geld für Rüstung
    […] Mit dieser klaren anti-militaristischen Haltung warb die Partei um Wähler. Im Programm der Linken für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 hieß es unter der Überschrift „Gegen die Militarisierung der EU: Abrüsten“: „Mit dem Europäischen Verteidigungsfond (EVF) soll ein Militärhaushalt ins Leben gerufen werden, über den bevorzugt PESCO-Rüstungsprojekte (Deutsch: Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, A.W.) finanziert werden sollen. (…) Das bedeutet im Klartext: die EU zu militarisieren. Die Bundesregierung treibt diese Entwicklung voran. DIE LINKE lehnt eine militarisierte EU ab. Abrüstung, nicht Aufrüstung schafft Frieden! (…) Die geplanten Rüstungshaushalte EVF, EFF (Europäische Friedensfazilität, A.W.) und die Ausgaben für Militärische Mobilität müssen gestrichen werden.“[1]
    Ein Ja zum Europäischen Verteidigungsfonds
    Diese Aussage galt bis zum 23. Juli 2020. An diesem Tag verabschiedete das Europäische Parlament mit den Stimmen der großen Mehrheit der GUE/NGL-Fraktion eine Entschließung zu den Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 17.-21. Juli 2020.[2] Punkt 14 dieser Entschließung lautet: „Das Europäische Parlament (…) betont, dass die interinstitutionellen Verhandlungen die MFR-Zahlen (Mittelfristiger Finanzrahmen, A.W.) pro Rubrik und pro Programm enthalten sollten; hebt hervor, dass nun die Gefahr besteht, dass die Leitprogramme 2021 erheblich weniger Mittel erhalten als noch 2020; weist ferner darauf hin, dass der EU-Haushalt insgesamt ab 2024 unter dem Niveau von 2020 liegen wird, was die Verpflichtungen und Prioritäten der EU, insbesondere den Grünen Deal und die Digitale Agenda, gefährdet; besteht darauf, dass gezielte Erhöhungen zusätzlich zu den vom Europäischen Rat vorgeschlagenen Zahlen für Programme bereitgestellt werden müssen in Bezug auf die Bereiche Klima, digitaler Wandel, Gesundheit, Jugend, Kultur, Infrastruktur, Forschung, Grenzmanagement und Solidarität (wie Horizont Europa, InvestEU, Erasmus+, Kindergarantie, Fonds für einen gerechten Übergang, Digitales Europa, die Fazilität „Connecting Europe“, LIFE +, EU4health, Fonds für integriertes Grenzmanagement, Creative Europe, das Programm Rechte und Werte, der Europäische Verteidigungsfonds, das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) und humanitäre Hilfe) sowie für die einschlägigen EU-Agenturen und die EUStA (Europäische Staatsanwaltschaft, A.W.); (…).“
    Wer es überlesen haben sollte: Bedauert wird u.a., dass der Europäische Verteidigungsfonds, die zentrale Institution der Militarisierung der EU, nach dem Willen des Rates künftig weniger Geld erhalten soll. Dessen Haushalt soll also nicht – wie noch im Europawahlprogramm der Linkspartei gefordert – gestrichen, sondern jetzt vielmehr ausgeweitet werden!
    Quelle: Andreas Wehr
  16. Rücksichtslose Eile
    Ab August 1990 verfolgte die Treuhand nur ein Ziel – die Privatisierung der ostdeutschen Industrie um jeden Preis. Das bedeutete ihre nachhaltige Zerstörung
    Seit Rohwedder die Führung der THA übernommen hatte, kamen die Verkaufsaktionen rascher voran. Bis Ende 1990 waren 450 Betriebe privatisiert. Die Zuversicht allerdings, dass nach der Privatisierung eines bedeutenden Teils der ostdeutschen Industrie dank der »Selbstheilungskräfte des Marktes« der wirtschaftliche Niedergang im Osten gestoppt werden könnte und der von der Politik vorausgesagte Aufschwung kommen würde, erwies sich als Illusion. Auch unter Einbeziehung der Monate September bis Dezember 1990, während der Rohwedder die THA bereits voll verantwortlich leitete, wurde im verarbeitenden Gewerbe in Ostdeutschland nach Berechnungen des Westberliner »Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung« nicht viel mehr als die Hälfte des Produktionswertes von 1989, dem letzten vollen Wirtschaftsjahr der DDR, erreicht. Erschreckend waren die sozialen Folgen: Die Anzahl der Beschäftigten nahm parallel zum Produktionsrückgang um fast ein Viertel ab. Im 2. Halbjahr 1990, dem ersten Halbjahr der Tätigkeit der Treuhand, bewegte sie sich auf 78 Prozent des Niveaus von 1989.
    Rüdiger Liedtke, ein linker Journalist und Schriftsteller aus München, hat 1992 der Sozialministerin des Landes Brandenburg, Regine Hildebrandt, in einem Interview die Frage gestellt, ob die Installierung der Treuhandanstalt als reine Privatisierungsanstalt »eine richtige oder eine falsche Entscheidung« gewesen sei. Hildebrandts unmissverständliche Antwort lautete: »Die Treuhand in der Form, wie sie nach der Währungsunion eingesetzt worden ist, war eine falsche Entscheidung. Die sozialistische Planwirtschaft der sofortigen Konkurrenz unter den härtesten Bedingungen auszusetzen, konnte wirklich nur schiefgehen.« Sei es ein Fehler gewesen, fragte Liedtke die Ministerin, dass die Privatisierungspolitik der THA-Verantwortlichen von westlichen Denkstrukturen ausgegangen seien? Die Antwort: »Das trifft den Kern des Problems. Dieses Rezept stellte sich bald als völlig unsinnig heraus. Es wurde gar nicht hingeschaut, welche Strukturen da gewachsen waren. Da wurde ganz anders gedacht. Es wurde auf ›Teufel komm raus‹ privatisiert.« Auch Rohwedder vertrat ungeachtet der Vielzahl seiner im Berufsleben entwickelten und erprobten Managementmethoden, Betriebe wieder auf Vordermann zu bringen, uneingeschränkt diese Auffassung und stellte die Totalprivatisierung als entscheidende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung im Osten nie in Frage.
    Quelle: Junge Welt
  17. US-Truppenabzug: Luftnummer oder Aufrüstungsvehikel?
    Es war eigentlich eine ziemliche Bombe, die US-Verteidigungsminister Mark Esper bei einer Presskonferenz am 29. Juli 2020 platzen ließ: Dort entpuppten sich die bereits seit einiger Zeit kursierenden Pläne über den Abzug von Truppen und wichtigen Kommandos aus Deutschland als deutlich ambitionierter als bislang angenommen. Zwar hat vor allem die Friedensbewegung jahrzehntelang auf einen solchen Abzug hingearbeitet – dennoch ist die Freude angesichts der jüngsten Ankündigungen aus gleich mehreren Gründen etwas getrübt: Erstens soll ein guter Teil der Truppen überhaupt nicht abgezogen werden, sie werden innerhalb Europas verlegt – und selbst der Rest soll weiter für schnelle Verlegungen an die Grenze Russlands bei Fuß stehen. Zweitens werden die US-Pläne aktuell als argumentatives Vehikel für den vermeintlich erforderlichen Aufbau zusätzlicher militärischer Kapazitäten in Deutschland und Europa instrumentalisiert. Und drittens ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass die Pläne im Falle eines Wahlsieges von Joseph Biden bei den US-Präsidentschaftswahlen im November umgehend wieder einkassiert werden dürften. Selbst für den Fall, dass Donald Trump siegreich aus den Wahlen hervorgehen sollte, ist es keineswegs ausgemacht, dass der US-Kongress die erforderlichen Mittel bewilligen wird. (…)
    Und selbst falls die US-Abzugspläne all diese Hürden nehmen würden, sollte ein letzter Punkt nicht unter den Tisch fallen: So positiv es empfunden werden mag, wenn eine beachtliche Anzahl an US-SoldatInnen das Land verlässt, mit einem Komplettabzug ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Denn neben 24.000 US-SoldatInnen würden auch zentrale Einrichtungen wie vor allem die Luftwaffenbasis in Ramstein, aber auch das Militärkrankenhaus in Landstuhl und das Trainingszentrum in Grafenwöhr weiter in Deutschland verweilen. Deutschland dürfte deshalb als Drehscheibe für das Säbelrasseln gegen Russland wie auch für Einsätze im Globalen Süden so oder so auch künftig eine wichtige Rolle spielen.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu z.B. auch Krieg und Militarismus sind der Klebstoff des US-Parteiensystems und Deutsche US-Einflusspersonen protestieren gegen den Abzug von US-Militär. Vor 30 Jahren haben wir uns darüber gefreut.

  18. Zahl der Bafög-Empfänger sinkt weiter
    Rund 680.000 Schüler und Studenten haben im vergangenen Jahr finanzielle Hilfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Das waren 47.000 Bafög-Empfänger weniger als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das entspricht einem Rückgang von 6,4 Prozent. Die Zahl der Geförderten ist damit das siebte Jahr in Folge gesunken.
    Vor dem Hintergrund erneut gesunkener Zahlen forderte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von der Bundesregierung eine weitere Bafög-Reform “unmittelbar nach der Sommerpause”. Es brauche eine deutliche Erhöhung der Fördersätze und Freibeträge und eine Umstellung des Bafögs vom Teildarlehen auf einen Vollzuschuss.
    Ähnliche Forderungen kamen vom Deutschen Studentenwerk. Die von der Bundesregierung angekündigte “Trendwende” drohe so auszubleiben, sagte Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. “Wir brauchen beim Bafög nun eine weitere kräftige Steigerung vor allem der Elternfreibeträge, die über die beabsichtigte Erhöhung zum Wintersemester 2020/2021 hinausgeht.” Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte von der Regierung Nachbesserungen. Die letzte Bafög-Reform vor nicht einmal einem Jahr reiche offensichtlich nicht aus. […]
    Der Grünen-Hochschulexperte Kai Gehring sprach indes von einer “Bankrotterklärung” Karliczeks. Das Bafög sei “so kaputt gespart, dass nur noch eine Minderheit der Studierenden Ausbildungsförderung erhält, weil die Elternfreibeträge zu niedrig sind”, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Die Corona-Pandemie verschärfe die Missstände weiter. Nötig sei eine generelle Bafög-Reform mit höheren Fördersätzen.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: “Bankrotterklärung” ist das treffende Wort – oder auch “Ohrfeige für die Studierenden”. Wenn nach der letzten (viel zu späten) Bafög-Reform die Zahl der Bafög-Berechtigten hätte *steigen* sollen, aber stattdessen *gesunken* ist – da fehlen einem irgendwann die Worte. Und der zuständigen Ministerin fällt nur die dumme Ausrede ein, die Elterneinkommen seien wegen der “gute[n] wirtschaftliche[n] Ausgangslage” (auch in der Hinsicht schwebt die Ministerin zusammen mit dem Rest der Union durch ein Paralleluniversum) zu stark gestiegen. Sogar die beschlossenen Peanuts werden nur zu 70% ausgezahlt – klar, in der Rüstung werden mal eben 4,5 Milliarden Euro mehr verbraten, da braucht man die paar hundert Millionen, die man Schülern und Studenten vorenthalten kann. Und warum macht die SPD das alles seit geschlagenen 11 Jahren (drei Große Koalitionen seit 2005) mit? Selbst wenn die SPD hauptsächlich Wert darauf legt, hunderte Milliarden Euro an Steuergeschenken an die großen Kapitalgesellschaften zu verteilen, müssten doch für ein angeblich sozialdemokratische Partei irgendwo ein paar hundert Millionen Euro mehr für die Studierenden aufzutreiben sein. Unerträglich.

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